„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Traditionis Custodes - die neue Atombombe
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- 17. Juli 2021
Von Peter Kwasniewski (übersetzt aus The Remnant vom 16. 7.)
Vor 76 Jahren, am 16. Juli 1945, wurde in einer leeren Wüste 210 Meilen südlich von Los Alamos in Neu Mexiko die erste Atombombe gezündet. Heute, am 16. Juli 2021 hat Papst Franziskus eine Atombombe auf die katholische Kirche abgeworfen. Sie wird nicht nur denen schaden, die „der lateinischen liturgischn Tradition anhängen“, sondern allen, die Kontinuität und Zusammenhang, Ehrfurcht und Schönheit, unser Erbe und unsere Zukunft lieben.
Als ich Traditionis Custodes heute morgen aufschlug, zog ich schon bei dem unerwarteten Titel die Augenbrauen hoch - Traditionis Perditores, Zerstörer der Tradition, wäre weitaus passender gewesen – und mit jedem Absatz nahm meine ungläubige Verwunderung zu. Als ich dann schließlich auch mit dem Begleitbrief fertig war, war ich tief in die ideologische Fantasy-Welt eingetaucht, in der Papst Franziskus und die anderen Feinde der überlieferten Liturgie der Kirche von heute wohnen. Es war, als ob ein junger George Orwell beauftragt worden wäre, diesen Text zu schreiben. Das Dokument trieft vor Herablassung und Herzlosigkeit und es ist entworfen wie ein Schweizer Armee-Messer, um den Bischöfen ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem sie traditions-liebende Katholiken auf jede erdenkliche Weise piesacken und jagen können.
Und der Inhalt sollte sofort in Kraft treten, „alle früheren Vorschriften, Regelungen, Gewohnheiten und Genehmigungen sind hiermit aufgehoben“!
Es ist gerade so, als ob wir es beim Traditionalismus mit einer globalen Pandemie zu tun hätten, die um jeden Preis und mit allen Mitteln aufgehalten werden muß.
Franziskus beendet das Experiment der Tradition?
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- 17. Juli 2021
Erste Überlegungen von Clemens Victor Oldendorf
Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991), Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., fasste wiederholt sein Anliegen formelhaft in der Bitte an die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. zusammen, das Experiment der Tradition machen zu dürfen. Als 2007 Papst Benedikt XVI. mit seinem Motuproprio Summorum Pontificum (SP) zugunsten der liturgischen Tradition initiativ wurde, schien es vielen auf den ersten Blick und auf der rein praktischen Ebene lange so, als habe der Theologenpapst, dem die Liturgie der Kirche stets ein eigenes Anliegen gewesen war und blieb, mit Summorum Pontificum dieses Experiment schlussendlich erlaubt und ermöglicht.
Wem die Freude darüber den Blick für eine strengtheoretische Auseinandersetzung mit dem damaligen Dokument nicht verstellte, dem freilich blieben von Anfang an verschiedene Schwachpunkte, Lücken und selbst Fallstricke nicht verborgen, die jetzt recht unkompliziert und ohne Benedikt XVI. zu widersprechen, dazu hätten führen können, die Freiheit für die überlieferte Römische Liturgie neuerlich rigide einzufrieden. Tatsächlich geht das am 16. Juli 2021 datierte und erschienene Motuproprio Traditionis Custodes (TC) aber noch weit darüber hinaus.
1. ) Während in SP der Ausgangspunkt der Prämisse der einen lex orandi des Ritus Romanus bestand, wovon das MR2002 (und in der Praxis auch die approbierten landessprachlichen Fassungen des MR1975) der ordentliche Ausdruck sein sollte und das MR1962 der außerordentliche (vgl. SP Art. 1), widerspricht dem TC unumwunden, indem es heißt, das Missale Pauls VI. in seiner geltenden Fassung sei der einzige Ausdruck des Römischen Ritus (vgl. TC Art. 1).
Hier rächt sich, dass Benedikt XVI. die Koexistenz zweier Formen eines Ritus dem Nebeneinander zweier Editiones typicae vorgezogen hat.
Jubel bei Deutschkatholens
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- 17. Juli 2021
Nicht nur die grenzenlose Verachtung der apostolischen Tradition - auch die ganze pervertierte „Ekklesiologie“ der neukatholischen Kirchensteuergemeinschaft wird in diesem Artikel in aller dankenswerten Deutlichkeit ausgeführt. Es lebe der Bruch mit der Vergangenheit - wir machen alles neu! Der Text ist Pflichtlektüre für jeden, der wissen will, mit welcher Mentalität die Bewahrer von Liturgie und Lehre der katholischen Kirche konfrontiert sind - die Zeit der (Selbst-)Täuschung ist vorbei.
Erste Kommentierungen
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- 16. Juli 2021
Der zynisch mit Traditiones custodes überschrieben Erlaß von Franziskus zur Aufhebung und Umkehrung von Summorum Pontificum seines Vorgängers ist gerade erst einmal acht Stunden in der Welt. Er hat zwar bereit breite Resonanz in den Medien insbesondere der anglophonen Welt gefunden, viele beschränken sich jedoch - völlig zu Recht - auf eine grobe Einordnung und summarische Inhaltsangabe. Im folgenden verlinken wir einige Links zu Artikeln, die bereits darüber hinausgehende Gedanken oder Einschätzungen enthalten.
Eine sehr umfangreiche Zusammenstellung erster Reaktionen mit aussagekräftigen Zitaten bringt LifeSiteNews: https://www.lifesitenews.com/news/scandal-bomb-cruelty-tradition-loving-catholics-react-to-popes-latin-mass-restrictions
Rorate Caeli versucht sich mit einer ersten Einschätzung der tatsächlichen rechtlichen Implikationen des Dokuments: https://rorate-caeli.blogspot.com/2021/07/article-legal-considerations-on-motu.html
Steve Skojec von OnePeterFive konzentriert sich im Kommentar-Teil seiner ersten Reaktion (2. Hälfte) auf den Klerikalismus und die mißbräuchliche Machtausübung gegenüber den Gläubigen, die er in diesem Dokument ausgedrückt sieht: https://onepeterfive.com/crippled-religion-strikes-again-and-summorum-pontificum-gets-the-axe/
Kath.net beschäftigt sich unter der wenig passenden Überschrift Bei der Piusbruderschaft knallen die Sektkorken im übrigen durchaus zutreffend mit den zu erwartenden Folgen der Maßnahme: https://www.kath.net/news/75767 Kath.net bringt auch zahlreiche interessante Leserzuschriften.
National Catholic Register bringt eine erste lesenswerte Kirchenpolitische einschätzung und lenkt den Blick darauf, daß der neue Erlaß ausschließlich organisationspolitisch und soziologisch argumentiert, ohne sich auf theologische Überlegungen einzulassen: https://www.ncregister.com/commentaries/pope-francis-traditionis-custodes
Michael Matt von The Remnant nimmt eine Generalabrechnung mit der bisherigen Politik von Franziskus vor und entwickelt erste Überlegungen zur Organisation von Widerstand:https://remnantnewspaper.com/web/index.php/articles/item/5472-we-resist-francis-to-his-face-pachamama-pope-anathematizes-latin-mass
Unsere eigene Kommentierung und Analyse wird noch etwas auf sich warten lassen - schließlich haben wir bereits in den vergangenen Wochen wesentliche Elemente der nun getroffenen Regelung prognostiziert und eingeordnet. Insbesondere verweisen wir auf:
- Nicht Athanasius war der Kirchenspalter (14. Juli)
- Eine Rituskirche für die Tradition (von F.N.Otterbeck, 10. Juli)
- Weg vom Ultramontanismus! (von Peter Kwasniewski; 8. Juli)
- 14 Jahre Summorum-Pontificum (7. Juli)
- Rom im Cancel-Rausch (1. Juli)
- Die Feinde von Summorum-pontificum wollen den Krieg (29. Juni)
- Aber Rom schweigt (17. Juni)
- Von Kriegen und Kriegsgerüchten (von Dom Alcuin Reid15. Juni)
- Spaltung und Einheit (10. Juni)
- Was kommt da auf uns zu? - II (4. Juni)
- Was kommt da auf uns zu? (31. Mai)
- "Summorum-Pontificum" vor dem Ende? (25. Mai)
Das will alles erneut gelesen werden, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden und vielleicht auch etwas Neues zu Tage zu fördern.
Kommando rückwärts - 1971
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- 16. Juli 2021
Der Text des neuen Motu-Proprio ist veröffentlicht - hier die englische Version - und er erscheint uns noch hanebüchener, als zuvor von Pessimisten befürchtet - zumindest solange man einem päpstlichen Willkürakt, der um 180 Grad dreht, was der Vorgänger vor 15 Jahren in Anlehnung an die Tradition ebenso feierlich verkündet hat, irgendeine Verbindlichkeit zuerkennen will und kann. Wie zum Hohn trägt das Elaborat den Titel „Traditionis Custodes“ — klar, wenn die Tradition erst 1965 anfängt, ist das noch nicht mal gelogen.
Eine deutschsprachige Inhaltsangabe der 8 Punkte des Papiers ist in Vorbereitung und wird hier alsbald erscheinen, dazu dann Links zu ersten Stellungnahmen.
Die Einleitenden Abschnitte und deren rechtliche Haltbarkeit mögen die Kirchenrechtler beurteilen. Hier die einzelnen Punkte:
1) Die Bücher des NO sind der einzige Ausdruck der "Lex Orandi" des römischen Ritus
2) Es steht alleine dem Diözesanbischof zu, das liturgische Leben seiner Diözese zu bestimmen, und er hat die ausschließliche Zuständigkeit, den Gebrauch des Missales von 1962 zu erlauben.
3) Die Bischöfe, in deren Diözesen bis jetzt Gruppen mit der übelieferten Liturgie bestehen, sollen
a) sicherstellen, daß diese Gruppen Gültigkeit und Rechtmäßigkeit der Liturgiereform nicht bestreiten, wie sie vom 2. Vatikanum auferlegt worden ist;
b) einen oder mehrere Orte bestimmen, an denen sich die Anhänger der alten Liturgie zur Feier versammeln, jedoch nicht in Pfarrkirchen und ohne Errichtung neuer Personalpfarreien;
c) bestimmen, an welchen Tagen dort nach dem Buch von 1962 zelebriert werden kann. Dabei sind die Lesungen in der Volkssprache nach den von der jeweiligen Bischofskonferenz bestimmten Übersetzungen vorzutragen;
d) soll einen Priester als Beauftragten des Bischofs für diese Zelebrationen ernennen. Dieser Priester soll ... von lebendiger pastoraler Hingabe und dem Geist kirchlicher Einheit erfüllt sein;
e) soll keine Gründung neuer solcher Gruppen zulassen;
4) Priester, die ab jetzt geweiht werden, müssen eine formelle Bitte an den zuständigen Bischof richten, wenn sie nach dem Missale von 1962 zelebrieren wollen. Der Bischof muß in jedem Fall eine römische Genehmigung einholen.
5) Priester, die bereits nach dem Missale von 1962 zelebrieren, müssen vom Diözesanbischof die Erlaubnis erbitten, damit fortzufahren.
6) Die ehemaligen Ecclesia-Dei-Gemeinschaften werden der Kompetenz der Ordenskongregation unterstellt.
7) Die Gottesdienstkongregation und die Ordenskongregation sind in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich dafür zuständig, die Einhaltung dieser Vorschriften sicherzustellen.
8) Vorhergehende Normen, Instruktion usw., die diesem entgegenstehen, sind ungültig.
Diese Verfügung tritt ab sofort in Kraft
(Liebevoll [Ergänzung des Übersetzers]) Franziskus
*
Wie sein nun in einem beispiellosen Willkürakt "gecancelter" Vorgänger Benedikt hat Franziskus seinem Erlass einen Begleitbrief beigegeben, der hier in Englisch zu lesen ist. Ebenso wie das Motu Proprio selbst fällt an diesem Dokument die weitestgehende Abwesenheit theologischer Reflexion ins Auge - die Argumentation ist rein kirchen- und machtpolitisch. Soweit man hier überhaupt von „Argumenten“ sprechen kann, werden wir uns in den nächsten Wochen und Monaten damit zu beschäftigen haben. Die generelle Richtung ist bereits heute klar erkennbar: Als Kirche des zweiten Vatikanums soll das, und nur das gelten, was die Hermeneutiker des Bruches aus dessen Dokumenten herausgelesen und hineininterpretiert haben - allen, die etwas anderes sagen, ist unter dem Vorwand, die Einheit zu wahren, die Einheit aufgekündigt.
Hl. Athanasius, bitte für uns.
*
Eine nichtamtliche, aber zweifellos sachkompetente Übersetzung des Motu Proprio durch den Kirchenrechtler Gero Weishaupt bringt kathnews.de.
Was die Tradition heute bewegt
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- 16. Juli 2021
Im Interview mit einem katholischen Radioprogramm (in englischer Sprache) hat sich Weihbischof Athanasius Schneider ausführlich zu der Frage geäußert, was passieren würde, wenn der Vatikan die traditionelle lateinische Messe einschränken würde. LifesiteNews hat am 14. Juli ein Transkript des Interviews gebracht, auf der Website von Pro Missa Tridentina kann man eine deutsche Übersetzung als PDF abrufen. Daraus zentrale Absätze:
Zu der Möglichkeit, daß traditionelle Priester gezwungen würden, eine Novus-Ordo-Messe zu zelebrieren - um der „Einheit" willen, wie manche sagen - und daß einige Priester, zum Beispiel von der Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP), sich weigern könnten, dies zu tun, war sich Bischof Schneider nicht sicher, was der Vatikan dann tun würde. Aber er beharrte darauf, daß die Konzelebration in einem Ritus „niemals eine Voraussetzung" als „Zeichen der Einheit" sei.
„Die Konzelebration war in der ganzen Geschichte der Kirche nie eine Forderung als Zeichen der Einheit mit dem Ortsbischof oder mit dem Papst", sagte er. Hier bezog er sich auf Kleriker aus den Kirchen des östlichen Ritus, deren Priester „bei der Vereinigung mit Rom in den vergangenen Jahrhunderten" nicht aufgefordert wurden, mit dem Heiligen Vater zu konzelebrieren.
Bischof Schneider erläuterte auch, daß die Konzelebration in den vergangenen 1.500 Jahren sehr eingeschränkt und „durch das alte Kirchenrecht verboten" war. Für Priester gab es nur einen einzigen Fall der Konzelebration: Bei ihrer eigenen Priesterweihe konzelebrierten sie mit ihren Bischöfen. Eine solche Verpflichtung zur Konzelebration widerspreche „der ganzen Geschichte der Kirche", sagte Bischof Schneider weiter. Deshalb „wäre es ein Machtmißbrauch, einen Priester zur Konzelebration zu zwingen".
Bischof Schneider äußerte sich auch zum Status der Priesterbruderschaft des hl. Pius X., bei der sich möglicherweise im Zuge der anstehenden Einschränkungen Priester aus anderen Gemeinschaften um Aufnahme bewerben könnten. Dazu führte Bischof Schneider aus: