„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
Themen und Meldungen:
Rückkehr des vor-pianischen Triduums
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- 20. April 2021
Auch in diesem Jahr sind wieder in mehreren traditionsorientierten Gemeinden in den USA die Liturgien des Triduum nach der authentischen Form des römischen Ritus, d.h. in der Form vor den einschneidenden Veränderungen von 1951/55, gefeiert worden. Während in der Vergangenheit die Petrusbruderschaft und das Institut Christus König und Hoherpriester von der Glaubenskongregation eine Genehmigung für die Verwendung der Bücher von 1950 erbeten und erhalten haben, wurde in diesem Jahr von der Kongregation signalisiert, daß eine solche Sondergenhmigung nicht erforderlich sei. Peter Kwasniewski knüpft dazu in einem ausführlicheren Artikel zum Thema bemerkenswerte Überlegungen zur rechtlichen Situation an, die wir hier übersetzt wiedergeben:
Manchmal stellen uns Leute die Frage, wieso wir annehmen, daß es ohne Weiteres erlaubt ist, nach den Riten von vor 1955 zu zelebrieren. Die Antwort ist – um es prägnant auszudrücken – daß man wissen muß, die „Zeichen der Zeit“ zu deuten, wie uns bekanntlich das letzte Konzil aufgetragen hat. So hat zum Beispiel drei Jahre lang die Glaubenskongregation der Petrusbruderschaft und dem ICKSP die Erlaubnis erteilt, nach den Büchern von vor 1955 zu verfahren. In diesem Jahr gab es keine Erlaubnis – nicht, weil die Kongregation sie abgelehnt hätte, sondern weil die Glaubenskongregation sich nicht mehr mit Detailregelungen für diesen Bereich befassen will. In dem gedruckten Ordo für das Jahr 2021 (natürlich auf Latein verfaßt, der unübertrefflichen Geheimsprache unserer Tage) gibt es zahlreiche Elemente aus den Gebräuchen von vor 1955, und zwar ohne jede weitere Erklärung oder Erläuterung. Man kann das auch an der Art der Antworten ablesen, die in den letzten Jahren auf individuelle Anfragen erteilt worden sind, man kann das daran sehen, daß in Santissima Trinità die Pellegrini (der Pfarrkiche der Petrusbruderschaft) in Rom, die gerade mal einen Steinwurf vom Vatikan entfernt ist, die vor-55-er Zeremonien schon seit Jahren gefeiert werden, auch von Bischöfen und Kardinälen. Natürlich weiß der Vatikan um diese Dinge und läßt sie geschehen – einige Offizielle sympathisieren damit oder unterstützen das, andere befürchten eine schlechte Presse oder Auseinandersetzungen, wenn sie eingreifen wollten.
So kamen in diesem Jahr mehr Priester und Gläubige in der ganzen Welt in den Genuß der Reichtümer und des Glanzes der Riten von vor 1955, und wir können sicher davon ausgehen, daß diejenigen, die das erlebt haben, nicht mehr zurückgehen wollen.
Nochmal „Chinesisches“
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- 17. April 2021
Die Themen des am Donnerstag hier behandelten Artikels des amerikanischen Jesuiten Reese lassen uns nicht los – aus zwei Gründen. Zum einen müssen wir unsere Einschätzung korrigieren, bei der Plattform, die Reeses Artikel veröffentlicht hat, handle es sich um ein „Selbstverständigungsorgan der amerikanischen Linkskatholiken“. Das mag auf die Jesuitenzeitschrift „America“ zutreffen, die Reese lange Jahre als Chefredakteur geleitet hat. Aber nicht auf den „ReligionNewsService“, in dem wir seinen Artikel gelesen haben. Der RNS ist keine katholische Einrichtung, sondern eine ihrer Selbstbeschreibung nach unabhängige Informationsplattform zu Religionsthemen, die weit über den christlichen Bereich hinausgreift. Vorstand und Beirat bestehen in erster Linie aus mehr oder weniger prominenten Journalisten/Medienleuten, die sich mit religiösen Gegenständen befassen; nur wenige davon sind Geistliche oder wissenschaftliche Theologen. In Leitungsgremien und Redaktion sind Angehörige fast aller größeren in den USA vertretenen Religionen vertreten – neben Christen vieler Denominationen auch Hindus, traditionsorientierte und „progressive“ Moslems ebenso wie mehrheitlich progressive Juden, dazu eher weniger als mehr religiös eingefärbte „social justice warriors“ - alles, was man von linksliberal bis linksradikal erwarten kann. Reese ist einer von 10 ständigen Kolumnisten der Plattform. Von „katholisch“, selbst „linkskatholisch“, ist in diesem Umfeld wenig zu spüren – vielleicht passt deshalb der Jesuit Reese so gut hinein.
Umso erstaunlicher erscheint es, daß von den etwa 200 Leserzuschriften, die bis Freitag Nachmittag auf den Artikel Reeses eingegangen waren, keine 5 den Jesuiten unterstützen. Heftige Ablehnung, nicht immer sachlich sehr fundiert, aber stets in eindeutig katholischer Perspektive vorgetragen, dominiert. Ironie und Sarkasmus sind nicht selten. Einige Zuschreiber merken an, als Schutzraum für aus der Zeit gefallene Ältere wie den Autor müsse man künftig wohl eher den Novus Ordo betrachten. Andere üben durchaus fundierte Kritik an einzelnen Aussagen Reeses, viele nehmen Anstoß an dem unverhüllt bevormundenden und autoritären Gestus seines Artikels. Im unübertrefflichen Amerikanisch eines Beitrags: „The author goes full soviet“, und eines anderen: „Thomas Reese wants the bishops to be like the Gestapo“. Generell wird die Intervention des Jesuiten als Ausdruck der Panik eines Reformers wahrgenommen, der erkennen muß, daß alles, wofür er sich ein Leben lang eingesetzt hat, zusammenbricht – und der sich nun mit Händen und Füßen dagegen sträubt, diese Wahrnehmung zuzulassen. Vielfach wird in den Zuschriften „jesuitisch“ gleichgesetzt mit „häretisch“, und mehrfach wird die Auflösung der Gemeinschaft gefordert. Trotz des zuweilen scharfen Tones der Äußerungen wecken nur zwei oder drei den Verdacht, aus sedisvakantistischer oder genuin schismatischer Ecke zu kommen – ansonsten äußert sich dort das ganz normale Spektrum des der Tradition verbundenen katholischen Laienvolkes zwischen Pius und Petrus.
Derlei zu lesen bereitet schon eine gewisse Genugtuung, und es wäre zu wünschen, daß die Heißluftproduzenten aus der deutschen Jesuitenprovinz mal zur Kenntnis nehmen würden, was ganz normale katholische Gläubige von ihnen und ihren fein gesponnenen Plänen halten.
Der zweite Grund, auf Reeses Beitrag zurückzukommen, ist inhaltlicher Art.
Eine chinesische Lösung?
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- 15. April 2021
Die Kreativität von Jesuiten bei der Produktion von Schnapsideen ist zwar nicht beneidens-, aber doch staunenenswert. Der in progressiven US-Kreisen einflußreiche Journalist, Autor, und ja, auch Jesuit Thomas J. Reese ist jetzt in einem Selbstverständigungsorgan der amerikanischen Linkskatholiken mit eiinigen bemerkenswerten Vorschlägen zum „mainstreaming“ der Konzilskirche auffällig geworden. Dazu will Reese – wo denn auch sonst – bei der Liturgie ansetzen. Ihre „Inkulturation“ in die unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Umfelder soll vertieft und dem lähmenden Einfluß der römischen Zentrale entzogen werden. Jeder Diözese, womöglich jeder Pfarrei, ihre eigene Liturgie! Reese schreibt:
Bischofskonferenzen sollten darüber diskutieren ob neue liturgische Dienste benötigt werden und wer zu ihrer Ausübung zu berufen ist. Kann liturgische Tätigkeit von administrativer Tätigkeit getrennt werden. Müsse alle liturgischen Vorsteher männliche, zölibatäre und in Vollzeit beschäftigte Angestellte sein? Sollen Diakone oder Laien die Krankensalbung spenden oder Beichte hören können. Diesen Fragen müssen wir uns in Zeiten sinkender Priesterzahlen stellen.“
Man sieht, das Inkulturationsverständnis des hochwürdigen Herrn Reese ist ziemlich ausgreifend. Es hat nur eine Grenze, kennt nur ein Tabu: Die überlieferte Kultur und Liturgie der Kirche.
Nach der paulinischen Reform der Liturgie war erwartet worden, daß die „Tridentinische“ oder Lateinische Messe aussterben würde. Bischöfe erhielten die Autorität, sie in ihren Diözesen zu verbieten – aber einige Leute klammerten sich bis ans Schisma an die alte Liturgie. Benedikt hat den Bischöfen diese Autorität genommen und erlaubt, daß jeder Priester wann immer ihm danach ist die Tridentinische Messe feiern kann. Es ist an der Zeit, den Bischöfen die Autorität über die tridentinische litrugie in ihren Diözesen zurückzugeben. Die Kirche muß deutlich machen, daß sie wünscht, daß die unreformierte Liturgie verschwindet und nur noch aus pastoraler Rücksicht für alte Leute erlaubt ist, die unfähig sind, die Notwendigkeit der Veränderung zu begreifen. Kindern und jungen Leuten sollte der Besuch solcher Messen verboten sein.“
Kein Wunder, daß angesichts solcher rabiater und von Menschenverachtung triefender Wunschvorstellungen ein katholische Publizist wie der britische Diakon Nick Donelly einen naheliegenden Vergleich zieht: „Es scheint, daß die Jesuiten hier wohl eine Seite aus den Regieanweisungen der Kommunistischen Partei Chinas übernommen haben, die ebenfalls jungen Katholiken den Messbesucxh verbietet.“ Quelle.
Präfation und Hochgebet
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- 13. April 2021
Stellung und Bedeutung der Praefation in der römischen Liturgie haben sich im Lauf der liturgiegeschichtlichen Entwicklung mehrfach gewandelt, ohne doch ihre grundlegende Funktion zu verlieren: Das mit dem Aufruf „sursum corda“ beginnenden Gebet markiert den Übergang vom Wortgottesdienst zur eigentlichen Eucharistiefeier. Ursprünglich, d.h. soweit uns diese Ursprünge noch fassbar sind, handelte es sich dabei wohl um ein einziges großes Gebet, das die Danksagung für die von Gott empfangenen Wohltaten und das erneuernde Gedächtnis der größten dieser Wohltaten, nämlich des Erlösungsopfers am Kreuz, in sich vereinigte. In dieser Form begegnet uns ein Präfation und Wandlungsgebete zusammenschließendes Hochgebet bereits in der Traditio Apostolica des Hippolytos, die auf das zweite Jahrhundert zurückgeht. Die Problematik dieses Textes, der sehr wahrscheinlich nur eine als „Muster“ dargebotene Paraphrase in dieser Zeit üblicher Gebetsweise darstellt, kann hier nicht behandelt werden. Der von den Liturgiereformern erhobene Anspruch, darin ein authentisches Hochgebet der frühesten Zeit vorgefunden und im sog „2. Hochgebet“ des NO wieder für die Gegenwart erschlossen zu haben, steht jedenfalls auf schwachen Füßen.
Für die allgemeine Liturgieentwicklung stehen hier zwei andere Elemente im Vordergrund: Zum einen, daß dieser Text eine einheitliche Gestalt des Hochgebetes vermuten läßt – der später als „Präfation“ wahrgenommene Teil und die folgenden Gebete bilden eine Einheit, die noch nicht durch Sanctus und Benedictus voneinander abgesetzt sind. Auch die Vorstellung, daß die Gebete um die „Wandlung“ als heiligster Bezirk alleine dem Priester vorbehalten sein müßten, war noch nicht ausgebildet. Das zweite bemerkenswerte Element ist, daß mit dem nach dem sursum corda folgenden „gratias agamus“ eine Formel aufgegriffen wird, die bereits bei jüdischen rituellen Gemeinschaftsmählern das Ende des eigentlichen Mahles und den Übergang zum Dankgebet mit dem „dritten Kelch“ markierte. Diese Markierung, die insbesondere im Lukasevangelium (22,17-18) deutlich ausgebildet ist, wurde offensichtlich auch dann beibehalten, als die in Verbindung mit der Eucharistierfeier begangenen Agapen zurückgedrängt oder ganz aufgegeben worden waren. Im übrigen wurde in den jüdischen rituellen Mählern auch der bereits vor dem Aufruf zur Danksagung liegende Teil von Vorträgen aus der Schrift begleitet – insoweit blieb eine Erinnerung an den alten Brauch erhalten.
Seit dem 4. Jahrhundert erfolgte unter fränkischem Einfluß durch das vom Volk gesungene (und heiß geliebte) „sanctus“ eine zunehmende Abtrennung der „Präfation“ von den folgenden Teilen des Hochgebets, die dann auch immer stärker als allein dem Priester zugehörig empfunden wurden – was schließlich zur Ausbildung der Canonstille beitrug.
Una-Voce Korrespondenz 2020
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- 10. April 2021
Die neuen Präfationen - ein wertvoller Zugewinn für die überlieferte Liturgie
Die vor einem Jahr neu für die Verwendung im überlieferten Ritus zugelassenen Präfationen (auf Summorum-Pontificum gemeldet hier mit Links auf weitere Informationen) haben bislang – über die kirchenpolitische Bedeutung dieser Zulassung hinaus – wenig Beachtung gefunden. Das nicht zuletzt deshalb, weil sie als „Übernahmen aus dem Missale von 1969“ deklariert worden sind und von daher auf das verbreitete und durchaus berechtigte Mißtrauen stoßen, das seitens der Tradition allem begegnet, was mit dem Ergebnis der Bugnini-Reformen zu tun hat. Allerdings sind nur zwei der Neuzulassungen tatsächlich Neuschöpfungen, die anderen gehen weitestgehend wörtlich auf altehrwürdige Vorbilder aus dem reichen Präfationenschatz der Tradition zurück, und die vier der neogallikanischen Tradition des 18. Jh. entstammenden Texte waren auch bisher schon (mit besonderer Genehmigung) in frankophonen Gemeinden der Tradition in Gebrauch. Für zwei davon liegen jetzt ausführliche Besprechungen von Heinz-Lothar Barth vor: Für die Präfation vom allerheiligsten Altarsakrament in Una-Voce Korrespondenz 2 des Jahres 2020 und für die Präfation von allen Heiligen und Patronen in der soeben erschienenen Doppelnummer 3 + 4 des gleichen Jahres.
Diese Besprechungen beschränken sich bei weitem nicht auf eine texthistorische Einordnung oder philologische Analyse der neu für die Verwendung mit dem Missale von 1962 zugelassenen Texte, sondern zielen darauf ab, den ganzen theologischen Reichtum der in ihren formelhaft verknappten Wendungen ausgedrückten Glaubenswahrheiten und Traditionen zu umreißen. Beide sind somit auf den Umfang von wenigen Seiten (25 bzw. 35) reduzierte Einführungen in den jeweiligen Gegenstand „Altarsakrament“ und „Heiligenlehre“ und dessen Beziehung zum Heilsgeschehen im Messopfer. Mit zahlreichen Bezügen auf in den Texten der Präfationen zitierte oder assoziierte Passagen der heiligen Schrift zeichnet Barth so ein eindrucksvolles Bild des vieldimensionalen „Glaubensgewebes“, das in der überlieferten Liturgie im Lauf vieler Jahrhunderte gewachsen ist und das in der Reformliturgie des 20. Jahrhunderts selbst da oft kaum noch zu erkennen ist, wo traditionelle Texte ganz oder teilweise übernommen worden sind.
Im Beitrag über die Präfation vom allerheiligsten Altarssakrament hebt der Autor beispielsweise mit besonderem Nachdruck die Elemente hervor, die das in der hl. Messe wieder und wieder vergegenwärtigte Kreuzesopfer mit dem Opferkult des alten Testamentes verbinden oder auch es davon unterscheiden. Dabei hält er sich nicht mit Kritik daran zurück, daß die moderne/modernistische Bibelwissenschaft das typologische Denken, von dem aus die oft schwer verständlichen Berichte des AT vielfach erst ihren Sinn erhalten, praktisch aufgegeben und sogar als unzulässig abgelehnt hat. Im Ergebnis hängen dann zentrale Aussagen beider Testamente quasi in der Luft und das Verständnis für die Opfertheologie der Kirche bleibt oberflächlich oder wird sogar fehlerhaft. Für jeden, der sein Verständnis vom Geschehen im heiligen Meßopfer vertiefen und rational erklären will, worin die oft mehr gefühlsmäßig wahrgenommenen Defekte der Reformliturgie begründet sind, ist dieser Beitrag Barths quasi als Pflichtlektüre zu empfehlen.
Das Gleiche kann man auch von dem zweiten nun erschienene Beitrag über die Präfation von den Heiligen und Patronen sagen.
Ostern im alten Ritus - vor 1955
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- 06. April 2021
Als Lektüreempfehlung für die Karwoche hatten wir auf die umfangreiche Kritik László Dobszays an den bereits 1955 ganz im Geist der späteren Liturgiereform tiefgreifend veränderten Liturgien vom Palmsonntag bis Ostern verwiesen. Das Institut Christus König und Hoherpriester sowie einige andere Gruppierungen feiern mit Erlaubnis der Gottesdienstkongregation die österlichen Liturgien im „unreformierten“ Ritus aus dem Missale der Jahre vor 1955. Peter Kwasniewski hatte in den letzten Jahren erstmal die Gelegenheit, an dieser Liturgie teilzunehmen und hat seine Erfahrungen und Einsichten in einem ausführlichen Berricht für OnePeterFive zusammengefasst.
Eine Schwerpunkte dieses Berichtes liegt auf den in der Tradition am Karfreitung und in der Osternacht gefeierten Sonderformen der Meßliturgie: Zum einen die missa praesanctificatorum am Karfreitag, die tatsächlich eher einen Wortgottesdienst als eine vollständige Messfeier darstellt. Es gibt keine Wandlung, und ausschließlich der Priester kommuniziert in der consumptio die bereits am Vortage konsekrierten Hostie. Dann die Vigilmesse der Osternacht, die im Gegensatz zum Wortgottesdienst gleich eine dreifache Konsekration in einer harmonischen Einheit zusammenschließt, die in sich das ganze Geheimnis dieser Nacht umfassen: Nach der Segnung (nicht Weihe) des Osterfeuers außerhalb der Kirche erfolgt zunächst die Konsekration der Osterkerze mit dem seinem Wortlaut und Charakter entsprechend als Weihepräfation – und nicht nur als bloßes Preisgebet – gesungenen Exsultet und dann die ebenso feierliche Konsekration des Taufwassers. In der dazu stattfindenden Prozession vom Altarraum zum Taufbecken zieht die soeben feierlich geweihte Osterkerze dem Zug der Kleriker voraus wie Christus in der Wolken- und Flammensäule dem Volk Israel beim Auszug aus Ägypten – dessen wunderbare Geschichte zuvor in den 12 Prophetien verkündet worden war. Schon bald danach und immer wieder ist das auserwählte Volk in die Irre gegangen. Mit Christus und in der Osterkerze erhält das Taufwasser die sakramentale Kraft, die Ursünde abzuwaschen und dem Volk des neuen Bundes den Weg zum ewigen Heil zu erschließen. In der dritten Konsekration des Brotes und des Weines wiederholt und vergegenwärtigt sich dann das immerwährende Opfer Christi vor dem Vater, das allen Sakramenten ihre Wirkung verleiht und das Versprechen einlöst: Seht ich bleibe bei euch bis ans Ende der Tage.
Daß diese Vigilmesse in ihrer traditionellen Form auch sonst von „Irregularitäten“ gekennzeichnet ist – keine Antiphonen zum Offertorium und der Kommunion, kein Agnus Dei, stattdessen eine verkürzte Vesper mit dem Magnificat – unterstreicht das Außergewöhnliche dieser Feier zu diesem Zeitpunkt. Das alles sind keine „Irregularitäten“, die im Sinne moderner Ordnungsvorstellungen beseitigt werden müssen, sondern Stolpersteine, die unübersehbar signalisieren: Dies ist der Tag, dies ist die Nacht...
Die pianische Reform von 1955, an der Hannibale Bugnini, wenn auch in eher untergeordneter Funktion, bereits mitwirkte, hat genau diese modernen Ordnungsvorstellungen gegenüber der organisch gewachsenen Liturgie zur Geltung gebracht und dabei wichtige innere Zusammenhänge aufgelöst und unkenntlich gemacht. Die „Vollendung“ der Reform 1969 hat zwar einige Überspitzungen des ersten Reformschrittes – etwa bei der Zahl der Lesungen – zurückgenommen, insgesamt aber den inneren Zusammenhang noch weiter zerstört. Treibendes Motiv bei alledem dürfte des Neo-Dogma von der „Gemeindemesse“ gewesen sein, das liturgische Vollzüge nur insoweit als legitim anerkennen will, als sie (wie man glaubt und gegen jeden Augenschein unerschütterlich behauptet) von jedermann mitgemacht, mitvollzogen und verstanden werden können.