Frage: „Wozu sind wir auf Erden?“
Antwort: „Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben.“
Frage Nr. 1 aus dem „Grünen Schulkatechismus“ von 1955
Themen und Meldungen:
Barmherzigkeit in Texas II
- Details
- 22. März 2017
Und hier eine außerordentlich erfreuliche Nachricht: Die aus einer anglikanischen/episkopalen Gemeinde hervorgegangene Pfarrei „Our Lady of the Atonement“ im texanischen San Antonio ist seit gestern Teil des Personalordinariates vom Stuhl Petri – also des Ordinariats für die auf der Grundlage von Papst Benedikts Anglicanorum Coetibus aus der anglikanischen Tradition gekommenen Katholiken Nordamerikas. Pfarrer der Gemeinde ist wieder und weiterhin Rev. Christopher Phillips, der die Gemeinde 1983 – damals noch auf der Grundlage der unter Papst Johannes Paul II. erlassenen Pastoral Provision – begründet hatte.
Damit endet ein bizarres Intermezzo, über das wir hier am 27. Januar berichtet hatten: Unmittelbar nach seinem Amtsantritt hatte der neue Ortsbischof von San Antonio Pfarrer Phillips in die Wüste geschickt und dessen Nachfolger Maßnahmen ergreifen lassen, um die Pfarrei vollständig in das Novus-Ordo-Umfeld des Bistums zu integrieren. Es gab die üblichen Proteste, aber die meisten Beobachter, uns eingeschlossen, hatten wenig Hoffnung, daß diese Maßnahmen zurückgenommen werden könnten.
Genau das ist jetzt aber geschehen. Auf Veranlassung der Glaubenskongregation, bei der Rev. Phillips Rekurs eingelegt hatte, und mit Zustimmung des Papstes ist eine Direktive des Heiligen Stuhles ergangen, die sämtliche in Nordamerika auf der Grundlage der Pastoral Provision errichteten Gemeinden in das Ordinariat überführt. Inwieweit es da außer San Antonio noch weitere Streitfälle gab, ist uns nicht bekannt, und es ist durchaus möglich, daß es in San Antonio oder anderswo noch Auseinandersetzungen um die stets leidigen Vermögensfragen gibt. Die Grundsatzentscheidung ist jedoch gefallen, und wie es aussieht in einer Weise, die den mühsamen Start der anglikanischen Ordinariate erleichtern dürfte.
Personalprälatur zum Zweiten
- Details
- 21. März 2017
Nachdem erste konkrete Gerüchte über die unmittelbar bevorstehende Rekonziliation der Piusbruderschaft und den Erwerb einer römischen Liegenschaft sich als verfrüht bzw. als Irrtum herausgestellt haben, gibt es jetzt – zurückgehend auf den Vaticanista Tosatti – eine zweite, verbesserte Version. Der Abschluß einer Übereinkunft wäre danach nur noch eine Sache der Unterschriften, und auch ein neuer Ort für den Sitz der zukünftigen Personalprälatur wird genannt: Nicht die zunächst genannte Kirche Santa Maria Immacolata all‘Esquilino, sondern die gerade einmal 1 km entfernte neoromanische Kirche Santa Maria Immaculata e San Benedetto Giuseppe Labre an der Via Taranto im tuskulanischen Stadtbezirk.
Zur Kirche gehört ebenfalls ein umfangreicher Gebäudekomplex, der früher von einer Schwesterngemeinschaft als Schule mit Internat und als Konvent genutzt wurde. Die Kirche untersteht heute der Diözese Rom und ist der Pfarrei Santi Fabiano e Venanzio angeschlossen, die dort Gottesdienste für Angehörige von ausländischen Gemeinden mehrerer Kontinente feiert; das restliche Gebäude ist ganz oder großenteils ungenutzt. Von daher erscheinen die Voraussetzungen für Erwerb und Nutzung des Komplexes durch die Bruderschaft deutlich besser als bei der zuvor genannten Variante auf dem Esquilin.
Nun ist abzuwarten, ob die Übereinkunft zur Errichtung der Personalprälatur tatsächlich nur noch einen Schritt entfernt ist, wie Tosatti ankündigt – oder ob sich auch diese Meldung als voreilig herausstellen wird. Über alles weitere wird nachzudenken sein, wenn das Abkommen tatsächlich unterzeichnet ist.
Una Voce Korrespondenz 2017-I
- Details
- 20. März 2017
Die soeben erschienene 1. Ausgabe des Jahrgang 2017 der Una Voce Korrespondenz hat einen eher ungewöhnlichen Schwerpunkt: In zwei Beiträgen stellt mit Bischofsvikar Serovpe Vartabed Isakhanyan ein Vertreter der armenischen apostolischen Kirche (also des nicht mit Rom in Einheit stehenden Zweiges) die Geschichte seiner Kirche und die wesentlichen Elemente ihrer Liturgie vor. Als dritter Text wird eine Übersetzung des armenischen Mess-Ordos einschließlich der Rubriken geboten – allerdings sind einige Hymnen abgekürzt. Damit präsentiert diese Ausgabe nicht nur wie gewohnt das Thema „Liturgie“, sondern hat auch eine hervorgehobene ökumenische Orientierung. Das ist im konkreten Fall umso bemerkenswerter, als die Armenisch-Apostolischen nicht nur – wie die Byzantiner – den Primat des Papstes ablehnen, sondern sich als Vor-Chalzedonier in Ihrer Christologie sowohl von Byzantinern als auch von Römern unterscheiden. Damit sind weit über ein Jahrtausend lang leidenschaftlich umstrittene Fragen angesprochen.
Daran anknüpfend behandelt Lutz Sperling im Wesentlichen an Leo Scheffczyk anschließend den Inhalt, die geschichtliche Entwicklung und das heutige Verständnis des Begriffes der Substantiation, dem die Armenier – ausweislich des hier vorliegenden Beitrages von Sperling – zwar nicht widersprechen, den sie in seiner Bestimmtheit aber auch nicht teilen. Eine zentrale Rolle nimmt für Sperling dabei der Prozess gegen den „Transsubstantionsleugner-“ Galilei ein, den er im Zusammenhang mit den innerkirchlichen Auseinandersetzungen des Jahres 1632 um Papst Urban VIII. behandelt. Urban VIII. war wegen seiner faktisch in einigen Punkten den protestantischen Schwedenkönig Gustav Adolf begünstigenden Politik schwer unter Druck geraten – bis hin zu Gerüchten über Mordpläne und Drohungen mit einem Schisma.
Die von Sperling dargestellten Einzelheiten können hier nicht ansatzweise berührt werden – weder in den historischen noch in den theologischen Implikationen. Wichtig erscheint ein anderer Aspekt: Die Ausführungen Sperlings zu diesem Thema erscheinen als lebhafte Illustration eines Sachverhalts, den der Armenier Isakhanyan folgendermaßen anspricht:
Wie wir gesehen haben, sind im Laufe der Geschichte verschiedene Unterschiede zwischen den Kirchen entstanden, deren Ursache jedoch weder Christus noch die heilige Schrift sind. Eroberungspolitische Gründe, die Nationalbilder der Völker, ihr Bestreben nach Freiheit sind wichtige Gründe, die die Spaltung und Entstehung verschiedener Kirchen erklären“.
Die historische Entwicklung der Dogmen wäre demnach nicht allein auf einen Prozess geistgeführter abstrakter Wahrheitssuche und -findung zu reduzieren. Eine Aussage von erheblicher Sprengkraft.
Isakhanyan bietet auch einen Ausweg an, um diese Sprengkraft zu entschärfen, wenn er als Formel für das Erreichen einer „geistlichen und praktischen Einheit der Kirche Christi“ anbietet: „Einheit in allem Notwendigen, Freiheit in allem Zweifelhafte, Liebe in Allem“.
Das ist auf jeden Fall hilfreicher als die wohl nur wegen ihrer Inhaltslosigkeit so beliebte Phrase von der „versöhnten Verschiedenheit“ – wirft andererseits aber erneut schwer zu beantwortende Fragen auf: Was ist „notwendig“? Was soll als „zweifelhaft“ gelten? Und warum?
Spannende Fragen, die in der vorliegenden Ausgabe der UVK natürlich keinesfalls beantwortet werden – aber es gibt Denkanstöße.
Weitere Beiträge der Ausgabe bieten Überlegungen zur Entweltlichung der Kirche (Thorsten Paprotny) und aktuelle Tendenzen zur Aushöhlung des Glaubens an die Unsterblichkeit der Menschlichen Seele (Norbert Clasen). Darauf wird noch zurückzukommen sein.
Zu bekommen - am besten im Abonnement – ist die UVK über die Website der deutschen Una Voce.
Die 11. Woche
- Details
- 18. März 2017
Die Woche begann schlecht mit der Nachricht aus Brüssel, daß Erzbischof Kardinal de Kesel die seit 2001 im Bistum wirkenden glaubenstreuen „Gemeinschaften von Jerusalem“ aus der Diözese gedrängt hat: sie passten nicht mehr in das neue pastorale Konzept. Auch das Priesterseminar der Jerusalemer, an dem unter anderem junge Männer aus Frankreich studierten, die sich die vom Glaubenszerfall betroffenen Seminare ihres Heimatlandes nicht antun wollten, muß weichen: Das sei „unsolidarisch“ gegenüber den französischen Bistümern, wo vielfach Priestermangel herrsche. Wie kommt‘s wohl?
Die nächste schlechte Nachricht kam dann wie so oft in letzter Zeit aus Rom, wo erstmals anglikanische Amtsträger eine anglikanische Vesper im Petersdom feierten – als ob es in Rom nicht genügend Kirchen gäbe. Anderswo wäre freilich die Tatsache nicht genügend sichtbar geworden, daß als Lektorin für die erste Lesung Großbritanniens Botschafterin Sally Axworthy amtierte – Politik ist alles.
Das gilt ganz besonders natürlich in Deutschland, wo die Bischofskonferenz, die zu grundlegenden Glaubenslehren eher selten etwas Eindeutiges zu sagen weiß, zum Abschluß ihrer Frühjahrskonferenz mit aller Entschiedenheit verlautbarte, es sei mit dem christlichen Glauben unvereinbar, AFD zu wählen. (S. dazu auch Stellungnahme Prof. Ginderts vom Forum Deutscher Katholiken).
Wie sehr sich die Deutschkatholiken auf den herrschenden Zeitgeist festgelegt haben, demonstrierten ihre Repräsentanten dann auf ihrer „Jahrestagung Illegalität“, wo Positionen übernommen wurden, die vor zwei oder drei Jahren noch ausschließlich auf den Spruchbändern des schwarzen Blocks bei Demonstrationen linksradikaler Revolutionäre zu lesen waren, inzwischen aber unter einer CDU-Kanzlerin Regierungslinie geworden sind.
Die Unterwerfung unter dominierende Ansichten im gesellschaftspolitischen Bereich ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite wird dadurch gekennzeichnet, daß diese Helden der Selbstaufgabe in dem Maß von spezifisch katholischen, ja sogar von allgemein christlichen Positionen abrücken, wie diese dem säkularisierten Bewußtsein unbequem oder schlichtweg irrelevant geworden sind. Eine besonders unappetitliche Mischung dieser beiden Elemente ist dieser Tage an einer offiziösen Reaktion auf die Behandlung des Themas „Ostern“ beim Discounter Aldi-Süd sichtbar geworden.
Wir hätten auch nie gedacht, daß dieser Einzelhandelskonzern auf unserer Seite jemals eine Rolle spielen würde – aber so ist es nun mal gekommen. Denn: Die Leute von Aldi haben im Netz und auf einem in den Filialen auf Papier ausliegenden Heftchen (hier das PDF) versucht, ihren Kunden zu erklären, was es mit Ostern auf sich hat – und dabei gehen sie weitaus mehr in die Tiefe, als unsereins das erwartet hätte. Leseprobe:
Ostern feiern Christen auf der ganzen Welt jedes Jahr die Auferstehung von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Es ist das wichtigste Fest der christlichen Kirche – sogar noch wichtiger als das Weihnachtsfest. In den Tagen rund um das Osterfest – Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag und Ostermontag – finden deshalb auch besondere Gottesdienste in den Kirchengemeinden statt.
Und später:
Nachdem römische Soldaten Jesus gefangen genommen hatten, wurde er von Pilatus, dem mächtigsten Mann der Stadt, zum Tode am Kreuz verurteilt. Sein schweres Kreuz musste Jesus selbst auf den Berg tragen, auf dem er wenig später gekreuzigt wurde und starb. … Freunde und seine Mutter holten Jesus vom Kreuz, wickelten ihn in Tücher und legten seinen Körper in eine Höhle. Den Eingang der Höhle verschlossen sie mit einem großen Felsen. Als einige Frauen am Ostersonntag nach dem Grab schauen wollten, sahen sie, dass der Fels zur Seite gerollt und das Grab leer war. Plötzlich erschien ihnen ein Engel und erzählte von Jesus Auferstehung. Diese Auferstehung Christi von den Toten wird am Ostersonntag gefeiert.
Gut – nicht alles in dem Flyer ist so perfekt formuliert, daß eine der überlieferten Liturgie und Lehre treue Gemeinde ihn unbedingt auslegen müßte – aber inhaltlich bietet er eher mehr als weniger als etwa das „Kirche+Leben Lexikon“ des Bistums Münster.
Das ist natürlich nicht nur aus Gründen des „Markenschutzes“ für die Vertreter der Deutschkatholischen Kirche GmbH schwer erträglich. Einen Vertreter des mittleren Managements, Johannes Sabel, Leiter des Katholischen Bildungswerks Bonn, hat das so aufgeregt, daß er auf der Seite bonner-muenster.de einen wütenden Rundumschlag gepostet hat: Er kritisiert nicht nur – worüber man ja noch diskutieren könnte – daß das Handelsunternehmen mit werblicher Absicht den „Markt der Sinnanbieter“ betreten habe - ja was denn sonst? Er betet auch die ganze linksgrüne Litanei herunter von „fragwürdigen Arbeitsbedingungen“, „ausbeuterischer Dumpingproduktion“ und anderen Versatzstücken des zeitgeistigen Phrasenhandels. Oder dürfen nur vollendete Heilige vom Glauben sprechen - und wer beglaubigt das?
Am schönsten aber ist die Inhaltsbestimmung von Ostern, die der Katholische Bildungswerks-Leiter Sabel der Discounter-Broschüre entgegensetzt:
...dass wir im Tod Jesu gerade die ungerecht Leidenden erinnern und mit der Auferstehung eine Hoffnung verbunden ist, die für die Menschen eintritt, die unter Verhältnissen leiden, die ein Discounter wie ALDI wenn nicht erzeugt, so doch stützt...
Statt kindgemäßer Nacherzählung des Evangeliums ein Kurzreferat der Befreiungstheologie!
Jetzt warten wir nur noch darauf, daß Aldi-Süd mit seiner Broschüre unter Beschuß gerät, weil diese sich unsensibel gegenüber den religiösen Überzeugungen des moslemischen Kundensegments verhalte und dem „eine Welt – eine Religion“-Gedanken zuwider handle.
Tatsächlich stehen die Chancen nicht schlecht, daß einige Moslems, aber auch viele Kinder, die nur den kirchlichen Religionsunterricht besuchen, aus der bösen Broschüre vom bösen Aldi mehr über den christlichen Glauben erfahren könnten, als ihnen die Kirchen-GmbH jemals verraten wollte.
Der hl. Longinus
- Details
- 17. März 2017
Am Mittwoch, den 15. März, versäumten wir den Blick ins Martyrologium der alten Ordnung. Das ist schade, weil dieser Tag eine lange Liste von Märtyrern aus der Frühzeit der Kirche präsentiert – beginnend mit dem hl. Longinus: Zu Caesarea erlitt den Märtyrertod der Soldat Longinus, dem befohlen ward, die Seite des Herrn mit der Lanze zu durchbohren.
Im Johannesevangelium (19,34) wird erwähnt, daß einer der Soldaten des Hinrichtungskommandes die Seite des Gekreuzigten öffnete, um sich seines Todes zu vergewissern; bei Matthäus ist überliefert, daß daß dies Soldaten angesichts des Erdbebens und der Sonnenverfinsterung beim Tod Jesu bekannten: „Wahrlich dieser war Gottes Sohn“. In beiden Fällen wurde kein Name genannt, in der frühen apokryphen Literatur, namentlich den „Pilatusakten“ (Evangelium des Nikodemus) aus dem frühen 4. Jahrhundert taucht dann erstmals der Name Longinus auf.
Spätere Überlieferungen, die dann in der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine zusammenfließen, wissen noch mehr zu berichten als die Evangelien:
Etliche schreiben, daß er sonderlich sei gläubig geworden, da das Blut Christi, das an der Lanze herablief, von ungefähr seine Augen berührte, die von Krankheit oder Alter schwach waren, und ihm alsbald sein klares Gesicht wieder gab.Also sagte er aller Ritterschaft ab und empfing von den Aposteln die Lehre des Glaubens. In der Stadt Caesarea im Lande Cappadocien lebte er 28 Jahre gleich einem Mönche und bekehrte viele Menschen mit seinem Wort und seinem Beispiel.
Eine als Lanze des Longinus angesehene römische Lanzenspitze gehörte seit dem hohen Mittelalter zu den Reichskleinodien und Insignien des Heiligen Römischen Kaisers. Diese Reliquie wurde im frühen 11. Jahrhundert zusammen mit einer großen Kreuzreliquie Bestandteil des Reichskreuzes, das heute in der Schatzkammer der Wiener Hofburg aufbewahrt wird.
Zuviel ist zuviel
- Details
- 16. März 2017
Die in Rom zu Anfang des Jahres eingerichtete Kommission zur Überprüfung der Instruktion Liturgiam Authenticam nimmt Konturen an. Inzwischen gibt es eine auf „gut unterrichtete Kreise“ zurückgehend inoffizielle Mitgliederliste – und die bemerkenswerte Information, daß die Kommission ohne Mitwirkung und sogar ohne vorherige Information von Liturgie-Präfekt Sarah eingerichtet wurde, obwohl die Kommission unter dem Dach der Liturgiekongregation arbeiten soll.
Alles, was sonst noch über die Kommission bekannt geworden ist, deutet darauf hin, daß nicht der überlieferte Ritus – der ja ausnahmslos in lateinischer Sprache zelebriert wird – Gegenstand ihrer Arbeit sein soll, sondern die sprachlichen Voraussetzungen zur „Inkulturation“ der Liturgie in den verschiedenen Sprach- und Kulturräumen der katholischen Welt. Das Bugnini-Consilium der wilden Jahre1965-69 hatte in dieser Hinsicht bereits sehr weitgehende Konzepte entwickelt, die seinerzeit in dem Dokument „Comme le prevoit“ (hier eine englische Übersetzung) niedergelegt worden waren.
Methodischer Ansatz der Instruktion ist das in der Sprachwissenschaft der 60er Jahren modische Prinzip der „dynamischen Äquivalenz“ - das bedeutet: Die Angemessenheit einer Übersetzung entscheidet sich ganz konkret zu einem bestimmten Zeitpunkt und gegenüber einer bestimmten Hörer- bzw. Leserschaft - heute auf dem Dorf und morgen in der Stadt kann das sehr verschieden ausfallen. (Abschnitt 7 u. 36) Großes Gewicht wird darauf gelegt, Experten einzubeziehen, um die „wahre Bedeutung“ von Texten zu ermitteln (9) – als ob diese Bedeutung nicht längst festliegen würde. Fernziel der Verfasser ist es, möglichst viel Verantwortung für die „Gestaltung“ der Liturgie in die Hand der Gemeinden zu geben, die ihren Gottesdienst einschließlich der Formulierung aller Gebete innerhalb eines lockeren Rahmens selbst gestalten. (Abschnitt 20 u. 43) Gegenüber der Verwendung von gehobener Sprache werden klare Vorbehalte angemeldet (15), die Gottesdienstteilnehmer werden - wie so oft von den Liturgiereformen - für Idioten gehalten, wenn man davor warnt, den Ausdruck „Ort der Kühle und der Erfrischung“ in nördlichen Ländern wörtlich zu übertragen (23).
Die unter der Verantwortung des damaligen Präfekten der Liturgie-Kongregation Kardinal Medina Estevez erarbeitete Instruktion „Liturgiam Authenticam“ hatte demgegenüber die Bedeutung einer möglichst engen Orientierung der Übersetzungen am lateinischen Original unterstrichen und gefordert, die Messtexte in einer betont vom Alltag abgesetzten Sprachebene anzusiedeln. Das war ein äußerst wirkungsvoller Ansatz, um zwei der Lieblingsstrategien der Liturgierevolutionäre entgegenzuwirken: Die Ansiedlung der Liturgie im gewöhnlichen Lebensumfeld der jeweiligen Gemeinde und die Angleichung ihrer theologischen Aussagen an die je nach Zeit und Ort verschiedenen modernistischen Ersatzdogmen. Bekanntestes Beispiel: „Für Viele“ oder „für alle“.
Diese mit viel Mühe errichtete Barriere gegen die formale und inhaltliche Zersplitterung der Liturgie soll jetzt wieder eingerissen werden. Damit würde der einzige praktisch zumindest teilweise verwirklichte Ansatz zu einer „Reform der Reform“ – besser gesagt: zu einer Rückkehr zu der von den Konzilsvätern ursprünglich intendierten maßvollen Erneuerung der Liturgie – wieder aufgegeben. Das wäre durchaus im Sinne dieses Papstes, der den Begriff „Reform der Reform“ nicht mehr hören will und eine durchgänge Regionalisierung der Kirche mit weitgehender Einebnung in ihre jeweiligen sozialen Umfelder anstrebt – ohne dabei auf vielen bisher für „unverhandelbar“ gehaltenen Grundverpflichtungen des Glaubens zu bestehen.
Das kann man bedauern und sogar für verhängnisvoll halten. Andererseits kann man von der sicheren Position der überlieferten Liturgie aus den Entwicklungen auch eine positive Sicht abgewinnen. Je deutlicher der Charakter der neuen Liturgien als „banales Produkt des Augenblicks“ erkennbar wird, desto größer ist die Chance, daß mehr von denjenigen, denen diese Banalität zugemutet wird, das auch erkennen. Katholiken, die es mit ihrem Glauben ernst meinen – und die gibt es natürlich auch in den ganz normalen Gemeinden mit manchmal ganz normalen Liturgien – sind heute nicht mehr so lähmend autoritätsfixiert wie in den 60er Jahren. Und was zuviel ist, ist zuviel.