Frage: „Wozu sind wir auf Erden?“
Antwort: „Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben.“
Frage Nr. 1 aus dem „Grünen Schulkatechismus“ von 1955
Themen und Meldungen:
Dominikanerritus in Berlin
- Details
- 16. Januar 2017
In diesen Tagen geht das Jubiläumsjahr zur Feier des 800-jährigen Bestehens des Dominkanerordens zu Ende. Aus diesem Anlaß wird Pater Alanus Kordel OP am kommenden Samstag, dem 21. Januar, um 10 Uhr 30 im Berliner Paulus-Kloster (10551 Berlin, Oldenburger Str. 46) des Ordens ein heiliges Amt nach dem Ritus des Dominikanerordens zelebrieren.
Der Dominikanerritus - man sollte ihn eher als einen speziellen Usus innerhalb des lateinischen Ritus bezeichnen - ist eine der auf das hohe Mittelalter zurückgehenden monastischen Liturgien, die teilweise ältere Formen bewahrt haben als der römische Stil, der zu dieser Zeit an der römischen Kurie in Gebrauch war, der dann die Grundlage für die nach Trient weitgehend allgemeinverbindlich gewordene Form der lateinischen Liturgie bildete.
Die monastischen Formen haben ihre eigenen Fest- und Heiligenkalender, die sich insbesondere durch die Berücksichtigung vieler Ordensheiliger voneinander und der stadtrömischen Form unterscheiden. Viele Unterschiede betreffen nur das Offizium - also das Stundengebet bzw. das Brevier. Es gibt jedoch auch Unterschiede in der Zelebrationsweise des heiligen Messopfers selbst. Einige davon betreffen die Gesten und die Körperhaltung des Zelebranten wie etwa bei den Gebeten unmittelbar nach der Wandlung, bei denen der Priester wie auf unserem Bild zu sehen mit kreuzförmig ausgebreiteten Armen am Altar steht. Andere beziehen sich auf den Ablauf der Messe selbst. Bei den Dominikaner wird, wie in einigen anderen Ordensliturgien auch, z.B. die Gabenbereitung vor dem Evangelium, in der stillen Messe sogar vor dem Staffelgebet und damit außerhalb der eigentlichen Meßliturgie vorgenommen.
Vergleichbare Unterschiede gab es nicht nur zwischen den Liturgien der Orden, sondern auch der einzelnen Ortskirchen; sie konnten - wie z.B. im Ritus von Lyon oder dem von Köln - beträchtliches Ausmaß erreichen. Allen Formen gemeinsamwar seit dem frühen Mittelalter der Wortlaut - von gelegentlichen Abweichungen in den Heiligenlisten abgesehen - und die Abfolge des Römischen Kanons. Gerade deshalb ist es so schmerzlich, daß dieser Kanon im Gefolge der Liturgiereform vielerorts ganz außer Gebrauch gekommen ist. Seitdem und erst recht seit Abschaffung der lateinischen Liturgiesprache gibt es keinen lateinischen Ritus mehr, der diesen Namen verdient.
Der Usus der Dominikaner, wie er am kommenden Samstag in Berlin zelebriert wird, ist noch ein echter Angehöriger dieser Ritenfamilie. Insbesondere die Dominikaner der amerikanischen Westprovinz haben in den vergangenen 10 Jahren viel dazu beigetragen, ihn auch in den gegenwärtigen Zeiten des Zerfalls von Liturgie und Kirchenordnung zu erhalten und sein Potential für die Neubelebung des Ordens einzusetzen.
Gefahr für Summorum Pontificum?
- Details
- 13. Januar 2017
Der Vatikanist Sandro Magister hat am Dienstag auf seinem Blog mitgeteilt, daß die Gottesdienstkongregation auf Anordnung von Papst Franziskus eine Kommission eingesetzt hat, um die Instruktion Liturgiam Authenticam zu überprüfen. Diese von Papst Johannes Paul II. bereits 2001 unter Mitarbeit des damaligen Kardinals Ratzinger erlassene Instruktion hatte das Ziel, den Spielraum für Übersetzungen der Messtexte, bei denen in den Jahren nach dem Konzil zahlreiche Entstellungen und Fehler vorgekommen waren, durch engere Anbindung an die lateinischen Originaltexte zu begrenzen.
Im Anschluß an diese Mitteilung schreibt Magister:
Manche befürchten, daß nach der Demolierung von Liturgiam authenticam das Motu proprio Summorum Pontificum ins Visier dieser oder einer anderen Kommission geraten könnte, das Dokument, mit dem Benedikt XVI. die Zelebration der Heilige Messe im überlieferten Ritus freigegeben hat.“
Wenn Magister diese Befürchtung, die zweifellos aus Kreisen der Kurie an ihn herangetragen worden ist, weitergibt, ist das in der Tat äußerst beunruhigend. Der gegenwärtige Papst hat zwar vielfach gezeigt, daß die Feier der Liturgie kein Gegenstand seines besonderen Interesses ist. Er hat aber noch öfter gezeigt, daß er offen gegenüber allen Anregungen ist, die Tradition der Kirche zu schwächen und modernistischen Ideen größeren Freiraum zu geben. Auch die bereits angeordnete „Überprüfung“ von Liturgiam Authenticam geht sicher nicht auf seine Initiative zurück, sondern wurde eher aus den liturgiefeindlichen Kreisen, die sich seiner Gunst erfreuen, an ihn herangetragen. Allerdings passt die von dieser „Überprüfung“ zu erwartende Neuregelung, die den Ortskirchen mehr Freiheit zur Gestaltung der Texte einräumen und einen Verzicht auf „dogmatische Rigidität“ proklamieren dürfte, durchaus in das bergoglianische Weltbild, in dem alles „von unten“ auszugehen hat.
So, wie es im römischen Intrigantenstadel derzeit zugeht, ist aber auch nicht auszuschließen, daß beide Maßnahmen - die tatsächlich angeordnete „Überprüfung“ von Liturgiam Authenticam und die vorerst nur vermutete Revision von Summorum Pontificum im wesentlichen darauf abzielen, den Mitgliedern der Piusbruderschaft, die das Angebot des Papstes zur Rückkehr in die volle Einheit mit dem Stuhl Petri als Täuschungsmanöver und Falle betrachten, Auftrieb zu geben.
Der Riß wird tiefer
- Details
- 12. Januar 2017
Ende vergangenen Jahres kolportierte die internationale Presse als angebliche Aussage von Papst Franziskus: „Nicht ausgeschlossen, dass ich als derjenige in die Geschichte eingehen werde, der die katholische Kirche gespalten hat.“ Unabhängig davon, ob das so – hier zitiert nach spiegelonline - gesagt wurde oder nicht, ist die traurige Wahrheit jedenfalls die, daß die Kirche tatsächlich in diesem Pontifikat so gespalten erscheint, wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Die vergangenen Tage unterstrichen das mit der Veröffentlichung eines Interviews von Kardinal Burke, in dem er den Stellenwert der aktuellen Kontroverse um Amoris Latitia darlegt und dabei diese Auseinandersetzung mit der arianischen Krise des 4. Jahrhunderts vergleicht. Offensichtlich bezieht sich Kardinal Burke dabei auch auf Ausführungen von Kardinal Schönborn im vergangenen Juli, in denen dieser Amoris Laetitia den Rang eines die Lehre neu fassenden Dokuments höchsten Ranges zugeschrieben hatte. Bekanntlich hatte der Papst, der sich selbst nach wie vor in Schweigen hüllt, Schönborn bereits zur Vorstellung des umstrittenen Dokuments in den Rang eines offiziellen Interpreten seiner Schrift erhoben.
Damals war in La Civilta Catholica ein Interview mit Schönborn erschienen, das vom Chefredakteur des Blattes, Antonio Spadaro S.J („in der Theologie kann 2+2 auch 5 sein“, Quelle) durchgeführt worden war, und mit dem der Wiener die gerade mit Macht aufbrechende Debatte um das neue Dokument zu beenden gehofft hatte. Konzentrieren wir uns auf zwei Kernaussagen. Zum lehramtlichen Stellenwert von Amoris Laetitia befragt, hatte Schönborn damals gesagt:
Es handelt sich offensichtlich um einen Akt des Lehramtes, es ist eine apostolische Ermahnung. Der Papst spricht hier unverkennbar in seiner Rolle als Hirte, als Herr und als Lehrer des Glaubens, nachdem er sich die Beratungen zweier Synoden zu Nutze gemacht hat.
Zur Frage, inwieweit die Lehre der Kirche durch dieses Dokument verändert werde und ob sie überhaupt verändert werden könne, sagte der Wiener Kardinal:
(Amoris Laetitia) lehrt uns auf konkrete Weise, zwischen der Kontinuität der lehrmäßigen Grundlagen und der Diskontinuität der Ansichten oder historisch bedingter Ausdrucksformen zu unterscheiden. Das ist die Rolle, die dem lebendigen Lehramt zukommt: Eine authentische Interpretation des Wortes Gorttes zu geben, des geschriebenen ebenso wie des überlieferten.
Und weiter:
Für den Bereich der menschlichen Lebenswelt hat der Heilige Vater die Diskussionsgrundlage der Kirche grundlegend neugestaltet. Dabei folgt er den Grundlinien seiner Apostolischen Ermahnung Evangelii Gaudium und ebenso der Pastoralkonstitution des 2. Vatikanums über die Kirche in der modernen Welt, in denen gezeigt wird, daß sich die dogmatischen Prinzipien und die Überlegungen zum menschlichen Leben heute in ständiger Entwicklung befinden. Dabei besteht grundlegende Offenheit zur Anerkennung der Realität.
Die Nähe von Spadaros „In der Theologie kann 2 + 2 auch 5 sein“ zu diesen Aussagen ist unverkennbar - alles ist Relativ. Der Wiener Kardinal dispensiert die Lehre von dem Erfordernis, bezüglich der konkreten Lebenswelt die gleichen Prinzipien zu vertreten, wie sie in der Dogmatik festgelegt sind, und er führt die atemberaubende Denkfigur ein, daß die Beibehaltung der theologischen Prinzipien und eine „grundlegende Neugestaltung der Diskussionsgrundlage der Kirche“ miteinander vereinbar sei – in der Sprache der Logik ausgedrückt: Daß ein Ding sowohl mit sich selbst identisch als auch nicht identisch sein könne.
In seinem Anfang dieser Woche im Remnant erschienen Interview sagt Kardinal Burke zu beiden Themen exakt das Gegenteil. Zur lehramtlichen Verbindlichkeit von Amoris Laetitia besteht er auf seiner von Anfang an eingenommenen Position,
daß diese Veröffentlichung ausweislich der darin enthaltenen Worte des Papstes selbst keine Aussage des päpstlichen Lehramtes darstellt.
Dieses Dokument muß notwendigerweise, so wie jedes Dokument, im Licht der beständigen Lehre und Praxis der Kirche gelesen werden. Die Aussagen in Amoris Latitia, die damit übereinstimmen, sind ja auch durchaus in Ordnung. Aber es gibt auch eine Anzahl von Aussagen, die man bestenfalls als verwirrend bezeichnen kann, diese müssen erläutert werden, und deshalb haben wir vier Kardinäle entsprechend einer klassischen Vorgehensweise in der Kirche dem hl. Vater fünf dubia unterbreitet, die sich auf die Grundlagen des moralischen Lebens und der entsprechenden kirchlichen Lehre beziehen.
Darüberhinaus macht Kardinal Burke klar, daß er – entgegen den von einigen Stimmen geäußerten Spekulationen – daran festhält, den verwirrenden Aussagen im päpstlichen Dokument eine klärende „brüderliche Richtigstellung“ entgegen zu setzen:
Wir befinden uns in einer sehr schmerzlichen Lage, aber wir müssen einfach weitermachen, um Klarheit in die Sache zu bringen.
Er gibt auch einen ersten Hinweis darauf, wie diese „brüderliche Richtigstellung“ aussehen könnte:
Nun, das würde ganz ähnlich aussehen wie die dubia selbst. Anders ausgedrückt: Wir würden die Wahrheiten, die von Amoris Latitia in Frage gestellt zu werden scheinen, noch einmal aus dem, was die Kirche immer gelehrt, praktiziert und in ihren offiziellen Dokumentan ausgesagt hat, ableiten und begründen. Damit lassen sich diese Irrtümer richtigstellen.
Zumindest in der Theorie, müssen wir als betroffene Beobachter hier anfügen. Welche praktischen Auswirkungen eine solche Erklärung haben könnte und würde, ist derzeit nicht abzusehen. Nur eines mach der Kardinal auch ganz deutlich: Die in Rom bereits ausgesprochene Drohung, ihn und die anderen bei fortgesetzter Unbotmäßigkeit ihrer Kardinalswürde zu entkleiden, macht auf ihn wenig Eindruck:
Das ist möglich, es ist in der Geschichte bereits geschehen, daß ein Kardinal seinen Rang verlor. Aber ich denke darüber nicht nach, weil ich meine Pflicht kenne. Ich will mich bei der Verteidigung der Wahrheit nicht davon abhalten lassen, daß ich dafür irgendwie verfolgt werden könnte. Jemand hat mich gefragt: Haben Sie denn keine Angst, auf dieser Sache zu bestehen? Dem habe ich geantwortet: Wovor ich Angst habe, ist beim letzten Gericht vor unserem Herrn zu stehen und ihm sagen zu müssen: Nein, ich habe Dich nicht verteidigt, als Du angegriffen wurdest und die Wahrheit, die Du gelehrt hast, verraten wurde.“
Schwer zu erkennen, wie sich der hier abzeichnende Bruch noch überbrückt werden könnte. Wo der eine von „grundlegender Offenheit zur Anerkennung der Realität (so wie wir sie sehen)“ spricht und der andere andere vom „Verrat an der Wahrheit (wie sie Gott uns offenbart hat)“, ist die Spaltung bereits eingetreten.
Christus „von unten“
- Details
- 11. Januar 2017
Mit seiner vorgestrigen Ansprache im Haus St. Marta hat Papst Franziskus einen tiefen Einblick in sein Christusbild gewährt und gleichzeitig einen Schlüssel zum Verständnis der liturgischen Entwicklungen unter modernistischen Vorzeichen bereitgestellt. Das zumindest nach den vom Vatikan zur Verfügung gestellten Zusammenfassungen der Predigt und deren Wiedergabe in den Medien – der volle Text und Wortlaut der Morgenansprachen wird seit Beginn dieses Pontifikates nicht veröffentlicht. Die hier gebrachten Zitate entnehmen wir dem Bericht von Armin Schwibach in kath.net.
Thema der Ansprache war danach die vom Papst als „universal“ bezeichnete Vollmacht Christi, die er er eine nur „formale“ Vollmacht der Pharisiäer und Schriftgelehrten gegenüberstellte. Diesen Gegensatz und seine Begründung der Vollmacht Christi entwickelt er in drei Punkten; als ersten nennt er den Dienst an den Menschen:
Jesus diente den Leuten, er erklärte die Dinge, damit die Leute sie gut verstehen: er stand im Dienst der Leute. Er hatte die Haltung eines Dieners, und das verlieh ihm Vollmacht. Diese Gesetzeslehrer dagegen, die die Leute... ja, auf sie hörten die Leute, sie respektierten sie, doch sie spürten nicht, dass sie eine Vollmacht über sie besitzen. Diese hatten die Psychologie von Fürsten: ‚Wir sind die Meister, die Fürsten, und wir lehren euch’. Kein Dienst: ‚Wir befehlen, ihr gehorcht’. Und Jesus hat sich nie so gegeben, als sei er ein Fürst: immer war er der Diener aller, und das ist es, was ihm Vollmacht verlieh“.
Die zweite Charakteristik, die ihm Vollmacht gebe und von den Pharisäern unterscheide, sei die der Nähe zu den Menschen:
Sie (die Pharisäer) waren getrennt von den Leuten, sie waren nicht nah. Jesus stand den Leuten sehr nahe, und das verlieh ihm Vollmacht. Diese da, die den Abstand wahrten, diese Lehrer: sie hatten eine klerikalistische Psychologie. Sie lehrten mit einer klerikalistischen Vollmacht, das ist der Klerikalismus. Es gefällt mir so sehr, wenn ich von der Nähe zu den Menschen lese, die der selige Paul VI. hatte. In Nummer 48 der Enzyklika Evangelii nuntiandi ist das Herz des nahen Hirten zu sehen: dort liegen die Vollmacht und Autorität jenes Papstes, in der Nähe“.
Drittes Element zur Begründung der Vollmacht und ebenfalls Gegensatz zur Haltung der Pharisäer sei die Kohärenz:
Diese Leute waren nicht kohärent und ihre Persönlichkeit war derart gespalten, dass Jesus seinen Jüngern rät: ‚Tut, was sie euch sagen, aber nicht das, was sie tun’. Sie sagten das eine und taten das andere. Mangelnde Kohärenz, Widersprüchlichkeit. Sie waren widersprüchlich. Und das Wort, das Jesus ihnen viele Male sagt, ist ‚Heuchler’. Und man versteht, dass einer, der sich wie ein Fürst fühlt, der eine klerikalistische Haltung hat, der ein Heuchler ist, keine Vollmacht hat! Er mag zwar die Wahrheit sagen, aber ohne Vollmacht. Jesus dagegen, der demütig ist, der im Dienst an den anderen steht, der nahe ist, der die Leute nicht verachtet und der kohärent ist, besitzt Vollmacht. Und das ist die Vollmacht, die das Volk Gottes spürt“.
Das ist, um es zurückhaltend zu sagen, bemerkenswert. Diese drei Punkte, die sich in Wirklichkeit auf eine Behauptung reduzieren lassen, sagen nichts anderes als: Die Vollmacht Jesu geht von seiner Nähe, ja von seiner Übereinstimmung mit „den Leuten“ aus. Er ist der aus dem Volk hervorgegangene und auf das Volk gestützte Führer der Menschen gegen im Namen der Religion angemaßte (klerikalistische) Machtausübung. Er ist bestenfalls ein Messias, wie ihn sich viele Juden als König erhofften, die auf einen Retter in der Not und Anführer gegen die römische Fremdherrschaft warteten – und die Jesus die Gefolgschaft verweigerten, als als seine Botschaft ihnen „zu hart“ erschien und er schließlich am Kreuz alle ihre irdischen Hoffnungen enttäuschte.
Kein Wort davon, daß Jesu Vollmacht nicht „von unten“ kommt, sondern „von oben“, aus der Gottessohnschaft und der Erfüllung des Willens dessen, der ihn gesandt hat und in dessen Namen sich jedes Knie beugen muß im Himmel und auf Erden. Kein Wort auch davon, daß sein Reich „nicht von dieser Welt“ ist und daß sein Wirken allein das Ziel hat, „den Leuten“, die durch die Verirrung des Menschengeschlechts von Gott getrennt in Verirrung, Sünde und Schuld leben, die Rückkehr zu dem zu ermöglichen, der alle Macht besitzt und von dem jede Vollmacht ausgeht.
Andererseits aber eine perfekte Übereinstimmung mit jener in vielen Gemeinden des Novus Ordo praktizierten liturgischen „Nähe“ zu „unserem Bruder und Herrn“ Jesus, dessen Gesicht viele nur noch im Gesicht eines selbst ausgedachten „Nächsten“ (oder Fernsten, je nachdem) erkennen können, als dessen einziges Defizit das betrachtet wird, was am leichtesten zu beheben scheint: Ein Mangel an materiellen Gütern. Was nicht von dieser Welt ist, scheint nicht mehr zu zählen.
Angesichts der bestürzenden Tatsache, daß dieses postkatholische Christusverständnis jetzt in der Spitze der verfassten Kirche angekommen zu sein scheint, erübrigt sich die Frage, ob derlei eher die Ursache oder die Folge des liturgischen Verfalls der letzten Jahrzehnte ist. Nur Widerspruch und Widerstand auf allen erreichbaren Ebenen bietet eine Chance auf Besserung.
Abschied von den Kirchen
- Details
- 09. Januar 2017
Die Zukunft der Kirchen liegt wahrscheinlich allein in der Wiederherstellung des Kultus. Das klingt reaktionär, ist es auch. Andernfalls bleibt ihnen die „Öffnung zur Welt“. Aber was sie für Teilnahme am sozialen Prozeß halten — das eben ist ihre Liquidation.
Mit diesen bemerkenswerten Sätzen endet ein Artikel, den der Publizist Rüdiger Altmann im Jahr 1970 – also fünf Jahre nach dem Ende des 2. Vatikanums – im Spiegel veröffentlichte und den Tradition und Glauben zu Beginn dieses Jahres neu entdeckt und wiederveröffentlicht hat. Die Lektüre lohnt sich, weil Altmann nicht nur sehr präzise vorausgesehen hat, wie sich die katholische Kirche und die protestantischen Gemeinschaften in den seither vergangenen fast 50 Jahren entwickeln sollten, sondern auch Gründe und Motive dieser Entwicklung benennt, die wir heute manchmal nur mit Mühe erkennen können.
Noch ein Wort zum Verfasser: Nach einem Studium der Politk bei dem gemeinhin als ‚rechts’ eingestuften Politologen Carl Schmitt war Altmann Anfang der 50er Jahre Assistent des gemeinhin als ‚links’ (Frankfurter Schule) geltenden Marburger Politologen Wolfgang Abendroth. Später war er langjährig Geschäftsführer beim Deutschen Industrie- und Handelstag, Redenschreiber von Bundeskanzler Erhard und Leiter einer Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er gehört in eine Zeit, als es sowohl ‚rechte’ als auch ‚linke’ Intellektuelle gab – die sogar miteinander sprachen – und bevor ‚linke’ Intellektuelle in der bundesdeutschen Gesellschaft eine solche Übermacht erlangten, daß sie zunächst die ‚rechten’ aus den Diskursen ausgrenzten und anschließend als ‚Progressisten’ den bemitleidenswerten geistigen Verfall erlebten, dessen letzte Stadien wir gegenwärtig gerade beobachten.
Was heißt hier „Privatmesse“?
- Details
- 05. Januar 2017
Zum Jahresbeginn ist die Antwort der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei auf eine Anfrage bekannt geworden, in der es um die Zulässigkeit von in Privatkapellen gefeierten im überlieferten Ritus ohne Genehmigung des zuständigen Ortsordinarius ging. „Privatmessen“ sind die nach der reformierten Liturgie gegebenenfalls auch ohne jede weitere Beteiligung von Gläubigen zulässigen Messen „sine populo“, deren wesentliches Kennzeichen darin besteht, daß sie außerhalb des Gottesdienstplanes einer Gemeinde stattfinden und vom Zelebranten auch nicht öffentlich angekündigt werden. Ecclesia Dei erklärte dazu, wie nach der geltenden Rechtslage eigentlich auch selbstverständlich, daß solche Messen von jedem Priester jederzeit gefeiert werden können, ohne daß es dazu einer besonderen Genehmigung bedarf. An diesen Messen müssen zwar keine Gläubigen teilnehmen, aber sie dürfen mitfeiern, und es ist den Gläubigen auch erlaubt, von sich aus – etwa auf Internetseiten oder in Flugblättern – auf entsprechende Termine hinbzuweisen.
All das entspricht voll und ganz der 2011 von Papst Benedikt erlassenen Instruktion Universæ Ecclesiæ. Wenn dennoch Gläubige sich veranlasst sehen, eine dahingehende Klarstellung von „Ecclesia Dei“ zu erbitten, wirft das ein bezeichnendes Licht auf die überaus restriktive Haltung vieler Ortsordinarien, die im klaren Widerspruch zur Rechtslage ihre Machtstellung dazu mißbrauchen, den Gläubigen den Zugang zur überlieferten Liturgie zu erschweren. Tatsächlich kann man in der Antwort der Kommission sogar die Tendenz zu einer Einschränkung der in in Universæ Ecclesiæ festgeschriebenen Rechtslage erkennen, wenn hier lediglich von „Privatmessen in einer rechtmäßig errichteten Privatkapelle“ die Rede ist. Damit wird die unscharfe Rechtsfigur einer „rechtmäßig errichteten Privatkapelle“ eingeführt, wo die Instruktion von 2011 ganz klar von einer Verpflichtung der Ortspfarrer und Bischöfe spricht, den Gläubigen die Teilnahme am überlieferten Ritus auch und gerade in den regulären Kirchen der Gemeinde zu ermöglichen.
Damit ordnet sich die Antwort von Ecclesia Dei in die aktuellen Bemühungen ein, die überlieferte Liturgie als sprägnantesten Ausdruck der überlieferten Lehre aus dem Gemeindeleben, in dem Papst Benedikt ihr einen wichtigen Platz zuweisen wollte, fernzuhalten und als „privates Hobby“ zurückgebliebener Nostalgiker zu marginalisieren. Im Ghetto der Vorgestrigen muß man die überlieferte Liturgie zumindest zeitweilig noch ertragen – schließlich ist die entsprechende Gesetzgebung Papst Benedikts nicht nur juristisch, sondern auch theologisch tiefgehend begründet und etwa in § 8 von Universæ Ecclesiæ eindeutig als Ausdruck des päpstlichen Lehramtes gekennzeichnet. Jedes „Ausgreifen“ der Tradition über dieses Ghetto hinaus und jeder Einfluß auf die reformierte Kirche der Nachkonzilszeit wird aber auf jede Weise unterdrückt. Im kleinen durch die Einengung von Zelebrationsmöglichkeiten, im größeren durch drastische Maßnahmen wie die Zerschlagung des Ordens der Franziskaner der Immakulata oder die Absetzung von Bischöfen wie in Albenga-Imperia oder Ciudad del Este.
Von daher werden auch die Schwierigkeiten der Piusbruderschaft leichter verständlich, sich auf das – zumindest auf den ersten Blick – so großzügige Rückkehrangebot des Papstes einzulassen. Wenn eine solche Rückkehr an die Bedingung eines fast vollständigen Verzichts auf jedes Einwirken auf die „Reformkirche“ geknüpft sein sollte, ist das gerade für diejenigen nicht akzeptabel, die in der überlieferten Lehre und Liturgie eben nicht nur nostalgische Rückwärtsgewandheit sehen, sondern das wirkungsvollste Mittel, der sich unter diesem Pontifikat dramatisch verschärfenden Kirchenkrise zu begegnen.