Zur Lektüre empfohlen - Donnerstag
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- 22. Juli 2021
Seit einer Woche ist jetzt Traditionis Custodes in der Welt - und die Welt ist dadurch ein entschieden dunklerer Ort geworden. Bei der Durchsicht der heutigen Wortmeldungen zum Thema könnte man den Eindruck gewinnen, es sei schon alles gesagt, nur noch nicht von allen. Doch das ist bestenfalls tendenziell richtig. Nachdem die erste Entrüstung herausgeschrieben und herausgeschrieen ist, wenden die Autoren sich den unter der Oberfläche des unsäglichen Papstschreiben (Erlaß und Begleitbrief immer als eines betrachtet) lauernden Phänomen zu. Dabei sto0en sie auf ein wahrhaftes Pandämonium äußerst unerfreulicher Erscheinungen.
Massimo Viglione lenkt in einem langen Beitrag auf dem Blog von Aldo Maria Valli (hier auf Englisch) die Aufmerksamkeit des Lesers auf die unsägliche Arroganz von Papst Franziskus, der glaubt, mit einem Federstrich die "lex orandi" der Kirche Christi, die in dieser unter Leitung des heiligen Geistes seit fast 2000 Jahren gewachsen ist, auf "das platte Produkt des Augenblicks" (Joseph Ratzinger) aus dem Jahr 2069 verstümmeln zu können. Dabei fällt er noch weit hinter Papst Paul VI. zurück, der in seiner Predigt vom 26. 11. 69 zumindest der Trauer darüber Raum gab, daß die Kirche einen großen Teil ihres historischen Erbes opfern müsse, um den Anforderungen der mehrfach erwähnten "modernen Menschen" zu genügen - vergeblich, wie inzwischen jeder Blinde sehen kann. Mit diesem Federstrich, das macht Viglione deutlich, hat der Bergoglio-Papst sich überhoben.
Einen anderen so noch wenig beachteten Aspekt rückt Joseph Shaw von der Latin Mass-Society mit einem Beitrag auf LifeSite News ins Blickfeld: Setzt sich Papst Franziskus mit seinem Bestehen auf der Einheitlichkeit des Ritus als Voraussetzung der Einheit der Kirche nicht nur in Gegensatz zur Tradition, sondern auch zum 2. Vatikanischen Konzil? Mit einer Reihe von Textverweisen aus den Konzilsdokumenten belegt Shaw, daß dieses Konzil Vielfalt nicht nur, aber explizit auch in der Liturgie, als einen Schatz der Kirche betrachtet, den es zu erhalten und zu mehren gelte. Nur autoritäre Potentaten halten den Gleichschritt der Kolonnen für die höchste Form des Baletts.
Weiter in die Zukunft der Bewältigung des mit dem päpstlichen Diktat so gewaltsam aufgebrochenen Problems führt eine Bemerkung, mit der Guido Horst seinen „Paradigmenwechsel in der Liturgie“ überschriebenen Artikel in der Tagespost schließt - wobei wir zunächst die Frage offen lassen wollen, ob es einen solchen Paradigmenwechsel überhaupt geben kann. Horst selbst scheint daran starke Zweifel zu haben, wenn er diesen Paradigmenwechsel so beschreibt: „Es zählt nicht mehr die Sakralität einer objektiven Bindung an Gott, sondern die Liebe unter Menschen, in der man sich dem Menschen Jesus Christus nähert.“ Doch uns geht es ja vor allem um den Schlußsatz: „Nicht die Zuflucht zur 'alten' Messe ist das Problem, sondern die Leere, vor der man flieht.“
Diese Einsicht – bei Horst in lakonischer Knappheit ausgesprochen – ist der Ausgangspunkt eines mitsamt den größtenteils ebenfalls lesenswerten Leserzuschriften fast taschenbuchstarken Artikels des amerikanischen Theologen und ehemaligen Hochschullehrers Larry Chapp auf seinem signalhaft Gaudium et Spes 22 benannten Blog. Chapp, der sich dem verpflichtet sieht, was Papst Benedikt als „das Konzil der Väter“ im Gegensatz zum „Konzil der Medien“ bezeichnet hat, gibt seinem Artikel die Überschrift The Hermeneutics of the Abyss: Some thoughts on Traditionis Custodes. Sein Anliegen ist nicht die Liturgie oder die diese ebenso begründende wie zum Ausdruck bringende Theologie, sondern eher eine sozialphilosophische Analyse der Leerheit, des Nihilismus, eben des Abgrunds, der sich im Lauf weniger Jahrzehnte im ehemaligen geistigen Zentrum der westlichen Kultur ausgebreitet hat. Den Katholiken, die das erkennen und darunter leiden, erscheint die überlieferte Liturgie als der einzige Fluchtpunkt in einer sich auflösenden und anscheinend dem Untergang zustrebenden Welt.
Chapp, der sich selbst auf die Insel der Gottesdienste des Ordinariats in Sicherheit gebracht hat, läßt es offen, inwieweit er diesem Fluchtpunkt Realität zusprechen will, aber auch so ist seine ausführliche Diagnose überaus bedenkenswert. Bei solchen Überlegungen ist anzusetzen, wenn es darum geht, die Grundlagen für den Wiederaufbau nach dem unvermeidlich näher rückenden Ende dieses Pontifikats und dem einiger möglicherweise bevorstehendfen Nachfolger der gleichen säkularistischen Denkungsart zu legen.
Von Amazonien lernen!
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- 15. Januar 2021
Eine Erzählung aus der Zeit der Konquistadoren – also der Erforschung und Eroberung Südamerikas im 16. und 17. Jahrhundert – berichtet über eine denkwürdige Begebenheit auf einem dieser Erkundungszüge. Sie hat sich freilich nicht wirklich in Amazonien zugetragen - das haben wir nur als Eyecatcher in die Überschrift genommen, und im Zeichen der Pachama ist sowieso alles egal. Tatsächlicher Schauplatz unserer Geschichte ist das den ganzen Kontinent durchziehenden Gebirge der Anden, dessen Durchquerung den Eroberern größte Schwierigkeiten bereitete. Nicht zuletzt wegen der indianischen Lastenträger und Maultiertreiber, die sie unterwegs mit Versprechungen oder Zwang in ihren Dienst gelockt hatten und die von den Konquistadoren nun in europäischem Marschtempo vorangetrieben wurden. Doch je weiter die Indios von ihrer angestammten Heimat wegkamen, desto widerwilliger wurden ihre Schritte – und eines Morgens waren sie auch nicht mehr mit der Peitsche dazu zu bewegen, den Weg fortzusetzen. Die Erklärungen, die ihnen der Dolmetscher sicher nicht ohne Verständigungsschwierigkeiten entrang, lief darauf hinaus: Sie hätten nun tage- und wochenlang schneller marschieren müssen, als ihre Seelen ihnen hätten folgen können, und wenn sie auch nur einen Schritt weitergingen, würden die letzten Fäden der Verbindung reißen, und sie müßten sterben.
Selbst wenn die Geschichte nur erfunden wäre, so wäre sie doch gut erfunden. Sie gibt ein bestürzendes Bild von der heutigen Situation des „Fußvolkes“ in Gesellschaft und Kirche, das von den Eliten als „deplorables“ verachtet und gnadenlos auf den Wegen vorangetrieben wird, den ihr „erleuchtetes“ Bewußtsein für die einzig richtigen erkannt zu haben glaubt. Vorangetrieben, bis auch die letzten Fäden der Verbindung zu ihren Seelen zerreißen, alle Identitäten sich in Beliebigkeit auflösen und der Wahnsinn freie Bahn hat.
Summorum Pontificum ist in der glücklichen Lage derer, die sich den Peitschenschwingern zumindest zeitweise entziehen und warten können, bis die Seele sie eingeholt hat – oder es ihnen gelungen ist, zu ihr zurückzukehren. Wir bleiben einfach für ein paar Tage störrisch sitzen, und wenn die Antreiber noch so schreien und die Illusionisten uns noch so viel einnebeln und vorspiegeln: Hier ist für den Rest des Monats Sendepause, höchstens aufgelockert durch ein paar aktuelle Hinweise in der Randspalte.
Gesegnete Weihnachten!
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- 25. Dezember 2020
Die Anbetung der Hirten - v. Gerrit van Honthorst
Aus dem Introitus der ersten Messe zum Weihnachtstag (Ps. 2, 7+1):
Dominus dixit ad me: Filius meus es tu, ego hodie genui te. Quare fremunt gentes, et populi meditati sunt inania?
Gloria in Excelsis Deo!Der Herr spricht zu mir: „Mein Sohn bist Du, heute habe ich Dich gezeugt. Warum toben die Heiden und ergehen sich in Wahnsinn die Völker?“
Ehre sei Gott in der Höhe!
Allen unseren Freunden und Besuchern ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Wenn nichts wirklich Wichtiges geschieht, wird Summorum-Pontificum bis ins nächste Jahr Pause machen - geplant ist, die Arbeit mit Erscheinung des Herrn wider aufzunehmen.
In diesem Sinne schon heute: Alles Gute für das Neue Jahr. Möge der Herr seinen Zorn von uns abwenden und uns segnen!
„Praedicate Evangelium“ und kuriale Schlamperei
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- 22. März 2022
Nun haben wir's also „from the horses mouth“, wie die respektlosen Amerikaner zu Äußerungen eines beauftragten Sprechers sagen: Die Erwähnung der „außerordentlichen Form“ des römischen Ritus in der neuen Grundordnung der Kurie „praedicate Evangelium“ war ein redaktioneles Versehen, das alsbald berichtigt werden wird. So Bischof Marco Mellino, Sekretär des Kardinalsrates (der im übrigen bei der Abfassung der Grundordnung wenig zu sagen hatte) bei der offiziellen Pressekonferenz zur Vorstellung am 21. März.
Kein Versehen hingegen ist die neue Bestimmung der Grundordnung, wonach auch Lai*innen als Häupter von Dikasterien mit den höchsten Leitungsämtern der Kirche betraut werden können – obwohl das im Widerspruch zu Abschnitt 129 des Rechtskodex der Kirche zu stehen scheint, der bestimmt: Can. 129 — § 1.
Zur Übernahme von Leitungsgewalt, die es aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt und die auch Jurisdiktionsgewalt genannt wird, sind nach Maßgabe der Rechtsvorschriften diejenigen befähigt, die die heilige Weihe empfangen haben. § 2. Bei der Ausübung dieser Gewalt können Laien nach Maßgabe des Rechtes mitwirken.
Das – so belehrte bei der Pressekonferenz der Jesuit Gianfranco Ghirlanda die stauenende Öffentlichkeit – bedeute nicht das, was da steht, sondern neuerdings etwas anderes, fortschrittlicheres: Die Leitungsgewalt in der Kirche kommt nicht vom Sakrament der Weihe, sondern von der „kanonischen Beauftragung“, d.h. von der Ernennung durch den Papst. Was für ein Glück, daß wir die Jesuiten haben: Die sakramententheologischen Implikationen dieser völlig aus der Luft gegriffenen „schwarz ist weiß“-Behauptung sind unerschöpflich.
Was sonst noch in „Praedicate Evangelium“ steht? Manches wird als sinnvolle zeitgemäße Anpassung von Organisationsstrukturen von einiger Dauer sein – die bis jetzt geltende Version hielt immerhin 50 Jahre. Anderes wird als dreister Ausdruck Franz’scher Allmachtsvorstellungen wohl schon von seinem Nachfolger korigiert werden. Entgegen seiner ständigen Beteuerungen, eine synodale und zuhörende Kirche errichten zu wollen, werden durch das neue Regelwerk immer mehr Entscheidungsabläufe auf den Papst hin ausgerichtet – eine Anleitung zum Zentralismus und zu Micromanagement, wenn man so will.
Eine höchst Informative Analyse der neuen Grundordnung bringt Andrea Cagliarducci auf TheCatholicWorldReport, deutsch beim Beiboot Petri.
Weihe Russlands und der Ukraine an das Herz Mariens
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- 16. März 2022
In einem überraschenden Schritt hat Papst Franziskus gestern angekündigt, am 25. 3. zusammen mit weiteren Bischöfen die in einen brudermörderischen Krieg verstrickten Länder Russland und Ukraine dem unbefleckten Herzen der Gottesmutter Maria zu weihen.
An diesem Schritt ist zunächst bemerkenswert, daß der Papst damit die auch in der Kirche virulente Tendenz überschreitet, diesen Krieg im Wesentlichen als als eine politische und innerweltliche Erscheinung zu betrachten, der hauptsächlich mit politischen Appellen und karitativen Aktionen zu begegnen wäre. Die Zahlen der von kirchlichen Würdenträgern und Institutionen abgegebenen Solidaritätserklärungen und die in den Kirchen abgehalten Gebetsnächte stehen, soweit wir das für unser Land überblicken, in einem bedauerlichen Mißverhältnis.
Zum zweiten ist bemerkenswert, daß die Ankündigung, beide kämpfenden Seiten in die Weihe einzuschließen – übrigens auf Anregung der ukrainischen Bischöfe – aus dem bislang dominierenden Schema ausbricht, der einen Seite alles Recht und der anderen Seite alle Schuld zuzuweisen. Es geht offensichtlich nicht um ein Gebet „für den Sieg der gerechten Sache“ oder das, was man dafür ausgibt.
Bemerkenswert – und in einem gewissen Umstand auch bedenklich – ist der Umstand, daß diese Weihe in gewisser Weise als Grenzüberschreitung wahrgenommen werden kann: In beiden Ländern sind die Katholiken in der Minderheit, und die orthodoxe Mehrheit – sofern es überhaupt noch eine christliche Mehrheit gibt – ist nicht über den Verdacht erhaben, die von Rom angekündigte Aktion als übergriffig mißzuverstehen. Das ist freilich bei allen Friedensaktionen so zu befürchten, die sich nicht in einer schlichten Parteinahme erschöpfen.