Gibt es ein „Recht auf Ritus“?
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- 25. April 2023
Don Michael Gurtner hat uns eine umfangreiche Untersuchtung zugesandt, in der er der Frage nachgeht, ob und unter welchen Umständen die Gläubigen gegenüber der Hierarchie ein „Recht auf Ritus“ geltend machen können. Damit ordnet sich diese Fragestellung ein in die derzeit auch unter den Anhängern der Tradition kontrovers diskutierte Frage, inwieweit sie dem doch offenbar rechtmäßig amtierenden Papst Gehorsam schulden, und wo diese traditionell nie hinterfragte Pflicht ihre Grenzen findet.
Da der Umfang dieser Untersuchung - der Autor selbst nennt sie „Kommentar“ - unser Webformat sprengt, stellen wir den kompletten Text als PDF zum Download bereit. Hier beschränken wir uns auf die leicht gekürzte Einleitung sowie auf drei wesentliche Sätze aus der Zusammenfassung:
Aus der Einleitung:
Seit dem letzten Konzil steht die Frage im Raum, ob es denn eine Art „Recht auf Ritus“ gäbe. Seit der Promulgation des Motu proprio Traditionis custodes vom 16. Juli 2021 sowie den Ausführungsbestimmungen vom 18. Dezember desselben Jahres hat diese Frage nochmals einen besonderen Anschub erfahren, da nun der klassische römische Ritus nicht bloß durch den neuen Ritus überlagert wurde, sondern ein direktes Verbot erfahren hat. Die letzten, sehr limitierten Zugeständnisse an einige wenige Priester an einigen wenigen Orten sind ganz klar mit dem Ziel verbunden, den „alten Ritus“ vollkommen aussterben zu lassen: er soll definitiv verschwinden und möglichst bald endgültig und unwiederbringlich nur mehr der Vergangenheit angehören. Das ist der persönliche Wunsch von Franziskus, wie er ihn in seinem Begleitbrief zum Ausdruck bringt: „Die Anweisungen, wie in den Diözesen vorzugehen ist, werden hauptsächlich von zwei Grundsätzen geleitet: Einerseits gilt es, für das Wohl derer zu sorgen, die in der vorhergehenden Zelebrationsform verwurzelt sind und Zeit brauchen, um zum Römischen Ritus zurückzukehren, wie er von den Heiligen Paul VI. und Johannes Paul II promulgiert wurde“1. Es ist also ein Zugeständnis an die letzten die sich (noch) schwertun, um Zeit zur Umstellung zu gewähren, zielt aber nicht auf eine dauerhafte Möglichkeit ab. Erklärtes und ausdrückliches Ziel ist es, auch noch die letzten vom traditionellen katholischen Ritus wegzuführen und dem neuen Ritus von Paul VI zuzuführen. Denn die neue Liturgie gilt von nun an, ganz im Gegensatz zur Sichtweise von Summorum Pontificum, als die „einzige Ausdrucksform der Lex orandi des Römischen Ritus“. (...)
Deshalb steht die Frage sehr drängend und gewichtig vor uns, ob die Gläubigen gegenüber diesem päpstlichen Diktat, das ganz offen, klar und eindeutig auf Vernichtung ausgelegt ist, ein Recht haben, ob der „alte Ritus“ angesichts seines jahrhundertelangen Gebrauchs oder gar seines Ursprunges ein Existenzrecht hat, und ob die päpstliche Macht wirklich so weit reicht, daß sie die klassische römische Liturgie abschaffen kann – denn es geht ja nicht nur um das Hl. Meßopfer, sondern um den gesamten liturgischen Schatz der Kirche.
Aus der Zusammenfassung:
- Da Gott entschieden hat zum Heil der Menschen die heiligen Sakramente einzusetzen, und die Kirche dazu verpflichtet hat, hat der Mensch ein Recht gegenüber der Kirche. Dieses Recht beinhaltet, daß sie dies im Sinne Gottes und vollständig zu erledigen hat – es gilt gegenüber der Kirche, nicht gegenüber Gott. Aus der Pflicht der Kirche folgt das Recht der Menschen.
- Das Kirchenrecht ist ein Instrument welches dazu da ist, die Rechte der Menschen zu schützen, nicht sie auszuhebeln oder zu umgehen.
- Wo die Kirche ihrer Pflicht nicht nachkommt und dem Sinn des Kirchenrechts nicht gerecht wird, ist das ungerechte Recht nicht verbindlich und darf, ja muß unter diesen Umständen ignoriert werden. Denn dann ist auch in der Kirche jener tragische Fall eingetreten, daß „Widerstand Pflicht und Gehorsam Frevel“ werden.
Prophetische Lektionen im Missale Romanum
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- 19. April 2023
In der dritten Fastenwoche – beginnend mit dem 13. März – hatten wir einen etwas näheren Blick auf die in diesen Tagen gelesenen Perikopen aus dem Alten Testament geworfen. Nicht, um zu versuchen, den ganzen Reichtum dieser Schriftstellen auszuloten, sondern um darauf aufmerksam zu machen, daß dieses Alte Testament in gar keiner Weise veraltet ist – auch und gerade da nicht, wo es den Christen des beginnenden 3. Jahrtausends manchmal eher peinlich sein mag. Mit ähnlicher Zielsetzung hat sich Gregory Dipippo am letzten Tag der Osterwoche mit zwei Prophetien aus der Liturgie des Karsamstags (heute: Vigil von Ostern) beschäftigt, die bereits 1955 aus der offiziellen Liturgie getilgt worden sind. Hier die Übersetzung der dieses Thema betreffenden Passagen aus seinem Artikel in New Liturgical Movement vom 15. April:
Unter den vielen Brüchen, die die Reform der Heiligen Woche im Jahr 1955 in den römischen Ritus einführte, waren zwei ganz besonders gewaltsam: die Verringerung der Zahl der Prophetien für die Ostervigil auf vier und die vollständige Eliminierung des gesamten Taufrituals aus der Feier der Pfingstvigil, darunter auch die Wiederholung von sechs dieser ursprünglich zwölf Prophetien. Damit sind aus der Römischen Liturgie auch zwei alttestamentarische Texte vollständig verschwunden, die von den Kirchenvätern vielfach im Zusammenhang mit dem Ostergeheimnis zitiert worden sind.
Die erste ist Genesis 22, 1-18 – also jene Erzählung, die etwas unzutreffend als die Opferung Isaaks bezeichnet wird, der freilich letzten Endes nicht wirklich geopfert wird. (Die jüdische Tradition spricht daher von der „Fesselung Isaacs“). Die älteste überhaupt bekannte Osterpredigt (vom hl. Melito von Sardes, etwa um 170) deutet diese Geschichte dementsprechend als die Vorgestalt der Opferung eines anderen Sohnes:
Doch kein neues Dokument?
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- 06. April 2023
Nachdem sie unseren Artikel (4. 4. 23) zum in Rom gerüchteten Dokument über geplante Einschränkungen für die Priesterseminare der traditionstreuen Gemeinschaften gelesen hat, ist unsere amerikanische Kollegin Maike Hickson an umfangreiche Recherche-Arbeiten gegangen. Als Mitarbeiterin von Lifesitenews hat sie dazu Möglichkeiten, von denen unsereins noch nicht einmal träumen kann. Wenn sie eine Anfrag an ein Dikasterium richtet, kann sie damit rechnen, innerhalb weniger Stunden eine Antwort vom Chef selbst oder aus dessen unmittelbarer Umgebung zu erhalten. So war es auch im aktuellen Fall – und dieses Mal hat sie vom direkt angesprochenen Präfekten des Ordensdikasteriums Braz de Aviz ein knallhartes Dementi erhalten: Ihm sei nichts davon bekannt, daß ein entsprechendes Dokument in Vorbereitung sei. Auch von anderen angesprochenen Stellen, darunter auch Vertretern der Ex-Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, bekam Hickson entsprechende Auskünfte.
Wenn wir nicht annehmen wollen, daß die Auskunft von Braz de Aviz komplett gelogen ist, müssen wir also davon ausgehen, daß die uns mitgeteilten Informationen entweder einen veralteten Sachstand darstellen oder sich auf weiter in der Zukunft liegende Planungen beziehen. Aktuell – also innerhalb weniger Tage oder Wochen, wie wir geschrieben hatten – ist jedenfalls mit entsprechenden Einschränkungen nicht zu rechnen. Das nehmen wir durchaus mit Erleichterung zur Kenntnis – wir gehören nicht zu der Sorte Propheten, die sich wie seinerzeit Jonah (Jon 4, 10ff) betrogen fühlen, wenn das von ihnen vorausgesagte Unglück ausbleibt. Zumal wir es mit der Erleichterung auch nicht übertreiben wollen. Unser römischer Informant hat bisher inhaltlich zumeist richtig gelegen – weniger bei den Zeitplänen, die freilich in jeder politischen Bürokratie ständiger Änderung unterliegen.
LifeSiteNes schließt den Artikel, dessen Lektüre wir jedem empfehlen, der den aktuellen Stand der Dinge kennenlernen will, mit der nüchternen Feststellung: „Jetzt ist die Frage, ob die Erklärung von Kardinal Braz de Aviz von der Wirklichkeit bestätigt wird oder nicht. Eine beträchtliche Zahl von zuverlässigen Quellen hat unabhängig voneinander darüber berichtet, daß neue Einschränkungen zu erwarten sind, und als Termin dafür haben sie den 3. April genannt. Daher ist es merkwürdig, daß bis jetzt noch nichts aus dem Vatikan verlautbart worden ist. Die Zeit wird alles ans Licht bringen.“
Korrektur:
Der verlinkte Artikel auf LifeSiteNews ist nicht von Maike Hickson, sondern von ihrem Redaktionskollegen Michael Haynes geschrieben worden. Wir bitten, unser Versehen zu entschuldigen.
Was soll nur aus den Kirchen werden?
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- 30. März 2023
Aktion „Kirchenkauf“
Für Katholiken, die einfach nur katholisch sein und bleiben wollen, wird die Luft immer dünner. Für die „Traditionalisten“, die den einzigen Weg zur Bewahrung am Festhalten an der überlieferten Liturgie sehen, sowieso. Sie werden seit Jahren aus dem Vatikan übel beschimpft und ausgegrenzt, vielleicht demnächst sogar ganz aus der offiziellen Kirchengemeinschaft herausgedrängt. Aber auch die Katholiken, die – von glaubenstreuen Gemeindepriestern darin unterstützt – einen Weg gefunden haben, mit der Reformliturgie Pauls VI. zu leben, geraten zunehmend unter Druck. Besonders in Deutschland und deutsch sprechenden Ländern, wo der Synodale Weg mit brutaler Offenheit aufgezeigt hat, daß eine Mehrzahl der Bischöfe in zentralen Punkten von der überlieferten Lehre der Kirche wegstrebt.
Diese Bewegung findet ja nicht nur auf der Ebene der Bischofskonferenz und des verräterischerweise so benannten „Zentralkomittees“ statt. Sie hat längst die Gemeinden erfasst, wo schlecht ausgebildete – und wegen des gewollten Priestermangels an Zahl zu wenige – Priester immer weniger willens und im Stande sind, die Sakramente zu spenden und die Lehre zu predigen. Wo linksgrün politisierende Gemeinderefent*innen den Kindern schon früh den ererbten Glauben austreiben oder Frauen einreden, erst als Priester*innen und Bischöf*innen könnten sie ihren angemessenen Platz in der Kirche finden. Nicht nur deshalb, aber auch deshalb verliert die Kirche immer mehr Mitglieder. Die Alten sterben weg, die Jungen heiraten nur noch auf dem Standesamt und schicken ihre Kinder – wenn sie denn überhaupt welche bekommen und wenn sie sie taufen lassen – höchstens noch zur Erstkommunion, denn das ist mancherorts noch ein gesellschaftliches Ereignis.
Die Kirche der Beamtenpfarrer und Tarifverträge reagiert darauf wie jedes betriebswirtschaftlich denkende Unternehmen mit Anpassungen des Angebots – weniger gefragte Artikel wie etwa das 6. Gebot fliegen aus dem Sortiment – und Straffung der Strukturen. In manchem historischen Bistum mit bisher 500 oder 800 Pfarreien werden die Gemeindeschäflein eines morgens wach und erfahren, daß sie nun zu einem von 40 „Gemeindeverbünden“ gehören, die mit Hilfe von ein Paar Gemeindereferent*innen und Diakon*innen im Wartestand sowie einer Verwaltungsratsvorsitzenden von Maria 2.0 den Weg in eine bessere Zukunft ganz gewiss schaffen werden.
Und ein paar hundert Dorfkirchen, die weder wirklich gebraucht noch vom vorhandenen Pastoral-Personal „bespielt“ werden können, liegen als drückende Last auf der Bistumskasse, die schon genug darunter ächzt, die Renten und Pensionen für die Unmengen an Mitarbeitern aufzubringen, die seinerzeit eingestellt worden waren, als man noch an das Märchen vom neuen Frühling geglaubt hatte.
Um solche Kirchen – erweitert noch um eine je nach Region ebensogroße Zahl von evangelischen Kirchen, die aus ähnlichen Gründen wie auf der katholischen Seite stillgelegt werden sollen – geht es, wenn von „Kirchenkauf“ die Rede ist.
Aus Liebe zum Papst und den Päpsten
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- 29. März 2023
Auf Dutzenden von kommerziellen Werbetafeln in Rom sind Anfang dieser Woche Plakate erschienen, die an den gegenwärtigen Papst apellieren, die Verfolgung der von so vielen seiner Vorgänger hochgeschätzten Liturgie der Kirche zu beenden. Mit Aussagen von Päpsten wie Pius V., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. weist die Aktion darauf hin, daß die gegenwärtig verfügten Einschränkungen im klaren Widerspruch zur seit Jahrhunderten geltenden Lehre der Päpste zur Liturgie stehen. Initiator der Aktion ist eine Gruppe italienischer Katholiken, die unter der Bezeichnung „Pro Libertate Missalis“ auftritt. Im Unterscheid zu einer ähnlichen Aktion vor einigen Jahren, bei der Plakate unberechtigt geklebt und von der italienischen Polizei schnell entfernt wurden, haben die Leute von PLM diesmal die Plakatwände regulär gemietet - für 15 Tage, der römische Osterschmuck erscheint gesichert.
Messa in Latino bietet in einer hervorragenden (nicht-maschinellen) Übersetzung eines Artikels von Edwar Pentin im National Catholic Register ausführliche Informationen zu weiteren Plakattexten und den Hintergründen der Aktion. Ebenfalls informativ und lesenswert ein Artikel von Aurelio Perfori auf OnePeterFive, den das Beiboot Petri ins Deutsche übersetzt hat.
Währenddessen gehen die Versuche der päpstlichen Hofschranzen, jede Kritik an den traditionsfeindlichen - und damit letztlich unkatholischen - Aussagen und Maßnahmen von Franziskus als „schismatisch“ zu diskreditieren, ungebremst weiter. Einen aktuellen Überblick bietet katholisches.info unter der Überschrift: Wie weit darf man den Papst, diesen Papst, kritisieren?
Dem Chor der A-Liturgiker, die die überlieferte Liturgie als Ausdruck einer verfehlten und zu Recht abgestoßenen Theologie betrachten, hat sich dieser Tage auch der seit 1980 in diesem Amt agierende päpstliche Hausprediger Raniero Cantalamessa angeschlossen, den man nicht zu Unrecht schon als „den letzten Kapuziner“ bezeichnet hat: Die Zahl der Mitglieder dieser besonders stark dem „Geist des Konzils“ hingegebenen Gemeinschaft ist im freien Fall; das durchschnittliche Alter der Brüder dürfte nicht weit von dem Cantalamessas (geb. 1934) entfernt sein.