Aufhebung der Exkommunikation gegen die Bischöfe der FSSPX
Erklärung von Bischof Gebhard Fürst zu den aktuellen kirchlichen Auseinandersetzungen – oder das Elend der „redlichen Zeitgenossenschaft“
1. 2. 2009
Rottenburg. 1. Februar 2009. In den vergangenen Tagen haben die Vorgänge um die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der „Priesterschaft St. Pius X.“ bei vielen Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche Verunsicherung, Unverständnis und Enttäuschung hervorgerufen.
Das ist sicher richtig: Die von Bischof Fürst beschworene „Kirche des Dialogs nach allen Seiten“ hat es versäumt, ihren Mitgliedern die Möglichkeit vor Augen zu stellen, daß es eines Tages auch zu einem Dialog mit diesem ganz speziellen Teil der Gläubigen kommen könnte, sie hat sich hinter der Exkommunikation als Rechtfertigung von Dialogverweigerung und totaler Ausgrenzung bequem eingerichtet. Jetzt ist der Schrecken groß: Man soll mit denen in Dialog treten, die darin nicht nur eine unverbindliche Versicherung gegenseitiger Wohlanständigkeit sehen, sondern über reale Probleme sprechen wollen..
Besonders erschwerend war der – sicher nicht gewollte - Zusammenfall dieses von Papst Benedikt XVI. als Versöhnungsgeste verstandenen Aktes mit den völlig inakzeptablen Aussagen, mit denen Bischof Richard Williamson die Verbrechen der Nationalsozialisten an den Millionen jüdischer Menschen leugnet und die Schoa in Frage stellt. Es belastet mich als Bischof und als Seelsorger, dass diese Vorgänge zur äußeren und inneren Entfremdung zahlreicher Gläubiger von der Kirche, zu einem Vertrauensverlust besonders der jüdischen Schwestern und Brüder gegenüber der Kirche sowie zu einer erheblichen Störung des christlich-jüdischen Dialogs geführt haben. In den Augen vieler beeinträchtigen diese Ereignisse die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche.
Diese Belastung ist real. Bischof Williamson hat, gewollt oder ungewollt, eine Mine da gezündet, wo sie den größten Schaden anrichten kann. Allerdings versäumt es nun Bischof Fürst, auch nur mit einem Wort auf die Verschiedenheit der Ebenen einzugehen, die sich hier unheilvoll überschneiden: Die Exkommunikation hatte ihren Grund in Verstößen gegen die Rechtsordnung der Kirche, sie wurde aufgehoben, um eine Wiederherstellung der Rechtsordnung zu ermöglichen. Erst von dieser wiederhergestellten Ordnung aus wäre es auch möglich, Williamson da zu disziplinieren, wo er mit unerträglichen Fehldarstellungen historischer und politischer Sachverhalte der Kirche Schaden zufügt. Doch das zu bedenken ist Bischof Fürst zu kompliziert: Im Gegensatz zum Papst verschwendet er keinen Gedanken daran, diese „getrennten Brüder und Schwestern der Piusbruderschaft“ in die Gemeinschaft zurückzuholen, seine Sorge gilt allein der Fortsetzung des „business as usual“.
Theologie und Pastoral unserer Diözese, von mir als Bischof verantwortet, sind und bleiben ohne Wenn und Aber dem Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils und seinen zentralen Anliegen verpflichtet, die auch durch die nachkonziliaren Päpste Paul VI., Johannes Paul I. und Johannes Paul II. kontinuierlich umgesetzt worden sind.
Auch die „nachkonziliaren Päpste“ haben immer wieder betont, daß die „zentralen Anliegen“ des Konzils keine anderen sind als die, die die Kirche schon immer verfolgt hat. Da, wo der Eindruck erweckt wird, als ob sich „zentrale Anliegen“ geändert hätten, liegt die Bringschuld des Beweises, bei denen, die das behaupten. In den anstehenden Gesprächen über die Aussagen des von den Bischöfen der Piusbruderschaft als Konzil anerkannten zweiten Vatikanums wird dazu genug Gelegenheit sein. Im übrigen klingt dieses „ohne Wenn und Aber“ durchaus wie eine kaum versteckte Kampfansage an den Papst: Wir machen, was wir für richtig halten, und wenn Du Dich auf den Kopf stellst. Rottenburg-Tübingen beansprucht die Deutungshoheit über der das zweite Vatikanum - aber das ist ja nichts Neues.
Die Einheit der Kirche ist ein hohes Gut, dem zu dienen eine herausragende Aufgabe des Papstes und der Bischöfe ist. Aber diese Einheit ist nicht mit einer Leugnung grundlegender Aussagen des Konzils zu vereinbaren. Sonst wird sie um den Preis erkauft, dass viele Gläubige sich innerlich oder äußerlich abwenden, für die sich mit dem Konzil eine redliche Zeitgenossenschaft der Kirche mit den Menschen von heute, mit ihrer „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“, verbindet. Die Einheit nach der einen Seite darf nicht zur Entfremdung nach der anderen Seite führen.
Ausweislich der zahlenmäßigen Entwicklung des Gottesdienstbesuches haben sich seit 1965 ja bereits genug (ehemals) Gläubige innerlich entfremdet und äußerlich abgewandt - es ist Zeit, vorbehaltlos über die Gründe des katastrophalen Glaubensabfalls zu sprechen. Die „grundlegenden Aussagen“ des Konzils auf die Wortwolke einer „redlichen Zeitgenossenschaft“ zu reduzieren ist, so hart muß man das wohl sagen, einfach unredlich.
Die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der „Priesterbruderschaft St. Pius X.“ muss uns allen Anlass sein, das Zweite Vatikanische Konzil in seiner großen Bedeutung weiterhin und noch intensiver zu erschließen und zu verwirklichen.
Ja, und zwar so, wie alle Päpste seit dem Konzil es immer wieder verlangt haben: In der Hermeneutik von Reform und Kontinuität und nicht in der Behauptung eines Bruches, der anscheinend als so tief angesehen wird, daß alles und jedes als dialogfähig gelten soll – nur nicht diejenigen, die da keinen Bruch vollziehen wollen.
Dies gilt für das Verständnis und die Gestalt der Kirche, für die Öffnung der Kirche gegenüber den sozialen Entwicklungen, der Zivilisation und der Kultur der modernen Welt, in der Menschenrechte und Menschenwürde konstitutiv sind.
Dies gilt für die Religionsfreiheit und insbesondere für eine neue Würdigung des Judentums in seiner gottgewollten Bedeutung für das Christentum sowie eine Vertiefung des Dialogs mit den Juden als unseren „älteren Schwestern und Brüdern“.
Konstitutiv für die Kirche nach dem Konzil sind in der Lesart von Bischof Fürst also die „Öffnung gegenüber den sozialen Entwicklungen“, die „Zivilisation und der Kultur der modernen Welt“, die Religionsfreiheit und eine eine „neue Würdigung des Judentums in seiner gottgewollten Bedeutung für das Christentum“. Wir wollen dem Bischof nicht unterstellen, daß er keine anderen Elemente und Wesensmerkmale der Kirche anerkennt - aber um dem Eindruck vorzubeugen, die Kirche sehe sich als eine Art Unterorganisation der UNO, wäre es doch passend gewesen, wenigstens mit einem Wort auf die Dimension einzugehen, die über die „redliche Zeitgenossenschaft“ hinausgreift
Dies gilt für das klare Bekenntnis zur Ökumene und zur Förderung der Einheit der Christen.
Dies gilt schließlich und nicht zuletzt für die Liturgie der Kirche, die dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein herausragendes Anliegen ist.
Die Diskussion darüber, inwieweit die vom Consilium ausgearbeitete und von Papst Paul VI. promulgierte Liturgiereform den „Anliegen“ des 2. Vatikanums entspricht, wird uns das ganze Jahr (und länger) beschäftigen. Nur einen Satz aus Sacrosanctum Concilium wollen wir an dieser Stelle der Vergessenheit entreißen, in die die Liturgierevolutionäre ihn gestürzt haben:„Schließlich sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wirklicher und sicher zu erhoffender Nutzen der Kirche verlange es“ (§23). Die eklatante Mißachtung dieses „Anliegens des Konzils“ ist einer der Wurzeln der aktuellen Probleme.
Der Wille zur wirklichen Einheit muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Wer immer sich zur Kirche bekennt, kann nicht wesentliche Grundanliegen des Konzils in Frage stellen. Sonst käme es lediglich zu einer Scheineinheit.
+ Bischof Dr. Gebhard Fürst
Bemerkenswert an den Ausführungen des Bischofs erscheint auch im letzten Absatz wieder, daß er nur von „Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils und seinen zentralen Anliegen“ spricht, nicht jedoch von den Texten des Konzils und deren lehramtlicher Auslegung (z.B. in Redemptionis Sacramentum). Damit setzt er sich dem Verdacht aus, an der seit Jahrzehnten propagierten deutschen Praxis festhalten zu wollen, die willkürliche Theologenansichten vom „Geist des Konzils“ zum alleinverbindlich Maßstab macht. Aber das Lehramt der katholischen Kirche residiert nicht in Tübingen.