„Allgemeines Priestertum“
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- 18. September 2019
Katholische Schizophrenie: Die Vorsitzenden des Vereins „Wir sind Kirche“ in Österreich sind wegen Verstoß gegen die Lehre und die Disziplin der Kirche (Meßsimulationen) exkommuniziert – aber ihre seit 25 Jahren unverändert und mit zunehmender Lautstärke vorgetragenen Forderungen sollen nun die Grundlage für ein am Kirchenrecht vorbei einberufenes Partikularkonzil der deutschsprachigen Katholiken bilden. Einer der Punkte Im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen der deutschkatholischen Abspaltung und der katholischen Rechtgläubigkeit betrifft die Frage des Priestertums: Die römische Orthodoxie geht von der Besonderheit des Weihepriestertums aus, nur der in der Tradition der Apostel geweihte Priester hat die Vollmacht zur Erneuerung des Kreuzesopfers für Kirche und Gemeinde, und bei ihm liegt auch die Verantwortung für die Leitung und Seelsorge der Gemeinde. So ist es geltendes Kirchenrecht.
Die Wisikis, zu denen inzwischen anscheinend auch eine Mehrheit der deutschen Bischöfe gehört, sehen das anders. Ihr Gemeinde- und Kirchenbild ist modern-demokratistisch, eine Gemeinschaft der Gleichen, die selbst über die Verteilung der „Funktionen“ bestimmt (d.h. abstimmt) und letzten Endes jedem Gemeindemitglied die Übernahme jeder Funktion ermöglicht. In Bezug auf die Gemeindeleitung haben die Bischöfe sich dieser Vorstellung bereits weitgehend angnähert. Bei der Beschränkung des Auftrags zur realen Vergegenwärtigung des Opfers Christi auf den dazu geweihten Mann als „Persona Christi“ zeigen sie in unterschiedlichem Maße Kompromiss- und Kapitulationsbereitschaft.
Dazu bedienen sie sich mehrerer Ansätze: Die Besonderheit des eucharistischen Opfers wird durch Angleichung der Form an andere Gottesdienstformen unkenntlich gemacht – und mit der „Re-Enactio“ des Kreuzesopfers verschwindet auch der Grund dafür, die hl. Messe einem besonders dazu bevollmächtigten Priester vorzubehalten. In der Gemeindeleitung sind sie unter Berufung auf die (angeblichen) Erfordernisse der Lebenswelt schon weit dazu vorangekommen, die Gemeinden zu Vereinen wie alle anderen auch umzugestalten. Beidemale spielt das Schlagwort vom „Priestertum aller Getauften“ bzw „gemeinsames Priestertum der Gläubigen“ eine große Rolle – spätestens seit Luther.
In der katholischen Kirche haben das Konzil und der Katechismus von Trient verhindert, daß diese zumindest mißverständliche (und von den Protestanten auch stets als Kampfbegriff gegen die Sakramentenlehre eingesetzte) Begrifflichkeit ihre zerstörerische Wirkung entfalten konnten. Das zweite Vatikanum und dort insbesondere das an Mißverständlichkeiten und Doppeldeutigkeiten so reiche Dokument Lumen Gentium haben diesen Schutz untergraben. Leider ist auch der Katechismus von 1993 davon nicht ganz unberührt geblieben.
Nicht ohne einen Anschein von Berechtigung kann daher ein Bericht zur Bischofskonferenz 2014 auf katholisch.de ausführen:
Hinter der Formel des "priesterlichen Gottesvolks", mit der sich die Bischöfe diesmal in Fulda beschäftigten, verbirgt sich eine der heiklen Grundsatzfragen, die das Zweite Vatikanische Konzil vor 50 Jahren der katholischen Kirche hinterlassen hat. Seit das Reformkonzil beschloss, das schon von Martin Luther eingeforderte "allgemeine Priestertum aller Gläubigen" zu betonen, ist die Frage, was denn dann noch das besondere Priestertum der Kleriker ausmacht und wie es mit von Verhältnis von Macht und Dienst in der Kirche bestellt ist.
Zurückführen läßt sich diese Behauptung wohl auf den Schluß des Kapitels 10 von Lumen Gentium, wo es heißt:
Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil[16]. Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit[17].
Als Knackpunkt erscheint unserem laienhaften Verständnis hier (ebenso wie im anscheinend daraus abgeleiteten Absatz 941 des Katechismus) die nicht weiter erläuterte Verbindung des „allgemeinen Priestertums“ mit dem Priestertum Christi. Der vom Konzilstext in Anmerkung [16] angeführte Absatz aus Mediator Dei läßt sich allerdings nur mit schlechtem Willen in der gewünschten Weise auslegen, stehen doch der dort in der Tat etwas pauschalen Wendung zahlreiche andere Ausführungen im gleichen Dokument gegenüber, in denen die Besonderheit der weihepriesterlichen Teilhabe am Hohepriestertum Christi in großer Klarheit ausgeführt werden. Auch LG selbst ist in anderen Passagen dem traditionellen Verständnis näher - aber eine Doppeldeutigkeit reicht ja schon.
Wer sich tatsächlich an Mediator Dei orientieren wollte, wird durch die Ausführlichkeit und Präzision der dort in diesem Zusammenhang getroffenen Ausführungen zuverlässig davor geschützt, aus der wolkigen Formulierungen von Lumen Gentium abzuleiten, es sei quasi eine offene und weiterhin diskussionsbedürftige Frage, „was denn dann noch das besondere Priestertum der Kleriker ausmacht und wie es mit von Verhältnis von Macht und Dienst in der Kirche bestellt ist.“ Diese Frage entsteht nur dadurch, daß es der modernistische Fraktion der Konzilsväter gelungen ist, hier in Lumen gentium eine der von Michael Davies beschriebenen „Zeitbomben“ zu platzieren. Damit meinte er Stellen und Aussagen in den Dokumenten, die der tief in Glauben und Tradition verwurzelten Mehrheit der Konzilsväter seinerzeit unverdächtig erscheinen mochten – denen man aber später, wen diese Verwurzelung wie angestrebt und voraussehbar abgenommen hätte, eine neue, eben „zeitgemäße“ und „moderne“ Deutung unterschieben könnte.
Genau diese Zeitbomben fliegen uns jetzt in Veranstaltungen wie dem Synodalen Weg in Deutschland oder der Amazonas-Synode in Rom um die Ohren. Mission accomplished.
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Ein weiterer Beitrag, der sich mit dem katholischen Inhalt des Begriffs vom „gemeinsamen Priestertum“ der Getauften befassen soll, ist in Arbeit.