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Papst Benedikt erklärt das Konzil

Papst Benedikt XVI.Und wieder hat Joseph Ratzinger vor einem Konklave eine Rede gehalten, von der noch lange zu reden und zu schreiben sein wird. Vor dem Konklave, das ihn zum Nachfolger Petri wählte, geißelte er die seitdem noch weiter um sich greifende Diktatur des Relativismus in einer Weise, die bei den Getroffen die Nerven blank legte. Dieses mal hat er vor dem Konklave, das seinen Nachfolger wählen wird, eine Einschätzung der Absichten und der Wirkungen des 2. Vatikanischen Konzils vorgetragen, wie sie so im Vatikan noch nicht zu hören war. Anlass des Vortrags war das Treffen mit den Klerikern seiner Diözese Rom am 14. Februar.

Papst Benedikt unterscheidet dabei zwischen einem „Konzil der Väter“, das das „wahre Konzil“ gewesen sei, und dem „Konzil der Medien“. Es sei dieses außerhalb der Welt des Glaubens  stehende „Konzil der Medien“ gewesen, das die weltweite Wahrnehmung bestimmt habe. Dieses „Konzil der Medien“ habe die Wahrnehmung des Konzils insgesamt auf politische Kategorien und die Wahrnehmung der Liturgie auf ein profanes Gemeinschaftserlebnis reduziert - und so sei vieles dann auch innerhalb der Kirche aufgefasst und umgesetzt worden. Erst jetzt, 50 Jahre nach dem Abschluß, komme das wahre Konzil allmählich hinter dessen virtuellem Abbild zum Vorschein.

Wir haben die das Konzil betreffenden Passagen aus dieser Rede nach einer auf Rorate Caeli veröffentlichten englischen Fassung übersetzt.

Es gab das Konzil der Väter - das wahre Konzil - aber es gab auch das Konzil der Medien. Das war fast ein Konzil an und für sich selbst, und die Welt nahm das Konzil durch dieses Konzil der Medien wahr. So war das Konzil, das unmittelbar und wirkungsvoll zu den Menschen durchkam, das der Medien und nicht das der Väter. Und während dessen entfaltete sich das Konzil der Väter innerhalb des Glaubens, als ein Konzil des Glaubens, das nach Einsicht suchte und das die Zeichen Gottes für diese Zeit sehen und verstehen wollte, das den Herausforderungen Gottes für diese Zeit gerecht werden wollte, um die Worte für heute und morgen zu finden. Und während sich so das ganze Konzil, wie ich schon sagte, innerhalb des Glaubens bewegte, gleichsam als fides quaerens intellectum, fand das Konzil der Journalisten natürlich nicht in der Welt des Glaubens statt, sondern in den Kategorien der heutigen Medien, also außerhalb des Glaubens und mit einer anderen Hermeneutik. Das war die Hermeneutik des Meinungskampfes.

Blick in die Konzilsaula

Die Medien sahen das Konzil als einen politischen Kampf, als einen Machtkampf zwischen verschiedenen Strömungen innerhalb der Kirche. Es war offensichtlich, daß die Medien jeweils die Seite unterstützen würde, die am besten in ihr Weltbild passte. Da gab es solche, die eine Dezentralisierung der Kirche wollten, mehr Macht für die Bischöfe, und dann, unter der Rede vom „Volk Gottes“, Macht für das Volk, für die Laien. Das war ein dreifaches Thema: Die Macht des Papstes, dann übertragen auf die Macht der Bischöfe, und dann die Macht aller ... Volkssouveränität. Natürlich sahen sie darin ein Element, das sie billigten, das sie verbreiteten, das sie unterstützten.

So war das auch hinsichtlich der Liturgie: Sie hatten kein Interesse an der Liturgie als Akt des Glaubens, sondern sie (sahen sie) als etwas, das verständlich gemacht, einer Gemeindeaktivität angeglichen, zu etwas Profanem werden müsse. Und wir wissen, daß es einen Trend gab - der auch seine historischen Grundlagen hatte - der behauptete: „Heiligkeit ist etwas heidnisches, bestenfalls aus dem Alten Testament. Das einzige, worauf es im Neuen Testament ankommt, ist, daß Christus außerhalb gestorben ist, außerhalb der Mauern, in der säkularen Welt.“ Heiligkeit wurde schließlich selbst im Gottesdienst zu etwas Profanem: Gottesdienst ist nicht Gottes-Dienst, sondern eine Tätigkeit, die Menschen zueinander bringt, gemeindliche Teilhabe und somit Teilhabe als Aktion. Und diese Übertragung, diese Trivialisierung der Idee des Konzils, wirkte sich auch stark in der Implementierung der Liturgiereform aus, die aus einer Sicht des Konzils außerhalb dessen eigener Schlüsselbegriffe des Glaubens hervorging.

Und genauso ging es auch mit Bezug auf die Heilige Schrift: Die Bibel ist ein Buch, historisch, das historisch zu behandeln ist - und sonst gar nichts; und so weiter.

Und wir wissen, daß dieses Konzil der Medien allen offen stand. So brachte dieses (virtuelle) Konzil in seiner Dominanz und Effektivität in der Realität viele Schwierigkeiten hervor, so viele Probleme, so viel Elend. Die Seminare machten zu, Klöster lösten sich auf, die Liturgie wurde trivialisiert. Das wahre Konzil hatte demgegenüber zu kämpfen, um wahrgenommen zu werden und zu wirken: Das virtuelle Konzil war stärker als das reale Konzil. Aber die Stärke des realen Konzils war doch vorhanden, langsam kommt sie zum Vorschein und wird zur realen Kraft, die zu einer wahren Reform und einer wahren Erneuerung der Kirche führt.

Mir scheint, daß wir jetzt 50 Jahre nach dem Konzil erleben, wie dieses virtuelle Konzil zerbricht und untergeht, während das wahre Konzil mit seiner ganzen spirituellen Kraft zum Vorschein kommt. Und es ist unsere Aufgabe, in diesem Jahr des Glaubens, mit diesem Jahr des Glaubens beginnend, daran zu arbeiten, daß das wahre Konzil in der Kraft des Heiligen Geistes verwirklicht und die Kirche wahrhaft erneuert wird. Wir hoffen, der Herr wird uns beistehen."

Auf den ersten Blick könnte es so scheine, als ob der Papst alle Verantwortung für die katastrophale Entwicklung auf das „Konzil der Medien“ schieben wolle, um das „wahre Konzil“ rein zu halten. Bei genauerem Hinsehen wird freilich sichtbar, daß er keinesfalls die Augen davor verschließt, daß die Medien ihre Ansatzpunkte auch innerhalb der Kirche und selbst innerhalb der Konzilsaula vorfanden. Doch was dort innerhalb des Glaubens gesucht und diskutiert wurde, konnten und wollten sie nur aus der herrschenden Perspektive außerhalb des Glaubens wahrnehmen, verbreiten und letztlich sogar wieder in die Konzilsaula zurückspiegeln. So funktioniert Verweltlichung.

Über die dabei wirkenden Mechanismen, ihre Grundlagen und Auswirkungen bis in die Dokumente hinein, stellen sich viele Fragen, die Papst Benedikt mit der ihm verbleibenden Kraft und in der ihm verbleibenden Zeit nicht beantworten kann. Aber er hat vom höchsten Amt aus den Anstoß gegeben, sie mit Nachdruck zu stellen.

 

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