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Was an Limburg zu lernen ist

Wenn der Streit um den Limburger Bischof Tebartz van Elst wirklich die Bedeutung hatte, die wir am 11. September vermuteten, dann haben wir jetzt – ein wenig und für kurze Zeit zumindest – Grund zum Aufatmen: Nach dem Kölner Kardinal Meisner, von dem wir das erwarteten, und dem Hamburger Erzbischof Thissen, der uns (nicht zum ersten Mal) überrascht hat, hat sich jetzt auch Kurienerzbischof Müller von der Glaubenskongregation mit einem starken „der Bischof bleibt“ zu Wort gemeldet. Solche Wortmeldungen sind nicht etwa deshalb von Bedeutung, weil sie zeigen, daß auch der Limburger Bischof „Stimmen“ auf sich vereinigen kann – die Kirche kennt in diesem Sinne keine Bischofswahlen oder -abwahlen, und Stimmen (oder gar Pressestimmen) haben da, wo die Kirche lebt, kein zählbares Gewicht.

Bedeutsam an diesen Wortmeldungen ist, daß sie auf unterschiedliche Weise etwas von dem eigentlichen Inhalt der Auseinandersetzung sichtbar machen, in deren Zentrum der Limburger Bischof geraten ist. Kardinal Meisner hat den Skandal beim Wort genannt, daß viele Amtsbrüder aus Opportunismus bereit waren (und wohl auch immer noch sind), Bischof Tebartz der Meute zum Fraß vorzuwerfen – Hauptsache, ihr guter Draht zur Presse, also zur weltlichen Macht, bleibt intakt. Bischof Thissen hat das Tabuthema angerührt, daß der Bischof an einen Verwaltungsapparat, der jahrzehntelange Bürokratisierung und geschäftigen Leerlauf auf Gremien-Sinekuren erfolgreich als Demokratisierung verkauft hat, wohl zu hohe Ansprüche gestellt habe: „Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Mitarbeiter da folgen.“ Und Erzbischof Müller benennt den innersten Kern der Sache: Die Kampagne – die wohlgemerkt nicht nur von außerhalb der Kirche betrieben worden ist – habe das „Ziel, Bischöfe, die nicht ins eigene Kirchenbild passten, einzuschüchtern oder zu eliminieren.“ Dazu setzt er noch die Erinnerung daß daß die Bischöfe keine Untergebenen der Bischofskonferenz seien – auch wenn deren Sekretär sich das noch so sehr wünschen mag.

Selten zuvor wurden die Spaltungen, die die Kirche in Deutschland (und anderswo natürlich auch) durchziehen, so deutlich sichtbar und auch von Bischöfen so deutlich benannt wie in den letzten Tagen. Es geht nicht um ein finanziell aus dem Ruder gelaufenes Bauprojekt oder um eine vielleicht zu üppig angelegte Reise mit unklarer Zielsetzung – wenn es darum ginge, hätten nicht nur alle deutschen Bischöfe, sondern auch alle deutschen Chefredakteure genügend Grund, in Sack und Asche zu gehen. Es geht um die Kirche, deren Verweltlichung – als „Verheutigung“ getarnt – die einen mit Macht anstreben, während die anderen anscheinend erst langsam dahinter kommen, daß es tatsächlich nicht um Stilfragen geht, sondern ums Ganze.

Reden über Liturgie in Zeiten der Unordnung II

Weißer Renault R4Wie und was soll man heute über Liturgie schreiben, wo doch erkennbar von Bildzeitung bis Osservatore Romano die Sorge der Welt ganz anderen Gegenständen gilt? Muß man ein Gespräch über Kniebeugen und den rechten Ordo heute nicht ebenso als ein Verbrechen ansehen wie seinerzeit BB ein Gespräch über Bäume?

Oder in einem Wort gesagt: Sollen wir den Laden dichtmachen?

Ich denke: nein. Zumal sich andeutet, daß durch die inzwischen mit voller Wucht eintretende Historisierung des zweiten Vatikanums ganz neue Spielräume aufgetan werden. Sind sich nicht Alle einig, daß die feierliche Festlegung der Liturgiekonstitution, „Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben“ (SC 36/1) den Test der Zeit nicht überstanden hat und damit hinfällig geworden ist? Hat sich nicht der neuernannte Vatikanische Staatsekretär Parolin soeben „für eine Zölibatsdiskussion“ ausgesprochen, wie die Website der deutschen Bischoffskonferenz ebenso hoffnungsfroh wie übertreibend behauptet - und damit zentrale Aussagen von Lumen Gentium (42) und Presbyterorum Ordinis (16) der verdienten Unverbindlichkeit überantwortet?

Everything goes.

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Reden über Liturgie in Zeiten der Unordnung

Wie und was soll man da über Liturgie schreiben, wenn einen innerhalb 24 Stunden folgende Nachrichten erreichen:

Aus Limburg kommt die Kunde, daß nun auch S.E. Karl Kardinal Lehmann in das Kesseltreiben der vereinigten Deutschkatholiken und Kirchenfeinde gegen Bischof Tebartz einstimmt und kaum verholen dessen Abberufung fordert. Und in der Tat sind die in Spiegel, Frankfurter Rundschau und Frankfurter Allgemeine ad nauseam widerholten Vorwürfe ja ungeheuerlich: Ein bereits vom Vorgänger eingeleitetes und vom Denkmalschutz und den üblichen Überraschungen verteuertes Bauprojekt habe viel Geld verschlungen, das man besser „den Armen“ gegeben hätte; der Bischof verbrenne zuviel Weihrauch und lasse die Gläubigen unangemessener Weise knien - und im übrigen sei er nicht sensibel genug im Umgang mit den Los-Von-Rom-Propagandisten seines Sprengels. Dazu noch inkompatibel zu den Zeitgeistmedien.

Nun ja, wenn man den Limburger so auf dem Bildschirm sieht, möchte man schon glauben, daß er bald ins Gras beißt. Wieder einer erlegt.

Szenenwechsel. Aus Rom gibt es Nachrichten von dem Kapuziner, der zum Kommissar über die Franziskaner der Immakulata eingesetzt worden ist. Zur Erinnerung: Die Kapuziner sind der Orden, der im Reformtaumel so abgewirtschaftet hat, daß er weltweit innerhalb eines Menschenalters drei Viertel seiner Mitglieder (durch Absterben ohne Neuberufungen) verloren hat und den größten Teil seiner Niederlassungen aufgeben mußte. Um die von Berufungen reichlich gesegneten, freilich gegenüber der Reformbegeisterung zögerlichen Immakulata-Franziskaner jetzt auch der Segnungen des Zusammenbruchs teilhaftig werden zu lassen, hat der Papstkommissar jetzt eine geniale Maßnahme ergriffen: Von den 600 Mitgliedern des Ordens ernannte er nun einen der 5 Dissidenten, die sich gegen die Pflege der überlieferten Liturgie im Orden gewehrt hatten, zum „Generalsekretär“ mit unbegrenzten Vollmachten. Der smarte Alfonso Bruno wird den Laden schon auf Null bringen, während ringsum Lobgesänge auf den neuen Frühling und die neue Demut erschallen.

Am gleichen Tag hält im Gästehaus S. Martha der Bischof von Rom eine Morgenpredigt in der von ihm inzwischen gewohnten Technik der freien Assoziation über drei Punkte. Dabei entdeckt er in der liturgischen Praxis der Kirche des 21. Jahrhunderts eine Tendenz zum Triumphalismus und auch deren Ursache: Das komme daher, daß man nicht wirklich an den auferstandenen Christus glaube, sondern eine Auferstehung aus eigener Machtvollkommenheit inszenieren  wolle. Apart. „Vexilla Regis prodeunt“ nur ein falscher Schein? Venantius Fortunatus ein glaubensschwacher Zweifler, der sich an selbst geschwungenen Bannern hochzieht?

Es verschlägt einem die Sprache.

Tradition und Glaube

Stickmuster mit traditionellen KreuzformenAls dekorative Elemente gelten seit einem halben Jahrhundert Vielen all die Frömmigkeitsformen und Symbole, Gewohnheiten und Vorschriften, die das Leben der Kirche in Jahrtausenden hervorgebracht hat. Im einzelnen vielleicht ganz nett, aber inhaltlich ohne Belang und dem Verständnis des modernen Menschen für die Dinge, um die es wirklich geht, eher hinderlich.

Wie grundfalsch diese Vorstellung ist, war dieser Tage - wieder einmal - auf katholisch.de, dem offiziellen Internetauftritt der katholischen Kirche in Deutschland, zu besichtigen. In einer Serie zur Wahl wurde die Bundesvorsitzende der katholischen Landvolkbewegung - was für ein traditionsbelasteter Name - zum Verbraucherschutz im Allgmeinen und dem Veggie-Day insbesondere befragt. Und so antwortete Frau Nicole Podlinski:

Der Veggie-Day ist ja im Prinzip für Katholiken gar nichts Neues, wir hatten mal den fleischlosen Freitag. Das war aus religiösen Gründen so, um den Respekt vor der Schöpfung zu bezeugen.“

Nicht ganz, liebe Frau Podlinski, nicht ganz. Beim Veggie Day als Bestandteil der neuen Universalreligion des sich selbst feiernden Gutmenschentums mag es um einen nicht näher definierten Respekt vor der Schöpfung gehen. Beim fleischlosen Freitag ging es um das Gedenken des Opfertodes Jesu Christi am Kreuz, der sein Fleisch dahingab für die Erlösung der Welt. Dabei ging es nicht nur um die Erinnerung, sondern auch darum, sich selbst mit einem kleinen symbolischen Akt mit diesem Opfer zu vereinen.

Mit dieser Tradition, die bis in die ältesten Zeiten der Kirche zurückreicht, wurde offenbar auch die Erinnerung an das aus dem Alltag genommen, wofür sie einmal stand: Das Herzstück unseres Glaubens, die Erlösung der Welt. Und diese Erlösung vollbringen nicht wir durch „Respekt vor der Schöpfung“, sondern Christus der Gekreuzigte. Daran glaubten wir einmal fest, bevor wir den traditionellen Zierart aus Kirche und Leben verfbannt haben.

Aber das war ein mal. Und so ist es kein Wunder, daß sich in dem Gespräch mit der Vorsitzenden des katholischen Verbands, das eine Journalistin der katholischen Nachrichtenagentur für die Veröffentlichung auf dem Webportal der katholischen Kirche geführt hat, kein einziges Wort findet, das nicht in jeder beliebigen Veröffentlichung eines beliebigen Freidenkerverbandes stehen könnten. Denn was der Mensch des 21. Jahrhunderts nach Ansicht der katholischen Kirche in Deutschland wirklich braucht, ist nicht irgendetwas Traditionelles oder gar Katholisches, sondern

eine Eiweiß-Strategie: Solange wir Soja aus der ganzen Welt importieren, um Futtermittel für unser Fleisch zu haben, solange haben wir auch ökologische Probleme. Nicht der Fleischkonsum ist das Problem, sondern der ökologische Fußabdruck des Fleisches. Dieser wird geringer, wenn wir die Futtermittel bei uns produzieren, etwa Ackerbohnen oder Lupinen.“

 

Lieber keine Priester, als konservative

Die Erwartung, nach dem überaus unappetitlichen Katalog zur Erkennung und Denunziation von Traditionalisten, den wir hier gestern vorstellten, wieder zum Alltag zurückkehren zu können, hat getrogen. Tatsächlich ist das, was heute nicht auf einer entlegenen amerikanischen, sondern der zentralen Webseite des deutschen säkular-Katholizismus zu lesen war, eher noch eine Stufe ekliger als dieser Verleumdungskatalog.

Aber der Reihe nach.

Im Würzburger Priesterseminar hat es „antisemitische und rassistische Vorfälle" gegeben - die unter anderem darin bestanden, daß ein Seminarist einen Auftritt der Band „Frei.Wild“ besucht hatte. Hier der KNA-Bericht dazu. Es liegt mir fern, diese Vorfälle und ihre Bewertung durch die zuständigen Bischöfe meinerseits zu bewerten; und nicht nur aus Höflichkeit gegenüber der allgegenwärtigen Inquisition erkläre ich gerne, daß Männer, die ein unklares Verhältnis zu den Mordideologien des 20. Jahrhunderts haben, wohl kaum als Priesterkandidaten geeignet sind.

Doch nicht von Würzburg ist hier zu reden, sondern von der überaus perfiden Weise, in der die dort erkannten Vorkomnisse von dem Theologen und Psychotherapeuten Wunibald Müller ausgebeutet werden, um die ganze Kirche, wie wir sie kennen, in den Dunstkreis einer zu überwindenden rechtsradikalen Gedankenwelt einzubeziehen. Also bei weitem nicht „nur“ die Piusbrüder oder andere „Traditionalisten“. Dabei ist dieser Müller - sonst hätte der Bayerische Rundfunk ihn nicht interviewt und KNA seine Ausführungen auch kaum reportiert - nicht irgendwer, sondern als langjähriger Leiter des Referates für Pastoralpsychologie sowie Referent für Priesterfortbildung im Bistum Freiburg und seit 1991 Leiter des Recollectio-Hauses (vulgo: Besserungsanstalt für gefallene Priester) in Münsterschwarzach eine der entscheidenden Figuren in der deutschen Priesterausbildung.

Die Ausführungen von Dr. theol. Wunibald Müller vor dem Bayerischen Rundfunk - hier das Video - werden von KNA zunächst folgendermaßen zusammengefasst:

Auch wenn in den vergangenen Jahren die Tendenz zugenommen habe, dass eher Konservative im Priesterseminar Zuflucht suchten, könnten diese Männer nicht der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden. Die Verantwortlichen müssten sich allerdings die Frage stellen, ob man nicht an einer bestimmten Stelle blind gewesen sei. „Wären es zum Beispiel links orientierte Menschen gewesen, wäre man da nicht schneller bereit gewesen, denen zu sagen, dass sie hier nichts zu suchen haben?“, fragte Müller.

Der Theologe riet dazu, künftig bei der Auswahl von Priesteramtskandidaten genauer hinzuschauen: „Sind sie kommunikationsfähig? Sind sie mit einer geerdeten Spiritualität ausgestattet? Haben sie sich wirklich mit ihrer Sexualität auseinandergesetzt?“

Die Antwort auf diese Fragen kennt der priester-psychologische Chefberater des deutschen Episkopats bereits: Er geht davon aus, daß diese Anforderungen so wie er sie versteht zur Zeit überhaupt nicht erfüllbar sind und fordert auf, zu überlegen: „Was möchte uns Gott damit sagen, dass es offensichtlich im Moment keine Männer gibt, die geeignet sind für das Priesteramt?“ Die Antwort liegt für ihn auf der Hand: „Ist es nicht so, daß es jetzt höchste Zeit wird, daß man auch Männer zulässt, die heiraten dürfen, und daß man danach auch Frauen zulässt. (...) Dann würde auch ein ganz anderes Bild von der Priesterschaft ausgehen.“

So kommt man bruchlos vom „Kampf gegen Rechts“ zu dem gegen den Zölibat und für das Frauenpriestertum. Gekonnt.

Und einen solchen Könner setzen die deutschen Bischöfe seit drei Jahrzehnten an maßgeblicher Stelle in der Priesterausbildung ein, und der Propagandaapparat, der solches verbreitet, ist ihnen jährlich viele Millionen wert.

Liberal bis zur Selbstaufgabe – und darüber hinaus.

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