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Was für ein Chaos!

Bild: cnaIm Gespräch mit der Tagespost hat der von Papst Franziskus als Präfekt der Glaubenskongregation entlassene Gerhard Kardinal Müller scharfe Kritik am Mehrheitsbeschluss der deutschen Bischofskonferenz geübt, nichtkatholische Ehepartner „in Einzelfällen“ zur Kommunion zuzulassen. Dabei ging er auch auf andere derzeit in der deutschen Kirche vorgeschlagene Verfahren ein. Hier einige Kernsätze.

Zu „Ökumenischer Fortschritt durch Abendmahlsgemeinschaft“:

Ein ökumenischer Fortschritt wäre nur dann gegeben, wenn wir dem großen Ziel der Einheit der Christen in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche Gottes näherkommen. Voraussetzung dafür wäre aber die Anerkenntnis der Sakramentalität der Kirche und der Tatsache, dass wir über die Sakramente keine Verfügungsgewalt haben.

Zu „Notlage und Einzelfall“

(…) die Ehe mit einem katholischen Partner, die Verwandtschaft oder gute Bekanntschaft mit nicht-katholischen Christen erfüllen nicht die Voraussetzungen für (eine) Notsituation, wo es um das ewige Heil geht. (…) Die konfessionsverschiedene Ehe ist keine Notsituation.

Die Formulierung „Einzelfälle“ ist ein rhetorischer Trick. Die meisten Gläubigen sind keine Theologen, die den Überblick über das Thema haben. Deswegen müssen päpstliche und bischöfliche Aussagen zum Sakramentenempfang so klar vorbereitet sein, dass sie dem Heil der Menschen dienen. Christus hat das Lehramt nicht gestiftet, um Prozesse anzustoßen, die in Verwirrung führen. Der Heilige Geist ist übrigens nicht der Lückenbüßer für mangelnde Kenntnis und theologische Reflexion der katholischen Glaubenslehre. (…)

Ein logischer Widerspruch kann nicht durch einen Machtspruch der Hierarchie überwunden werden. Weder der Papst noch wir Bischöfe können die Sakramente umdefinieren zu einem Mittel, um psychische Nöte zu lindern und spirituelle Bedürfnisse zu stillen.

Zur Berufung auf päpstliche Aussagen vor der lutherischen Gemeinde in Rom:

Aber diese Aussagen und Gesten ziehen in diesem Zusammenhang nicht. Sie haben kein lehramtliches Gewicht. Viele sprechen derzeit von einer Krise im römischen Lehramt, das widersprüchliche dogmatische Behauptungen von Bischofskonferenzen zulässt und nicht strikt unterbindet, wie es die Aufgabe der Glaubenskongregation wäre. Keine kirchliche Lehrautorität kann den Bischofskonferenzen, die nur kraft kirchlichen Rechtes existieren, eine Lehrkompetenz zuschreiben, die sie nicht haben und haben können. Die Aufgabe des Papstes mit Unterstützung der Glaubenskongregation ist es, die Einheit der Kirche in der geoffenbarten Wahrheit zu wahren. Eine Pluralität in der Theologie ist legitim, ein Pluralismus im Glauben ist falsch.

Ohne durch eine dahingehende Frage der Interviewerin (Regina Einig) dazu angeregt zu sein, bezieht der Kardinal einen weiteren bisher hier nicht geltend gemachten Aspekt in die Diskussion ein:

Was ist mit einem guten, praktizierenden Katholiken, die aus Enttäuschung über die zunehmende Politisierung der Kirche in Deutschland – wie er sie empfindet – standesamtlich aus ihr als Körperschaft des öffentlichen Rechtes austreten würde – mit welchem Grund dürfte man ausgerechnet ihm die heilige Kommunion verweigern?

Zur Öffnung von Wegen für die kirchliche Segnungen homosexueller Paare:

Hinter den unaufhörlich „geöffneten Türen“ steht nicht notwendig ein solide gebautes Haus, es könnte auch ein Attrappe sein. Durch die „geöffneten Fenster“ tritt nur dann frische Luft ein, wenn sie draußen auch weht. Statt mantraartig diese vergilbten Sprachbilder umzublättern, sollte man theologisch exakt formulieren. Das ist der beste Beitrag für Pastoral und Ökumene. Der Ausdruck „Gewissensentscheidung im Einzelfall“ ist ein „weißer Schimmel“, weil Gewissensentscheidungen immer nur im Einzelfall getroffen werden können. (...)

Segnen heißt gutheißen gemäß dem Sinn, den Gott in die Einrichtungen seiner Schöpfung und an allererster Stelle in die Personen selbst gelegt hat. Niemand verurteilt einen Menschen mit homosexuellen Neigungen als Person. Das wäre eine gotteslästerliche Anmaßung, das wesensmäßige Gutsein der Existenz eines von Gott geschaffenen Menschen in Frage zu stellen. Im übrigen gibt es keine Homosexuellen wie eine besondere Gattung von Menschen. Dies wäre die schlimmste Form von Diskriminierung. Denn Gott erschafft Menschen nach seinem Bild und Gleichnis und er schuf sie als Mann und Frau. Doch wenn homosexuelle Handlungen dem Willen Gottes widersprechen, kann niemand dafür den Segen Gottes erbitten.

Die bischöfliche Website „katholisch.de“ (http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/muller-kritisiert-beschluss-der-deutschen-bischofe) referiert einen Teil dieser Aussagen mit Anzeichen der Irritation, aber ohne eigene Position zu beziehen. Man kann gespannt sein, inwieweit sich die Vertreter der Mehheitsfraktion angesprochen fühlen, oder ob sich Kardinal Kasper zu einer Replik aufgefordert sieht. Das gleiche gilt natürlich auch für den Papst in Rom und dessen theologisches Umfeld, die hier in respektvollem Ton, aber beispielloser Schärfe in der Sache angesprochen sind.

Die tiefgehenden Differenzen über das, was den katholischen Glauben ausmacht, sind nicht mehr zu übersehen. Bischöfe stehen gegen Bischöfe, Kardinäle gegen Kardinäle. Im 5. Jahr seiner Regentschaft rückt nun der Papst selbst in den Mittelpunkt der Kritik, wenn ihm von immer mehr Seiten die Duldung und Förderung von Mißverständlichkeiten und die Vernachlässigung seiner Pflichten als Inhaber des Lehramtes vorgeworfen wird. Das Chaos könnte kaum größer sein – möchte man wenigstens hoffen. Den heiligen Geist als dessen Urheber anzusehen, erscheint uns als Gotteslästerung.

*

Kardinal Müller hat seit Dezember letzten Jahres mehrere Grundsatzartikel im einflußreichen interkonfessionellen amerikanischen Religionsmagazin First Things veröffentlicht, das sich das Ziel gesetzt hat, christliche Grundsätze und Grundlehren in einer immer stärker entchristlichen Gesellschaft zu vertreten.

Bisher sind erschienen:

  • What Does it Mean to Say "I Absolve You"? (15. 12. 2017)
  • By what Authority? - On the Teaching Office of the Pope (16. 1. 2018)
  • Development, or Corruption - Can there be "Paradigm Shifts" in the Interpretation of the Deposit of Faith? (20. 2. 2018)

Die Beiträge werden von hunderten von teilweise sehr lesenswerten Wortmeldungen aus dem Leserkreis gefolgt. Deutschsprachige Fassungen der Texte sind uns bisher nicht bekannt.

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