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Viele Einerseits und Andererseits um einen Rücktritt von Franziskus

Bild: AP Photo/Alessandra TarantinoIn katholischen Medien, teilweise aber auch in der weltlichen Presse, gab es zu Pfingsten zahlreiche Spekulationen über einen möglichen Rücktritt von Papst Franziskus noch in diesem August. Auslöser war – neben den Bildern Franziskus’ im Rollstuhl – die Ankündigung einer Reise nach L’Aquila unmittelbar nach dem für den 27. August geplanten Konsistorium, auf dem Franziskus den Kardinälen seine Kurienreform erläutern will. In L’Aquila befindet sich das Grab von Coelestin V., des einzigen unter halbwegs regulären Umständen zurückgetretenen Papstes vor Benedikt XVI. Und auch Benedikt, der sein Amt mit der Bitte um die Kraft, nicht vor den Wölfen zu fliehen, angetreten hatte, war nach L’Aquila gereist, freilich bereits vier Jahre vor seinem Rücktritt.

An den daraufhin aufgebrochenen Spekulationen wollen wir uns nicht beteiligen – für eine Auflistung von Gegenargumenten verweisen wir auf einen Artikel des manchmal sehr scharfsichtigen und manchmal eher abseitigen Mundabor’s Blog. Stattdessen hier einige allgemeine Überlegungen zur Stellung und zum Gewicht des Papstamtes überhaupt nach bald 10 Jahren Franziskus, des „Diktatorpapstes“, als den ihn der Historiker Henry Sire in seinem aufsehenerregenden Buch von 2017 beschrieben hat.

Franziskus hat die Stellung seines Amtes in zwei gegensätzlichen Richtungen beeinflusst. Auf der einen Seite hat er durch sein gesamtes Handeln – in seiner offen zur Schau getragenen Verachtung aller Traditionen, in den von ihm verfassten oder in Auftrag gegebenen Texten, in seiner Personalpolitik, in der Art seines öffentlichen Auftretens und in oft despotischem und menschenverachtendem Agieren hinter den Kulissen – ein heute von vielen nicht für möglich gehaltenes Bild des Papsttums gezeichnet: Auch im 21. Jahrhundert kann ein Papst als unbeschränkter Herrscher auftreten, dessen Wille Gesetz ist und dessen Untergebene wie die Höflinge eines absolutistischen Herrschers der Willkür des Potentaten folgen oder in die Wüste gehen müssen.

Auf der anderen Seite hat er durch genau diesen Regierungsstil das Papsttum generell, dann aber auch sein eigenes Erbe, auf spektakulär Weise geschwächt. Hier geht es weiter Papst Franziskus ist heute außerhalb der Kirche nicht viel mehr und nicht viel anderes als einer von zahllosen Mitspielern in Weltpolitik und globalem Wertemanagement. Man hört ihm zu und applaudiert ihm, wo er dem Zeitgeist gefällig ist – alles andere wird überhört oder, wo das nützlich erscheint, auch über die Medien attackiert. In der Kirche ist er umgeben von Personen, Gemeinden und Gemeinschaften, die sehnlichst das Ende seiner Regierung erwarten – freilich aus verschiedenen und zum Teil gegensätzlichen Gründen. Wirklich verlassen kann er sich nur auf eine in Rom allerdings starke Gruppe von Opportunisten, die trotz haarsträubender moralischer, theologischer oder menschlicher Unzulänglichkeiten in hohe Positionen aufgestiegen sind und diese nur so lange halten können, wie sie das Wohlwollen ihres Förderers und Komplizen genießen. Und solange dieser lebt und im Amt ist.

Diese Gruppe ist es, die wohl am stärksten auf einen künftigen Franziskus II. hinarbeitet, aber es ist ungewiß, welchen Rückhalt sie im Kollegium der Papstwähler genießt. Die Mehrheit der Kardinal-Elektoren ist zwar von Franziskus berufen – aber nach unklaren und zum Teil widersprüchlichen Kriterien. Es ist gänzlich unsicher, ob ein von Franziskus wegen seines Bischofssitzes am Rande des Randes erhobener Kardinal Franziskus’ abwegigen theologischen und kirchenpolitischen Ideen teilt – oder ob er seine und der Kirche Interesse nicht in einer ganz anderen Richtung verortet. Darüber zu spekulieren ist müßig. Hier gibt es hundert Einzelfälle.

Als sicher kann es demgegenüber gelten, daß ein großer Teil der von Franziskus vorgenommenen oder unmittelbar bevorstehenden Personalentscheidungen mit dem – Rücktritt hin oder her – ebenfalls demnächst zu erwarteten Abschied des Dikatorpapstes aus seinem Amt hinfällig werden wird. Teils, weil einige Spitzenämter mit dem Tod eines Papstes automatisch erlöschen und vom Nachfolger nach eigenen Wünschen neu besetzt werden können, teils weil es – zumindest rechtlich gesehen – nichts gibt, was einen Nachfolger daran hindern könnte, bei der Ämtervergabe ebenso eigenwillig vorzugehen, wie Franziskus das praktiziert hat. Im Gegenteil: Die Willkür von Franziskus hat alle Barrieren abgeräumt, die bisher die theoretische Freiheit der Päpste in ihrer Regierungsausübung praktisch einschränkten.

In welcher Richtung ein Nachfolger von Franziskus diese neue Freiheit ausüben würde, ist wieder spekulativ. Nur eines ist sicher: Selbst ohne Änderung von oder Verstoß gegen neue Gesetze und Regularien Franziskus‘ werden mit der Wahl eines neuen Papstes alle Karten neu gemischt. Kein Würdenträger, der heute von Franziskus für eine maximal einmal verlängerbare Amtszeit von 5 Jahren eingesetzt wird, weiß, ob er nicht dieses Amt nach der nächsten Sedisvakanz wieder verliert – oder ob der Nachfolger sich stillschweigend über die von Franziskus verfügte Amtszeitbegrenzung hinwegsetzt und ihn auf Dauer im Amt läßt. Kein Dikasterium, dessen von Franziskus handverlesene Beamtenschaft möglicherweise hofft, schon bald eine Frau „Kardinalpräfektin“ an der Spitze zu haben, kann sicher sein, daß dieser Wunsch in der Lebenszeit seiner jüngeren Mitglieder in Erfüllung geht. Nirgendwo steht, daß Frauen ernannt werden müssen - und stünde es irgendwo, würde es den Nachfolger nicht binden. 

Die Widersprüchlichkeit und vielfach ausdrücklich ins Belieben des Pontifex gestellte (Un)Verbindlichkeit der Gesetzgebung von Franziskus sowie die vielfach völlig fehlende Verankerung in der Tradition machen es jedem Nachfolger, der das wünscht, leicht, sich über das Vorgefundene hinwegzusetzen. Kein moderner Papst hatte solche Gestaltungsspielräume.

Doch auch das gilt nur im engeren Umfeld, für die römische Kurie und den zwar weltweit verstreuten, aber wenig zuverlässigen Kreis der Schmeichler und Wasserträger. Eine der positiven Folgen dieses Pontifikats wird darin bestehen, daß Ultramontanismus und Hyperpapalismus, die der Kirche seit Mitte des 19. Jh schwer zusetzen, in einer Weise desavouiert sind, die sich kaum rückgängig machen läßt. Noch nie waren Ortskirchen und Gemeinden geistig so unabhängig wie zum Ende dieses Pontifikats. Das birgt einerseits Risiken von Zerfall und Schisma, wie am Synodalen Weg der Deutschen zu erkennen ist. Es öffnet andererseits aber auch allen, die an den Traditionen der Kirche und am geoffenbarten Glauben festhalten wollen, Handlungsmöglichkeiten, die bisher undenkbar erschienen. Die enormen Unterschiede, mit denen die Bischöfe auf den mit TC gestarteten Versuch zur endgültigen Abtreibung der Tradition reagieren, deuten darauf hin, was der Kirche da in Zukunft bevorsteht. 

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