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Absturz in die Bedeutungslosigkeit

Bild: Maarten Jansen via Wikimedia (CC BY-SA 3.0)Die Niederlande galten in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und des vergangenen Konzils als die große Zukunftswerkstatt der Kirche: hier wurde mit neuem Katechismus, Handkommunion und Pseudo-Diakoninnen am Altar erdacht und erprobt, was die Kirche in einen neuen Frühling führen sollte. Was daraus geworden ist, kann man heute nicht nur in den Niederlanden als umfassende Katastrophe besichtigen. Der Rede vom neuen Frühling hat das bislang wenig Abbruch getan hat – außer daß man vielleicht seit ein paar Jahren lieber von „Neuevangelisierung“ spricht, ohne daß das, was damit gemeint oder gewollt ist, im Reformlager jemals mehr Substanz gewonnen hätte als der verweltkte neue Frühling.

Bischof Jan Hendricks von Harlem-Amsterdam hat vor 14 Tagen seine noch verbliebenen 90 Pfarrei-Leiter (ob auch *innen, war nicht zu erfahren) um sich versammelt und ihnen den Fahrplan für das kommende Jahrzehnt mitgeteilt. Danach müssen 99 der bislang 164 Kirchen in der Diözese inenrhalb der nächsten 5 Jahre zugemacht werden – keine Priester für die Seelsorge, keine Menschen, die als Gläubige ihre Seelen für irgendeiner besonderen Sorge bedürftig erachten, kein Geld für Heizung und Unterhalt. 37 weitere Kirchen stehen dann für die nächsten 5 Jahre auf dem Absterbe-Etat – die dann noch übrigen 28 Schwerpunkt-Kirchen müssen reichen.

Bei der niederländischen Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur und relativ gut ausgebautem Nahverkehr mag das auch reichen, denn während in den 50er Jahren dort noch 80% der Katholiken die Sonntagsmessen besuchten, sind es heute gerade noch einmal 3%. Bei 425 000 Taufschein-Inhabern wären das etwa 13 000 Gottesdienstteilnehmer – und der größere Teil davon ist heute schon deutlich über 70 Jahre alt und wird noch schneller wegsterben, als das Kirchenschließungsprogramm umgesetzt werden kann. Kirchlich geheiratet wird wenn überhaupt oft nur noch des Events wegen, Geburten gibt es wenige, und Taufen noch weniger. Grob geschätzt wären dann für 2032 in Haarlem-Amsterdam vielleicht 2 – 3000 Besucher der Sonntagsgottesdienste zu erwarten, also maximal 90 pro Schwerpunkt-Kirche – das werden die dann noch zur Verfügung stehenden Seelsorger*innen ja wohl noch schaffen, nachdem sie sich vom Ballast der „Altrituellen“, „Vorkonziliaren“ und sonstigen „Reformgegnern“ befreit haben.

Machen wir uns nichts vor: Was hier bevorsteht, ist kein gepflegtes „downsizing“ von der Volkskirche zur „Entscheidungskirche“ – das ist ein krachender Absturz in die Bedeutungslosigkeit einer Randgruppe, deren Angehörige sich gelegentlich zwecks Selbstbespiegelung zusammenfinden – weit hinter dem Tulpenzüchterverin und den Trainspottern, von den Moscheenvereinen ganz zu schweigen. Bedeutungslosigkeit nicht nur als Kenngröße im gesellschaftlichen Kräftespiel, sondern als Ausdruck der absoluten Unfähigkeit, Menschen zu erreichen, Werte zu vermitteln und Seelen auf dem Weg zum Heil zu unterstützen. Und mit überaus schädlichen Auswirkungen auch auf die zerstreuten Gruppierungen, die sich – wenn auch auf unterschiedliche Weise – um die Erhaltung der Substanz bemühen.

Angesichts solcher Perspektiven von „Neuevangelisierung“ auch nur zu träumen, ist Ausdruck höchsten Realitätsverlustes. Zumal der Absturz ja nicht auf die Niederlande beschränkt ist, sondern in den anderen mittel- und westeuropäischen Ländern im gleichen rasanten Tempo vor sich geht. Der Tiefpunkt ist noch nicht erreicht, wie die neuesten Meldungen aus den Niederlanden, von denflämischen Bischöfen Belgiens und dem Synodalen Weg der Teutonen erkennen lassen.

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