'Gender' im Missale und die Folgen
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- 12. Juli 2022
Gestern gedachte die deutschkatholische Kirche des 30. Jahrestages der offiziellen Zulassung von Mädchen als Messdienerinnen – Papst Johannes Paul II. in jahrelang praktiziertem Ungehorsam gegen mehfach ausgesprochene und bekräftigte Verbote des Vatikans abgetrotzt. Heute sieht man in vielen Kirchen sonntags fast nur noch Mädchen im Altardienst – werktags bleiben auch die meistens weg – aber mit den ins Bodenlose fallenden Zahlen bei Priesterberufungen hat diese Verdrängung der Jungen aus dem Altardienst natürlich nicht das geringste zu tun. Und damit, daß immer mehr Frauen sich nun die Priesterweihe ertrotzen wollen, auch nicht. An manchen Tagen – gestern und heute waren wieder mal solche – hat das synodalistische Zentralorgan katholisch.de kaum ein anderes Thema als „Geschlechtergerechtigkeit“ am Altar und im Kirchenrecht.
Dabei wäre nur ein wenig angewandte Jugendpsychologie nötig gewesen, um diese Entwicklung vorauszusehen: Allen Gleichmachungsphantasien zum Trotz sind nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Mädchen und Jungen in vielem ziemlich verschieden. Gerade in den für den Altardienst (und potentielle Berufungen) kritischen Jahren zwischen 9 und 14 sind Mädchen oft gewandter, kommunikativer und spirituell aufgeschlossener sowie sozial „interaktiver“ und „leichter handelbar“ als die meisten Jungen. Die spüren ihre (da vorübergehend eher vermeintlichen) Defizite und reagieren mit Rückzug – voilà.
Wie es der Zufall so will, hörten unsere auf die Wahrnehmung der Symptome des Gleichstellungsfurors trainierten Ohren am vergangenen Sonntag (5. nach Pfingsten) in der Secreta eine dort eher selten vorkommende Wendung: „Herr, sei gnädig unseren Bitten und nimm diese Opfergaben Deiner Diener und Dienerinnen huldvoll an…“ Im Lateinischen: „Oblationes famulorum famularumque“. Diese „inkludierende“ Rederweise kommt sonst hauptsächlich im Zusammenhang mit Fürbitten für (mehr oder weniger) konkrete Personen vor: Im Gedächtnis der Lebenden zu Beginn des Kanons und im Gedächtnis der Toten zu dessen Ende. Auch im Requiem zu Allerseelen und den davon abgeleiteten „Totenmessen“ kommt sie vor – dort nicht nur in der Sekreta, sondern auch im Tagesgebet.
Ritus und Stil
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- 11. Juli 2022
Zu Traditionis Custodes und Desiderio Desideravi ist schon viel richtiges gesagt worden – siehe u.a. die Liste mit wichtigen aktuellen Links zu DD bei Pro Missa Tridentina. Wir beteiligen uns an dieser Diskussion inzwischen nur noch mit halbem Herzen, weil wir davon ausgehen, daß diese Erlasse und Ermahnungen – wie fast alles, was Franziskus geschrieben und verordnet hat – schon bald wohlverdienter Vergessenheit anheim fallen werden. Inhaltlich Neues dazu zu zu sagen fällt schwer. Mit Vergnügen hat Summorum Pontificum daher einen Text zur Kenntnis genommen, der nicht den Anspruch erhebt, der Diskussion Neues hinzuzufügen, sondern der das, was zu sagen ist, in einem der Debatte über die römische Liturgie überaus angemesenen Idiom aussagt: In klassischem an der Diktion Ciceros geschultem Latein.
Verfasser des an Papst Franziskus gerichteten Literae responsoriae ad ‚Traditionis Custodes‘ ist der Münsteraner Altphilologe Prof. Christian Pietsch, der uns den Text freundlicherweise zur Verbreitung zur Verfügung gestellt hat. Hier der Link zum Download als PDF, und eine kleine Leseprobe:
… Concilio Tridentino adhortante Pius V papa summa vi omnibus posterioribus temporibus ita servandum tradidit, mandavit, praescripsit ut in perpetuum mutari vel etiam abrogari nequeat. itaque Benedictus papa ille cum missae sacrificium iuxta editionem typicam missalis Romani a B. Ioanne XXIII anno 1962 promulgatam et numquam abrogatam celebrare licere fortissime asseveravit (Summorum pontificum, Art. 1) plane nihil novi docuit sed id tantum confirmavit quod semper valebat, valet, valebit.
his dictis unicuique concludendum est haec missarum sollemnia a patribus tradita inseparabilem esse traditionis apostolicae partem sine qua traditio stare non potest. sine traditione autem ecclesia non est ecclesia sed hominum conventus ecclesiae nomen usurpans.“
Ein solches Schreiben steht für mehr als eine Kuriosität aus Akademia. Eines der auffälligsten Kennzeichen dieses Pontifikats ist seine umfassende Stillosigkeit. Seit Jahren zeigt der Vatikan der Welt ein Erscheinungsbild, das mehr an eine Parteizentrale im Wahlkampf erinnert als an die von Christus eingesetzte Instanz zur Weide und Bewahrung seiner Herde. Natürlich kann der Heilige Stuhl den Presseagenturen zuliebe auch die Originalfassungen seiner Dokumente in italienischer Sprache veröffentlichen – Kenner sagen uns freilich, es wäre schlechtes Bürokraten-Italienisch. Oder wenn doch einmal in Latein, mit so vielen Fehlern, daß nicht nur Professoren für alte Sprachen mit den Augen rollen.
Das zu bemängeln hat nichts mit Formalismus zu tun: Die Häresie der Formlosigkeit (Mosebach) ist nur ein Symptom dafür, daß Häresie sich in allen Bereichen breit macht. Inhalte bestehen nicht unabhängig von Formen – das zu übersehen oder zu bestreiten ist der große Irrtum der Liturgiereform. Eine Wortmeldung in der klassischen Sprache der Kirche (und das ist nicht das Kirchenlatein) ist in diesem durch und durch stillosen Pontifikat eine Erinnerung daran, daß der Ritus nicht zuletzt auch eine Frage des Stils ist. Und daß die Opposition gegen den stilistischen und rituellen Nihilismus der Jesuiten auch ein Bestandteil des Kampfes für die Bewahrung der Tradition in Lehre und Liturgie der Kirche ist.
In diesem Sinne, allen, die sich nicht vor Cicero (der nebenbei bemerkt auch ein fulminanter Wahlkämpfer war) fürchten: Besinnliches Vergnügen bei der Lektüre. Und das wünschen wir natürlich auch dem Papst selbst und seinen sprachenkundigen Beratern.
„Desiderio Desideravi“ zum Zweiten
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- 30. Juni 2022
Mit Links zu zusätzlichen Wortmeldungen
Wir glauben nicht, daß das neue päpstliche Schreiben Desiderio Desideravi viel zu bedeuten hat – spätestens mit dem Tod von Franziskus wird es neben den meisten anderen von ihm unterschriebenen Texten der Vergessenheit anheim fallen. Zu sehr widerspricht es in wichtigen Teilen der Tradition der Kirche, zu sehr ist es durch seine zur persönlichen Handschrift von Franziskus gehörenden inneren Widersprüche entwertet. Daß die Deformer der Kirche in Deutschland, die sich um das von den Bischöfen finanzierte Portal katholisch.de versammelt haben und den synodalen Irrweg betreiben, aus dem Dokument Honig zu saugen versuchen, versteht sich dennoch von selbst. Redakteur Neumann gibt heute unter dem Titel „Franziskus verteidigt das Konzil gegen die Restauration“ ein langatmiges Musterbeispiel dafür, wie die Neo-Protestanten sich das vorstellen. Im Zentrum von Neumanns – und der vieler anderer Kirchen-Deformer – Argumentation steht die auch von Franziskus seit Traditionis Custodes vertretene These, die so überaus destruktive Liturgiereform von 1969 sei als die von „Dem Konzil“ gewollte Reform heilig und unwiderruflich, und wer sie nicht ganzen Herzens akzeptiere, stelle sich gegen Konzil, Kirche und Heiligen Geist. Anathema sit!
Peter Kwasniewski hat dazu bereits gestern das Nötige gesagt und mit vielen Belegen bekräftigt: Die These ist nachweislich falsch und kann nur aus Unwissenheit oder mit bösem Willen vorgetragen werden. Selbst der von Franziskus fälschlich als Kronzeuge dafür angerufene Romano Guardini hat sich von der „Klempnerarbeit“ der Reformkommission distanziert. Bei Kwasniewski sowie in weiteren Artikeln auf New Liturgical Movement (Recollections of a Vatican II Peritus by Alfons Cardinal Stickler) und Rorate Caeli ist viel Wichtiges dazu geschrieben worden – mehr wird zweifellos in den kommenden Tagen folgen.
Fr. Zuhlsdorf hat bei seiner ersten Durchsicht von Desiderio Desideravi bereits darauf aufmerksam gemacht, daß die verschiedene Teile des Dokuments offenbar von verschiedenen Autoren stammen und mit heißer Nadel und durchaus nicht ohne Widersprüche zusammengestrickt worden sind. Uns ist beim Überfliegen von DD ein weiterer bisher so noch nicht bemerkter Widerspruch aufgefallen:
„Desiderio desideravi“
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- 29. Juni 2022
Papst Franziskus bzw. sein Beraterkreis haben zum heutigen Fest der hl. Petrus und Paulus ein langes Dokument (deutsche Version ca. 25 Standardseiten) veröffentlicht, das nach einem ersten Überfliegen sowohl den Versuch einer Rechtfertigung von Traditionis Custodes als auch dessen Bekräftigung darstellt. Ausdrücklich festzuhalten ist, daß das Papier weder gesetzlichen noch lehramtlichen Anspruch erhebt. Wie von den Dokumenten dieses Pontifikates gewohnt, enthält es neben unstreitigen und unbestreitbaren Aussagen auch zweifelhafte Thesen und Behauptungen - insbesondere im Zusammenhang mit den Absichten des Konzils und der schließlich als deren angebliches Ergebnis dekretierten Liturgiereform - die jeder Kenner der Materie als unzutreffend oder geradewegs falsch betrachten muß. Eine gute Darstellung dieses Doppelcharakters bietet die erste Einschätzung bei Fr. Zuhlsdorf.
Wie alle anderen Aussagen dieses Pontifikats zur Liturgie weigert sich auch Desiderio Desideravi strikt, die behaupteten oder auch tatsächlich verkündeten Ziele der Liturgiereform Pauls VI. im Zusammenhang damit zu betrachten, was in der Mehrzahl der Gemeinden als Ergebnis dieser Reform entstanden ist - und welcher ungeheurer Zerfall von Glaubens- und Morallehre der Kirche in den folgenden Jahrzehnten eingetreten ist. Zwar gibt es wie auch schon in TC einige kritisch klingende Anmerkungen (etwa Abschnitt 48 oder 54) zur Praxis der Zelebration – oder sollte man besser sagen: des „Vorsteherdienstes“? Doch die auch in DD wiederholte apodiktische Aussage, es könne „kein Zurück“ zu früheren Formen der Liturgie geben, steht in einem bemerkenswerten Kontrast zu der Unfähigkeit, etwas Substantielles zu dem Widerspruch zwischen dem „Vorwärts“ zu sagen, das mit den Neuerungen ja denn doch erreicht werden sollte – und zu dem, was sich tatsächlich ereignet hat und sich für die Zukunft auf den verschiedenen synodalen Wegen schon abzeichnet. Kann ein Papst so abgehoben über das Wesen der Liturgie sprechen, wenn in Teilen seines Verantwortungsbereiches undbei den glühendsten Anhängern der Reform die Notwendigkeit des Priesteramtes in Frage gestellt wird?
Als Anregung zum Nachdenken über das Wesen der Liturgie mag der Text einige durchaus ernst zu nehmende Passagen enthalten - die freilich dem, der sich in der Literatur auch nur ein wenig auskennt, kaum Neues sagen können. Eine Wegweisung für die Zukunft oder auch nur zur Eindämmung der „Liturgiekriege“, die Franziskus und seine Stichwortgeber mit der Aufkündigung des von Papst Benedikt mit Summorum Pontificum angestrebten „Liturgischen Friedens“ neu entfacht hat, ist darin - nach einer ersten Übersicht - nicht zu erkennen.
Falls andere Beobachter solche Elemente wahrnehmen, werden wir hier darüber gerne berichten.
Roche: Der Ignoramus als Chefliturgiker
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- 22. Juni 2022
Der Chef der römischen Liturgiebehörde und demnächst Mitglied der immer erlauchter werdenden Kardinalsschar Arthur Roche hat VaticanNews ein Interview gegeben, in dem er zwar nichts Neues sagt, aber das schon Bekannte mit gesteigertem Nachdruck. Schwer, in dem Wust von Halbwahrheiten, ganz Erfundenem und Entstelltem Ansatzpunkte einer nüchternen Kritik zu finden. Hier ein erster und nicht sonderlich in die Tiefe gehender „Faktencheck“ zu einigen zentralen Behauptungen, die Roche in diesem Interview und anderen Äußerungen aufgestellt hat
„Es hat nie zuvor zwei Versionen des römischen Messbuchs gegeben.“
Es hat immer unterschiedliche Versionen gegeben, die zwar den gleichen römischen Geist atmeten, bis auf den weitgehend (nicht ausnahmslos) wortgleichen römischen Kanon aber beträchtliche Unterschiede aufweisen konnten: In der Abfolge und Gestalt von Zeremonien, in Anzahl und Wortlaut von Gebeten, in der Zuteilung von Rollen an die Mitfeiernden. Es gab in der Kirche unter dem Nachfolger Petri nie eine sterile Einheit des Ritus, tatsächlich gab es immer nicht nur verschiedene „usus“, sondern auch verschiedene Riten. Ein bis ins 10. Jh. zurückgehendes Beispiel der süditalienischen Katholiken mit byzantinischem Ritus in den (heute so genannten) italo-albanischen Gemeinden von Grottaferata. Die kirchliche Einheit mit den einen ursprünglich sehr fremdartigen Ritus feiernden Syro-Malabaren geht bis ins 16. Jh. zurück. Nach Ort und Gemeinschaft unterschiedliche „lex orandi“ zwischen den und innerhalb der Riten waren selbstverständlich, und die Kirche sah ihre Aufgabe nicht darin, diese Unterschiede zu beseitigen, sondern zu verhindern, daß sich daraus Unterschiede in der Lex credendi ableiten ließen.