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Ochs, Esel und Missa Normativa

Heute vor 47 Jahren, am 24. Oktober 1967, präsentierte Erzbischof Bugnini dem Papst, den Häuptern der Kurie und den zur Bischofssynode in Rom versammelten Pälaten das Ergebnis seiner Bemühungen zur Reform der Liturgie: die sog. Missa normativa. Die Zelebration sollte einen Eindruck davon vermitteln, wie künftig ein Sonntagsgottesdienst in einer normalen Gemeinde aussehen könne. Sie erfolgte in italienischer Sprache; neben dem Zelebranten waren eine kleine Schola, ein Lektor, ein Kantor und zwei Ministranten beteiligt. Im großen Ganzen entsprach die Zelebration in der sixtinischen Kapelle dem zwei Jahre später festgeschriebenen Endstand des Novus Ordo. Ob sie am bestehenden Altar der Sixtina „ad dominum“ oder an einem eigens aufgebauten Volksaltar „ad Populum“ erfolgte, ist Bugninis Biographie nicht zu entnehmen. 

Das Ergebnis der "Probe-Aufführung" war für die Reformatoren nicht besonders ermutigend: 71 Synodenväter stimmten positiv, 43 negativ, und 62 waren bereit, das Präsentierte als Diskussionsgrundlage zu nehmen, wenn bestimmte teilweise sehr weitgehende Monita berücksichtig würden. Bugnini scheint von diesem mageren Ergebnis überrascht worden zu sein. In seiner Autobiografie äußert er sich enttäuscht und vermerkt ärgerlich, zu Anfang der Synode sei die Stimmung unter den Bischöfen seinen Vorhaben günstiger gewesen. Doch dann habe, gesteuert von konservativen Bedenkenträgern in der Kurie, ein Diskussionsprozess eingesetzt, der viele reformbereite Bischöfe zum Umdenken bewogen hätte.

Gestützt auf Papst Paul VI., der ihm zu diesem Zeitpunkt noch bedingungslos vertraute, ließ Bugnini sich von den ganz oder teilweise ablehnenden Voten nicht beeindrucken - so wie wir das jetzt auch wieder im Zusammenhang mit der aktuellen Bischofssynode zur Familie beobachten können: Den Modernismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf - (oder so ähnlich) meinte Erich Honecker im Sommer 1989 ebenfalls anläßlich einer Produktpräsentation wenige Monate, bevor er seinen Hut nehmen musste.

50 Jahre Inter Oecumenici

Vor 50 Jahren (genauer am 26. September 1964) erließ die Ritenkongregation zusammen mit dem Consilium zur Liturgiereform die Instruktion „Inter oecumenici, die die Liturgie und das Recht der römischen Kirche tiefgreifend veränderte. Als Termin für die Umsetzung wurde der 1. Fastensonntag des Jahres 1965 bestimmt.

Die Instruktion übertrug die Zuständigkeit für die Ordnung der Liturgie im Rahmen der allgemeinen Vorgaben den Ortsbischöfen bzw. den Bischofskonferenzen und erlaubte, auch die Weihbischöfe zu deren voll stimmberechtigten Mitgliedern zu berufen. Sie eröffnete weiterhin die Möglichkeit, da, wo kein Priester verfügbar ist, sonntägliche Wortgottesdienste unter der Leitung eines Diakons oder eines Laien zu feiern, dabei blieb offen, ob der Besuch eines solchen Wortgottesdienstes als Erfüllung der Sonntagspflicht gelten sollte.

Noch schwerwiegender war die allgemeine Erlaubnis zur Verwendung der Volkssprache in großen Teilen der Liturgie – nur der Canon Missae war generell ausgenommen; für einige andere Teile war die Genehmigung Roms einzuholen.

Für die Gestalt der Messfeier verfügte die Instruktion u.a. folgende Änderungen:

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Noch einmal: Zum Fest des hl. Pius X.

Einem Beitrag von Fr. Hunwicke auf seinem Blog Fr Hunwicke's Mutual Enrichment verdanken wir den Hinweis auf ein liturgisches Kuriosum - wenn man denn in liturgicis von einem Kuriosum sprechen darf. Da der große Kämpfer gegen den Modernismus Giuseppe Sarto im Jahre 1954 zur Ehre der Altäre erhoben wurde, stammt auch das Formular zur Feier seines Festes am 3. September aus den unruhigen ersten Jahren des liturgischen Umbaus unter der Ägide Annibale Bugninis. Da muß es den für den Entwurf der Messe des Hl. Pius zuständigen Liturgiebeamten großes Vergnügen bereitet haben, die im lateinischen Ritus aus den Psalmen zu nehmenden Texte des Propriums nicht wie der Tradition entsprechend aus der Vulgata oder sogar der Itala zu zitieren, sondern aus der brandneuen lateinischen Übersetzung (die in Wirklkichkeit natürlich auch eine Neuinterpretation ist) Kardinal Beas aus dem Jahr 1945.

Und so kommt es, daß im Introitus aus dem Psalm 88 nicht vom Erbarmen (misericordia) Gottes zu singen ist, sondern von seiner Gnade (gratia), und im Graduale (aus Psalm 39) klingt sogar ein wenig von jener neuen Ekklesiologie an, gegen die sich der Antimodernist Pius X. so entschieden gewehrt hatte: Beas „Annuntiabo iustitiam in coetu magno“ lässt entschieden mehr an die irdische „Versammlung des Gottesvolkes“ danken als das „Annuntiabo iustitiam tuam in ecclesia magna“, das zumindest beim Hören die Kirchlichkeit und Übernatur dieser Versammlung ins Bewußtsein ruft.

So unterstreicht auch dieses Messformular den Befund, daß dem Kampf des hl. Papstes Pius X. gegen den Modernismus letztlich der Erfolg versagt blieb. Er konnte den theologischen Zeitgeist zwar für einige Jahre in den Untergrund abdrängen - aus dem er dann mit neuer Gewalt und bis heute siegreich wieder hervorgebrochen ist.

Martin Mosebach zu „Operation am Lebenden Objekt“

Während unsereins sich noch mit dem Informations- und Gedankenreichtum des unlängst hier vorgestellten Tagungsbandes zur Liturgiereform Vor dem zweiten Vatikanum auseinandersetzt, hat Martin Mosebach viel Wichtiges, was zu diesem Buch zu sagen ist, in einer kurzen Leseempfehlung zusammengefasst. Wir zitieren von der Website des Römischen Instituts der Göerresgesellschaft, das die angesprochene Tagung veranstaltet hat:

'Operation am lebenden Objekt – Roms Liturgiereformen von Trient bis Vaticanum II' heißt der Band, den Stefan Heid aus Beiträgen einer Tagung der Görres-Gesellschaft zusammengestellt hat – ein beunruhigender Titel, der ein noch viel beunruhigenderes Phänomen zum Gegenstand hat. Wenn man sich allein den unerhört kurzen Zeitraum vor Augen führt, in dem die paulinische Liturgiereform durchgeführt wurde, wird klar, daß mit dieser Reform notwendig ebenso viele Probleme entstehen mußten, wie gelöst wurden. Wenn man Liturgie als das Leben der Kirche versteht, dann wird die Berechtigung dieses alarmierenden Titels deutlich. So gibt es kaum einen Gegenstand in der neueren Kirchengeschichte, von dem so viel Zorn und Eifer ausging; jede Art noch so vorsichtiger Reserve gegenüber den scharfen Eingriffen in den gewachsenen Organismus wurde als Ungehorsam und Illoyalität gegenüber Papst und Konzil angegriffen – die Gegner der Reform haben hinwiederum jede Verbindung des Reformwerks mit der Tradition kategorisch geleugnet und den Promotoren des Neuen vorgeworfen, eine andere Kirche zu schaffen. Dieser verhängnisvoller Streit hat, wie mir scheint, nun eine neue Qualität erreicht, wie oft nach zermürbenden Auseinandersetzungen. Man hat das Interesse an der Liturgie verloren – Liturgie ist „nicht mehr so wichtig“, das gehört leider auch zur Botschaft des neuen Pontifikates. Das ist vielleicht die gefährlichste Frucht dieses langen Kampfes, denn bei diesem Kampf geht es um Sein und Nichtsein der Kirche. Es gibt keinen Bereich im Leben der Kirche, der nicht mit der Liturgie in Verbindung stünde – gerade das rechte Verständnis der Schrift ist von ihrer Einbettung in die liturgische Opferfeier abhängig. Deshalb ist der Band „Operation am lebenden Objekt“ ein solches Ereignis. Er versachlicht die Diskussion, indem er mit Scharfsinn und großer Gelehrsamkeit diese Reform einer detaillierten Untersuchung unterzieht. Wer sich in Zukunft zur Frage der Liturgie zu Wort melden möchte, ist darauf angewiesen, seine Kenntnisse auf den Stand dieses Werks gebracht zu haben. Gegner und Befürworter der Reform werden gleichermaßen Überraschungen darin finden. Wenn Sachkunde einen Krieg der Ideologien beenden könnte, dann müßte der Streit um die Liturgie nach Erscheinen dieses Buches in ein neues Stadium getreten sein.“

Eine ausführlichere Besprechung von „Operation am Lebenden Objekt“ findet sich auf katholisches.infovom 12. August.

Hier können Sie einen Blick auf Inhaltsverzeichnis und Vorwort werfen; hier geht es zur Bestellung (32,- Euro).

Pius XII auf der Suche nach der Mitte

Am 5. Juli brachten wir die Übersetzung des bedeutenden Beitrags von Dom Mark Kilby über die tiefgehenden Unterschiede des Liturgieverständnisses von Jesuiten und Benediktinern: Iesuita non cantat. In Vertiefung seiner Überlegungen hat Dom Kilby in einem weiteren Beitrag die Enzyklika Mediator Dei von Papst Pius XII. aus dem Jahr 1947 daraufhin untersucht, inwieweit sie von diesem Unterschied geprägt ist. Dabei kommt er, ohne das weiter zu kommentieren, zu dem gut dokumentierten Ergebnis, daß der Papst bewußt versuchte, einen Kompromiss zwischen beiden Ansätzen zu finden - ganz im Sinne des traditionell katholischen „et ... et“.

Dieser Kompromisscharakter des Denkens von Papst Pius XII. verleiht ja nicht nur Mediator Dei an mehreren Stellen einen etwas unentschiedenen Zug. Mehr als ein halbes Jahrhundert später drängt sich der Gedanke auf, daß dieser Papst mit der Einsetzung Bugninis als maßgeblicher Reformator der Liturgie und der Hinnahme auch zweifelhafter Elemente in der Neuordnung der heiligen Woche liturgische Strömungen zu vereinbaren suchte, die letztlich nicht vereinbar sind. So wurden in seiner Regierungszeit die Fenster und Türen für ein Liturgieverständnis geöffnet, das nicht nur dem liturgischen Minimalismus der Jesuiten Einlass bot, sondern Liturgiefeindschaft zur herrschenden Strömung werden ließ.

Zur Übersetzung der Analyse von Dom Kirby

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