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Mit Feuer und Flamme für die Tradition?

Bild: Screenshot aus Gloria-TVIm südindischen Bundesstaat Kerala, wo mit der Syrisch-Malabarischen Kirche die größte und älteste christliche Minderheit des Subkontinents zuhause ist, ist es wegen einer Liturgiereform zu tumultarischen Protesten gekommen. Als makabrer Höhepunkt wurden sogar in Talar gekleidete Strohpuppen mit den Photo-Gesichtern der Kardinäle Leonardi Sandri und George Alencherry verbrannt. Ein Pressesprecher der in Einheit mit Rom stehenden Kirche äußerte sichauf höchste empört, sprach von einer „offenen Herausforderung von Kirche und Papst“ und kündigte „Maßnahmen gemäß den Bestimmungen des Kirchenrechtes“ gegen die Aufrührer an. Worum geht es?

Die Syro-Malabarische Kirche verfügt über eine sehr eigentümliche und vermutlich bis ins 7. Jahrhundert zurückreichende Liturgie, deren Hauptkennzeichen darin besteht, daß ihr Hochgebet, die Qurbana nach Addai und Mari, die Wandlungsworte in keiner der im Evangelium überlieferten Formen enthält, sondern in einer uns eher umständlich anmutenden Weise umschreibt oder besser noch umkreist. Diese Tatsache galt lange als Hindernis für die Anerkennung der Syro-Malabaren bzw. deren zur Union mit Rom bereiten Teile, die darin begründeten Auseinandersetzungen fanden erst unter dem Pontifikat von Johannes Paul II. einen Abschluß, als dessen Experten – darunter auch Joseph Ratzinger – die Gültigkeit der Qurbana bestätigten.

Damit war der Konfliktstoff in der indischen Kirche, die ihren Ursprung bis auf die freilich sagenhafte Indienmission des hl. Thomas zurückführt, jedoch nicht ausgeräumt.

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Organisches Wachstum und Reformeifer

Bild: Hozen-jiManchmal hilft es, einen weiter entfernten Standpunkt einzunehmen, um einen klareren Blick auf die Nähe zu gewinnen. Wie etwa bei dieser Geschichte, die vor einigen Tagen durch die japanische Presse ging. Im kleinen, aber durchaus gut frequentierten (buddhistischen) Tempel Hozen-ji aus dem Jahr 1637 mitten in Osaka hatte sich gegen Ende des zweiten Weltkriegs der Brauch entwickelt, daß Besucher die dort aufgestellten steinernen Statuen von Schutzgottheiten mit Wasserspenden ehrten – vulgo: Sie mit Wasser besprengten. Das ist kein allgemein üblicher, aber auch kein exzeptioneller Brauch, der von den Mönchen daher akzeptiert wurde.

In der Folge überzogen sich die Statuen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit einer dicken Moosschicht, die alle Einzelheiten der Skulpturen überdeckte, im übrigen aber dem Ruf des Tempels durchaus förderlich war. Kurz vor Weihnachten hat nun ein Mann aus der Nachbarschaft mit fehlgeleitetem Ordnungs- und Reinheits-Sinn – vielleicht wollte er die ursprüngliche Einfachheit und den schlichten Glanz der Figuren wiederherstellen – das Moos von den Köpfen zweier Statuen entfernt - s. Bild oben. Die Gesichtszüge der Figuren waren erstmalig wieder sichtbar – und ihre geheimnisvolle Aura verflogen.

Der Tempel fand das gar nicht gut und erstattete Anzeige, und die Polizei begann umgehend die Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Enweihung eines gottesdienstlichen Ortes. Nun war der Vorfall im Dezember aber von einer Sicherheitskamera aufgezeichnet worden, und und als der Missetäter Ende Dezember den Tempel ein weiteres Mal besuchte, wurde er er von den Mitarbeitern erkannt, die die Polizei benachrichtigten. Da in Japans Großstädten Polizeistationen nie weiter als wenige Gehminuten entfernt sind, waren die Uniformierten denn auch sogleich zur Stelle und nahmen den Mann ins Gebet.

Der gestellte Verbrecher entschuldigte sich daraufhin bei der Polizei und den Mönchen mit der Erklärung, ein kleiner Teil des Mooses hätte sich von selbst gelöst gehabt und er habe daraufhin beschlossen, die Statuen zu reinigen.

Glaubhaft oder nicht: Der Tempel zog jedenfalls seine Anzeige zurück, und der stellvertretende Vorstand Shinei Kanda entließ den zerknirschten Übeltäter mit der Mahnung: „Wieviele Jahre hat es gebraucht, daß das Moos so anwachsen konnte? Wieviele Menschen haben die Statuen mit Wasser besprengt und für die Erfüllung ihrer Wünsche gebetet? Mache so etwas nie wieder!“

„Hau drauf, schlag tot!“

Bild: ArchivInzwischen wird für Beobachter der römischen Szenerie etwas deutlicher sichtbar, wie die Durchsetzung des Missales von Papst Paul VI. als „einziger lex orandi“ des römischen Ritus bewerkstelligt werden soll. Die Promulgationsphase von TC im Jahr 2021 war sehr stark geprägt vom grobianischen Naturell des Papstes und seiner Berater von SanAnselmo, die den Übergang zum Novus Ordo am liebsten bis gestern vollzogen und die – ihrer Erwartung nach nur wenigen – Widerspenstigen dann per Machtwort aus der Herde ausgeschlossen hätten. Soviel nur zu den Themen Barmherzigkeit und Dialog.

Ganz so schnell wie vielleicht gedacht geht es nun aber doch nicht. Bei der Wahl der Mittel scheint man sich jetzt gelegentlich des Rates erfahrener Kurialer zu bedienen, deren lange Erfahrung sie gelehrt hat, daß „Hau drauf, schlag tot!“ nicht wirklich die effektivste Strategie zum Erreichen kirchenpolitischer Ziele darstellt. Am großen Ziel, die überlieferte Liturgie (samt der darin manifestierten Lehre) aus dem Leben der Kirche zu vertreiben, hat sich nichts geändert. Aber swohl die Responsa von Erzbischof Roche und die Maßnahmen von Kardinal Cupich als auch einige römische Mutmaßungen zur anstehenden „Disziplinierung“ der Priesterbruderschaften lassen sich dahingehend verstehen, daß weniger das völlige Verschwinden der alten Liturgie in den Vordergrund gestellt werden soll, zumindest für begrenzte Zeit nicht, sondern eine Art erzwungener Birituallismus. Wer die moderne Liturgie anerkennt und das nicht nur durch ihre verbale Anerkennung als einzige Form der lex orandi der römischen Kirche, sondern auch durch regelmäßige Zelebration nicht nur am Gründonnerstag belegt, darf auch im alten Ritus zelebrieren – sofern und solange der Bischof und die Gottesdienstkongregation das erlauben. Irenischen Gemütern könnte man das sogar als eine Art Kompromiss verkaufen, ein „Angebot, das Sie nicht ablehnen können“.

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Franziskus gegen Paulus

Bild: ArchivIm Zentrum der von Papst Franziskus und seinen Unterstützern verfolgten Bemühungen zur Austreibung der überlieferten Liturgie aus der römischen Kirche steht die in Traditionis Custodes in normativem Ton vorgetragene Behauptung, diese Liturgie entspreche nicht mehr der „lex orandi“ Roms, die nunmehr ihren einzigen Ausdruck im Novus Ordo Missae von Papst Paul VI. gefunden habe. Mit dieser Behauptung haben sich Franziskus, sein Liturgiepräfekt Roche und Prof. Grillo als „geistiger Hintermann“ in eine logisch und theologisch unhaltbare Situation begeben. Sie widersprechen direkt den päpstlichen Vorgängern Johannes Paul und Benedikt, die beide den überlieferten Ritus als legitimen Ausdruck der „lex credendi“ der Kirche auch nach der Reform von 1969 anerkannt haben, wenn sie auch seine Praktizierung an bestimmte Bedingungen gebunden haben. Bedingungen, die keinen grundsätzlichen Vorbehalt ausdrücken wie jetzt Franziskus, sondern die eher das Ziel hatten, das Nebeneinander zweier ritueller Formen durch disziplinarische Vorgaben in geregelte Bahnen zu lenken und in längerer Sicht eine Versöhnung, vielleicht auch eine Konvergenz, zu ermöglichen.

Damit folgten beide letztlich nur dem bereits von Papst Paul VI. als Promulgator des neuen Missales gegebenen Ansatz. Auch er hat es nicht gewagt, die bis dahin verwandte Liturgie „abzuschaffen“ oder für ungültig zu erklären – dafür war sein Sinn für den Traditionszusammenhang denn doch zu stark. Statt dessen hat er ihre im Prinzip weiterhin mögliche Verwendung an strenge Bedingungen geknüpft. Von Anfang an gab es die Möglichkeit zur Dispens für Priester, die sich der Umstellung aus Altersgründen nicht gewachsen sahen. Bereits 1971 kam dann das „Agatha-Christie-Indult“ dazu, mit dem der Papst nicht nur auf die Bitte von Klerikern, sondern auch von Gläubigen (und Nichtgläubigen) reagierte. Dieses sehr begrenzte Entgegenkommen war bei Paul VI. zweifellos verbunden mit der Erwartung, daß solche Indulte nur ein Übergangsphänomen darstellten, das sich nach einigen Jahren angesichts der von ihm angenommenen Überlegenheit der reformierten Form selbst erledigen werde. Auch war sich der Papst durchaus bewußt, daß der anhaltende Widerstand gegen die Reform sehr wohl auch seine Autorität in Frage stellen und den Kristallisationskern für anhaltende Opposition gegen das II. Vatikanum bilden konnte – von daher war er zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit.

In diesem Punkt, bei dem es um den Einsatz päpstlicher Machtmittel zur Disziplinierung von Dissidenten geht, ist das Vorgehen von Franziskus dem von Paul VI. durchaus ähnlich. Hinsichtlich der „lex orandi“ unterscheidet es sich jedoch grundsätzlich.

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TC und Responsa - Stand Ende 2021

Bild: VaticanMediaDie verschiedenen juristischen Analysen und Kritiken von TC und den Responsa, die in den letzten Tagen erschienen sind (z.B. Stellungnahme der LMS von England und Wales oder die rechtlichen Überlegungen eines anonym bleibenden Kirchenrechtlers), sagen unsereinem als Nicht-Juristem eher wenig. Freilich fürchten wir, daß sie auch dem Papst und seinen Beamten wenig sagen: Wenn es ihnen um eine juristisch saubere Formulierung ihres Willens gegangen wäre, hätten sie schließlich alle Möglichkeiten gehabt, das sicherzustellen. Doch wie es heißt, gehört der päpstliche Rat für die Gesetzestexte zu den am wenigsten beschäftigten Ämtern der Kurie. Recht und Gesetz sind dem Regime dieses Pontifikats völlig gleichgültig – sie stützen sich ganz allein auf ihre (vermeintliche) Macht, und mit Hinweisen auf Paragraphen wird man sie nicht daran hindern können.
Außerdem sollte man ihren Einfallsreichtum nicht unterschätzen. In Neapel zum Beispiel war der Erzbischof den Gläubigen gegenüber, die für die Feiertage die Sicherstellung der Liturgie im überlieferten Ritus erbaten, erfreulich entgegenkommend und benannte ihnen einen Priester der Diözese, der über entsprechende Qualifikationen verfügte und den er mit dieser Aufgabe betrauen wollte. Doch dieser, ein Seelsorger ganz nach dem Herzen des Papstes der Barmherzigkeit, weigerte sich, die Gläubigen zu einem Gespräch über Termine und Details zu empfangen und wies ihnen die Tür: Ihre Zeit sei abgelaufen, sie sollten hingehen, wo der Pfeffer wächst.

Es liegt auf der Hand, daß die Gläubigen nach der Erfahrung mit dieser Art feinsinniger Gesetzesinterpretation sich auch ihrerseits nicht lange mit rechtlichen Abwägungen aufhalten werden, sondern die Messe dort mitfeiern, wo sie gehalten wird. Im konkreten Fall wahrscheinlich also bei der Piusbruderschaft, sofern nicht ein mutiger Pater einer der ex-ED-Gemeinschaften sich ihrer erbarmt – und eine ebenso mutiger Kirchenrektor ihnen die Türen öffnet. 

Die Feinde der überlieferten Liturgie und Lehre haben die Auseinandersetzung auf das Feld der aktuellen Kräfteverhältnisse „vor Ort“ verlagert, und sie sollen sich nicht wundern, wenn die Anhänger von Liturgie ihnen zumindest darin folgen, statt sich der Herrschaft der Gesetzlosigkeit (und letzten Endes wohl auch Gottlosigkeit) zu unterwerfen.

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