Geist und Ungeist des Konzils
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- 04. Dezember 2021
Kardinal Robert Sarah ist nicht nur ein bewährter Freund der Tradition in Lehre und Liturgie, er sieht sich auch mehr als viele andere als Brückenbauer; als jemand, der sich mehr bemüht, Gräben einzuebnen, als ihren Verlauf schärfer nachzuzeichnen. Das sollte man schon im Hinterkopf haben, wenn man über seine letzte Woche bekanntgewordene Interviewäußerung nachdenkt, Papst Franziskus wolle die überlieferte Liturgie nicht abschaffen, sondern er erwarte lediglich, „daß die alte Liturgie im Geiste des zweiten Vatikanischen Konzils gefeiert wird, was ja auch durchaus möglich ist“.
Nun wissen wir nicht genau, was der Kardinal damit gemeint hat – schließlich hat das Zweite Vatikanum viele Geister und Ungeister hervorgebracht, die manchmal überraschend nahe beieinander wohnen. Sollte er damit gemeint haben, daß die Zelebration der alten Messe nicht zwangsläufig Gegnerschaft zum Konzil aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts bedeutet, kann man ihm da sicher folgen – schließlich war eine so verstandene „Hermeneutik der Reform in Kontinuität“ auch Grundlage von Papst Benedikts „Summorum Pontificum“. Andererseits scheint des Nachfolgers „Traditionis Custodes“ mit seiner Behauptung, der angeblich exakt dem Willen DES KONZILS entsprungene novus ordo sei einziger Ausdruck der lex credendi und lex orandi der römischen Kirche, geeignet, jeder Hermeneutik der Kontinuität die Grundlage zu entziehen und an deren Stelle eine Hermeneutik des Bruches zu setzen, die es tatsächlich zweifelhaft, ja sogar unmöglich erscheinen läßt, die vorkonziliare Liturgie ohne Widerspruch zum Konzil zu zelebrieren oder an ihr teilzunehmen.
Wir sind damit wieder auf die Frage der korrekten Lesung DES KONZILS zurückgeworfen, die seit inzwischen über 60 Jahren in der Kirche schwelt und schwärt und zu deren Beantwortung sich die nachkonziliaren Päpste bisher nicht im Stande gesehen haben. Da ihre Beantwortung auch unsere Kompetenz weit übersteigt, müssen wir uns darauf beschränken, danach Ausschau zu halten, was denn so gemeinhin als „Geist des Konzils“ verstanden wird. Also gar nicht erst versuchen, zu beurteilen, inwieweit dieser „Geist“ dem in seinen Texten oft unklare und widersprüchliche Konzil entspricht, sondern inwieweit er mit den sehr klaren und eindeutigen Gesten und Worten der überlieferten Liturgie kompatibel ist.
Wie zeichnet man ein zutreffendes Bild eines Geistes, wie soll man eine Geistererscheinung beurteilen?
Cupich und die Hermeneutik des Bruchs
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- 05. November 2021
Wir können Kardinal Blaise Cupich durchaus dankbar sein, daß er in seinem kurzen Beitrag auf PrayTell den Geist und mehr noch den Ungeist von Traditionis Custodes so klar und übersichtlich zum Ausdruck gebracht hat. Das enthebt uns der Mühe, die in vielem gewohnt undeutlichen und widersprüchlichen Formulierungen des Originaltextes des päpstlichen motu proprio zu interpretieren – was immer mit dem Risiko verbunden ist, sich den Vorwurf der Überinterpretation, ja sogar der böswilligen Entstellung eines Textes zuzuziehen.
Cupich, 1998 zum Bischof ernannt von Johannes Paul II, 2010 „befördert“ von Benedikt XVI. und nach 2014 von von Franziskus zum Erzbischof und Kardinal erhoben, ist einer der engsten Vertrauten und Verbündeten des gegenwärtigen Papstes im amerikanischen Episkopat. Seine Lesart von TC kann als voll und ganz dem Willen des Urhebers entsprechend gelten. Wir übersetzen oder referieren daher hier die wichtigsten Absätze seines mit der Überschrift „Das Geschenk von Traditionis Custodes“ versehenen Textes,und schließen dem jeweils unseren Kommentar an.
Ich denke, es ist wichtig, von Anfang an darauf hinzuweisen, daß eine sorgfältige Lektüre des motu proprio die Absichten verdeutlicht, die den heiligen Vater zur Herausgabe dieses Dokuments bewogen haben. Es geht ihm schlicht gesagt darum, in der ganzen Kirche den Römischen Ritus wieder zur einzigen und überall gleichen Weise des Betens zu machen, die ihre Einheit entsprechend den liturgischen Büchern zum Ausdruck bringt, die von den heiligen Päpsten Paul VI. Und Johannes Paul II entsprechend den Dekreten des zweiten Vatikanischen Konzils herausgegeben worden sind. In anderen Worten: Es gibt keine „zwei Formen“ des Römischen Ritus, denn das Wort „Reform“ hat etwas zu bedeuten – nämlich daß wir eine frühere Weise der Feier der Sakramente hinter uns lassen und eine neue Form übernehmen.
Um nur die wichtigsten Fehlkonzeptionen dieses Absatzes zu benennen: Reform bedeutete immer auch, und so verstehen es auch zumindest im Wortlaut die Dokumente des II Vatikanischen Konzils, die Orientierung an, wenn nicht sogar die Rückkehr zu, einem früheren, und dem Ursprung näheren Zustand. „Das Frühere aufgeben und etwas Neues beginnen“ ist eine Entstellung des Reformbegriffs aus dem „Geist des Konzils“, die freilich im aktuellen Pontifikat zur Leitlinie der Politik erhoben worden ist.
Der Bruch als kirchliches Prinzip
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- 07. September 2021
P. Johannes Maria Schwarz im Video
Zum Ende seiner Sommerpause hat P. Johannes Maria Schwarz (Liechtenstein) das Internet-Apostolat auf dem Kanal „kathmedia“ mit einem Beitrag wieder aufgenommen, der sich zum größten Teil (ab 0:50) mit Traditionis Custodes und dessen Bedeutung für das Leben der Kirche beschäftigt. Ausführlich kritisiert er die als „Geist des Konzils“ verkleidete und seit dem Rücktritt von Papst Benedikt wieder verstärkt gegenüber der Hermeneutik der Kontinuität ins Feld geführte Hermeneutik des Bruches:
Diese radikal verschiedenen Auffassungen … sind nicht kompatibel. Kontinuität und Bruch sind nicht nur zwei unterschiedliche Interpretationen eines „Konzilsereignisses“; ihnen liegen zwei verschiedene Kirchenbilder zugrunde. Das eine katholisch – das andere nicht. Und das ist das eigentlich Verunsichernde an TC. Es ist nicht so sehr der autoritäre Machtakt selbst, nicht die unbarmherzige Strenge der Umsetzung, sondern die Implikation, daß das, was die Kirche durch die Jahrhunderte lehrte und heiligte, nun nicht nur in den Augen mancher als verbesserungswürdig oder historisch datiert zu gelten habe, sondern für den Glauben schädlich sei. Denn es werden nicht schismatische Tendenzen verurteilt oder die Anerkennung des zweiten Vatikanischen Konzils angemahnt, von jenen Gläubigen der Tradition, die es vielleicht betrifft, sondern es wurde ein Akt gesetzt, dessen erklärtes Ziel im Begleitschreiben die mittelfristige Auslöschung der alten kirchlichen liturgischen Tradition ist. Sind viele der problematischen Äußerungen im Pontifikat von Papst Franziskus durch Ambiguität noch irgendwie gedeckt, haben jene, die den Papst zu diesem Schritt beraten haben, den Bruch zum kirchlichen Prinzip erhoben.
Sich das ganze Video (10 min) anzusehen bzw. zu hören ist auch denen empfohlen, die sonst lieber Texte lesen. Hier noch einmal der Link.
Weg vom Ultramontanismus!
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- 08. Juli 2021
Dieser Artikel erschien zum Jahrestag des Motu Proprio auf Crisis Magazine. Er ist die vom Autor Kwasniewski selbst erheblich gekürzte Fassung eines Vortrages vor dem Roman Forum, der inzwischen auch vollständig auf Rorate Caeli erschienen ist. Bereits in der hier übersetzten kürzeren Fassung enthält der Text eine tiefgehende Analyse der Stärken und Schwächen von Summorum Pontificum sowie der aktuellen Situation der Kirche, die sich immer offensiver gegen ihre Tradition und damit gegen ihr eigenes Wesen stellt. Mit zahlreichen Verweisen auf weitere Grundsatzartikel zum Themenbereich bildet dieser Artikel ein unentbehrliches Kompendium der aktuellen Lage in Erwartung weiterer Schritte gegen die rechtmäßige und der Verfügungsgewalt von Päpsten entzogene Liturgie der Jahrtausende.
'Summorum Pontificum' wird 14: Seine Tragischen Schwächen
von Peter Kwasniewski
Je mehr wir der lehrmäßigen und moralischen Korruption der heutigen Kirchenhierarchie gewahr werden, die durchaus mit der Situation in der Renaissance zu vergleichen ist, umso mehr erscheint es nahezu als ein Wunder, daß Summorum Potificum, das Motu Proprio von Papst Benedikt XVI. zur Freigabe der Feier der Messe im überlieferten Ritus, überhaupt jemals erscheinen konnte. Das war ein historischer Augenblick, eine wahrhaft glückhafte Geste, und das Dokument hat viel dazu beigetragen, die Zahl der überlieferten Messen in aller Welt zu vervielfachen und die Vorherrschaft des Modernismus zu schwächen. Wir waren dankbar für einen Papst, der nicht vermeintlichen Nostalgikern einen Knochen hinwarf – so die „Indulte“ von Papst Paul VI. und Johannes Paul II. – sondern der den Mut hatte, die Wahrheit auszusprechen: Die große Liturgie unserer Tradition war nie abgeschafft worden und sie kann auch nie abgeschafft werden.
Doch es ist auch angebracht, von vornherein auszusprechen, daß Summorum Pontificum für die traditionsorientierte katholische Bewegung in der Weise nützlich war, wie eine riesige Booster-Rakete früherer Zeiten nützlich war, um ein Raumschiff in eine Umlaufbahn zu bringen: Da steckt eine Menge Energie drin, aber ihre Möglichkeiten sind begrenzt, und wenn sie leergebrannt ist, fällt sie ab. Summorum wird als einer der großen päpstlichen Eingriffe in die Geschichte eingehen, aber es bedeutet nicht mehr als eine Maßnahme zur Schadensbegrenzung, es ist keine Säule, noch viel weniger ein Fundament für ein dauerhaftes Bauwerk.
Solange wir die Schwachstellen diesen Dokuments nicht kennen, werden wir auch nicht verstehen, warum wir den Machenschaften von Papst Franziskus und seines Kreises so wehrlos ausgesetzt sind und, noch entscheidender, werden auch nicht in der Lage sein, die Kraft aufzubringen, uns dem, was der Vatikan vielleicht vorhat um die Feier des überlieferten Ritus zu be- oder verhindern, zu widersetzen oder es zu ignorieren. So sehr – und daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen – die traditionsorientierte Bewegung praktisch von Summorum Pontificum profitiert hat, so müssen wir doch lernen uns mit dem ganzen Gewicht voll auf die eigenen Füße zu stellen, damit wir nicht hilflos umfallen, wenn die rechtlichen Krücken oder Klammern plötzlich weggenommen werden.
Der letzte Strohhalm der Bankrotteure
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- 07. Juni 2021
Wir wollten uns zur Motivlage der Kräfte äußern, die derzeit in Rom die „Neuinterpretation“ von Summorum pontificum betreiben und dafür – ohne allzu große Anstrengungen wahrscheinlich - das Wohlwollen des Papstes erreicht haben. Nun, einen guten Teil der Mühe hat uns Eric Sammons, der Chefredakteur von Crisis Magazine, abgenommen. In einem Artikel vom 4. 6. zeichnet er zunächst den Weg und die Situation der Zelebrationsmöglichkeiten für den überlieferte Ritus seit der Liturgiereform nach. Tatsächlich gab es eine erste sehr restriktive Ausnahmeregelung mit dem sog. „Agatha-Christie-Indult“ von 1971 bereits ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Reform – ein wichtiges Indiz dafür, daß das Missale Pius des V. nie formell „abgeschafft“, sondern nur im Gebrauch eingeschränkt worden ist. Von da an führt ein windungsreicher Weg zur (theoretisch) völligen Freigabe unter Papst Benedikt. In den letzten Absätzen seines Artikels wendet sich Sammons dann der Frage nach dem „Warum jetzt wieder rückwärts?“ zu – wir haben diesen Teil komplett übersetzt:
Unabhängig davon, wie wir die Auswirkungen (der „Neuinterpretation“) einschätzen, bleibt die Frage: Warum sollte sich Papst Franziskus darauf einlassen? Wenn der Vorsitzende der Geschäftsführung eines Großkonzerns beschließen würde, den am schnellsten wachsenden Bereich des Unternehmens dicht zu machen, würde das sicher für allgemeines Kopfschütteln sorgen. Warum also sollte Papst Franziskus darauf aus sein, die Reichweite der Bewegung einzuschränken, die, am Wachstum gemessen, in der heutigen Kirche den größten Erfolg hat?
Die wohl zutreffendste Antwort ist, daß er und andere Würdenträger des Vatikans hinter diesem Vorstoß wahrgenommen haben, daß das Wachstum der Gemeinden der Alten Messe nicht nur damit zu tun hat, wie diese Messe gefeiert wird. Dieses Wachstum steht in vielfacher Weise für eine Zurückweisung des gesamten nachkonziliaren Projektes, in das die Kirchenführer vom 2. Vatikanum bis zu Franziskus so viel investiert haben.