Die Tränen des Papstes
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- 25. Mai 2021
Fr. John Zuhlsdorf erinnerte gestern zum Pfingstmontag auf seinem Blog an eine Pfingsterfahrung von Papst Paul VI., von der er während seiner mehrjährigen Tätigkeit bei der damaligen Kommission Ecclesia Dei in Rom erfahren hatte. Nicht über sieben Ecken, sondern von einem päpstlichen Zeremonienmeister, der selbst anwesend war und es selbst erlebt hatte. Zitat Zuhlsdorf:
Sie wissen wahrscheinlich, daß das große Pfingstfest im herkömmlichen römischen Kalender seine eigene Oktav hatte. Pfingsten war (und ist) auch liturgisch gesehen eine großartige Angelegenheit. Es hat eigene Formulierungen im Communicantes und Hanc igitur (im sonst unveränderlichen römischen Canon), eine Oktav, eine Sequenz usw. An einigen Plätzen der Welt wie Deutschland oder Österreich war der Pfingstmontag (Whit Monday bei den Engländern) sogar Anlaß für einen weltlichen Feiertag zusätzlich zu den kirchlichen Feiern.
Der Novus Ordo war im April 1969 in Kraft getreten. Am Montag nach Pfingsten 1970 begab sich Seine Heiligkeit Papst Paul VI. zur Feier der Messe in seine Kapelle. Statt der roten Gewänder für die Oktav, die wie jeder weiß auf Pfingsten folgt, warten für ihn grüne Gewänder ausgelegt. Papst Paul fragte den an diem Tag zuständigen Zeremoniar: Was um Himmels willen sollen diese grünen Gewänder, wir sind in der Pfingstpktav. Wo sind die roten Gewänder?
„Euer Heiligkeit“ sprach der Zeremoniar, „wir sind jetzt im Jahreskreis. Das ist jetzt grün. Die Pfingstoktav ist abgeschafft.“
„Grün?“ sagte der Papst – „das kann nicht sein. Wer hat das angeordnet?“
„Euer Heiligkeit – das waren Sie.“
Und Paul VI. kamen die Tränen.
Soweit Fr. Zuhlsdorf.
Selbst wenn die Geschichte nur gut erfunden sein sollte: Die Macher der Liturgiereform hatten nicht die geringste Ahnung, wie Menschen fühlen und denken, wie wichtig es für sie ist, sich wenigstens in ihrer Glaubenswelt geborgen und zuhause fühlen zu können, wenn schon die Welt zwar nicht ihr Wesen, aber doch ihr Kleid jeden Tag ändert. In ihrer hochgelehrten Dummheit war ihnen das alles gleichgültig – wenn sie nur ihren ideologischen Träumen nachjagen konnten. Und Papst Paul jagte mit.
Wahrscheinlich hat er die Tränen dann an diesem Pfingstmontag tapfer unterdrückt, Opfer müssen gebracht werden für den großen Traum . Doch der ist inzwischen zum Albtraum geworden.
Hl. Joseph - bitte für uns!
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- 22. April 2021
Am Mittwoch nach dem zweiten Sonntag nach Ostern, vielerorts auch am dritten Sonntag nach Ostern, wäre nach dem älteren Kalender das Hochfest des hl. Josephs Patron der Kirche gewesen. Die vielfachen Kalenderreformen des 20. Jahrhunderts haben dieses Fest, das der Kirche heute nötiger wäre als je zuvor, zum Verschwinden gebracht. Baldassare Stella hat uns einen Beitrag geschickt, der Einzelheiten dieser unglücklichen Reform vorstellt.
Der hl. Joseph - ein Reformopfer:
Im filigranen Geflecht des römischen Heiligenkalenders ist es schwer etwas zu verändern, ohne die Ordnung zu stören und gar zu zerstören wie es in den letzten Jahren vor 1962 mit der Einführung der vier liturgischen Klassen getan wurde. Ganz anders war dies als die Tage von simplex bis duplex begangen wurden und das was nicht zur vollen Geltung kommen konnte, zumindest kommemoriert wurde. Dies ist ein weites Problemfeld, welches in mehreren Beiträgen nach und nach bearbeitet werden soll.
Am 21. April wäre in diesem Jahr das Fest des hl. Josephs als Patron der katholischen Kirche, zu dem er vor 150 Jahren von Papst Pius IX. erhoben wurde und dem anlässlich dieses Jubiläums von Franziskus ein Themenjahr gewidmet wurde. Jedoch wurde das 1870 eingeführte Fest 1955 durch Papst Pius XII. abgeschafft und durch ein neues am 1. Mai ersetzt.
An diesem Fest läßt sich die Tragik mancher neu eingeführten Feste und die Problematik von Veränderungen im liturgischen Kalender sehen, wobei zwischen sinnvollen und widersinnigen Neuerungen sowie faulen Kompromissen zu unterscheiden ist.
Papst Pius IX. hat mit der Erhebung des hl Joseph zum Patron der universalen Kirche 1870 auch ein neues Fest für diesen stillen Glaubenszeugen eingeführt, dessen Heiligenfest am 19. März oft in die Fastenzeit fällt und keine Oktav hat. Für den neuen Festtag hat er, für Heilige ziemlich ungewöhnlich, aber für Themenfeste durchaus üblich, einen beweglichen Termin festgelegt, den Mittwoch nach dem zweiten Sonntag nach der Osteroktav. Diese Terminwahl ist behutsam, weil ein von Ostern abhängiges Fest kein anderes dauerhaft verdrängt, und zugleich geschickt, denn an dem diese Woche einleitenden Sonntag wird Christus als der Gute Hirte und sodann am Mittwoch dessen Pflegevater als Schutzherr der Kirche vorgestellt.
Nochmal „Chinesisches“
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- 17. April 2021
Die Themen des am Donnerstag hier behandelten Artikels des amerikanischen Jesuiten Reese lassen uns nicht los – aus zwei Gründen. Zum einen müssen wir unsere Einschätzung korrigieren, bei der Plattform, die Reeses Artikel veröffentlicht hat, handle es sich um ein „Selbstverständigungsorgan der amerikanischen Linkskatholiken“. Das mag auf die Jesuitenzeitschrift „America“ zutreffen, die Reese lange Jahre als Chefredakteur geleitet hat. Aber nicht auf den „ReligionNewsService“, in dem wir seinen Artikel gelesen haben. Der RNS ist keine katholische Einrichtung, sondern eine ihrer Selbstbeschreibung nach unabhängige Informationsplattform zu Religionsthemen, die weit über den christlichen Bereich hinausgreift. Vorstand und Beirat bestehen in erster Linie aus mehr oder weniger prominenten Journalisten/Medienleuten, die sich mit religiösen Gegenständen befassen; nur wenige davon sind Geistliche oder wissenschaftliche Theologen. In Leitungsgremien und Redaktion sind Angehörige fast aller größeren in den USA vertretenen Religionen vertreten – neben Christen vieler Denominationen auch Hindus, traditionsorientierte und „progressive“ Moslems ebenso wie mehrheitlich progressive Juden, dazu eher weniger als mehr religiös eingefärbte „social justice warriors“ - alles, was man von linksliberal bis linksradikal erwarten kann. Reese ist einer von 10 ständigen Kolumnisten der Plattform. Von „katholisch“, selbst „linkskatholisch“, ist in diesem Umfeld wenig zu spüren – vielleicht passt deshalb der Jesuit Reese so gut hinein.
Umso erstaunlicher erscheint es, daß von den etwa 200 Leserzuschriften, die bis Freitag Nachmittag auf den Artikel Reeses eingegangen waren, keine 5 den Jesuiten unterstützen. Heftige Ablehnung, nicht immer sachlich sehr fundiert, aber stets in eindeutig katholischer Perspektive vorgetragen, dominiert. Ironie und Sarkasmus sind nicht selten. Einige Zuschreiber merken an, als Schutzraum für aus der Zeit gefallene Ältere wie den Autor müsse man künftig wohl eher den Novus Ordo betrachten. Andere üben durchaus fundierte Kritik an einzelnen Aussagen Reeses, viele nehmen Anstoß an dem unverhüllt bevormundenden und autoritären Gestus seines Artikels. Im unübertrefflichen Amerikanisch eines Beitrags: „The author goes full soviet“, und eines anderen: „Thomas Reese wants the bishops to be like the Gestapo“. Generell wird die Intervention des Jesuiten als Ausdruck der Panik eines Reformers wahrgenommen, der erkennen muß, daß alles, wofür er sich ein Leben lang eingesetzt hat, zusammenbricht – und der sich nun mit Händen und Füßen dagegen sträubt, diese Wahrnehmung zuzulassen. Vielfach wird in den Zuschriften „jesuitisch“ gleichgesetzt mit „häretisch“, und mehrfach wird die Auflösung der Gemeinschaft gefordert. Trotz des zuweilen scharfen Tones der Äußerungen wecken nur zwei oder drei den Verdacht, aus sedisvakantistischer oder genuin schismatischer Ecke zu kommen – ansonsten äußert sich dort das ganz normale Spektrum des der Tradition verbundenen katholischen Laienvolkes zwischen Pius und Petrus.
Derlei zu lesen bereitet schon eine gewisse Genugtuung, und es wäre zu wünschen, daß die Heißluftproduzenten aus der deutschen Jesuitenprovinz mal zur Kenntnis nehmen würden, was ganz normale katholische Gläubige von ihnen und ihren fein gesponnenen Plänen halten.
Der zweite Grund, auf Reeses Beitrag zurückzukommen, ist inhaltlicher Art.
Eine chinesische Lösung?
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- 15. April 2021
Die Kreativität von Jesuiten bei der Produktion von Schnapsideen ist zwar nicht beneidens-, aber doch staunenenswert. Der in progressiven US-Kreisen einflußreiche Journalist, Autor, und ja, auch Jesuit Thomas J. Reese ist jetzt in einem Selbstverständigungsorgan der amerikanischen Linkskatholiken mit eiinigen bemerkenswerten Vorschlägen zum „mainstreaming“ der Konzilskirche auffällig geworden. Dazu will Reese – wo denn auch sonst – bei der Liturgie ansetzen. Ihre „Inkulturation“ in die unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Umfelder soll vertieft und dem lähmenden Einfluß der römischen Zentrale entzogen werden. Jeder Diözese, womöglich jeder Pfarrei, ihre eigene Liturgie! Reese schreibt:
Bischofskonferenzen sollten darüber diskutieren ob neue liturgische Dienste benötigt werden und wer zu ihrer Ausübung zu berufen ist. Kann liturgische Tätigkeit von administrativer Tätigkeit getrennt werden. Müsse alle liturgischen Vorsteher männliche, zölibatäre und in Vollzeit beschäftigte Angestellte sein? Sollen Diakone oder Laien die Krankensalbung spenden oder Beichte hören können. Diesen Fragen müssen wir uns in Zeiten sinkender Priesterzahlen stellen.“
Man sieht, das Inkulturationsverständnis des hochwürdigen Herrn Reese ist ziemlich ausgreifend. Es hat nur eine Grenze, kennt nur ein Tabu: Die überlieferte Kultur und Liturgie der Kirche.
Nach der paulinischen Reform der Liturgie war erwartet worden, daß die „Tridentinische“ oder Lateinische Messe aussterben würde. Bischöfe erhielten die Autorität, sie in ihren Diözesen zu verbieten – aber einige Leute klammerten sich bis ans Schisma an die alte Liturgie. Benedikt hat den Bischöfen diese Autorität genommen und erlaubt, daß jeder Priester wann immer ihm danach ist die Tridentinische Messe feiern kann. Es ist an der Zeit, den Bischöfen die Autorität über die tridentinische litrugie in ihren Diözesen zurückzugeben. Die Kirche muß deutlich machen, daß sie wünscht, daß die unreformierte Liturgie verschwindet und nur noch aus pastoraler Rücksicht für alte Leute erlaubt ist, die unfähig sind, die Notwendigkeit der Veränderung zu begreifen. Kindern und jungen Leuten sollte der Besuch solcher Messen verboten sein.“
Kein Wunder, daß angesichts solcher rabiater und von Menschenverachtung triefender Wunschvorstellungen ein katholische Publizist wie der britische Diakon Nick Donelly einen naheliegenden Vergleich zieht: „Es scheint, daß die Jesuiten hier wohl eine Seite aus den Regieanweisungen der Kommunistischen Partei Chinas übernommen haben, die ebenfalls jungen Katholiken den Messbesucxh verbietet.“ Quelle.
Palmsonntag und Karwoche
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- 28. März 2021
Die Karwoche steht ganz im Spannungsfeld zwischen dem triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag „Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“ und dem „Kreuzige ihn“ des Karfreitags.
Es wäre zu leicht, diese fast unerträgliche Spannung allein auf die „Unaufgeklärtheit“ oder den Wankelmut des Volkes von Jerusalem zur Zeit Christi zurückzuführen. Das messianische Bewußtsein der Juden war ja tatsächlich überwiegend bis ausschließlich durch die Stellen der Schrift geprägt, die den Messias als den Erneuerer des Priesterkönigtums der Vorzeit darstellen und von diesem „Gottessohn“ zunächst die Erlösung aus Irdischer Not und Befreiung aus nationaler Knechtschaft erwarteten. Das „im Namen des Herrn“ bezieht sich ganz offensichtlich auf das goldene Stirnband (oder die Krone!) mit dem unaussprechlichen Namen, das der Hohepriester bei seinem einmal im Jahr erfolgenden Besuch des Allerheiligtums am Sühnetag Jom Kippur trug, und die Palmzweige gehören zu der feierlichen Prozession, in der die Männer des Volkes an eben diesem Tag um den Brandopferaltar vor dem Heiligtum zogen. Beides zusammen gehört zum Bild des Priesterkönigs der Zeit Davids, das die Erwartung des Messias über die Jahrhunderte geprägt hatte.
Viel weniger einflußreich und im Bewußtsein des theologisch eher wenig gebildeten Volkes vermutlich überhaupt nicht präsent war das Bild des Messias als leidender Erlöser. Während der Messias des Volkes am Entsühnungstag im königlichen Ornat des Hohenpriesters als der „heute habe ich Dich gezeugt“ Sohn Gottes aus dem Heiligtum tritt, entsprach der Messias als leidender Erlöser doch viel mehr dem „Sündenbock“, dem der Hohepriester am gleichen Tag die Sünden des Volkes aufs Haupt legte, und der dann in die Wüste getrieben und von einem steilen Felsen zu Tode gestürzt wurde. Beide Bilder sind gegensätzlicher kaum zu denken – und kreisen doch um den gemeinsamen Bezugspunkt von Liturgie und Theologie des Entsühnungstages: Tag der Erlösung von den Sünden.
Auch der leidende Messias kommt im Alten Testament an mehreren Stellen vor, die jedoch im Bewußtsein des Volkes kaum präsent waren. Am bekanntesten ist das Lied vom leidenden Gottesknecht beim Propheten Jesaja, das in seinen eindrucksvollsten Stellen auch in die Liturgie der Karwoche (II. Lesung am Mittwoch) eingegangen ist.
Wir bringen einen Auszug aus dem sprachlich und inhaltlich schwieigen Text hier in der Übersetzung der Neuen Evangelistischen Übersetzung von Karlhein Vanheiden auf dem BibleServer – nicht, weil diese besonders genau einem Urtext (welchem? Dem griechischen, oder dem masoretischen, und in welcher Tradition?) entspräche, sondern weil sie gleichzeitig verständlich und dennoch relativ genau ist, ohne durch übertriebene oder auch nur vermeintliche Präzision Verständnishürden zu errichten.
[53] 1 Wer hat denn unserer Botschaft geglaubt?
Und an wem hat sich Jahwes Macht auf diese Weise gezeigt?
2 Wie ein kümmerlicher Spross wuchs er vor ihm auf,
wie ein Trieb aus dürrem Boden. / Er war weder stattlich noch schön.
Er war unansehnlich, / und er gefiel uns nicht.
3 Er wurde verachtet, / und alle mieden ihn.
Er war voller Schmerzen, / mit Leiden vertraut,
wie einer, dessen Anblick man nicht mehr erträgt.
Er wurde verabscheut, / und auch wir verachteten ihn.
4 Doch unsere Krankheit, / er hat sie getragen,
und unsere Schmerzen, / er lud sie auf sich.
Wir dachten, er wäre von Gott gestraft,
von ihm geschlagen und niedergebeugt.
5 Doch man hat ihn durchbohrt wegen unserer Schuld,
ihn wegen unserer Sünden gequält.
Für unseren Frieden ertrug er den Schmerz,
und durch seine Striemen sind wir geheilt.
6 Wie Schafe hatten wir uns alle verirrt;
jeder ging seinen eigenen Weg.
Doch ihm lud Jahwe unsere ganze Schuld auf.
7 Er wurde misshandelt, / doch er, er beugte sich
und machte seinen Mund nicht auf.
Wie ein Lamm, das zum Schlachten geführt wird,
wie ein Schaf, das vor den Scherern verstummt,
so ertrug er alles ohne Widerspruch.
8 Durch Bedrückung und Gericht wurde er dahingerafft,
doch wer von seinen Zeitgenossen dachte darüber nach?
Man hat sein Leben auf der Erde ausgelöscht.
Die Strafe für die Schuld meines Volkes traf ihn.
9 Bei Gottlosen sollte er liegen im Tod,
doch ins Steingrab eines Reichen legte man ihn,
weil er kein Unrecht beging
und kein unwahres Wort aus seinem Mund kam.
Das ist die ganze Leidensgeschichte der Karwoche - prophetisch beschrieben in einem Buch, das auch von der „kritischen Bibelwissenschaft“ in die Zeit um 540 v. Chr. datiert wird. Dieser sog. Deuterojesaja (Jesaja 40-55) ist zwar auch Bestandteil des hebräischen Kanons des alten Testaments, wurde aber nicht in die Haftara, das offizielle Lesungsverzeichnis für den Sabbat, aufgenommen: Das masoretische Judentum wartete weiter auf den Messias mit der Krone des Priesterkönigs.
*
Für die Tage bis Ostern sind keine weiteren Artikel auf Summorum Pontificum geplant. Als nach wie vor lesenswert können wir die Auszüge aus dem Buch von László Dobszay über die Reform der Liturgie in der Karwoche empfehlen, die wir hier 2009 erstmalig präsentiert haben.