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Erziehung in und zu Christus

Bild: Quelle s. Anmerkung im TextGestern war nach dem überlieferten Kalender der Feiertag des Hl. Johannes Baptist de la Salle 1651-1719). Dieser hl. Johannes bietet eines von vielen lebendigen Beispielen dafür, wie sehr das, was man heute „soziales Bewußtsein“ nennt, schon lange vor dem Aufkommen des Gedanken an eine soziale Revolution und gar an eine soziale Kirchenrevolution im Geist der Kirche verwurzelt war. Freilich ohne die heute übliche Beschränkung auf die irdische Dimension. Als Sohn aus vermögender Familie setzte er sein ganzes Vermögen für die Wohlfahrt der Armen und für die Erziehung der Jugend ein – die von ihm gegründete Gemeinschaft der „ Christlichen Schulbrüder“ (Fratres Scholarum Christianarum) besteht noch heute. Die Betonung des Christlichen im Namen in eiuner Gesellschaft, die sich doch insgesamt als „christlich“ empfand, ist kein Zufall. Einer der Leitsätze des Heiligen für die Brüder seines Ordens war: „Wer Jesus Christus nicht kennt, kann kein guter Erzieher der Jugend sein“.

Das Tagesgebet der überlieferten Liturgie faßt Werk und Grundsatz auf überzeugende Weise zusammen:

O Gott, Du hast den hl. Bekenner Johannes Baptista dazu angespornt, daß er die Armen in der christlichen Lehre unterrichte und die Jugend im Wandel auf dem Weg der Wahrheit befestige. Auch hast Du durch ihn in der Kirche eine neue Gemeinschaft entstehen lassen. Gewähre gnädig, daß wir durch sein Beispiel und seine Fürsprache im Eifer um Deine Ehre für das Heil der Seelen erglühen und so würdige werden, im Himmel Anteil an seiner Krone zu erhalten.

Die „liturgische Erneuerung“ hat den Gedenktag auf den 7. April, den Todestag des Heiligen, verlegt – der allerdings meist in die Fastenzeit mit ihren besonders geprägten Tagesliturgien fällt. Außerdem hat sie das Tagesgebet deutlich „gefälliger“ gestaltet – und dabei einiges von dem weggenommen, was dem hl. Johannes besonders wichtig war. Die moderne Fassung (übersetzt nach dem Messbuch Pauls VI. von 1970) lautet:

O Gott, Du hast den hl. Johannes Baptista zur Erziehung der christlichen Jugend bestimmt. Erwecke in Deiner Kirche Erzieher, die sich mit ganzem Herzen der menschlichen und christlichen Bildung der Jugend widmen.

Der Weg der Wahrheit und das Heil der Seelen sind hier praktisch spurlos entfallen zu. Die aktuelle deutsche Version des Messbucha nach Schott Online macht diese Auslassungen zum Teil rückgängig, läßt aber gleichzeitig den Kern des Gesagten in einer Girlande von Pastoralgeschwurbel verschwimmen:

Gott, du hast den heiligen Johannes Baptist de la Salle berufen, jungen Menschen den Weg des Heils zu zeigen. Erwecke in deiner Kirche verantwortungsbewusste Erzieher voll schöpferischen Geistes, die sich mit aller Kraft dafür einsetzen, gute Menschen und wahre Christen heranzubilden.

Hl. Johannes Baptista, bitte für uns.

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Das Bild oben entnehmen wir einer Broschüre der Schulbrüder zum Leben ihres heiligen Gründers, die auch im Netz kostenlos heruntergeladen werden kann.

Eine Oktav der verlorenen Feste

Bild aus dem zitierten Artikel auf New Liturgical MovementAustralische Katholiken haben für die acht Tage vom 1. bis zum 8. Mai eine „Oktave of Liturgical Restoration“ ausgerufen (Quelle), um an die vier Festtage zu erinnern, die bereits unter den Päpsten Pius XII. und Johannes XXIII. vom Furor der Neuerer aus dem Kalender getilgt wurden: Das Doppelfest der Apostel Philipp und Jakobus am 1. Mai, die Auffindung des hl. Kreuzes durch Kaiserin Helena am 3., das Fest des Apostels Johannes von der lateinischen Pforte am 6. und das Fest der Erscheinung des Erzengels Michael am 8. Mai.

All diesen Festen ist zunächst gemeinsam, daß sie nicht über die „gesicherte historische Grundlage“ verfügen, die den Liturgie-Modernisierern so sehr am Herzen liegt. Für die Apostel – bestenfalls mit Ausnahme von Petrus und Paulus – gilt das generell. Reliquien sind ebenfalls suspekt, erst recht, wenn sie von einer Kaiserin aufgefunden worden sein sollen. „Johannes von der Porta Latina“ erinnert an eine der vielen überaus wunderbaren Episoden, die über das Leben des Apostels und Evangelisten im Umlauf sind – mit Sicherheit so nicht historisch, weg damit. Und Engelserscheinungen – also damit braucht man dem aufgeklärten Menschen des 20. Jahrhunderts wirklich nicht zu kommen.

Die Grundlage dieser Feste war eine andere: Sie sind Ausdruck von Glaubensgewissheiten, die über die Ebene empirisch-historischer Bezüge hinausgehen und waren als solche tief im Bewußtsein des frommen Volkes verankert. Trotz ihrer legendarischen Form gehen sie auf Überlieferungen teilweise ältester Zeiten zurück und enthalten von daher höchstwahrscheinlich sogar „historische Kerne“, deren Umfang und Qualität freilich nicht präzise bestimmbar sind.

Beim Fest der hl. Apostel Philippus und Jakobus, das sich als „Pip 'n Jim“ im angelsächsischen Bereich vielerorts großer Beliebtheit erfreute, kam noch ein weiteres Motiv dazu: Der 1. Mai wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts in der Arbeiterbewegung ausgehend von den USA, Australien und England als „Kampftag der Arbeiterklasse“ begangen. Für ein säkularistisch infiziertes Denken konnte es da durchaus naheliegen, das traditionell am dritten Mittwoch nach Ostern gefeierte Fest des hl. Joseph, Brärigams der allerseligsten Jungfau und Gottesmutter Maria, als Festtag von Joseph dem Arbeiter auf eben dieses Datum zu verlegen. Was 1955 als Versuch zur Befestigung bedrohter Positionen gedacht sein mochte, erwies sich in der Folge schnell als wirkungslos, letztlich sogar kontraproduktiv; ein weiteres Glied in der Kette, die das Denken und Leben der Kirche an eher innerweltliche Vorstellungen vom Heil des Menschen schmiedet.

Auf die drei anderen aus dem Kalender gestrichenen Festtage wollen wir an den entsprechenden Tagen näher eingehen.

Das Lektionar - Original und Fälschung

Bild: Aus dem genannten Artikel auf New Liturgical MovementWas der Uno die Gedenktage – davon gibt es bald ebenso viele wie das Jahr Tage hat - sind der Nachkonzilskirche die Themensonntage. Da gibt es einen Familiensonntag, den Kinder-Weltmissionssonntag, einen Welttag des geweihten Lebens, einen Barmherzigkeitssonntag und neuerdings einen Welttag der Armen und einen Wort-Gottes-Sonntag, eingeführt von Papst Franziskus mit Motu-Proprio Aperuit illis vom vergangenen September. Hatten die Liturgiereformen des 20. Jahrhunderts nicht an vorderer Stelle das Ziel, die Sonntage des Kirchenjahres in ihrer Würde und Bedeutung wieder herzustellen und von der „Überlagerung“ duch Gedenk- und Heiligenfeste zu befreien? Egal.

Am letzten Sonntag wurde der neue Gedenktag zum ersten Mal feierlich begangen, natürlich auch und ganz besonders in Rom. Dias liturgische Büro der Peterskirche hatte zu diesem Anlaß entsprechend einer Empfehlung in Aperuit Illis auf einem thronartigen Stand das Wort Gottes in Form eines Evangeliars aufstellen lassen. Nach Auskunft des vatikanischen Presseamtes handelte es sich dabei um genau „das Lektionar, das während aller Sitzungen des zweiten Vatikanischen Konzils benutzt wurde“.

Vermutlich war ihm gar nicht bewußt, welche Ironie in diesen Worten und diesem ganzen Vorgang liegt, auf den wir durch einen Artikel von Mathew Hazell auf New Liturgical Movement aufmerksam geworden sind. Das „Lektionar des II Vatikanischen Konzils“ war selbstverständlich das der Leseordnung des nach dem Konzil von Trient gegenüber den reformatorischen Wirren wieder gefestigten traditionellen römischen Ritus. Also nicht das Produkt der nachkonziliaren Reformkommission, die später diese traditionelle Leseordnung „abschaffte“ und durch eine traditionswidrige Neuschöpfung ersetzte, die sich unter anderem dadurch auszeichnet, daß in ihr viele schwer zu vermittelnde Passagen des Wortes Gottes fakultativ gestellt, weggekürzt oder „zwischen die Sonntage gefallen“ sind. (Hier ausführlicher). Das in der Messe Pauls VI. vorgeschriebene Lektionar, wie es auch am vergangenen Sonntag in Rom benutzt wurde, ist nach Form und Geist etwas ganz anderes als das „Lektionar des II. Vatikanischen Konzils“, das dort in feierlichem, aber hohlem Pomp inszeniert wurde.

Keine Blumen für die Reform

Bild: Montage Rorate CaeliDavon, daß der Jahrestag der Liturgiereform ganz ohne die zu 50. Jahrestagen üblichen Lobgesänge über die Bühne ging, war hier schon gelegentlich die Rede. Peter Kwasniewski, der das gleiche Phänomen auch für die USA beobachtete, hat nun eine Art Abschlußbericht vorgelegt, dessen wesentliche Einsichten wir hier weiterreichen. In den Print- und Webmedien, die sich ganz besonders als Verteidiger der Reform hervorgetan haben, hat er überhaupt keine „Gedenkartikel“ wahrgenommen. Offenbar liegt den Reformern viel daran, den unter jüngeren Katholiken vorherrschenden Eindruck nicht zu gefährden, daß die Liturgie schon immer so gewesen sei, wie sie sich heute darstellt, und daß jeder Gedanke an Veränderungen des Status Quo abwegig sei. Und natürlich müssen auch die Verfechter der Reformen einräumen, daß die Bilanz der letzten 5 Jahrzehnte nicht gerade beeindruckend ist - also lassen sie die Finger davon. Im Übrigen vertrauen sie darauf, daß die klerikale Gewalt, die zur Einführung der Reform eingesetzt wurde, auch heute noch stark genug ist, Forderungen zu „Reformen an der Reform“ oder gar zu deren Zurücknahme auf Randbereiche zu beschränken.

Über die Motive hinter dieser starren Unbelehrbarkeit im Licht des erwiesenen Scheiterns wird noch gesondert nachzudenken sein. Eine erste Vermutung: Die Kräfte, die sich im aktuellen Zerfall bequem eingerichtet haben, setzen auf eine Art Säkularisierungsdividende. Vom traditionellen Kirchen- und Gottesdienstverständnis her gesehen mag es aktuell um Liturgie und Glaubensbewußtsein mehr als schlecht aussehen - für das säkularisierten Verständnis erleichtert es gerade dieses niedrige Niveau der moderne NGO-Kirche, ohne größere Reibungsverluste mit anderen gesellschaftlichen Kräften sich bei dem „einzubringen“, was gerade politisch en vogue ist.

Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß Kwasniewski außerhalb des dezidiert traditionellen Lagers nur wenige - genauer gesagt: genau drei - Artikel abgetroffen hat, die dem Gedenkjahr angemessenen Raum und Argumentationsaufwand einräumen.

Im National Catholic Register die Artikel “Celebrating the Novus Ordo as It Ought to Be” von Roger Landry und “The Mass of Paul VI at 50: Marking the Golden Jubilee of the New Order.” von Joseph O'Brien; dazu noch auf First things online “The Reformed Liturgy, 50 Years Later” von George Weigel. Zu Recht kritisiert Kwasniewski, daß diese Artikel bereits in ihren Titeln auf große Schwächen des Novus Ordo hinweisen: Er gab der Kirche eine Liturgie - die man vielleicht korrekt feiern kann, die aber überall anders und selten korrekt gefeiert wird. Wie nie zuvor ein Messbuch der Kirche verbindet sich der Novus Ordo mit dem Namen eines einzigen Papstes - als ob er aus einem Vakuum ohne Tradition und Vorläufer entstanden wäre. Und keiner der drei mag sich dazu durchringen, der neuen Liturgie irgend ein besonderes Verdienst zuzusprechen - außer, daß sie nun eben 50 Jahre alt geworden ist und damit quasi Anspruch auf einen Gedenkartikel hat.

Daran ist auch Positives zu sehen.  Zumindest unter den Katholiken, die katholisch bleiben wollen - und da muß man die genannten Autoren voll einschließen - hat sich die Einstellung zur Liturgie in gewisser Weise versachlicht. Für sie ist die Frage der Liturgie nicht mehr eine Auseinandersetzung zwischen Papsttreuen und Schismatikern, sondern eine Frage, mit der sie einigermaßen leidenschaftslos umgehen können - immerhin. Offenbar haben die letzten Jahre dort die Sensibilität dafür gestärkt, daß die Gefahr für das Petrusmat und die Drohung mit dem Schisma jedenfalls nicht von denen kommen, die die Liturgiereform ablehnen und am überlieferten Missale und am überlieferten Katechismus festhalten wollen. 

Die Konstitution Missale Romanum

Eigene Montage nach Aufnahmen aus http://www.newliturgicalmovement.org/2013/12/paul-vi-pope-of-contradictions.htmlRechtsgrundlage für das Inkrafttreten der „erneuerten Liturgie“ ist die Apostolische Konstitution „Missale Romanum“ Papst Pauls VI. vom 3. April, die als Termin den 1. Adventssonntag – das war 1969 der 30. November – bestimmte. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Konstitution gab es noch in keiner Sprache ein vollständiges Missale nach dem „Novus Ordo“ Das war absehbar (und tatsächlich) auch für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Fall, weshalb die Ritenkongregation umfangreiche Behelfsbestimmungen für erforderliche Übergangszeiten erließ, auf die der Papst in seiner Ansprache vom 26. 11. dann auch ausdrücklich hinwies. Da das Dokument auch in deutscher Sprache leicht erreichbar und relativ gut bekannt ist, verzichten wir darauf, es hier noch einmal wiederzugeben.

Inhaltlich gliedert sich der Rechtsakt zur Einführung des neuen noch nicht existierenden Missales in drei Teile:

Der erste versucht, den neuen Ordo in die liturgische Tradition der Kirche zu stellen und hebt dabei insbesondere das Wirken der „liturgischen Bewegung“ der vorausgehenden Jahrzehnte hervor. Ausdrücklich bezieht das Dokument sich auf die bereits unter Pius XII. erfolgten Reformen, denen Paul VI. bescheinigt, sie hätten bereits „einen ersten Schritt“ getan, „um das Römische Meßbuch dem Empfinden unserer Zeit anzupassen.“ Insbesondere beruft sich die Konstitution auf die Konilskonstitution Sacrosanctum Concilium, deren Vorgaben im Neuen Ordo umgesetzt worden seien.

Der zweite ausführlichere Teil enthält eine Aufstellung der von Paul VI. für besonders erwähnenswert gehaltenen Änderungen. Als bedeutendste hebt er die Vermehrung der Zahl der Präfationen und der eucharistischen Hochgebete hervor, die zukünftig zusammen das eigentliche Hochgebet, den Kanon, bilden sollten. Die in diesem Zusammenhang verfügte Änderung der Wandlungsworte des bisherigen Kanons begründet er mit „pastoralen Erwägungen“, um die Einheitlichkeit in sämtlichen Hochgebeten zu sichern. Ein gutes Beispiel einer für sich durchaus nachvollziehbare Änderung – die aber gar nicht erforderlich geworden wäre, wenn man andere Änderungen (die Vermehrung der Hochgebete und die Hervorhebung der Konzelebration) gar nicht erst eingeführt hätte.

Es folgen dann eine Reihe weiterer Reformmaßnahmen, die der Papst durch die wörtliche oder sinngemäße Zitierung entsprechender „Aufträge“ der Konzilskonstitution beschreibt und begründet.

Der Schluß enthält noch einmal eine Berufung auf die Tradition seit Trient und den Auftrag des Konzils und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß das neue Missale „von den Gläubigen als eine Hilfe zur gegenseitigen Bezeugung und Stärkung der Einheit angenommen“ werde, so daß „in der Mannigfaltigkeit vieler Sprachen aus den Herzen aller ein und dasselbe Gebet … zum himmlischen Vater durch unseren Hohenpriester Jesus Christus im Heiligen Geiste emporsteige“.

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