Kommunion aus dem Tabernakel?
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- 23. September 2019
Fr. Hunwicke behandelt heute in seinen Liturgical Notes einen Gegenstand, der uns auch schon des öfteren Kopfzerbrechen bereitet hat – den wir aber nie so gut hätten analysieren können, wie der gelehrte Priester des Ordinariats uns das hier vormacht.
Die Institutio Generalis zum Missale Romanum (3. Fassung) nennt es in Absatz 85 „sehr wünschenswert“, daß die Gläubigen die Kommunion mit Hostien empfangen, die in der gleichen Messe konsekriert worden sind. Dabei stützt sie sich auf Dokumente von 1967 und 1973. Die gleiche Erwartung hatte bereits Pius XII in Mediator Dei zum Ausdruck gebracht (s. Fußnote). Soweit ich es überblicken kann, wird diese Vorgabe weithin nicht eingehalten, und zwar weder in mehr traditionellen noch in sehr un-traditionell orientierten Gemeinden. Die Gründe dafür sind klar erkennbar praktischer Natur: Indem man die Kommunion aus dem Tabernakel austeilt, entgeht man der Verlegenheit, die Zahl der Kommunionempfänger schätzen zu müssen, und der Priester muß auch nicht vor der Reinigung des Kelches am Altar selbst das aufessen, was die Anglikaner als „Die Reste der Eucharistie“ zu bezeichnen pflegten. Er muß auch nicht das (z.B. für Versehgänge) aufbewahrte heilige Sakrament regelmäßig erneuern, weil sich das – mit Ausnahme der Aussetzungs-Hostie - von alleine ergibt, wenn im regelmäßigen Gebrauch jeden Sonntag das konsumiert wird, was am vorhergehenden Sonntag übrig geblieben ist. Aber wie weit ist dieses „sehr wünschenswert“ eigentlich theologisch begründet?
„Auf diese Weise soll die Kommunion auch durch die Zeichen klarer als Teilhabe an dem Opfer erscheinen, das gerade gefeiert wird“ übersetze ich die von der Institutio Generalis gegebene Erklärung. Dagegen habe ich keinesfalls etwas grundsätzlich einzuwenden. Tatsächlich ziehe ich es selbst vor, den Gläubigen die Kommunion zu reichen, ohne vorher an den Tabernakel gehen zu müssen. Es ist mir immer etwas mühsam erschienen, die Kanontafel beiseite zu legen und mit zusammengelegtem Daumen und Zeigefinger den Tabernakel aufzuschließen. (Ich zelebriere viel in fremden Kirchen, und Schlüssel und Schloss des Tabernakels funktionieren oft nicht so, wie ich das erwarte.) Dennoch bin ich unsicher, ob die offizielle Erklärung tatsächlich viel hergibt.
Giftige Früchte der Reformen
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- 28. August 2019
Als Summorum Pontificum vor 12 Jahren seine Arbeit aufnahm, war „Protestantisierung“ einer der Begriffe, die unsere Befürchtungen zur Entwicklung der Liturgie in den vergangenen Jahrzehnten zum Ausdruck brachten. „Protestantisierung“ als Kürzel dafür, daß die überlieferte Lehre der Kirche, wie sie früher in der Feier der Liturgie und bei der Spendung der Sakramente zum Ausdruck kam, ersetzt oder abgeschwächt würde durch heterodoxe Vorstellungen nach dem Muster christlicher Gemeinschaften aus der Tradition der Reformation.
Wie weit dieser Vorgang inzwischen vorangeschritten ist, mag man daran ablesen, daß nach einer Umfrage des Pew Research Center von diesem Sommer nur noch ein Drittel der nominellen Katholiken in den Vereinigten Staaten den zentralen Glaubenssatz für wahr hält, daß in der heiligen Messe die Opfergaben ihrem Wesen nach in den Leib und das Blut Christi „transsubstantiiert“ werden, so daß Brot und Wein nur noch den äußeren Anschein bilden.
Für Deutschland und Mitteleuropa, wo die Kirche es peinlich vermeidet, derartige Dinge empirisch abfragen zu lassen, dürfte das Verhältnis noch schlechter ausfallen, da dank der Zwangsmitgliedschaft im von den Bischöfen mit Klauen und Zähnen verteidigten Kirchensteuersystem Kirchenaustritte (vorläufig noch) seltener sind als in den USA. Praktisch führt das dazu, daß statistisch der Anteil der „Taufscheinkatholiken“, die weder die Messe besuchen noch überhaupt wissen, was dort geschieht, wesentlich größer ist als in den USA, wo sich diese Gruppe meist irgendwann aus der Statistik verabschiedet. Hierzulande könnten wir froh sein, wenn wenigstens ein Drittel der mehr oder weniger regelmäßigen Kirch- und Kommuniongänger das Dogma der Transsubstantiation kennen und bekennen würde. Der äußere Schein von Gottesdienstgestaltung durch die „Vorsteher“ und das Verhalten der Gemeindemitglieder beim Kommuniongang sprechen dafür, daß protestantische Vorstellungen von Gemeinschaftsmahl und bloß symbolischer Gegenwart Christi sich weitgehend durchgesetzt haben.
Kein Gedenkjahr für die Liturgiedeform
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- 26. August 2019
Dafür, daß wir in einer von Jahrestagen faszinierten Zeit leben, ist es um das 50. Jahr der Liturgiereform mit dem Höhepunkt der Einführung des Novus Ordo bisher bemerkenswert ruhig geblieben. In den Leitmedien des Deutschkatholizismus (katholisch.de, domradio.de, kirche + leben.de, herder-korrespondenz, Liturgisches Institut) herrscht bis jetzt weitgehend Funkstille – zumindest wenn man die Liturgiereform damit vergleicht, welche Beachtung politische Aufreger wie Mittelmeer-Rettung oder Kampf dem Rechtspopulismus finden. Aber vielleicht kommt ja noch einiges: Die offizielle Inkraftsetzung des am 10. April 1969 promulgierten neuen Ordo Missae erfolgte schließlich erst am 1. Adventssonntag, der damals auf den 30. November (in diesem Jahr: 1. Dezember) gefallen war.
Vielleicht sieht man aber amtlicherseits auch keinen Grund, das 50. Jahr der Reform als Jubiläum zu begehen. Die Kirche nicht nur in Deutschland bzw. deren wohlbestallte Repräsentanten haben derzeit andere Sorgen. Jahr für Jahr geben derzeit mehr als 200 000 getaufte Katholiken ihren Kirchenaustritt zu Protokoll – Tendenz steigend. Die Kirchensteuer fließt zwar nach wie vor reichlich, aber spätestens 2023 wird die Kurve abfallen. Bis 2060 wird sich die Zahl der gegenwärtig 23 Mio. Katholiken fast halbieren - mit den entsprechenden auch finanziellen Auswirkungen. Angesichts dieser Entwicklung läßt sich das Märchen vom Neuen Frühling in Folge von Konzil und Liturgiereform beim besten Willen nicht mehr aufrecht erhalten – wenig Grund, zum feiern. Und dann gibt es da noch einen ganz merkwürdigen Mechanismus: die Modernisten sprechen zwar gerne und viel von den „Reformen“, die in möglichst naher Zukunft noch umgesetzt werden sollen – gegenwärtige Top-Themen „zeitgemäße“ Sexualmoral, Zölibat und Frauenweihe. Sobald eine Reform/Deform jedoch erreicht ist, wird sie vom Tableau möglicher Diskussionsthemen gestrichen und zum unveräußerlichen Besitz deklariert. Einen „Weg zurück“ kann und darf es dann nicht mehr geben, das Erreichte soll „unumkehrbar“ und „unwiderruflich“ sein – und zur Befestigung dieser Position ist es durchaus hilfreich, so zu tun, als ob es schon immer so gewesen wäre, wie es jetzt gerade ist.
Damit sind die Themen umschrieben, denen Summorum Pontificum in den restlichen Monaten dieses Jahres besondere Aufmerksamkeit widmen wird. Andere Gegenstände, die aktuell vielleicht noch größere Bedeutung haben, werden wir bevorzugt in der Randspalte rechts abhandeln – und zwar wo immer möglich durch Verweise auf Artikel, die in steigender Zahl und oft hervorragender Qualität auf anderen Webseiten erscheinen. Wenn die letzten 5 Jahre in all dem Elend auch eine erfreuliche Entwicklung gebracht haben, dann die: Die Zahl der Stimmen, die sich zur Verteidigung des katholischen Glaubens erheben, ist größer geworden, und die Deutlichkeit der Aussprache hat zugenommen. Zwar sind es nach wie vor erschütternd wenige Bischöfe und andere berufene Oberhirten, aber in den unteren Rängen des Klerus und vor allem bei den Laien formiert sich lautstarker Widerspruch und immer öfter auch offener Widerstand. Diese Stimmen zu verbreiten und nach bescheidenen Kräften zu verstärken ist die zweite Aufgabe, die sich Summorum-Pontificum.de für die nächsten Monate gestellt hat.
50 Jahre „Ottaviani Intervention“
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- 06. Juni 2019
Vor 50 Jahren, am 5. Juni 1969, unterzeichneten die Kardinäle Alfredo Ottaviani, vormaliger Präfekt der Glaubenskongregation, und Antonio Bacci die „Kurze Kritische Untersuchung des neuen ‚Ordo Missae‘“, die Papst Paul VI. allerdings erst im September des Jahres zugestellt wurde. Die „Kurze Untersuchung“ war unter wohlwollender Begleitung der beiden Kardinäle von 12 Theologen unter maßgeblicher Mitarbeit von Erzbischof Lefebvre erstellt worden und unzerzog den Text des neuen Ordo Missae – ein komplettes Missale lag noch nicht vor – sowie die diesem vorangestellte Institutio Generalis einer eingehenden Kritik, deren Ergebnisse das von den beiden Kardinälen unterzeichnete Vorwort so zusammenfasste:
1. Wie die beiliegende kurze Untersuchung - das Werk einer Gruppe von Theologen, Liturgiewissenschaftlern und Seelsorgern - hinlänglich zeigt, stellt der "Novus Ordo Missae" mit seinen neuen, verschieden interpretierbaren Elementen, die darin indirekt oder ausdrücklich deutlich werden, sowohl im Ganzen wie in den Einzelheiten ein auffallendes Abrücken von der katholischen Theologie der heiligen Messe dar, wie sie in der X X 11. Sitzung des Konzils von Trient formuliert wurde. Durch die endgültige Festlegung der "Canones" des Ritus wurde damals eine unüberschreitbare Barriere errichtet gegen jede Häresie, die die Integrität des Mysteriums verletzen könnte.
2. Die zur Rechtfertigung eines so überaus gravierenden Bruches angeführten pastoralen Gründe erscheinen nicht hinreichend, selbst wenn ihnen gegenüber dogmatischen Erwägungen eine Existenzberechtigung zuerkannt wird. Was in dem "Novus Ordo Missae" an Neuem erscheint und was dagegen an zeitlos Gültigem einen geringeren Rang oder ganz anderen Platz erhält, könnte die Vermutung, die sich leider in vielen Kreisen insgeheim ausbreitet, zur Gewißheit werden lassen, Wahrheiten, die vom christlichen Volk immer geglaubt wurden, könnten ohne Untreue gegenüber dem heiligen Depositum der Lehre, an das der katholische Glaube für immer gebunden ist, geändert oder verschwiegen werden. Die kürzlich vollzogenen Reformen haben hinreichend bewiesen, daß weitere Neuerungen in der Liturgie zu nichts anderem führen würden als zur totalen Verwirrung der Gläubigen; diesen merkt man bereits an, daß sie die Anderungen nicht mehr ertragen können und an der Glaubenssubstanz unzweifelhaft Schaden leiden. Unter den Besten des Klerus zeigt sich dies in einer quälenden Gewissenskrise, wofür uns täglich zahlreiche Zeugnisse zugehen.
Diese Kritik wurde von Papst Paul VI. und seinem ganz im Erneuerungstaumel begriffenen Umfeld pauschal bis empört zurückgewiesen. Lediglich zu einer besonders angreifbaren Stelle der Institutio verfügte der Papst eine abschwächende Formulierung. Wo die Erstfassung die heilige Messe ausschließlich als „Zusammenkunft oder Gemeinschaft des Volkes Gottes zur Feier des Herrengedächtnisses unter dem Vorsitz des Priesters“ (Art. 7 der Institutio im Ordo von 1969) beschrieben hatte, wurde nun ergänzt, daß der Priester in Person Christi amtiere und daß es sich beim „Herrengedächtnis“ um das „Eucharistische Opfer“ handle (Art. 7 der Institutio im Missale von 1970, jeweils lateinische Fassung)
Irrtum Volksaltar
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- 25. Mai 2019
Das „Herumdrehen der Altäre“ war für die meisten katholischen Gläubigen die sichtbarste Folge der Liturgiereform, ja des ganzen 2. vatikanischen Konzils. Diese - in den Konzilstexten so in keiner Weise vorgegebene und tatsächlich auch schon seit den 30er Jahren von der modernistischen Theologie empfohlene und normenwidrig praktizierte - Maßnahme hat wie vielleicht keine andere den nachkonziliaren Verfall von Glaube und Liturgie gefördert. Der herumgedrehte Altar ließ sinnfällig erfahren, daß aus dem Gottesdienst eine Gemeindefeier, aus dem Priester am Opferaltar ein Vorsteher am Vorstandstisch werden sollte. Sie war der Türöffner für die massenwirksame Durchsetzung der „anthropozentrische Wende“, die in Wirklichkeit nichts anderes war als eine Neubelebung der alten pelagianischen Irrlehre, die den Blick der Menschen von den allein seligmachenden Gnadengaben Gottes ablenkt und – ganz in Übereinstimmung mit aktuellen Zeitströmungen – bevorzugt auf die eigene Kraft und die iegenen Fähigkeiten zu vertrauen.
Die Promotoren des Volks(eigenen)altars hielten sich viel auf archäologische Befunde zugute, die angeblich belegten, daß die Neupositionierung der Altäre bei weitem keine revolutionäre Neuerung war, sondern nur eine „Wiederherstellung der alterhrwürdigen Norm der Väter“, wie sie in der Liturgiekonstitution (Abs 50) beschworen wird. Das war, wie so vieles, was unter Berufung auf die Wissenschaft als alternativlos dargestellt wird, ein Irrtum, wenn nicht eine absichtsvolle Fehlinterpretation einer damals noch dünnen und schwer interpretierbaren Faktenlage.
Nach noch nicht einmal 100 Jahren müssen diese angeblichen Erkenntnisse als obsolet gelten - das ist eines der Hauptergebnisse der Forschungen, die Prof. Stefan Heid aus archäologischen und textlichen Quellen des frühesten Christentums gewonnen und in seinem Grundlagenwerk über „Altar und Kirche“ zusammengestellt hat. Sein Fazit hinsichtlich des Volksaltars ist vernichtend:
Der heutige Volksaltar, ob rund oder rechteckig, ist das Produkt einer historischen Fehlinformation bzw. eines ahistorischen Archäologismus. Dass es ihn in der frühen Kirche als Mitte einer eucharistischen Mahlgemeinschaft gegeben habe, ist eine wissenschaftliche Fiktion. Die alles bestimmende Funktion des frühchristlichen Altars war nicht, als Mahltisch einer im Kreis versammelten und sich gegenseitig anschauenden Gemeinde zu dienen, sondern seine Funktion war von vornherein, Ort des Gebets und dabei auch Ort des Opfers zu sein. Das Gebet ist auf Gott hin gerichtet und zufolge einer universalen Praxis nach Osten zu vollziehen. Das bedeutet für die allermeisten Kirchen der Frühzeit und des Mittelalters, dass der Priester mit dem Rücken zum Volk am Altar stand. Das hat sich dermaßen eingebürgert, dass diese Praxis auch erhalten blieb, als man Kirchen nicht mehr mit der Apsis ostete oder als man Seitenaltäre in verschiedenen Himmelsrichtungen aufstellte.
Diese Ordnung war universal gültig, das heißt in allen Ritusfamilien des Ostens und des Westens (der Sonderfall der Reformationskirchen sei hier außer acht gelassen). Es ist jedenfalls keine früh kirchliche Ritusfamilie bekannt, in der es einen Volksaltar gegeben hätte. Hier herrschte lange Zeit faktisch ein ökumenischer Konsens. In den Kirchen des byzantinischen Ritus und bei den Altorientalen sind die Kulträume nach wie vor nach Möglichkeit apsisgeostet. Der Hauptaltar steht zwar frei im Raum, aber doch so, dass der Priester von vorne an ihn herantrit. Allein die lateinische Kirche hat sich vom ökumenischen Konsens verabschiedet und einen Sonderweg beschritten in der Meinung, den Ursprung wiederherzustellen: Zuerst gab sie die Gebetsostung auf, dann - nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil - auch den Standort des Liturgen vor dem Altar.“
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Stefan Heid: Altar und Kirche - Prinzipien christlicher Liturgie. Regensburg 2019 (Schnell + Steiner), 496 Seiten, 152 Abbildungen, € 50,-. Erhältlich im allgemeinen und Versandbuchhandel.