Franziskus zur Liturgie
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- 15. Februar 2019
Vom 12. - 15. Februar hat in Rom die Jahres-Vollversammlung der Gottesdienstkongregation stattgefunden, die sich das Thema „die liturgische Bildung des Volkes Gottes“ gestellt hat. Dieser Versammlung kommt in diesem Jahr, in dem zahlreiche 50. Jahrestage der Liturgiereform begangen werden, besonderes Gewicht zu; auch die „Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung“ wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Zu diesem Anlaß hat Papst Franziskus am 14. Februar in einer Ansprache vor den Mitgliedern der Vollversammlung sein Liturgieverständnis dargelegt.
Die Zusammenkunft mit dem Papst war wie üblich nicht öffentlich, der Inhalt der Ansprache wurde jedoch noch am gleichen Tag auf der Nachrichtensite des Vatikans in mehreren Sprachen veröffentlicht – ein Indiz dafür, daß der Vatikan dieser Rede große Bedeutung zumißt.
Der Papst begann seine Ansprache mit einem Hinweis auf die 1969 verabschiedeten Dokumente und Beschlüsse zur Liturgiereform, die er einerseits als Früchte der konziliaren Erneuerung und andererseits als „erste Schritte einer Reise, die mit kluger Stetigkeit fortzusetzen ist“ bezeichnete. „Die Gebetstradition der Kirche bedurfte erneuerter Ausdrucksweisen, ohne irgendetwas von ihrem Jahrtausende alten Reichtum zu verlieren und die sogar die Neuentdeckung der Schätze ihres Ursprungs ermöglichten“.
Im Folgenden bekräftigte Franziskus, daß es nicht genüge, die liturgischen Bücher zu erneuern, es sei auch eine „Erneuerung des Herzens“ erforderlich, um eine Begegnung mit dem „Gott der Lebenden“ (Mt 22,32) zu ermöglichen. Dazu würden heute der Apostolische Stuhl und die Bischofskonferenzen „im Geist der Kooperation, des Dialogs und der Synodalität“ zusammenwirken. Dabei erwähnte er ausdrücklich sein Motu Proprio „Magnum Principium“, das diese Zusammenarbeit auf eine neue Grundlage gestellt habe. Es gehe um eine kirchliche Gemeinschaft, in der Einheit und Unterschiedlichkeit in Harmonie stünden.
Weiterhin ging Franziskus ausdrücklich auf die Problematik der liturgischen Bildung ein. Er konkretisierte die von ihm in Evangelii Gaudium (231-233) dargelegte These, daß Realitäten wichtiger seien als Ideen, mit Bezug auf die Liturgie dahingehend, daß „Liturgie formendes Leben ist, und nicht eine zu erlernende Idee“. Dann fuhr er fort:
Daher ist es in der Liturgie ebenso wie in anderen Bereichen des kirchlichen Lebens gut, nicht bei dem Verlangen nach sterilen ideologischen Polarisierungen stehen zu bleiben, wie sie oft entstehen, wenn wir unsere Ideen als in allen Zusammenhängen gültig betrachten und dadurch eine Haltung ständigen Gegensatzes gegenüber denen entwickeln, die diese Ideen nicht teilen. Vielleicht von einigen Unsicherheiten der gegenwärtigen Situation ausgehend geraten wir so in die Gefahr, in eine Vergangenheit zurückzufallen, die es nicht mehr gibt– oder in eine vermutete Zukunft zu entfliehen.
„Ein Projekt wahnhafter Arroganz“
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- 08. Februar 2019
Peter Kwasniewski hat seine Besprechung der Bugnini-Biographie von Yves Chiron unter die sehr einleuchtende Frage gestellt: Was hat der große Reformer sich eigentlich gedacht? War er ein böswilliger Verschwörer, dessen Ziel die Zerstörung des Glaubens war? Oder ein fleißiger Bürokrat, der die Anforderungen des Zeitgeistes erkannte und perfekt umsetzte?
Kwasniewski entscheidet sich für eine Kombination beider Varianten: Ja, Bugnini war eine machiavellsitische Persönlichkeit, ein Meister der Intrige und der Machtspiele. Aber zum echten Machiavellisten fehlte ihm die Bosheit: „Bugnini ist diese merkwürdigste aller merkwürdigen Figuren, der anscheinend von den besten Motiven angetriebene Machiavellist, der seine Gegner deshalb erwürgt, weil sie doch offenkundig um Unrecht sind und er ebenso offenkundig Recht hat.“
Ein großes Verdienst der Chiron-Biographie sieht Kwasniewski daher darin, daß Chiron das Hauptmotiv allen Handelns Bugninis sehr deutlich herausgearbeitet habe: Eine einäugige Besessenheit von „aktiver Teilnahme“, worunter er die verstandesmäßige Erfassung von Textinformationen und daraus abgeleitet habe, alle liturgischen Formen restlos zu vereinfachen, um sie dem „modernen Menschen des Westens“ leichter zugänglich zu machen. Dem habe er alles Traditionelle untergeordnet: die lateinische Liturgiesprache, die gebundene und gelegentlich komplizierte hieratische Sprachweise, die formenreichen Zeremonien, den gregorianischen Choral, die hervorgehobene Rolle des Priesters, der zum familiär-freundlichen Vorsteher gemacht wurde. Kwasniewskis hier gerafft wiedergegebene Aufzählung läßt erkennen, wie tief dieser Geist Bugninis in das Denken der Theologen und Oberhirten eingedrungen ist – und wie verfehlt die Annahme, darin den wahrhaften Geist der Liturgie zu sehen.
Für den immer wieder geäußerten Verdacht, Bugnini habe im Auftrag der Freimaurerei agiert, sieht Chiron keinen historischen Beleg, aber auch keine eindeutige Widerlegung. Der Mann war fehlgeleitet in seinen Vorstellungen, aber nicht böwillig in seinen Zielen. Kwasniewski schließt sich diesem Befund an, was sein Urteil freilich in keiner Weise milder ausfallen läßt:
Auf gewisse Weise ist das der deprimierendste Befund überhaupt. Wäre Bugnini nach einem Masterplan vorgegangen, dessen Ziel es war, den katholischen Glauben durch die Zerstörung der Liturgie aller Zeiten und deren Ersetzung durch eine brillante Erfindung zu zerstören, wäre er ein Abtrünniger, ein eingeschleuster Agent gewesen, der das Ziel hatte, das zentrale Nervensystem der Kirche zu sabotieren – dann hätte man dem vielleicht einen widerwilligen Respekt entgegen bringen können. Wir halten Aussschau nach einem die ganze Unterwelt dirigierenden Professor Moriarty – und wir finden einen ernsthaften, hart arbeitenden, etwas kleingeistigen Mann, der der Rhetorik der Liturgischen Bewegung erlegen war, den selbst in den schwachen Stunden der Nacht nie ein Selbstzweifel berührte, völlig blind gegenüber den weltverändernden Auswikungen dessen, was er tat, ein fleißiger Funktionär mit halbgaren Vorstellungen – und mit der Sturheit, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit voranzubringen. Und damit landen wir in der seelenlos grauen Welt von Hannah Arendts „Banalität des Bösen“. Vor unseren Augen haben wir das Gegenstück zu dem SS-Offizier, der die Juden im Konzentrationslager umbrachte, weil er darin die gewissenhafte Erfüllung seiner Pflicht gegenüber dem Staat und die Ausführung legal ergangener Befehle sah.“
Das ist ein schwer erträglicher Vergleich, der nur dann verständlicher wird, wenn man die kosmische Dimension mitbedenkt, die das Verbrechen der Judenvernichtung ebenso wie die Zerstörung begleiten – objektiv und unabhängig von den subjektiven Wünschen und Zielvorstellungen der handelnden Personen.
Aber bitte mit Weihrauch
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- 07. Februar 2019
Mit Dekret vom 25. Januar hat die Gottesdienstkongregation den 29. Mai als Gedenktag für Papst Paul VI. in das Martyrologium Romanum und den Generalkalender der Kirche aufgenommen. Das Dekret, dessen offizielle englische Übersetzung hier vorliegt, beginnt mit der bemerkenswerten Feststellung, daß Giovanni Battista Montini „vom Heiligen Geist als Nachfolger Petri“ ausgewählt worden sei. Dem folgt eine lange Würdigung der Verdienste des Heiligen. Sie hebt zunächst seine zahlreichen Reisen hervor, die er „zur Vorbereitung der Einheit der Christen und zur Unterstreichung des hohen Ranges der grundlegenden Menschenrechte“ unternommen habe. Es fährt dann fort:
Des weiteren hat er sein höchstes Lehramt ausgeübt, um den Frieden zu fördern und den Fortschritt der Völker und die Inkulturation des Glaubens zu unterstützen. Des Weiteren die Liturgiereform, zu der er Riten und Gebete in Kraft setzte, die gleicherweise der Tradition und der Anpassung an eine neue Zeit entsprachen. Aufgrund seiner Autorität erließ er den Kalender, das Missale, die Stundenliturgie, das Pontifikale und fast das gesamte Rituale für den Römischen Ritus, mit dem Ziel, die aktive Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie zu fördern. Gleichzeitg sorgte er dafür, daß die Päpstlichen Liturgien eine schlichtere Form erhielten.“
Weitere Abschnitte des Dekrets preisen den Einsatz des Papstes als Lenker der Kirche, als Völkerapostel und als Stimme der Armen. Das Dekret schließt mit der Formulierung:
Im Bewußtsein der Heiligkeit des persönlichen Lebens des Papstes, die durch seine Worte und Werke bezeugt wird, und in Erwägung der großen Bedeutung seines Dienstes für die Kirche in der ganzen Welt, stimmt Papst Franziskus den Bitten und Wünschen des Volkes Gottes zu und ordnet an, den 29. Mai als nicht gebotenen Gedenktag in den römischen Kalender aufzunehmen.“
Ein Anhang gibt in lateinischer Sprache die Texte für die erforderlichen Ergänzungen vin Missale und Liturgia Horarum. Besonders bemerkenswert die Oratio, die wir vorläufig und versuchsweise folgendermaßen übersetzen:
Gott, der du die Regierung deiner Kirche dem seligen Papst Paul anvertraut hast, einem unermüdlichen Künder des Wortes deines Sohnes, gewähre uns, so bitten wir, daß wir von seinen Anordnungen erleuchtet und in Zusammenarbeit mit dir dazu befähigt werden, die gesellschaftliche Pflege der Liebe in der Welt zu verbreiten.“
Die anderen Texte entsprechen in Inhalt und Tonart den oben wiedergegebenen Pasagen des Dekrets.
Mythen der Reform
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- 06. Februar 2019
Die Liturgiereformen des vergangenen Jahrhunderts, die wir in diesem traurigen Jubiläumsjahr in lockerer Folge vorstellen wollen, waren stets begleitet von angeblich wissenschaftlich belegten Leitsätzen. Sie sollten dazu dienen, dem, was sich einzelne oder ganze Gruppen von Reformen in den Kopf gesetzt hatten, den Anstrich von „objektiven Erkenntnissen“ oder gar „wissenschaftlich begründeter Notwendigkeiten“ zu verleihen. Viele dieser Leitsätze haben sich inzwischen als Mythen erwiesen. Neben den eigentlichen Reformschritten, von denen wir die ersten noch unter Pius XII. erfolgten bereits kurz benannt hatten, sollen hier auch solche zu ihrer Begründung verbreiteten Mythen in lockerer Folge zur Sprache kommen. Das Angebot ist reichlich, eine kleine Auswahl, unsortiert, gibt einen ersten Eindruck:
- Nur das volle Textverständnis ermöglicht die andächtige Mitfeier – daher Volkssprache.
- Die „Liturgie der Katakomben“ ist die eigentlich Grundform – was nachher kam, sind Wucherungen und Entstellungen
- Das 2. Hochgebet ist der Kanon des Hippolytus aus dem 3. Jahrhundert.
- Wer bei der hl. Messe den Rosenkranz betet, verpasst die „richtige“ Teilnahme.
- Die Urkirche feierte die Eucharistie an einem den Gläubigen zugewandten Altar.
- „Meßandachten“ versperren den Zugang zum eigentlichen Geschehen der Meßfeier.
- „Participatio actuosa“ bedeutet „Aktive Teilnahme“.
- Für Texte aus der hl. Schrift muß man den „hebräischen Urtext“ zu Grunde legen.
- Die Ministranten sind Stellvertreter der mitfeiernden Gemeinde.
In ihrer Gesamtheit wurden diese von den Reformen immer wieder vorgetragenen Leitsätze seinerzeit fast von niemandem angezweifelt – zumindest nicht bei den Theologen, den Ausbildern in den Priesterseminaren und auch bei den „engagierten Laien“ nicht. Dieser Umstand macht verständlich, daß die Reformen sich so schnell und fast ohne Widerspruch in der Breite durchsetzen konnten. Und die Tatsache, daß diese Leitsätze der Reform größtenteils liturgiegeschichtlich unhaltbar und „pastoralliturgisch“ verfehlt waren macht verständlich, daß die so leicht durchgesetzte Reform sämtliche ihrer proklamierten Ziele verfehlt hat.
Liturgiereform unter Pius XII.
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- 04. Februar 2019
Die große Liturgiereform des 20. Jahrhunderts nahm ihren offiziellen Anfang im Jahr 1945. Am 24. März dieses Jahres – also noch vor dem Ende des 2. Weltkriegs in Europa – erließ Papst Pius XII. das Motu Proprio „In Cotidianis Precibus“, das den Gebrauch einer neuen lateinischen Psalmenübersetzung für das Breviergebet erlaubte - nicht vorschrieb. Dazu in einem späteren Beitrag mehr.
Im November 1947 veröffentlichte er die Enzyklika Mediator Dei, in der er einerseits die überlieferte Lehre der Kirche zu Messopfer und Priestertum in vollem Umfang bekräftigte, andererseits aber auch die Notwendigkeit von liturgischen Reformen anerkannte. Dabei versuchte er, sowohl denen, die sich praktisch gegen jede Veränderung an der bestehenden Liturgie wandten, als auch denen, die weitergehende Reformen verlangten, eine gemeinsame Plattform zu bieten. Das erschien damals durchaus möglich, da selbst die am weitesten gehenden Forderungen sich aus heutiger Sicht mehr als bescheiden darstellten.
Am 28. Mai 1948 setzte Papst Pius XII.eine päpstliche Kommission für die Liturgiereform ein, die später allgemein als Commissio Piana bezeichnet wurde. Sie umfasste zunächst nur 8 Mitglieder und war der Ritenkongregation zugeordnet. Deren Präfekt Kardinal Micara übernahm die Kommissionsleitung, Sekretär wurde der damals 36jährige Vincentianerpater und Liturgiedozent Annibale Bugnini. Nach Auskunft seines Biographen Yves Chiron übernahm Bugnini zwar mit seinen Kenntnissen und seinem Fleiß einen bedeutenden Teil der Alltagsarbeit für die Kommission, hatte in dieser Phase aber noch keinen größeren inhaltlichen Einfluß auf die Entwicklungen. Die Einrichtung der Kommission wurde nicht öffentlich bekannt gegeben, und ihre Arbeit erfolgte unter völliger Geheimhaltung – ein Charakteristikum der Reformarbeiten in diesem Pontifikat.
Bis zum Dezember des Jahres 1948 erarbeitete die Kommission mit ihrer Memoria sulla Riforma liturgica ein Grundsatzpapier – heute würde man von einer „Roadmap“ sprechen – das auf fast 400 Seiten die Gegenstände und Prinzipien der für notwendig gehaltenen Reformen festlegte. Das Dokument war nicht zur Veröffentlichung bestimmt und wurde erst 2003 einem größeren Kreis bekannt.
In den 10 Jahren bis zum Tod von Papst Pius XII. im Oktober 1958 konnte die Kommission nur einen Teil ihrer in der Memoria angesprochenen Vorhaben umsetzen. Die wichtigsten darunter waren: