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Der Weg zur Kirche ohne Priester

Bild: Aus dem genannten Artikel von Pfarrblatt OnlineDie Amazonas-Synode hat in ihrem Schlußdokument angeregt, das Motu Proprio Ministeria Quaedam von Paul VI. dahingehend zu revidieren, daß weitere „beauftragte Dienste“ geschaffen und vor allem künftig auch Frauen in solche Diensten eingesetzt werden können. Der Vorgang verdient die Aufmerksamkeit aller, denen an der Bewahrung der überlieferten Lehre und Liturgie gelegen ist, bietet er doch ein Musterbeispiel dafür, welche Konsequenzen nicht bis zu Ende durchdachte „Reformen“ haben können, wenn sie sich über organisch gewachsene Formen hinwegsetzen.

Ministeria Quaedam von 1972 ist das Dokument, mit dem Papst Paul die bis dahin für den Weg zur Priesterweihe obligatorischen „niederen Weihen“ des Ostiariers, Lektors, Exorzisten und Akolythen sowie das bereits zu den höheren Weihen gezählte Subdiakonat „abschaffte“. Diese „Abschaffung“ war allerdings in zweifacher Weise nur relativ: Erstens wurden diese Weihestufen zwar als solche aufgehoben, jedoch nicht ersatzlos: An ihrer Stelle wurden zwei neue „Beauftragte Dienste“ eingeführt, für die die Bezeichnungen des Lektors und des Akolythen beibehalten wurden. Zweitens wurden und werden die „abgeschafften“ Weihen in den Gemeinschaften der Tradition weiterhin nach den Büchern von 1962 praktiziert – allerdings unter Anwendung der Vorgaben des aktuellen Kirchenrechtes, nach dem die Aufnahme in den geistlichen Stand und die Verpflichtung zum Zölibat erst mit der Diakonatsweihe beginnt. Auch ohne die früher damit verbundenen Rechtsfolgen behalten die feierlich vollzogenen „niederen Weihen“ ihren Wert als Sakramentalien, die die künftigen Priester auf ihrem Berufungsweg unterstützen.

Diese Weihen bzw. die damit verbundenen Dienste gehen in die älteste Zeit der Kirche zurück. Sie werden bereits in einem Brief von Papst Honorius aus dem Jahr 249 in der noch heute üblichen Zahl und Reihenfolge genannt. Ihre Einführung entspringt ganz und gar praktischen Bedürfnissen der frühen Gemeinde. Die Ostiarier hielten Ordnung an den Türen und im Kirchenraum – ähnlich wie heute die Domschweizer in Köln und anderswo. Die Akolythen übernahmen Hilfsdienste in der Liturgie, insbesondere bei den zahlreichen Prozessionen und als Träger von Kerzen – ohne die ging in vorelektrischen Zeiten nichts. Spezifische Anforderungen wurden an die Lektoren und Exorzisten gestellt. Die Lektoren, weil der Vortrag der Texte Liturgie- und Gesangskenntnisse verlangte, und die Exorzisten benötigten zweifellos einiges an Grundwissen hinsichtlich der zu verwendenden Formeln und Riten. Kein besonderes Amt erhielten erstaunlicherweise die Kantoren und Chorleiter, deren heutiger Dienst oft nur ein schwacher Abglanz dessen ist, was ihnen in der Frühzeit abverlangt wurde.

Hier geht es weiterWohl im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kloster- und Stiftswesens, das qualifiziertes Hilfspersonal in großer Zahl bereitstellte, verloren die alten Dienste seit Beginn des Mittelalters an praktischer Bedeutung und wurden spirituell uminterpretiert: Als Stufen des geistigen Aufstiegs zum Priesteramt. Diese Entwicklung, die in einem durchaus organischen Rahmen erfolgte, hatte weitreichende Bedeutung, weil sie dem der Zeit entsprechend eher ungeregelten Ausbildungsgang eine innere Struktur vorgab und dann in der Zeit nach Trient das immer anspruchsvoller werdende Studium in Etappen gliederte, die hervorragend geeignet waren, eine Stütze sowohl für die fachliche als auch die spirituelle Entwicklung der Seminaristen zu bieten. Von daher ist es durchaus unverständlich und zu bedauern, daß Papst Paul VI. den Priesteramtsanwärtern diese Stütze genommen hat. Erklärbar ist der Vorgang nur unter dem Vorzeichen der auch damals schon modischen „Entklerikalisierung“:

Es entspricht aber den gegebenen Verhältnissen und der heutigen Mentalität, dass die genannten Dienste nicht mehr als niedere Weihen bezeichnet werden und deren Übertragung nicht "Weihe", sondern "Einsetzung" genannt wird; Kleriker sind und werden als solche nur diejenigen betrachtet, die die Diakonatsweihe empfangen haben. (…) Die Dienste können auch Laien übertragen werden, so dass sie nicht mehr den Kandidaten für das Weihesakrament vorbehalten bleiben.

Zwei Dienste schrieb der Papst für die ganze Kirche vor: Den des Lektors, der neben der Schriftlesung auch „den Gesang leiten“ sollte, und den des Akolythen, der liturgische Aufgaben im Rahmen der Messfeier übernehmen und insbesondere bei der Kommunionausteilung helfen sollte.
Allerdings hatte Paul VI. die Einrichtung der alt-neuen Dienste mit einer bedeutenden Einschränkung versehen:

Die Einsetzung zu Lektoren und Akolythen bleibt, gemäß der altehrwürdigen Tradition der Kirche, den Männern vorbehalten.

Damit waren die Dienste der institutiierten Lektoren und Akolythen praktisch schon zur Veröffentlichung des Motu Proprio erledigt. Weltweit standen die Bischöfe unter dem Druck der in den (ehemals so bezeichneten) Altarraum drängenden Damen vom Pfarrgemeinderat – also beschränkten sie sich bei den „instituierten Diensten“ weitgehend auf die Einsetzung von Seminaristen – gerade so wie bis dahin bei den niederen Weihen. Für den Dienst in den Gemeinden nutzten sie die bis dahin ansatzweise bestehenden Möglichkeiten einer „aushilfsweise Beauftragung“ von Laienhelfern, die dann im neuen Kirchenrecht von 1983 festgeschrieben wurden.

In der Theorie des Kirchenrechtes waren diese Beauftragungen „geschlechtsneutral“ angelegt, in der Praxis wurden die entsprechenden Aufgaben bald in der großen Mehrheit oder vollständig von Frauen übernommen. Im Gemeindeleben spielen die „institutionierten Dienste“ nach Ministeria Quaedam seitdem keine wahrnehmbare Rolle mehr. Der Unterschied zwischen ihnen und den beauftragten Laienhelfern verschwand weitgehend aus dem Bewußtsein, zumal viele als Patoralassistent/innen oder Inhaber ähnlicher Positionen zum festangestellten Stammpersonal von Gemeinden gehören. Außerdem wurden die sog. „Aussendungsfeiern“ für Lektor/innen und Kommunionhelfer/innen in immer mehr Bistümern in feierliche Formen wie bei sakramentalen Weihen begangen, im Extremfall bis hin zum Gesang der Allerheiligenlitanei über die in Albe gekleideten und vor dem Altar auf dem Boden liegenden Kandidatinnen und Kandidaten.

Durch die häufige Beauftragung solcher Laienhelfer/innen mit der Durchführung sonntäglicher Wort-Gottes-Feiern ist inzwischen das Wissen um die besondere Stellung des Priesters und des heiligen Messopfers in weiten Bereichen verschwunden. Wenn die Amazonas-Synode als (angebliche) Forderung der indigenen Völker die Revision von Ministeria quaedam verlangt (in Absatz 102), dient das vor allem dem Ziel, die in Europa bereits etablierte Praxis rechtlich abzusichern und, wie es so schön heißt, „unumkehrbar“ zu machen. 

In vielen europäischen Diözesen werden inzwischen Lai/innen (die allerdings unter Hinweis auf eine universitäre Ausbildung nicht mehr als Laien bezeichnet werden sollen) im hauptberuflichen Kirchendienst unter kreativer Auslegung des kanonischen Rechtes als „Gemeindeleiter/innen“ (ohne Instituierung) eingesetzt, so daß katholisch.de inzwischen seine Reportagen triumphierend betiteln kann:oder „Wenn eine Frau die Gemeinde leitet“ oder noch besser „Wenn der Pfarrer der Gemeindeleiterin assistiert“ und „Eine Frau als Vorgesetzte Eines Priesters“ - exakt so, wie es das Schlußdokument (105) verlangt). Ministeria quaedam hat seine Schuldigkeit getan – Ministeria quaedam kann gehen.

Ob Paul VI. diese Entwicklung so gewollt hat, ob er sie hätte voraussehen können, sind angesichts der tatsächlich eingetretenen Folgen müßige Fragen. Eine Protestantisierung bis hin zum Verlust des Priestertums überhaupt und damit der meisten Sakramente ist die gemeinsame Konsequenz aller Liturgischen Reformen und theologischen „Neuentdeckungen“ der letzten 50-80 Jahre.

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Das Schweizer Pfarrblatt-Online brachte im August 2019 einen Bericht von der Einsetzung eines neuen Leitungsteams im Pastoralraum Bern, für den eine Frau Vollmer als Gemeindeleiterin eingesetzt wurde. Ihre liturgische Gewandung (Bild oben) entspricht im Zeitalter der Mantelalbe (nach geltendem Recht für die Messfeier unzulässig) weitgehend der des Priesters, zumal die Verkürzung der Stola hinter dem Volksaltar nicht wahrzunehmen ist. Zwei interessante Beiträge zu den Themen Liturgische Gewänder für Laien und  Damenmode am Altar fanden wir auf dem in jeder Hinsicht zuverlässig informativen katholisch.de.

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