Kardinal Zuppi und die wütende Grille
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- 07. November 2022
Mit Kardinal Matteo Zuppi hat ein bedeutender römischer Würdenträger – schließlich ist Zuppi nicht allein Erzbischof von Bologna, sondern auch Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz – anläßlich der Wallfahrt „Summorum Pontificum“ in der römischen Kirche des Pantheons eine Vesper im überlieferten Ritus gefeiert. Das scheint einige Leute mehr aufzuregen als die im gleichen Zusammenhang erfolgte Zelebration eines Levitierten Hochamtes im Petersdom.
Fragt man sich, warum, drängen sich zwei Überlegungen in den Vordergrund: Die Messe im Petersdom konnte nach einer ordentlichen Anfrage der Wallfahrtsorganisatoren stattfinden und hatte die Genehmigung der zuständigen Verwaltung. Andererseits war sie nicht wie in vorhergehenden Jahren ein Pontifikalamt, sondern „nur“ ein levitiertes Hochamt. Der Vorgang verweist einerseits auf die Bereitschaft der Anhänger der überlieferten Liturgie, trotz ihrer überaus rüden und auch gesetzlosen Behandlung durch die römischen Machthaber an den Grundregeln des innerkirchlich Gebotenen festzuhalten. Ebenso darauf, daß es auch im Rom noch Leute gibt, die diese Regeln zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls einhalten wollen. Solange es nach ihren Bedingungen geht, denn anscheinend war „von oben“ eine Weisung ergangen, daß man im Zusammenhang mit der Wallfahrt keine Mitra sehen möchte – soviel Diskriminierung muß sein.
Falls das tatsächlich die Absicht „von oben“ war, hat der Kardinal aus Bologna mit der Pontifikalvesper diese Absicht durchkreuzt. Aber das ist nur eine Spekulation unter vielen anderen. Zuppi gilt als ein Kirchenführer, dem der Gedanke an einen „Ausgleich“ zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen nicht fremd ist – deshalb wurde er in der letzten Zeit auch mehrfach als aussichtsreicher Kandidat für das unaufhaltsam näherrückende nächste Konklave ins Gespräch gebracht. Vielleicht wollte er im Hinblick darauf die „gemäßigte“ Seite seines Profils etwas deutlicher hervortreten lassen. Vielleicht gehört er zu den auch in Rom nicht wenigen hohen Prälaten, die zwar einerseits „in Treue fest“ zu allem stehen, was DAS KONZIL uns angeblich oder tatsächlich gebracht hat – die aber rechtliche, pastorale und theologische Bedenken dagegen haben, mit welchen despotischen Methoden die Mafia um Franziskus SJ IHR KONZIL durchsetzen wollen.
Was auch immer Kardinal Zuppis Gründe gewesen sein mögen – die Tatsache, daß der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz den Auftritt bei den „verbotenen Altrituellen“ nicht gescheut hat, hat einen der Autoren von Traditionis Custodes, den Chefliturgologen von der römischen Benediktiner-Hochschule St. Anselmo Andrea Grillo, schier um den Verstand gebracht.
In einem wütenden Blogeintrag der vergangenen Woche hat Grillo seinem Zorn freien Lauf gelassen. Dabei sind die eigentlichen Motive hinter seinem Wutausbruch gegen den Kardinal kaum deutlicher zu erkennen als die des Kardinals für seine Aktion. Schon der Umstand, daß die altrituellen Wallfahrer im Namen von Summorum Pontifikum auftreten, treibt Grillo Schaum vor den Mund. Anscheinend ist er der Ansicht, daß selbst der Name des von Papst Benedikt erlassenen und von seinem Nachfolger „gecancelten“ Motu Proprio aus Ehrfurcht und Gehorsam gegenüber dem göttlichsten aller Päpste (nämlich dem heute gerade im Geiste DES KONZILS amtierenden) nicht mehr genannt werden dürfe.Diejenigen, die das dennoch tun, sind für Grillo Aufrührer und Verräter und somit zu Ausgestoßenen und Unberührbaren. Unberührbar, wie er meint, jedenfalls für den Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz, denn dieser lässt sich damit in eine Situation einbeziehen, „die das Motu Proprio TC mit der Aufhebung des von SP tatsächlich überwunden hat“.
Vielleicht liegt genau in dieser ziemlich merkwürdigen Argumentation der Schlüssel zum Verständnis der ganz und gar unakademischen Wut des Herrn Liturgieprofessors – und des modus operandi der Jesuiten-Kamarilla überhaupt. Wie fast alle westlichen Politiker und immer mehr Kirchenmänner ist Grillo, sind die leitenden Jesuiten, rettungslos der Häresie des (Gesetzes)Positivismus verfallen: Ein Gesetzgeber (und das kann letztlich jeder Machthabende sein) wäre danach nicht an ein übergeordnetes Recht oder gar die göttliche Ordnung gebunden, sondern bestenfalls an sein Parteiprogramm oder die Zustimmung einer wie auch immer zustande gekommenen Gremienmehrheit. Was das Parlament beschließt, der Regierungsrat verordnet oder der Papst verkündet, ist geltendes Gesetz – basta. Und noch eins drauf: Was geltendes Gesetz ist – das bestimmt die Wirklichkeit, das IST die Wirklichkeit. Und das gilt natürlich nicht nur für die 4 bis 64 neu erfundenen Geschlechter samt passenden Pronomina, die man uns weltlicherseits aufzwingen will, sondern auch kirchlicherseits bei jedem Wort das aus dem Mund des (gefällig regierenden) Papstes kommt.
Daß der positivistische Wahn in diesem Pontifikat so stark auch auf die Kirche übergreift, hat seinen Grund. Die Jesuiten, genauer gesagt der bedeutende Ignatius-Schüler de Polanco, sind wenn auch nicht die Erfinder, so doch die stärksten Propagandisten der Idee des „Kadavergehorsams“ – des Postulats bedingungslosen Gehorsams gegenüber dem Oberen. Der Obere spricht danach für die göttliche Vorhersehung – immer und überall. Selbst dann, wenn er – wie bei der nicht nur Italien vorgenommenen Änderung des Vater-Unser-Textes – damit dem in der hl. Schrift sogar zweifach überlieferten Wort des Herrn (Lukas 11 und Matthäus 6) direkt widerspricht. Der Obere weiß es besser, und 2 + 2 = 5 – jawollja, Herr Oberfeld.
Wenn also seine jesuitische Allheiligkeit verkündet, daß Summorum-Pontificum von Benedikt nicht mehr gilt und die Liturgie der Jahrtausende nicht mehr der „lex orandi“ der neuen Kirche entspricht, dann hat der Pontifex damit eben die „bestehende Situation tatsächlich überwunden“. Wir sind in eine neue Epoche der Geschichte eingetreten. Was vorher war ist vorbei, und jeder, der sich in irgendeiner Weise darauf bezieht oder gar darauf stützen möchte, begeht eine Majestätsbeleidigung. Schlimmer noch: er bricht das geltende Gesetz und stellt sich durch außerhalb der Gemeinschaft. Wer dem Buchpreisträger des Tages die Anrede mit dem für heute gültig erklärten Pronomen verweigert – oder nicht vergessen will, was der Vorgänger des heutigen Amtsinhabers in Sachen Liturgie gelehrt hat – der stellt die Grundordnung der schönen neuen Welt auf den Kopf.
Das muß natürlich jeden von dieser säkularen Grundordnung überzeugten Konzilsgeist zutiefst schmerzen. Der Papst, seine Roches und Greches verkünden unentwegt das neue Gesetz, das er SEINER Kirche gegeben hat – und diese rigiden, semipelagianischen und indietristischen Tradis wollen einfach nicht folgen. Wenn dann sogar ein Kardinal wie Zuppi – der (noch) bei Hofe in Gnaden steht – erkennen läßt, daß er die päpstlich verfügte Neuschöpfung der Realität nicht voll nachvollzieht, dann drehen die Grillos (es gibt sie auch in zahlreichen deutschen Ausführungen - eine heißt Felix Neumann) durch. Sie reagieren gerade so, wie die Journalisten des etablierten Anti-Kulturbetriebes reagiert hätten, wenn bei der Buchpreisrede das Kind aus des Kaisers neuen „Kleidern“ dazwischengerufen hätte: „Aber das ist doch nur ein mittelalter Mann, der sich verkleidet hat“.
Verkleidung ist alles - und wehe, jemand sieht, sagt und glaubt nicht, was er sehen, sagen und glauben soll. So geht es halt zu in der schönen neuen Welt: Der eine verkleidet sich als Bi, der andere als Liturge, der dritte als … aber hier brechen wir lieber ab.