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Die Feier der Ostervigil - Osterliturgie 4

Die Rückverlegung der Ostervigil in die Osternacht fand in der katholischen Öffentlichkeit große und durchgängig positive Resonanz. Wichtige Gründe dafür haben wir hier dargelegt. Daß mit dieser Verlegung auch tiefe Eingriffe in die Gestalt der Liturgie verbunden waren, wurde damals den meisten Katholiken gar nicht bewusst. Der Samstag war in den 50er Jahren noch halber Arbeitstag, die Teilnahme der Gläubigen an der vormittäglichen Ostervigil war traditionell gering. Zur neuen Ostervigil konnten vielfach die Kirchen die Besuchermassen kaum fassen. Auch viele randständige Katholiken nutzten – ähnlich wie bei der Christmette – die Gelegenheit, an einem Festtagsgottesdienst mit besonderen Höhepunkten teilzunehmen.

Gregory die Pippo hat bereits 2009 die Änderungen des Ritus auf New Liturgical Movement penibel zusammengestellt – wir beschränken uns hier auf die wirklich bedeutsam erscheinenden großen Neuerungen. Die augenfälligste davon ist sicher die Reduktion der Lesungen von zwölf auf vier – eine aus „pastoralen Rücksichten“ geboten erscheinende Maßnahme. Dafür konnten mehrere Gründe angeführt werden: Die Lesungen hatten ihre historische Funktion und Begründung in der an diesem Tag erfolgenden Aufnahme der Katechumenen in die Kirche, denen in den Lesungen noch einmal der große Bogen der Heilsgeschichte im Handeln Gottes an seinem auserwählten Volk vor Augen gestellt wurde Doch die Erwachsenentaufe war seit über 1000 Jahren weitgehend außer Gebrauch gekommen, österliche Taufen waren höchst selten. Der feierliche Abschluss des Katechumenenuntgerrichts war funktionslos geworden – so konnte es zumindest bis zur Reform scheinen. Tatsächlich gab es Formen des römischen Ritus, in denen die Zahl der Lesungen in der Osternacht bereits seit Jahrhunderten reduziert worden war.

Andererseits war ja gerade die Wiedereinführung von Taufen und die allgemeine Erneuerung des Taufgelübdes ein wesentlicher Bestandteil der neuen Osternacht. Die scheinbar funktionslos gewordenen Lesungen bekamen also neues Gewicht. Hier tut sich also ein Widerspruch auf, dessen Vermeidung intelligentere Mittel erfordert hätte als die schlichte „Abschaffung“ des Großteils der Lesungen, die früher doch gerade der Taufvorbereitung gegolten hatten.

Ein zweiter Grund war pastoraler Art: Noch war an Lesungen in der Volkssprache nicht zu denken, und die zwölf auf Latein gesungenen Prophetien stellten (und stellen auch heute noch) trotz allgemeiner Zugänglichkeit von Übersetzungen in Schott oder Missalette eine beträchtliche Herausforderung dar. Wo die liturgische Bewegung vor dem Krieg noch nach Möglichkeiten gesucht hatte, die Gläubigen dazu in Stand zu setzen, solche Herausforderungen zu bestehen, hatte inzwischen ein Paradigmenwechsel eingesetzt. Was zu schwierig und schwer vermittelbar erschien, wurde generell in Frage gestellt und im Fortgang der liturgischen Revolution immer öfter „abgeschafft“. Und der große Publikumserfolg der reformierten Osternacht schien ja auch zu bestätigen, daß der Abbau von Barrieren und die Senkung der Schwellen reiche „pastorale Früchte“ erbringen würde.

Die hier nicht weiter zu untersuchende Tatsache, daß die Kürzungen an dieser Stelle bei der Konstruktion des Novus Ordo 15 Jahre später zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht wurde, zeigt freilich, daß man offenbar weder in den Kriterien für die Kürzung noch zu der Beurteilung besagter „pastoraler Erfolge“ über auch nur halbwegs zufriedenstellende Grundlagen verfügte.

Liturgisch und theologisch eingreifender als das Hin- und Her bei der Zahl der Lesungen erscheinen die Umgestaltungen im Zusammenhang mit der Weihe des Osterfeuers, der Osterkerze und die anschließende Lichterzeremonie. Die Weihe des Feuers wurde verkürzt, statt vorher drei Orationen gab es nur noch eine. Die für Segnungen traditionelle Reihenfolge der Inzensierung mit Weihrauch und der Besprengung mit Weihwasser wurde ohne nachvollziehbaren Grund umgekehrt, die früher übliche Segnung der in die Osterkerze einzufügenden Weihrauchkörner entfällt zunächst an dieser Stelle – sie erfolgt dann beim Akt der Einfügung selbst.

Der Ritus für Präparation und Weihe der Osterkerze wurde aus der Kirche an den Platz des Osterfeuers verlegt und phantasievoll ausgestaltet. Für die nun vorgeschriebene Zeremonie der Einzeichnung der Jahreszahlen wurde neue Gebete formuliert:

Christus heri et hodie
principium et finis
alpha et omega
ipsius sunt tempora
et secula
ipsi gloria et imperium
per universa aeternitatis saecula.

Unmittelbar danach wird die Osterkerze mit der vom Osterfeuer genommenen Flamme entzündet – erst dann erfolgt die Weihe. Anschließend formiert sich die Prozession mit der Osterkerze in die Kirche.

Hier sind jetzt – neben den genannten Änderungen an Zahl, Zeitpunkt und Reihenfolge einzelner Handlungen, einige besonders schwerwiegende Auslassungen und Veränderungen zu konstatieren. Traditionell wurden vor der Kirche nur das Osterfeuer und die Weihrauchkörner als Sinnbilder der Nägel Christi am Kreuz geweiht – die Kerze selbst, das Sinnbild des noch in der Unterelt weilenden Erlösers, wurde ungeweiht und unentzündet in die Kirche gebracht , während das Osterfeuer mit einer nur zu diesem Anlass gebräuchlichen dreiflammigen Kerze, idealerweise an einem Rohrstab befestigt, in die völlig unbeleuchtete Kirche vorangetragen wurde. Diese Zeremonie ist heute nur noch bei einigen sehr traditionell orientierten Anglikanern oder bei verschiedenen „unabhängigen Kapellen“ zu erleben. Die drei Flammen standen dabei für die drei Frauen auf dem Weg zum Grabe. Das schwankende Rohr und die Tatsache, daß die folgende Zeremonie nicht vom Bischof, auch nicht von einem Priester, sondern von einem Diakon als dem Geringsten der Ordinierten vorgenommen wurde, sollen nach Rupert von Deutz symbolisieren, daß Gott sich des „schwachen Geschlechtes“ (und nicht der Apostel Petrus und Johannes) bediente, um die Auferstehung zu verkünden.

In der Kirche angekommen, wurde die Osterkerze dann auf den bereitstehenden Leuchter gestellt – er hatte idealerweise die Form einer gedrehten Säule, um so an die Rauchsäule zu erinnern, in deren Gestalt Christus dem auserwählten Volk bei seinem Zug durch die Wüste voranging. Dann stimmt der Diakon das Exultet an – das ist nicht nur ein österlicher Preisgesang, wie die Liturgie von 1951/55 behauptet, sondern das eigentliche Weihelied in der Form einer Praefatio, die im römischen Ritus seit unvordenklichen Zeiten besonders wichtigen und hervorgehobenen Handlungen der Weihe und Aufopferung vorausging, am prominentesten natürlich in der Liturgie der heiligen Messe. Erst während dieses Hochgebets drückt der Diakon die zuvor geweihten Weihrauchkörner in Kreuzesform in die Kerze, während er unter Anspielung auf das Abend-opfer im Tempel singt: „Für diese gnadenvolle Nacht nimm denn an, heiliger Vater, das abendliche Opfer dieses Weihrauchs, das Dir unter feierlicher Darbringung dieser Kerze die hl. Kirche durch die Hand ihrer Diener vom Werke der Bienen entrichtet.“ Erst dann wird die Osterkerze vom Feuer des Triangels entzündet: Die Kerze erwacht zum Leben, Christus ist wahrhaft auferstanden.

Mehr als in der schon reichlich gewaltsam erscheinenden Kürzung der Lesungen offenbaren diese Eingriffe in die überlieferten Zeremonien und Symbole rund um die Osterkerze den gewaltsamen und wahrhaft revolutionären Charakter, der die Bugnini-Reformen seit ihren ersten Anfängen kennzeichnet. Ohne jede sachliche Notwendigkeit und anscheinend auch ohne jeden Versuch einer inhaltlichen Begründung zerstörte die Reform einen der tiefsten symbolischen Zusammenhänge der Auferstehungsliturgie und degradierte eine altehrwürdige Weihepräfation zum zwar noch dekorativen, aber letztlich funktionslosen Versatzstück. Persönliche Eitelkeit und institutionelle Willkür

Nach dem Anünden der Osterkerze beginnt die Vigil, die in alter Zeit mit der Taufe der in den vergangenen Wochen vorbereiteten Katechumenen verbunden war und in deren Rahmen in zwölf Lesungen die ganze Geschichte des Bundes Gottes mit seinem Auserwählten Volk und in dessen Nachfolge mit der Kirche rekapituliert wurde. Zwischen den einzelnen Lesungen gab es jeweils eine Oration, die mit dem Ruf des Diakons: „Flectamus genua – levate“ eingeleitet wurde. Nach der vierten, achten und zwölften Lesung sang überdies der Chor einen Tractus, wobei der letzte unmittelbar in die Taufzeremonie überleitete. In der für die Bücher von 1962 verbindlichen Form der Liturgie von 1951 wurden von diesen 12 Prophetien nur vier beibehalten. Nach jeder Lesung und vor der entsprechenden Oration wurde aus alttestamentarischen Gesängen neu ein Wechselgesang eingefügt – vielleicht im Rückgriff auf die von Egeria aus dem Jerusalem des 4. Jahrhunderts beschriebene Praxis.

Die Taufzeremonie war in der bis 1955 regulären Form praktisch auf die Weihe des Taufwassers reduziert. Die Durchführung von Erwachsenentaufen im Rahmen der Ostervigil war zwar zulässig, aber unüblich. Die Weihe des Taufwassers selbst erfolgte wieder mit einer Weihepräfation nach uraltem römischen Muster. Zum Abschluss der Taufwasserweihe, die an einem außerhalb des Allerheiligsten stehenden Taufbrunnens oder – beckens stattfand, zog der Klerus in Prozession zurück zum Hochaltar. Chor und Gemeinde sangen unterdes eine aus dem Taufritus stammende abgekürzte Form der Allerheiligenlitanei.

In der Form von 1951/55 bildet die Taufe von Kindern oder Erwachsenen wieder einen regulären und bevorzugten Bestandteil der Vigil-Liturgie. Die ganze Zeremonie mit der im großen Ganzen unverändert erhaltene Taufwasserweihe ist eingebettet in den in zwei Teile aufgespaltenen Gesang der großen Allerheiligenlitanei – worin man eine sinnvolle Wiederherstellung einer abgestorbenen Tradition sehen kann. Neu eingefügt wurde dagegen eine besondere Prozession zur Übertragung des neugeweihten Taufwassers in den Taufbrunnen. Diese Zeremonie war zuvor nicht Bestandteil der offiziellen Liturgie, man kann aber davon ausgehen, daß solche Prozessionen je nach den gegebenen Räumlichkeiten an vielen Orten stattfanden. Ohne Vorbild ist demgegenüber unseres Wissens nach die anschließend stattfindende kollektive Erneuerung der Taufgelübde. Vom Inhalt her ist gegen diese Neuerung wenig einzuwenden – wohl aber von der Form her. Für die Gebete dieser kurzen Zeremonie wurden erstmals in der Geschichte des lateinischen Ritus keine lateinischen Texte vorgeschrieben, sondern sie wurden von Anfang an in der Volkssprache gesprochen. Wer hätte dem an dieser Stelle widersprechen wollen – und wer hätte geahnt, daß binnen 15 Jahren zumindest in Gemeinden, die sich für besonders zeitgemäß hielten, die ganze Liturgie in der Volkssprache gefeiert würde.

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