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Der verschwundene Moses

Aus einer traditionellen BibelillustrationMit dem siebten Tag vor der Weihnachtsvigil - also regulär am 17. Dezember - beginnt das römische Brevier die Reihe der O-Antiphonen, die dem Magnificat der Vesper jeden Tag eine besondere adventliche Färbung verleihen.

O Sapientia, quæ ex ore Altissimi prodiisti,
attingens a fine usque ad finem,
fortiter suaviterque disponens omnia:
veni ad docendum nos viam prudentiæ.

O Weisheit, hervorgegangen aus dem Munde des Allerhöchsten,
Du umfasst den Anfang und das Ende
und ordnest alles mit Macht und mit Milde:
Komm und lehre uns den Weg der Klugheit."

Die O-Antiphonen waren den Betern und Sängern des Offiziums so ans Herz gewachsen, daß das deutsche Brevier sie nicht nur beibehielt, sondern sogar - als zulässige Alternative - bis auf den heutigen Tag in der lateinischen Form anbietet.

Ein weiteres Zeichen zumindest abstrakter Hochschätzung ist darin zu sehen, daß die neuen deutschen Messbücher die O-Antiphonen für die Woche vor Weihnachten auch in den sogenannten „Ruf vor dem Evangelium“, das frühere Graduale, aufgenommen hat. Freilich ging diese Hochschätzung nicht weit genug, den ursprünglichen Text unverändert zu lassen. Die Antiphon für den 18. Dezember – in Originalform – war:

O Adonai et Dux domus Israel,
qui Moysi in igne flammae rubi apparuisti,
et ei in Sina legem dedisti:
veni ad redimendum nos in bracchio extento.

So auch in der Stundenliturgie erhalten und übersetzt:

O Adonai,
Herr und Führer des Hauses Israel -
im flammenden Dornenbusch bist du dem Mose erschienen
und hast ihm auf dem Berg das Gesetz gegeben:
O komm und befreie uns mit deinem starken Arm!

Zumindest den Verantwortlichen für die vom Schott gebotene Fassung der Messtexte war die darin liegende Erinnerung an den alten Bund allgemein und an das Gesetz des Moses wohl zu wenig zeitgemäß, jedenfalls haben sie den „Ruf“ von jeder Anstößigkeit befreit, und übriggeblieben ist nur:

Du Herr und Führer des Hauses Israel:
komm und befreie uns mit deinem starken Arm!

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