Fanziskus: Diakone vom Altar fernhalten!
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- 22. November 2019
In der vergangenen Woche hat Papst Franziskus sich in einer Rede kritisch über den liturgischen Dienst Ständiger Diakone geäußert. Diakone dürften keine „Messdiener erster Klasse oder Priester zweiter Klasse“ sein. Er rate den Bischöfen stets, die Diakone „vom Altar fernzuhalten“, damit sie nicht zu „verhinderten Priestern“ würden und sich besser auf ihren Dienst an den Armen konzentrieren könnten. So die Wiedergabe auf katholisch.de.
Zunächst haben wir diese Ausführungen für eine der üblichen Grobheiten gehalten, mit denen der Argentinier seine Auftritte zu garnieren pflegt – also nicht der Rede wert. Und hat unsereins nicht auch zumindest ein wenig die Vorstellung im Kopf, das Wesen des Diakonenamtes sei die „diakonia“, der Dienst an den Armen und Schutzbedürftigen Mitgliedern der Gemeinde?
Ein Zwischenruf von Fr. Hunwicke (hier auf Deutsch) hat uns motiviert, der Sache etwas näher nachzugehen. Und wie so oft, wenn man bei diesem Papst etwas genauer hinschaut, tun sich wahre Abgründe auf. Der Rat an die Bischöfe, die Diakone „vom Altar fernzuhalten“, erweist sich als nichts weniger als ein Aufruf zur Mißachtung des Kirchenrechtes und eine Abkehr von der zwei Jahrtausende zurückreichenden Lehre der Kirche vom Diakonenamt, die auch noch in den liturgischen Vorschriften der „Revolutionsjahre“ 1968/69 bestätigt worden ist.
Das Kirchenrecht von 1983 enthält zwar keinen eigenen Abschnitt über die Diakone, weist ihnen aber in zahlreichen Paragraphen (767, 861, 910, 1108 …) ausdrücklich Aufgaben im Bereich der Liturgie und der Verkündigung des Wortes zu. Der Codex folgt damit fast wortgetreu dem Abschnitt 29 der „Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium“ des 2. Vatikanischen Konzils, der hinsichtlich der Diakone aussagt:
Mit sakramentaler Gnade gestärkt, dienen sie dem Volke Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium. Sache des Diakons ist es, je nach Weisung der zuständigen Autorität, feierlich die Taufe zu spenden, die Eucharistie zu verwahren und auszuteilen, der Eheschließung im Namen der Kirche zu assistieren und sie zu segnen, die Wegzehrung den Sterbenden zu überbringen, vor den Gläubigen die Heilige Schrift zu lesen, das Volk zu lehren und zu ermahnen, dem Gottesdienst und dem Gebet der Gläubigen vorzustehen, Sakramentalien zu spenden und den Beerdigungsritus zu leiten. Den Pflichten der Liebestätigkeit und der Verwaltung hingegeben, sollen die Diakone eingedenk sein der Mahnung des heiligen Polykarp: "Barmherzig, eifrig, wandelnd nach der Wahrheit des Herrn, der aller Diener geworden ist."
Der Katechismus schließt sich all dem in seinen Abschnitten über die Weihe der Diakone (1569-1571) vollständig an. Die hier vorgegebene Reihenfolge und Prioritätensetzung ist eindeutig. Noch klarer wird das von der Kirche gewollte Wesen des Diakonats – es handelt sich schließlich um die erste Stufe des dreigliedrigen Weiheamtes – wenn man die Weihegebete betrachtet, mit denen die Kirche diese Weihestufe seit den ältesten Zeiten übertragen hat.
Die im überlieferten Pontificale Romanum für den Bischof vorgeschriebene Ermahnung der Weihekandidaten führt aus:
Da ihr, geliebteste Söhne, in den Stand der Leviten erhoben werden sollt, so bedenket recht, zu welch erhabenem Rang in der Kirche ihr emporsteigt. Denn der Diakon hat am Altare zu dienen, zu taufen und zu predigen. Schon im alten Gesetz wurde aus zwölfen der eine Stamm Levi auserwählt, daß er mit besonderer Hingebung dem Zelte Gottes und seinen Opfern nach unveränderlicher Vorschrift diene. Und eine so hohe Würde war ihm verliehen, daß keiner außer aus diesem Stamme zu jenem göttlichen Dienst und Amt erhoben wurde (…) Ihren Namen und ihr Amt übernehmt ihr heute, geliebteste Söhne, da ihr im Levitenstande erwählt werdet zum dienst der Stiftshütte, nämlich der Kirche Gottes, die stets schlagfertig in unausgesetztem Kampfe wider den Feind streitet. (…) Diese Kirche müßt ihr, wie die Stiftshütte, tragen und festigen durch heiligen Schmuck, durch göttliche Predigt, durch tadelloses Beispiel. (…) Und weil ihr mitdient und mitwirkt beim beim Opfer des Leibes und des Blutes des Herrn, so sollt ihr Feind sein jeder Anlockung des Fleisches , wie die Schrift sagt: Reinigt euch, die ihr die Gefäße des Herrn tragt!
Die eigentliche Weihepräfation nimmt diesen Gedanken in vollem Umfang auf, wenn es darin heißt:
Du läßt den Dienst Deines heiligen Amtes durch drei Stufen von Dienern verrichten und hast dazu von Anfang an die Söhne Levis erwählt, daß sie in den geheimnisvollen Verrichtungen Deines Hauses als treue Wächter das Erbteil ewigen Segens zu beständigem Anteil besäßen. Auch auf diese Deine Diener, wir bitten Dich, oh Herr, schaue gnädig herab, die wir für den Dienst Deiner Altäre zum Amte des Diakonates demütig flehend einweihen.
Die reformierte Liturgie bleibt in ihrem Weihegebet (http://www.michael-helfer.com/attachments/File/Weihegebete_der_rk_Kirche.pdf ) zunächst ebenfalls in diesem Bezugsrahmen und läßt beten:
(...)Du schenklt deiner Kirche Leben und Wachstum, sie breitet sich aus und wird zum Tempel des neuen Bundes. Deinem Namen zu dienen hast du das dreifache Dienstamt gestiftet und ausgestattet mit heiligen Gaben, wie du schon im Anfang die Söhne des Levi zum Dienst am ersten heiligen Zelt dir erwählt hast. (…) Schau in Gnaden herab auf diese deine Diener. Demütig treten wir vor dich hin und stellen sie dir vor: Nimm sie als Diakone in den Dienst an deinem Altare. Sende auf sie herab, oh Herr, den Heiligen Geist. Seine siebenfältige Gnade möge sie stärken, ihren Dienst getreu zu erfüllen.
Zusätzlich dazu enthält das moderne Weihegebet zwei Einsprengsel, die dem „modernen“, aus dem Protestantismus übernommenen Verständnis vom Diakonat entgegen kommen. Im „historischen Rückblick“, aus dem wir oben die Stelle mit den „Söhnen Levis“ zitiert haben, heißt es in durchasu kreativer Lesart der Kirchengeschichte:
Als die Kirche zu wachsen begann, bestellten die Apostel deines Sohnes, geleitet vom heiligen Geist, sieben bewährte Männer. Ihre Helfer sollten sie sein für den täglichen Dienst; sie selbst wollten frei sein für das Gebet und für die Verkündigung des Wortes. Diesen Erwählten haben sie durch Handauflegung und Gebet den Dienst an den Tischen übertragen.
Angesichts der Tatsache, daß die Predigt auch noch im aktuellen Kirchenrecht wie in der ganzen Tradition als vorrangige Aufgabe der Diakone bezeichnet wird, muß man darin wohl eine ziemlich absurde Uminterpretation der Geschichte erkenen. Die Umdeutung des Diakonenamtes im modernen Sinne wird dann im Anschluß an den oben zitierten Satz mit der „siebenfältigen Gabe des Heiligen Geistes“ ein weiteres Mal aufgegriffen:
Das Evangelium Christi durchdringe ihr Leben. Selbstlose Liebe sei ihnen eigen, unermüdliche Sorge für die Kranken und Armen. Mit Würde und Bescheidenheit sollen sie allen begegnen, lauter im Wesen, und treu im geistlichen Dienste.
Die Legitimität der hier im Weihegebet vorgenommenen Erweiterung des diakonalen Dienstes ist angesichts einiger Zeugnisse aus der frühen Geschichte der Kirche für eine auch karitative Tätigkeit von Diakonen nicht zu bestreiten – so lange sie nicht zu einer völligen Umdeutung des gesamten Dienstes vorangetrieben wird. Genau eine solche Umdeutung, ja sogar Umkehrung, hat Franziskus in seiner eingangs zitierten Ansprache vorgenommen und damit den vom Kirchenrecht und der Liturgie gesetzten Rahmen verlassen. Der Mann scheint wirklich entschlossen zu sein, von dem von Christus gestifteten Bau der Kirche als den Neuen Tempels keinen Stein auf dem anderen zu lassen.
Über Hintergründe, Motive und mögliche Auswirkungen dieser erneuten Attacke auf das Glaubensgut der Kirche wird noch weiter nachzudenken sein.