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Variis linguis loquebantur Apostoli ...

Von Fr. John Hunwicke auf Mutual Enrichment

Mit einer Anmerkung des Übersetzers

Bild: Wikimedia Commons...aber unter den vielen Sprachen, die die Kirche heute spricht, spielt Latein, die eigentliche Sprache der Lateinischen Kirche, keine Rolle. Wir bereiten uns auf die Liturgischen Feiern von Pfingsten vor, des Festes, an dem der Kirche die Gabe der Sprachen geschenkt wurde. Doch gerade der Sprache, die von Seiten der Tradition, der Päpste und der Konzilien ein fester Platz zugewiesen worden ist, nämlich dem Latein, haben der Böse Feind und die, die er verdorben hat, brutal einen Knebel in den Mund gepresst. Es ist schwer, daraus nicht den Schluß zu ziehen, daß die Hauptschuld dafür den Bischöfen in ihrer Gesamtheit zukommt.

Ich habe in den letzten Jahren drei oder viermal erlebt, daß Bischöfe zum Beispiel auf die Bitte, doch einen Zelebranten für die außerordentliche Form zu stellen, der Welt vergnügt mitteilten, daß heutzutage nur noch wenige Kleriker Latein könnten, und es ihnen daher schwer falle, einen Zelebranten für die außerordentliche Form zu finden.

Ich staune über die schamlose Unverfrorenheit, mit der Bischöfe so etwas von sich geben und offenbar gar nicht daran denken, daß das kanonische Recht in Abschnitt 249 von den Klerikern flüssige Kenntnisse der lateinischen Sprache verlangt. Was würde denn wohl ein Bischof sagen, wenn er einen frisch gebackenen Kaplan wegen eines Verstoßes gegen das kanonische Recht tadelte und der Jungpriester darauf vergnügt zurück gäbe: „Ach Chef, heute kümmert sich doch kein Mensch mehr um diesen alten kanonischen Mist! Nimm Deine alberne Mitra ab (Link des Übersetzers) und wende dich der realen Welt zu!“ Anscheinend gibt es Bischöfe, die genau diese respektlose Verachtung gegenüber dem kanonischen Recht empfinden. Ist diese unbekümmerte Pflichtvergessenheit denn leichter erträglich, wenn sie nicht schnippisch von einem jungen Kaplan, sondern in geschäftsmäßigem Ton von einem selbstgefälligen Bischof vorgetragen wird?

Da möchte ich denn doch einmal daran erinnern, was die Päpste der Konzils- und der Nachkonzilszeit zu diesem hoch bedeutsamen Thema gelehrt haben.

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Der hl. Johannes XXIII und das Latein:

Es ist durchaus nicht übliche Praxis der Päpste, ihre Dokumente am Hochaltar von St. Peter und in Anwesenheit des Kardinalskollegiums zu unterzeichnen. Aber genau in dieser Form promulgierte der hl. Johannes XXIII. 1962 seine Apostolische Konstitution Veterum Sapientia, in der er darauf bestand, daß die lateinische Sprache einen zentralen Platz in der Kultur der westlichen Christenheit einnehmen müsse. Was hätte der gute alte Herr denn noch mehr tun sollen, um zu betonen, wie wichtig ihm das Thema ist?

Dieses Dokument wurde vom hl. Papst Paul VI., dem sehr viel daran gelegen war, daß „die Seminaristen mit großer Sorgfalt und Eifer in den Schriften der alten Literatur und Wissenschaft“ ausgebildet würden, (in Studia Latinatatis von 1964) hoch gelobt. Auch der hl. Johannes Paul II. betonte (in Sapientia Christiana) die Notwendigkeit von Lateinkenntnissen „für das Studium der theologischen Wissenschaften, damit die Studenten die Quellen und Dokumente der Kirche verständig gebrauchen können“. Benedikt XVI. (Lingua Latina, 2012) lobte Veterum Sapientia sowohl wegen ihrer rechtlichen Autorität als auch wegen der Schlüssigkeit der Argumentation als höchst berechtigte und verdienstvolle Veröffentlichung. In seiner Enzyklika Sacramentum Caritatis erwähnte er ausdrücklich die Notwendigkeit des Lateinstudiums für die Seminaristen.

In anderen Worten: Die Päpste hl. Johannes XXIII., hl. Paul VI., hl. Paul Johannes II. und Benedikt XVI. haben übereinstimmend und kontinuierlich die Erwartung geäußert, daß alle Seminaristen tragfähige Kenntnisse des Lateinischen als der Sprache der Kirche erwerben sollten. [Da kann nun wirklich niemand sagen, daß die Anforderungen von Canon 249 durch langjährige Nichtbeachtung seitens des Gesetzgebers hinfällig geworden seien.] Und die Päpste haben sich auch noch über den Bereich der Priesterausbildung hinaus für die Stärkung der lateinischen Studien eingesetzt, wie man daran sehen kann, daß Paul VI. eine lateinische Akademie errichtete, die dann von Benedikt XVI. erneuert und gestärkt worden ist.

Diese Lehre der Päpste bezieht sich bei weitem nicht nur auf die Sprache der Liturgie, sie zielt darauf ab, das Latein als lebende Umgangssprache für die Kleriker und gerade in der Ausbildung zu erhalten, und sie begründet sich ausdrücklich in der Überzeugung, daß der Klerus durch solche Latinität auch den Zugang zu kulturelle Kontinuität gewinnt. Dieser Artikel würde sehr lang werden, wenn ich all die Worte der vier Päpste, die darauf abzielen, ausführlich wiedergeben wollte. Als jemand der aus der kulturellen Tradition der Anglikaner kommt möchte ich stattdessen das Zeugnis des Teufels Screwtape von C. S. Lewis anführen, der einräumte: Da wir nicht alle Menschen auf Dauer hinters Licht führen können, ist es extrem wichtig, die einzelnen Generationen von einander abzuschneiden, denn wenn das Wissen frei zwischen den Generationen ausgetauscht werden kann, besteht immer die Gefahr, daß die Haupt-Irrtümer der einen Epoche durch die Haupterkenntnisse einer anderen korrigiert werden.“ Und in seinem Pilgrim‘s Regress vertritt Lewis die Ansicht, daß die zunehmende Vernachlässigung der klassischen Sprachen ein teuflischer Schachzug ist, um die Gebildeten Schichten von der Weisheit der Vergangenheit zu entfremden. Sowohl in der allgemeinen Kultur wie in der Kirche besteht die Gefahr, daß die gebildeten Schichten sich in einem schmalen Korridor der jeweiligen Kultur einschließen und so Gefangene des jeweiligen Zeitgeists bleiben. Ein gebildeter Klerus liest auch das, was in früheren Zeiten geschrieben wurde – doch dazu muß er zumindest Latein können, und das erkennt man rein praktisch gesehen vor allem daran, daß dieser Klerus sein tägliches Brevier auf Latein betet.

Das II. Vatikanum und das Lateinische

Unter diesem Aspekt ist auch die Anforderung des zweiten Vatikanums (SC 101) zu sehen, wonach „Gemäß jahrhundertealter Überlieferung des lateinischen Ritus die Kleriker beim Stundengebet die lateinische Sprache beibehalten (sollen) “ Und es ist höchst bezeichnend, daß es dann weitergeht mit der Bestimmung, daß die Bischöfe nur zurückhaltend und dann nur „in einzelnen Fällen“ Ausnahme zulassen können. Man kann sich vorstellen, daß diese Ausnahmeregelung als sinnvoll für Regionen angesehen wurde, in denen die Möglichkeiten zur Priesterausbildung sehr eingeschränkt waren – also etwa in den „Entwicklungsländern“ der 60er Jahre. Ich frage mich sehr, wie die Konzilsväter oder doch ein großer Teil von Ihnen darauf reagiert hätten, hätte man ihnen gesagt, daß innerhalb von noch nicht einmal 10 Jahren die Bischöfe Europas diesen Auftrag des Konzils, der dann noch einmal durch das Konzilsdekret Optatam Totius zur Priesterausbildung bekräftigt worden war, als bedeutungslosen toten Buchstaben betrachten würden. Die Bischöfe jenes Europa, dessen Kultur sowohl im kirchlichen wie im weltlichen Bereich für nahezu zweitausend Jahre auf dem Latein beruhte und in dessen Hochschulen die Zivilisationen der Griechen und Römer überliefert worden waren. Schon 1966 beklagte der hl. Johannes Paul VI. (in Sacrificium laudis), daß Priester so oft um die Genehmigung baten, das Brevier in der Landessprache zu beten.

Meine Leser sind vermutlich auch mit den anderen Vorgaben des II. Vatikanums für die Beibehaltung der lateinischen Sprache insbesondere in der Liturgie vertraut, so daß ich mir hier ersparen kann, viele Worte zu machen. Ich möchte nur betonen, daß mein Plädoyer für die Bewahrung einer lebendigen Latein-Kultur sich nicht nur und ausschließlich auf das Konzil stützt. Die Autorität dazu hat eine viel breitere Grundlage, auch die Konzilsväter selbst betonten, daß sie sich dazu auf eine „Tradition aus unvordenklicher Zeit“ beriefen. Der Auftrag des Konzils ist nicht mehr als eine treuliche Bekräftigung der stets geltenden und hochgehaltenen kirchlichen Tradition, wie sie einem Ökumenischen Konzil wohl ansteht – eine ausdrückliche Bekräftigung, daß die überlieferten Grundsätze auch in einer Zeit der Umstürze noch ihre Geltung behalten. Ohne diese Worte des Konzils hätten übelwollende Menschen vielleicht behaupten können, daß der radikale kulturelle und intellektuelle Wandel den früheren Grundsätzen ihre Verbindlichkeit genommen hätte. Doch angesichts der eindeutigen Sprache des Konzils kann eine derartige Behauptung nur als bewußter und gewollter Widerspruch gegen die ausdrückliche Aussage eines ökumenischen Konzils gemeint sein, verbunden mit dem Widerspruch gegen die ihm vorausgehenden Jahrhunderte und die Lehre der ihm folgenden Päpste.

Das kanonische Recht und die lateinische Sprache.

Vor gar nicht allzu langer Zeit traf ich einen kurz zuvor geweihten intelligenten jungen Priester, dem man zwar „ein wenig Griechisch, aber kein Wort Latein“ beigebracht hatte. So können also trotz des Canon 249 im nachkonziliaren Codex nicht alle Priester Latein und werden auch nicht alle darin unterrichtet?

Wie jedermann weiß, haben tatsächlich alle kein Latein gelernt, und sie alle sind nicht darin unterrichtet worden. Ein Priester aus meiner Bekanntschaft hat mir einmal geschrieben: „Als ich in den 80ern im Seminar war, wurde schon die Tatsache, daß man an der Universität einen Lateinkurs belegt hatte, als Solidaritätsbekundung mit Erzbischof Lefebvre gewertet. Ein Priester, der uns Exerzitien hielt (ein damals prominenter Moraltheologe), inspizierte unsere Plätze im Chorgestühl, und wo er lateinische Breviere fand, denunzierte er deren Besitzer, sie wären sicher nicht Träger einer wahren Berufung.“

Man kann kaum den gegenwärtigen Bischöfen Englands die Schuld an einem Problem zuschieben, das anscheinend schon vor mehr als einem halben Jahrhundert entstanden ist. Tatsächlich geht es mir auch gar nicht um Schuldzuweisungen. Ich habe sogar gehört, daß die Dinge gegenwärtig teilweise nicht mehr ganz so schlecht stehen – wenn auch nicht überall und bestimmt nicht für alle Seminaristen. Und doch: Natürlich haben die Bischöfe eine Verantwortung für die aktuellen Lehrpläne ihrer Seminare und die Ausbildung ihres Diözesanklerus. Sind sie denn damit einverstanden, daß ihre Seminare in einer Weise geleitet werden, die nur sehr begrenzt mit dem Lehramt des Hl. Johannes XXIII. übereinstimmt? Oder mit dem II. Vatikanischen Konzil, das (in Optatam totius 13) die Bedeutung des Lateinischen in der Seminarausbildung unterstrichen hatte? Oder gilt gerade dieses Konzilsdokument als veraltet? Der hl. Paul VI. hat in seiner Liste von akademischen Anforderungen an die Seminaristen an erster Stelle ausgeführt, „Die kulturelle Bildung der jungen Priester muß in jedem Fall eine angemessene Kenntnis von Sprachen und vor allem (insbesondere im lateinischen Ritus) des Lateinischen einschließen“ (Summi Dei Verbum).

Es gibt schon seit langem bei einigen Herrschaften eine stillschweigende Übereinkunft, das Lehramt der vorkonziliaren Päpste stillschweigend der Vergessenheit anheim zu geben. Pius IX? Pius XII? Wer waren die denn? Aber nun kann man sich zu Recht fragen, ob nun nach Ansicht dieser Geistesgrößen auch die Lehre des Konzils und der nachkonziliaren Päpste da, wo es ihnen passt, mit gleicher Mißachtung behandelt werden kann. Sollen diese neueren Päpste mit fragwürdigen Seligsprechungen und in halsbrecherischem Tempo vorgenommenen Heiligsprechung und billigen Lobliedern zu höchsten Ehren erhoben werden, während ihre tatsächliche Lehre, die sie unentwegt und mit Nachdruck erteilt haben, als für alle praktischen Zwecke bedeutungslos verworfen wird?

Aber für all das ist einfach kein Raum mehr in den Lehrplänen. Wirklich nicht? Sollte es bei der Entwicklung von Lehrplänen nicht in erster Linie darum gehen, die dringenden Aufträge der Päpste in Rom zu berücksichtigen? Seit ich 2011 in die volle Gemeinschaft mit der Kirche gekommen bin, habe ich viele Priester getroffen, die sich darüber beklagten, daß man ihnen im Seminar viel von dem vorenthalten hat, was die Kirche doch als Grundlagen einer Priesterausbildung betrachtet. Und sie schienen auch eine Vorstellung davon zu haben, welche nutzlosen Fächer man entfallen lassen könnte, um zusätzlichen Raum zu schaffen.

Cardinal Basil Hume hat damals in den 90ern übertrittswillige Anglikaner ziemlich impertinent damit konfrontiert, daß es in der Katholischen Kirche nicht „a la carte“ zugeht, sondern „nach Art des Hauses“. Da können wir früheren Anglikaner uns schon ein wenig darüber wundern, ob dieses Prinzip für diejenigen, die die bischöfliche Aufsicht über Seminare führen, ebenso gilt wie für anglikanische Bewerber?

Zum Schluß noch ein Zitat Johannes XXIII: „Die Lehrenden in Hochschulen und Seminaren sind dazu angehalten, lateinisch zu sprechen und lateinische Lehrbücher zu verwenden. Diejenigen, deren Unkenntnis des Lateinischen es ihnen erschwert, dieser Anforderung nachzkommen, sollen allmählich durch Lehrkräfte ersetzt werden, die dieser Aufgabe gewachsen sind (in eorum locum doctores ad hoc idonei gradatim sufficiantur). Alle Probleme, die sich Studenten oder Professoren bei der Bewältigung dieser Aufgaben stellen, müssen (vincantur necesse est) durch geduldige Beharrlichkeit der Bischöfe oder Oberen sowie den guten Willen der Lehrkräfte überwunden werden.“

Und eine letzte Frage: Wie viele von denen, die gegenwärtig in englischen Seminaren unterrichten, sind wohl (im Sinne des eindeutigen Wortgebrauchs des. hl. Johannes XXIII.) idonei, für diese Aufgabe geeignet? Gibt es da überhaupt welche?

*

Anmerkung des Übersetzers:

Fr. Hunwicke benutzt den rhetorischen Kniff, die modernistischen Feinde der lateinischen Sprache mit der ständigen Hervorhebung der heiligen Päpste der Nachkonzilszeit zu ärgern, die von den Kirchenverderbern zwar gerne und in den höchsten Tönen gelobt werden, auf deren Lehre sie sich allerdings in Sachen lateinische Sprache (wie in vielen anderen Dingen auch) ganz und gar nicht berufen können.

Dieses rhetorische Mittel ist legitim und erfreut den Leser - aber seine Anwendung läßt auch in den Hintergrund treten, welche Verantwortung die nachkonziliaren Päpste für die nicht nur hinsichtlich des Latein eingetretenen Mißstände tragen. Bischöfe fallen bekanntlich nicht vom Himmel, sondern werden vom Papst ernannt. Auch die schlechten, unfähigen und den Glauben zersetzenden. Natürlich wäre kein Papst in der Lage die vielleicht 300 jährlich fälligen Bischofsernennungen selbst vorzubereiten und die Arbeit dieser Bischöfe dann auch penibel zu kontrollieren. Er braucht Mitarbeiter - auf die er sich bekanntlich nicht verlassen kann.

Dennoch verfügt er über Mittel, um dem Recht der Kirche und seinem Oberhirtenamt Geltung zu verschaffen. So, wie viele Episkopate - darunter ganz prominent auch das deutsche - inzwischen heruntergekommen sind, kann er zwar Bischofssitze nicht frei mit seiner Meinung nach geeigneten Personen besetzen. Die werden schnell verhaast oder vertebarzt. Aber keine Bischofskonferenz kann den Papst zwingen, überhaupt einen Bischof zu ernennen - und wenn ein Episkopat und die Nuntiatur keine katholischen Kandidaten benennen können und wollen - dann hat der Papst als letzte Wahl die Möglichkeit, eine Ernennung zu verweigern. Dann gibt es bestenfalls einen Weihbischof für die sakramentale Grundversorgung.

Die nachkonziliaren Päpste sind den hier drohenden Konflikten all zu oft ausgewichen und das - wie es in der Rückschau erscheint - zu früh, zu ängstlich, zu sehr auf Konfliktvermeidung bedacht. Und wenn sie den Konflikt wagten, dann wie im Fall Lefbvre am falschen Gegenstand. Damit haben sie ausnahmslos - vom sich selbst durchaus autoritär gerierenden Paul VI: bis zum eher anarchistischen Franziskus - dazu beigetragen, das Kirchenrecht zu einer Sammlung irrelevanter Vorschläge und ihre eigene Stellung zu der eines Grüßaugust werden zu lassen. Das Richtige muß nicht nur verkündet, sondern auch zur Geltung gebracht werden. Und zur Erkenntnis dessen, was richtig ist, bietet oft die Tradition und nur selten der Zeitgeist geeignete Maßstäbe.

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