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Die Lateinische Kirche schafft sich ab

Bild: Gemeinfrei, Gemälde von Marinus van Reymerswaele im Prado von MadridEnde September wird eine neu übersetzte und herausgegebene zweisprachige Ausgabe der Vulgata erscheinen, die den Text des alten und des neuen Testaments im lateinischen Text der klassischen Bibelübersetzung der Westkirche und der daneben stehenden neuen deutschen Übersetzung präsentiert. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht. Nicht so gut ist die Nachricht hinsichtlich der Kosten: Die Ausgabe erscheint in der bekannten Tusculum-Reihe, früher Heimeran, dann Artemis-Winkler und nun de Gruyter. Sie umfasst 5 Bände, und jeder kostet 80 €.

Die wirklich schlechte Nachricht ist die Ankündigung der Neuerscheinung auf katholisch.de am 10. 9. - dargeboten vom überaus kompetenten Fachpersonal der katholischen Nachrichtenagentur. Der Einleitungstext enthält die Unbildung des Autors der Pressemeldung und reichhaltige Hinweise auf die modernistische Beschränktheit der Macher des ganzen Projektes in einem erstaunlich kurzen Absatz:

Keine lateinische Übersetzung der Bibel aus dem Hebräischen ist weiter verbreitet als die des Kirchenvaters Hieronymus. Doch es gibt ein Problem: Immer weniger Wissenschaftler können noch gut genug Latein.

Zunächst einmal zum Stichwort „hebräisch“, das dann später noch einmal und das in Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch des Projektes  als der „Originaltext“ angesprochen wird. Diesen angeblichen Originaltext des Hieronymus haben wir nicht und kennen wir nicht. Was heute als hebräischer Originaltext der Bibel gehandelt wird, ist eine von teilweise stark antichristlich orientierten jüdischen Schriftgelehrten zusammengestellte Textversion, die zur Zeit von Hieronymus noch gar nicht vorlag und ihren endgültigen Feinschliff erst im 8. 9. Jahrhundert erhielt.

Die Arbeit von Hieronymus (347 - 420) können wir uns eher so vorstellen, daß er neben lokal verfügbaren zeitgenössischen hebräischen und lateinischen Fassungen vor allem die Kompilationen des Origines aus dem 3. Jahrhundert benutzte, der verschiedene hebräische und griechische Versionen der Bücher des alten Testaments nebeneinandergestellt, verglichen und teilweise auch kommentiert hatte. Dabei stützte sich Hieronymus, wohl griechisch erzogen und später lateinisch weitergebildet, auf verschiedene des Hebräischen kundige Helfer und Berater, teils Christen, teils auch „dialogbereite“ Juden, denn auch die gab es damals. Er selbst konnte Hebräisch bestenfalls mittelmäßig, und die Fachleute sind sich über das Ausmaß bzw. die Grenzen seiner Hebräischkenntnisse durchaus uneinig.

Und natürlich hat Hieronymus nicht „die Bibel“ unter Heranziehung verschiedener hebräischer Texte neu ins Lateinische übertragen, sondern die Bücher des alten Testaments. Die Ursprache des neuen Testaments ist allen Phantastereien rekonstruktionswütiger Hebraisten zum Trotz das Griechische. Und einerseits stimmt es zwar, daß die Vulgata des Hieronymus bis in die jüngste Gegenwart die bedeutendste und einflußreichste Fassung des Heiligen Buchs der Kirche war – andererseits hat sie sich nie vollständig gegenüber früheren lateinischen Übersetzungen durchsetzen können: Wo die Texte der heiligen Messe die Bibel zitieren und im Stundengebet, insbesondere bei den Psalmen, liegt sehr oft eine ältere Fassung aus dem Korpus der als „vetus latina“ bezeichneten Schriften aus dem 2. Jh. zugrunde. Die daraus erhaltenen Reste werden derzeit ebenfalls wissenschaftlich neue gesammelt, aufbereitet und herausgegeben. Dabei ist es zu einer wunderbaren Textvermehrung gekommen: Die Edition ist auf 27 Bände angelegt.

Der eigentliche Knüller in der Pressemeldung von KNA ist natürlich der letzte Satz des oben zitierten Absatzes, der dann auch im Text noch einmal bestätigt wird: „immer weniger Wissenschaftler beherrschten gut genug Latein, um Originaltexte lesen zu können“. Physikern oder meinetwegen auch Soziologen können wir das ja nachsehen – aber Leuten, die sich wissenschaftlich – und das heißt doch wohl auch theologisch – mit der Bibel beschäftigen?

Auch das eine der wunderbaren Früchte des neuen Frühlings eines gescheiterten konziliaren Unternehmens: Theologen können kein Latein mehr. Damit können sie ja nicht nur die Vulgata nicht mehr lesen, sondern es fehlt ihnen auch ein kompetenter Zugang zu mehr als 1000 Jahren theologischer Literatur, Gesetzgebung und Dogmatik. Diese Theologie hängt völlig in der Luft – sie ist wenig mehr als (zweitrrangige) Sozial- und Literaturwissenschaft. Bedauernswert, wer als Student in die Mühle dieses Betriebs gerät. Wer Theologie studieren will, um einer Berufung zum Priestertum der Kirche zu folgen, tut gut daran, diese Fakultäten und Seminare konsequent zu meiden und sich bei der Petrus- oder der Piusbruderschaft einzuschreiben.

Ihnen und anderen, die auf die Vulgata als die wichtigste Fassung der heiligen Schrift in der katholischen Kirche zurückgreifen wollen, kann neben einem sorgfältigen Lateinstudium insbesondere die zweisprachige Ausgabe der Heiligen Schrift von Joseph Franz Allioli (1793 – 1873) empfohlen werden, die mit Glück auch im Antiquariatshandel zu bezahlbaren Preisen zu bekommen ist. Ein etwas neuzeitlicheres Deutsch bietet die zweisprachige Ausgabe von Augustin Andt (1851-1925), die ebenfalls nur im Antiquariat erhältlich ist.

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