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Alle heiligen Patriarchen und Propheten - bittet für uns

Bild: https://orthpedia.de/index.php/Datei:Prophet_Micha.jpgAm gestrigen 21. Dezember gedachte die Kirche des hl. Propheten Micha (lat. Michaeas) – zumindest ist es so im Martyrologium Romanum von 2005 vermerkt. Die unsererseits genutzte Ausgabe von 1922 verzeichnet als seinen Gedenktag den 15. Januar – Michas teilt das Los vieler Heiliger, deren Gedenktage nach der Liturgiereform einen neuen Platz zugewiesen bekamen. In seinem Fall kann man dagegen wenig einwenden. Micha ist einer der „kleineren“ Propheten des Zwölf-Prophetenbuches und dementsprechend weniger bekannt. Es gibt keine genauere Daten aus seinem Leben; seine „aktive“ Zeit läßt sich nach dem Inhalt der unter seinem Namen überlieferten Schriften auf die Jahre 750 – 700 schätzen. Für uns Heutige taucht Micha nur an einer Stelle aus dem Nebel auf, der das alten Testament in unserer Wahrnehmung umgibt: Von ihm (Micha 5,2f) stammt die bei Matthäus (2, 5f) aus dem Rat der Schriftgelehrten von Herodes zitierte Aussage „Du, Bethlehem Efrata, bist zwar wenig bedeutend unter den Städten in Juda, doch aus dir soll der kommen, der in Israel herrscht und der von Ewigkeit her gewesen ist.“

Micha ist nicht der einzige der Propheten, die nach dem Martyrologium traditionell einen eigenen Gedenk- oder Feiertag haben. Eine sorgfältige Suche käme wahrscheinlich zu dem Ergebnis, daß jeder von ihnen zumindest in irgend einer Ausgabe des Martyrologiums einen eigenen Tag hat. Fr. Zuhlsdorf, dem wir den Hinweis auf den gestrigen Gedenktag Michas verdanken, macht darauf aufmerksam, daß das Martyrologium von 2005 bei seiner Platzierung der Propheten-Gedenktage nicht wahllos vorgegangen ist, sondern eine ganze Reihe von denen, die nicht begründbar mit einem anderen Datum verbunden waren, in den Wochen des Advents versammelt hat: So sollen und können sie auch im Kirchenjahr den Auftrag erfüllen, der ihnen zu Lebzeiten anvertraut war: Das Volk Gottes auf die Ankunft des Erlösers vorzubereiten.

Es wäre ein eigenes Thema, einmal der Frage nachzugehen, wann und warum die Propheten des alten Testaments (wie letztlich das Alte Testament insgesamt) so weitgehend aus dem Bewußtsein der Gläubigen geschwunden sind. Es hat wohl etwas mit den Eigenarten des modernen Denkens und vermeintlichen Ansprüchen von Wissenschaftlichkeit zu tun, die auch die glaubenstreuen Katholiken der letzten Jahrhunderte vielfach ihren Wurzeln entfremdet haben. Die alte Kirche hat ihr Erbe aus dem alten Bund – trotz entschiedener Abgrenzung vom (rabbinischen) Judentum – nie verleugnet. Die meisten Kirchenlehrer konnten es an Kenntnis der Bücher der Propheten mit jedem Schriftgelehrten aufnehmen. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa/Konstantinopel hat nicht nur den Platz des Heiligen Geistes in der einen und unteilbaren Dreifaltigkeit dargelegt, sondern im gleichen Atemzug auch die hohe und heilige Stellung der Propheten bekräftigt: – „qui locutus est per Prophetas“. Durch die Propheten hat der Geist zum Volk Israels gesprochen, sie sind Seine Stimme. Zwar erscheint diese Stimme nach zwei-einhalb Jahrtausenden uns heute manchmal noch unverständlicher als den schom inmmer schwerhörigen Menschenohren damals – der wissenschaftliche Hochmut und die Mißachtung, mit der viele moderne Bibelwissenschaftler dieser Stimme begegnen, ist dennoch unentschuldbar.

Hier geht es weiterAuch nach dem Zeitpunkt, zu dem die vielfach letztlich aus jüdischen Sekten herrührenden Fehlkonzeptionen und Häresien identifiziert und ausgeschieden waren – Nizäa/Konstantinopel markiert nur eine Station auf diesem Weg – ließ die Kirche sich in ihrer Hochschätzung der Propheten nicht beirren. Markion und seine Forderung, das mit dem Evangelium angeblich unvereinbare alte Testament des „Gottes der Grausamkeit“ abzustoßen, hatten in der Kirche nie eine Chance. Das „Te deum laudamus“, dessen Ursprünge vor das 6. Jahrhundert zurückreichen, zählt unter den Heiligen, die das Lob Gottes verkünden, drei Chöre namentlich auf:

„Te gloriosus Apostolorum Chorus,
Te Prophetarum laudabilis numerus,
Te Martyrum Candidatus laudat exercitus“

Noch vor den Blutzeugen stehen hier die Seher des alten Bundes. Auch in der Allerheiligenlitanei haben sie ihren Platz gefunden – wenn auch nur als Kollektiv.

Das ganze Mittelalter hindurch erfreuten sich die Propheten großer Beliebtheit, ja sogar einer gewissen Popularität – was zugegebenermaßen gelegentlich auch zu abergläubischen Auswüchsen führte. Auch die Kirchenrevolution Luthers änderte nichts an dieser Wertschätzung – eher im Gegenteil: Um sich von dem polytheistischer Tendenzen verdächtigten Kultus der Heiligen in der Kirche abzusetzen, erfuhren die großen Gestalten des alten Bundes besondere Wertschätzung. Heute noch benennen viele fromme „Evangelikale“ in den USA ihre Kinder nach ihnen. Vielleicht hat diese gerade im 18. und 19. Jh. oft demonstrativ hervorgekehrte protestantische Wertschätzung auf katholischer Seite den entgegengesetzten Effekt ausgelöst. Jedenfalls wurde in der Praxis das Alte Testament weithin auf eine lockere Kollektion erbaulicher Geschichten reduziert, die Propheten – Jesaja ausgenommen – verschwanden praktisch aus dem Bewußtsein der Gläubigen.

Daß diese Entwicklung von der Kirche keinesfalls unterstützt sondern durchaus als Verlust wahrgenommen wurde, ist nicht zuletzt daraus zu ersehen, daß die Liturgiereform hier mit Macht entgegenzusteuern versuchte: Die Forderung von Sacrosanctum Concilium, „die Schatzkammer der Schrift weiter aufzutun“ (SC 51), hatte vor allem das Ziel, die Kentnnis des Alten Testamentes weiter zu verbreiten. Dabei verfielen die Reformer freilich gleich in einen dreifachen Irrtum: Die Liturgie ist als Ort der Katechese denkbar ungeeignet, die meisten Texte des Alten Bundes sind für sich stehend schwer- bis unverständlich, und das Bedürfnis zur regelmäßigen, gar täglichen Teilnahme an Gottesdienst und Schriftlesung, war bei weitem nicht so groß, wie von den Reformern vermutet.

Tatsächlich hat es seitdem trotz der Einführung der Landessprache und vor nichts zu rückschreckenden (re)Animationsversuchen noch dramatisch abgenommen. Der Informationsstand heutiger Gottesdienstbesucher über das Alte Testament und seine Propheten dürfte noch einmal deutlich geringer sein als der ihrer Groß- und Urgroßväter, die zumindest in populärer Literatur wie dem „Großen Leben Christi“ nach Martin von Cochem oder der Bilderbibel Schnorr von Carolsfelds das eine oder andere über die großen Gestalten des alten Bundes aufgeschnappt hatten. Dabei ist diese Unkenntnis bei den Anhängern der überlieferten Liturgie wohl kaum geringer als bei den Teilnehmern der Reformliturgie. Das 20. Jahrhundert war zu sehr mit seinen eigenen Propheten beschäftigt, um denen des Alten Bundes irgendeine Aufmerksamkeit entgegen zu bringen.

Die Gedenktage, die nach Auskunft von Fr. Zuhlsdorf im Martyrologium der Auflage von 2009 in gewisser Weise systematisiert zusammengestellt worden sind, können behilflich sein und dazu genutzt werden, diese Wissenslücken zu verringern.

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