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Zum 8. Sonntag nach Pfingsten

Die Oration zum 8. Sonntag nach Pfingsten ist ein klassisches Beispiel für Inhalt und Stil der traditionellen Orationen des römischen Ritus:

Largire nobis, quæsumus domine, semper spiritum cogitandi, quæ recta sunt, propitius et agendi: ut, qui sine te esse non possumus, secundum te vivere valeamus.

Gewähre uns, Herr wir bitten Dich, stets den Geist der Erkenntnis dessen, was recht, geziemend und uns zu tun obliegt, damit wir, die wir ohne Dich nicht sein können, fähig werden, Dir gemäß zu leben. 

Hier wird, in hierarchischer Abstufung dargestellt, eine der tiefsten Einsichten des Christentums ausgedrückt: Wir können ohne Gott überhaupt nicht sein, doch auch um dieses Sein Gott gemäß zu gestalten, reicht es nicht, das Rechte tun zu wollen - wir brauchen auch den als Gottes Gnade gewährten Geist der Erkenntnis dessen, was recht ist.

Das Tagesgebet des „16. Sonntags im Jahreskreis der Leseordnung B“ ersetzt diesen Text durch einen anderen, der zwar in der Grundrichtung ähnlich erscheint, insgesamt gesehen jedoch bedeutende Veränderungen aufweist - in der offiziellen deutschen Fassung noch stärker als in der lateinischen:

Herr unser Gott, sieh gnädig auf alle, die du in deinen Dienst gerufen hast. Mache uns stark im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe, damit wir immer wachsam sind und auf dem Weg deiner Gebote bleiben.

Hier bittet die Gemeinde zwar noch darum, Gott möge ihr gnädig seine Gaben zukommen lassen, damit sie stets auf dem Weg seiner Gebote verbleibe. Der Gedanke, daß das Sein, das Leben selbst, nur in Gott seinen Grund hat, wird ebenso nicht mehr ausgesprochen wie die Einsicht, daß nur der von Gott zu erbittende „Geist der Erkenntnis“ uns dazu in Stand setzt, das zu erkennen, was den Weg der Gebote Gottes ausmacht. Und die Wendung vom „auf dem Weg bleiben“ läßt vermuten, daß die Beter sich jedenfalls schon auf diesem Wege sehen.

Vielleicht lassen sich vieler Erscheinungen in der Kirche in den letzten Jahrzehnten erst vor diesem Hintergrund verstehen: Daß die bloße Bekundung des Willens, auf dem rechten Weg zu sein, nicht genügt, sondern daß wir stets und vor allem anderen um den von Gott zu gewährenden Geist der Erkenntnis bitten müssen, um erst fähig zu werden, rechte von falschen Wegen zu unterscheiden.

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