60 Jahre „Sacrosanctum Concilium“
05. Dezember 2023
Die „Messe des Konzils“, zelebriert von Johannes XXIII.
Vor 60 Jahren – das genaue Datum ist der 4. Dezember 1963 – verabschiedete das ein Jahr vorher zusammengetretene II. Vatikanische Konzil als erstes Dokument die Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ für eine geplante Reform der Liturgie. Seitdem steht diese Konstitution im Zentrum der Diskussionen über das II. Vatikanum – weniger wegen ihres in vielem noch der Tradition nahestehenden Inhaltes, sondern deshalb, weil die Auswirkungen der unter Berufung auf SC sechs Jahre später verkündeten Liturgiereform stärker als jede andere Konzilsfolge im Leben der Kirche unmittelbar sichtbar und erlebbar geworden sind.
Diese Auswirkungen waren durch die Bank verheerend. Zwar werden die Anhänger der Liturgiereform nicht müde zu behaupten, ohne diese zur Revolution ausgewucherte Reform sei die Lage der Kirche heute noch viel schlechter, als sie ohnehin schon ist – aber dafür gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Mit harten statistischen Zahlen ist dagegen belegbar, daß in den Jahren nach der Reform der sonntägliche Gottesdienstbesuch in Deutschland von etwa 12 Millionen – das waren damals etwa 50% der Katholiken – in den Jahren um 1960 auf etwa 1 Million in den letzten Jahren gefallen ist – das sind gerade noch 5%. Aus anderen europäischen Ländern kommen vergleichbare Zahlen.
Hier geht es weiterAuf anderen Kontinenten ist die Situation nicht ganz so spektakulär. Aber selbst in Nordamerika, wo immerhin noch etwas über 20% der Katholiken eine Sonntagsmesse besuchen, ist der Abfall von einem Wert um die 70% in den 50er Jahren dramatisch. Soweit es das Ziel der Reform Pauls VI. war, die Liturgie den „Notwendigkeiten der Gegenwart“ besser anzupassen (SC 4, SC 107), so ist dieses Vorhaben krachend gescheitert. Alle ihre Fürsprecher von damals – soweit sie noch unter den Lebenden sind – sowie diejenigen an den Fakultäten und auf Bischofssitzen, die sie heute noch als die „einzige Form des römischen Ritus“ verteidigen, müßte in Sack und Asche gehen und unentwegt vor Gott, aber auch der Schar der Gläubigen, ihre Schuld bekennen und flehentlich um Verzeihung bitten.
Daß sie das ganz und gar nicht tun, sondern nach der Atempause unter dem (späten) Johannes Paul II. und dann unter Benedikt unter dem Regime der Bergoglianer mit neuer Energie daran gegangen sind, das bankrotte Geschäftsmodell als das einzig zulässige durchzusetzen, ist wohl nur unter Rückgriff auf die Kategorie des „mysterium inequitatis“, das Geheimnis der Bosheit, zu verstehen. Der Böse haßt die Liturgie, das hl. Messopfer und die darin stets erneut fließende Gnade der Sakramente – sie zu schwächen, zurückzudrängen und dem Leben der Menschen zu entfremden ist eines seiner vorrangigen Ziele.
Womit nicht gesagt sein kann, daß die Konzilsväter und ihre Berater mit der Verabschiedung von SC und später Paul VI. mit der Inkraftsetzung einer „Reform“, die weit über den in SC vorgezeichneten Rahmen hinausging, dieses Ziel wissentlich und willentlich unterstützt hätten. Dieser Vorwurf kann nur eine Minderheit treffen – spontan fallen einem Namen wie Joseph Gelineau S.J. oder Bernard Kardinal Alfrink ein, und natürlich der mächtig aus dem Hintergrund wirkende Annibale Bugnini. Aber die Mehrheit, die das Dokument schließlich passieren ließ, war schlichtweg theologisch zu ungebildet, um die im Text enthaltenen „Zeitbomben“ (Michael Davies) zu erkennen. Oder auch zu bequem und zu wenig wachsam. Um sich der alle Paragraphen von SC durchtränkenden Zeitgeisterei zu widersetzen. Ob ihre heutigen Nachfolger ähnliche „mildernde Umstände“ für sich in Anspruch nehmen können, steht dahin: Das Ziel der Reise im modernistischen Schnellzug ist inzwischen nicht mehr zu übersehen und auch nicht mehr zu verleugnen, und der Verlauf des deutschen Synodalen Weges , aber auch viele Entwicklungen auf der Synodensynode in Rom, und noch mehr päpstliche Sach- und Personalentscheidungen lassen erkennen, wohin die Reise gehen soll. Wer da mitfährt, fährt nicht ins Blaue.
Um so erfreulicher ist es, daß unter denen, die dieser verhängnisvollen Reise Widerstand entgegensetzen, nicht nur in der Wolle gefärbte Traditionalisten sind, sondern auch Bischöfe, Theologen und Publizisten, die der (angeblich) auf Sacrosanctum Concilium zurückgehenden Liturgie auch Positives abgewinnen konnten und es verstanden haben, den im übrigen darin liegenden modernistischen Versuchungen zu widerstehen. In Deutschland und ganz Mitteleuropa, wo der Geist der protestantischen Reformation auch in der Kirche tiefe Wurzeln geschlagen hat, sind das nur kleine Minderheiten. In Nordamerika, zumindest in den USA, ist das vielleicht sogar die Mehrheit. Das gibt Hoffnung, die auf Sacrosanctum Concilium zurückgehende Verwüstung eines Tages in einer wirklichen Reform überwinden zu können.
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