Als Kulturgut gerettet!
07. Dezember 2023
Eine Seite aus dem Marienthaler Psalter
Die sächsische Kulturministerin Klepsch hat am Mittwoch bekannt gegeben, daß der Freistaat Sachsen für 5,5 Millionen Euro die alte Bibliothek des Zisterzienserinnen-Klosters St. Marienthal an der Neiße übernommen hat. Diese Bibliothek enthält 2700 Werke, darunter zahlreiche Handschriften, aus dem 12. - 19. Jahrhundert, die nun in das Eigentum der Staats- und Universitätsbibliothek Dresden übergehen. Ein großer Teil der Bücher bleibt bis auf weiteres im als Leihgabe im Kloster. Das Prunkstück des Bestandes, der sog. Marienthaler Psalter aus dem 13. Jahrhundert, geht mit anderen kunsthistorisch besonders bedeutsamen Stücken nach Dresden, wo er bis zum 6. Januar öffentlich gezeigt werden wird. (Quelle)
Der Verkauf nach Dresden bildet den – einigermaßen – glücklichen Abschluß eienr über 10-jährigen Hängepartie, die im vergangenen Jahr einen ersten Höhepunkt erreichte, als die Äbtissin von Marienthal ankündigte, den Psalter und weitere Spitzenstücke der Bibliothek auf den internationalen Kunstmarkt zu bringen. Das Kloster war, nachdem seine ebenfalls historisch wertvollen Bauten durch das Neiße-Hochwasser von 2010 erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden waren, in eine schwere finanzielle Schieflade geraten. Die Äbtissin hatte 10 Jahre lang vergeblich versucht, inländische Abnehmer für den Bibliothksschatz zu finden, die bereit waren, einen für die Bestandssicherung des Klosters erforderlichen Preis zu zahlen. Erst die – wohl primär als Drohgeste angelegte – Ankündigung, die Handschriften ins Ausland zu verkaufen, führte zu einem erfolgreichen Abschluß.
Das Kloster wird den Verlust verschmerzen, wenn dadurch der Bestand des Konvents bis auf Weiteres gesichert werden kann. Auch in St. Marienthal wird das Chorgebet längst nach dem verkürzten und bestenfalls mittelmäßig übersetzten Psalterium des Deutschen Stundengebet gesungen – Eine Handschrift aus dem 13. Jahrhunderts ist da nicht viel mehr als ein Museumstück, von dem man sich zur Not durchaus trennen kann.
Gravierender ist, daß die großzügige Klosteranlage, deren gegenwärtiger Baubestand überwiegend aus der Zeit des Barock stammt, heute nur noch ein Dutzend Schwestern beherbergt – und einige davon sind schon sehr vorgerückten Alters. Neueintritte, sind wie in allen Mönchs- und Nonnenklöstern Deutschlands, höchst selten und reichen für die Bestandssicherung wohl weniger weit wie der jetzt erlöste Preis der Bibliothek. Aber während die drohende Abwanderung der Bücher ins Ausland bei kirchlichen und staatlichen Stellen einen vernehmbaren Aufschrei auslöste, betrachten das Bistum und die deutsche Kirche insgesamt die Austrocknung der Klosterlandschaft nicht nur an der Neiße mit Gleichmut – wenn nicht an einigen Stellen mit heimlicher Genugtuung. Dias Ideal und der Wert des gottgeweihten Lebens im Kloster sind den „Menschen von heute“ – und als solche will auch die überwiegende Mehrheit der geweihten und ungeweihten Kirchenfunktionäre gesehen werden – vielleicht noch schwerer zu vermitteln als der Wert einer auf Gott hin ausgerichteten Liturgie.
Aber immerhin: Das Kulturgut ist gerettet und wird im Museum ruhigestellt. Auf den Geist, der es einst hervorgebracht hat, kann man leichten Herzens verzichten.
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Website des Klosters: http://www.kloster-marienthal.de/seiten/start
Anscheinend brauchbarer Informationsartikel von Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_St._Marienthal
Öffentlich zugängliches Digitalisat des Psalteriums, dem wir auch die obige Abbildung entnehmen: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/570853/3
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