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Fr. John Hunwicke:
Zum Appendix „Pro Aliquibus Locis“

21. Februar 2024

1 - Liturgie/Geschichte

Fr. Hunwicke auf der Kanzel bei der Predigt

Fr. John Hunwicke

Fr. John Hunwicke hat sich in der letzten Zeit sehr intensiv mit sehr britischen Themen beschäftigt - Fragen des Verhältnisses zur anglikanischen Gemeinschaft und ihrer Tradition und inneren Entwicklung oder zur Lokalgeschichte seiner Heimat. Durchaus lesenswert – aber für Summorum Pontificum nicht unbedingt übersetzenswert. Von seinem zum Ende der ersten Fastenwoche in drei Teilen veröffentlichten Beitrag zum Appendix „Pro Aliquibus Locis“ des überlieferten Missales kann man das wirklich nicht sagen: Er ist im wahren Sinne weltumspannend. Hier unsere Übersetzung:

Es begint ein Zitat

I. Appendix „Pro Aliquibus Locis“

Diese Kapitelüberschrift können viele Leser ganz am Ende ihres Missales oder Breviers vorfinden. In den lateinischen Ausgaben „jucta typicam“ haben Sie es bestimmt schon einmal gesehen, aber auch in den etwas höherpreisigen Ausgaben zweisprachiger Messbücher. Manchmal wird diese Überschrift auch mit PAL abgekürzt. Wenn man genau hinschaut, sieht man, daß es sich bei diesem Abschnitt um Faszikel handelt, die in Bücher eingeheftet sind, die auch ohne sie vollständig wären. In anderen Worten: Die großen Verleger der Zeit vor dem Konzil konnten, bevor der Buchbinder ans Werk ging. je nach ihren Märkten entscheiden, ob sie diesen Teil mit berücksichtigen wollten.

Ich spreche hier nicht von den nationalen oder diözesanen Anhängen; auch die Orden hatten solche. Auch diese werden getrennt gedruckt und können je nach Bedarf eingebunden werden – aber der PAL ist etwas anderes. Er wird in der Regel in Bücher eingebunden, die für den Verkauf an Kleriker auf der ganzen Welt bestimmt sind.

Der PAL ist ein faszinierendes Zeugnis für Kontinuität und Diskontinuität in der Epoche vor dem zweiten vatikanischen Konzil. Die Liturgie war in diesen Zeiten nicht in Stein gemeißelt. Sie war in unaufhörlicher Entwicklung – aber auf organische Weise. Diese Entwicklung fand hauptsächlich im Kalendarium statt. Diözesen oder ganze Nationen erbaten in Rom die Genehmigung für die Einhaltung besonderer Festtage. Oft hatte jemand die Idee dazu von jemandem anderen bekommen. Und die Indulte für besagte Proprien wurden dann letztlich, um nur eine Möglichkeit anzuführen, für „alle Länder unter der Hoheit seiner allerkatholischsten Majestät des Königs“ erteilt.

Wenn ich so darüber nachdenke, so muß dieser Ablauf schon in sich Anstöße zu der Kultur gegeben haben, die er zum Ausdruck brachte.

II.

Und was sagt uns nun der Appendix Pro Aliquibus Locis über das Leben und die Liturgie? Die Fastenliturgie der römischen Kirche war ehedem eine sehr nachdrückliche, aber doch nüchterne und formelle Angelegenheit. Der Papst hatte an jedem Tag seine Stationskirchen zu besuchen, wobei er vom Klerus und dem ganze Hofstaat begleitet wurde. Die liturgischen Texte bezogen sich oft auf die jeweils zu besuchenden Kirchen, aber nicht auf Einzelheiten der Leidensgeschichte des Herrn. Sie hatten nichts von der vielfarbigen und emotionalen Expressivität spätmittelalterlicher oder nachreformatorischer Frömmigkeit.

Einige Leser werden sich an die Worte von Edmund Bishop über die Charakteristika des klassischen römischen Ritus erinnern: „Diese Einfachheit, diese Sachgemäßheit, dieser Ernst“. Dem stellte er „das Überschwenglische, das Gefühlvolle und das Hingbungsvolle“ gegenüber. Und er schloss: „Wenn ich in nur zwei oder drei Worten die wesentlichen Merkmale benennen sollte, die die Größe des Römischen Ritus ausmachen, dann würde ich sagen, daß das im Wesentlichen Nüchternheit und Vernunft dieses Ritus sind.“ Hier kam es (im Ausgang des Mittelalters) zu Veränderungen, und der PAL ermöglicht einen Einblick darauf, was da geschah. Für jeden Freitag der Fastenzeit stellte der PAL (nach den Daten von 2024) folgende Optionen als Gegenstände frommer Betrachtung bereit:

16. Februar: Die Dornenkrone;
23. Februar: Lanze und Nägel;
1. März: Das Leichentuch;
8. März: Die Fünf Wunden;
15. März: Das Kostbare Blut.

Hier kann man sehen, wie die gefühlsbetonte Frömmigkeit der Gegenreformation die emotionalen Erwartungen von Klerus und Volk an die Liturgie verändert haben.

Selbst in unseren a-religiösen Zeiten ist das nicht völlig verschwunden. Die farbig gefassten Holzstatuen (Fr. Hunwicke hat hier die in Spanien zu Prozessionen vor allem am Karfreitag mitgeführten Statuen im Auge), die Gregor Fernandez geschnitzt hat, haben jeden Karfreitag ihren Auftritt. (Der Holzschnitzer) Juan Martinez Montanes war persönlich ein tief religiöser Mensch. Francisco de Zubaran ist immer noch einer der Großen der westlichen Kunst. Ihre Kunstwerke waren in gar keiner Weise billig oder leicht herstellbar. Im Prozess ihrer Herstellung spielten die Bruderschaften (cofradias) eine große wirtschaftliche Rolle. Aber an dem, wofür die Leute Geld auszugeben bereit sind, kann man erkennen, was sie für wichtig halten.

III.

Der Appendix pro Aliquibus Locis enthielt neben den Messen unsere Herrn auch viele Messen Unserer Lieben Frau unter ihren verschiedenen Titeln. Hierzu eine kleine persönliche Erinnerung.

Als ich ein kleiner Junge war, lebte ich in Clacton on Sea, wo es eine prächtige katholische Kirche im (hierzulande unüblichen) neoromanischen Stil gab – mit Allerheiligstem und allem, was dazu gehört. Ich war sehr davon angetan, und gerne blätterte ich durch die Bücher, die am Büchertisch zum Verkauf standen. Was man daraus nicht alles lernen konnte! Gibt es dieses Apostolat eigentlich heute noch irgendwo? Die Kirche war „Unserer Lieben Frau vom Licht“ geweiht – dafür gibt es in keinem Kalender ein Fest. Aber offensichtlich hatten Gläubige, als die Wallfahrt zu unserer lieben Frau in Cornwall war, Bischof Graham um die Erlaubnis zur Gründung einer frommen Gemeinschaft gebeten. Diese Erlaubnis gewährte er am 14. Mai 1893, der in diesem Jahr auf den Sonntag in der Oktav von Ostern fiel. Und als Titularfest bestimmte der Erlass „den Sonntag in der Oktav und Fest unserer Lieben Frau vom Licht, Braut des Heiligen Geistes“ – das, wie es in dem kleinen Buch stand, „kürzlich von Rom zugestanden worden ist“.

Dieses Fest brachte es soweit ich weiß nicht zur Aufnahme in „Pro aliquibus Locis“. Oder vielleicht war es ja auch eine Zeitlang drin und fiel dann wieder heraus? Hat irgendwer einen Draht zu den Archivaren von Plymoth oder Westminster, die man auf diese Frage ansprechen könnte?

Ich persönlich frage mich, wie es kommt, daß das Fest zwar gewährt, aber nicht in den PAL aufgenommen wurde. (Die Quellen machen ganz klar, daß wir es mit einem Sonntag und nicht einem Samstag zu tun haben.) Papst Pecci (Leo XIII.) war ein großer Verehrer der Mutter Gottes; jedes Jahr gab er im Herbst ein Schreiben an die ganz Kirche heraus, um die Gläubigen zum Gebet des heiligen Rosenkranzes aufzufordern. Hätte er ein solches Ersuchen abgelehnt, insbesondere dann, wenn der fragliche Sonntag überaus geeignet ist für ein „Fest unserer lieben Frau vom Licht, Braut des Heiligen Geistes“?

Aber zurück nach Clacton. In dieser (jetzt leider kaputt-renovierten) Neoromanischen Kirche gibt es eine Staue des hl. Ludwig-Maria von Montfort, Missionar Mariens, Apostel Britanniens und Verkünders marianischer Frömmigkeit. Ich weiß nicht genau, wann er in den PAL aufgenommen wurde, aber es war nach 1955, und vor nicht allzu langer Zeit ist er daraus auch wieder verschwunden – als seine Verehrung durch den ihm sehr ergebenen hl. Johannes Paul II. mächtigen Aufschwung erfuhr.

Das ist, so scheint mir, der übliche Weg, auf dem Heilige den PAL verlassen: Durch Aufnahme in den allgemeinen Kalender der Kirche.“

Soweit Fr. Hunwickes Überlegungen zum PAL – dem Anhang des Messbuches, der die Liturgien für Feste und Heilige enthält, die mit päpstlicher Erlaubnis nur in einigen Regionen der Weltkirche gefeiert werden. An einem der nächsten Tage werden wir auf diese vom Autor nur in einigen Strichen skizzierten Überlegungen noch einmal zurückkommen und versuchen, sie in die allgemeine Vorstellung von der „organischen Entwicklung“ der Liturgie einzuordnen.

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