Der alte und künftige Römische Ritus
Von Clemens Victor Oldendorf .
11. März 2024.
Ganz traditionell: Das Titelblat.
Als im Herbst 2022 die englische Originalausgabe The Once and Future Roman Rite. Returning to the Traditional Latin Mass after Seventy Years of Exile im Verlag TAN Books herauskam, bemühte ich mich ohne zu Zögern sogleich in Amerika um ein Rezensionsexemplar. Bis ich es glücklich in der Alten Welt in Händen hielt, zog es sich zwar bis in den März 2023 hin, aber am 5. Mai 2023, im traditionellen liturgischen Kalender das Fest des heiligen Dominikanerpapstes Pius‘ V., konnte ich das neuerschienene Werk in einer recht umfassenden Buchbesprechung einem deutschsprachigen Publikum zur Kenntnis bringen. Im wesentlichen könnte ich heute auf das dort Gesagte verweisen Der Vergötzung des Fortschritts die unerschöpfliche Fruchtbarkeit der Tradition entgegenstellen, möchte mich aber darauf nicht ganz beschränken, sondern die Gelegenheit ergreifen, diesmal teilweise andere Gesichtspunkte des weitgespannten Gedankenganges anzusprechen. Bei meiner Beschäftigung mit dem englischen Originaltext regte ich sofort eine Übersetzung ins Deutsche an. Der im niederbayrischen Metten ansässige St. Stephani Verlag hat diese im vergangenen November vorgelegt. Dieser Verlag steht ganz am Anfang, Kwasniewskis Buch unter dem deutschen Titel Der alte und künftige Römische Ritus. Die Rückkehr der traditionellen Lateinischen Messe nach 70 Jahren des Exils ist erst das zweite, das bisher überhaupt dort erschienen ist. Mit der hier vorgestellten Publikation hat sich der Verleger Stefan J. Schlattl für ein Niveau entschieden, das für weitere Titel in Zukunft bei St. Stephani bleibende Maßstäbe setzt, die verpflichten.
Offiziell ist nichts bekannt, jedenfalls in dem Buch nirgendwo ersichtlich, wer die Übersetzungsarbeit geleistet hat. Wer es auch immer gewesen ist, ihm ist vorab schon einmal insgesamt ein Kompliment zu machen. Um offen zu sein, war ich erleichtert, dies bei der Lektüre feststellen zu können, nach der enttäuschenden Erfahrung mit der auf weite Strecken unbeholfenen bis mangelhaften, bisweilen kaum lesbaren deutschen Übersetzung einer anderen von Kwasniewskis Veröffentlichungen, die ich ebenfalls rezensiert habe Der Gehorsam Petri und seiner Nachfolger – oder der Mangel daran « kathnews.
Anspruchsvolle Lektüre
Kwasniewskis Arbeiten stellen inhaltlich einen Anspruch an den Leser, dem auch die Qualität einer Übersetzung in angemessener Weise entsprechen muss. Andernfalls greift jeder, der des Englischen einigermaßen mächtig ist, besser und lieber zum Original. Wenn auch die Übersetzung im Falle von Der alte und künftige Römische Ritus grundsätzlich als gelungen zu bezeichnen ist, und dies nicht erst in Kontrastierung zum angeführten drastischen Gegenbeispiel, so gibt es doch Stellen und Passagen oder einzelne Formulierungen, an die ich Verbesserungswünsche knüpfen oder mit denen ich Korrekturvorschläge verbinden möchte. Ich greife nur ausgesuchte Beispiele heraus, und zwar solche, wo es unstrittig keineswegs um Geschmacksfragen des Sprachstils im Deutschen geht und man daher verschiedener Meinung sein und zu voneinander abweichenden Übersetzungsentscheidungen gelangen könnte, welche in ihrer Qualität und Berechtigung gleichwertig oder vergleichbar sind. Vielmehr werden bewusst ganz überwiegend solche Stellen angeführt, wo nach meinem Eindruck inhaltliche Tendenzen in der Übersetzung zum Vorschein kommen, die sich mir nicht vollständig mit der Aussageabsicht des Autors zu decken scheinen, wo offensichtliche Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind oder theologisch komplexe Aussagen vom Übersetzer offensichtlich nicht adäquat erfasst werden konnten. Letzteres wird von mir nicht allzu kritisch veranschlagt, da sich unserer Kenntnis entzieht, auf welchen fachtheologischen Hintergrund er zurückgreifen kann.
Freilich wäre es am besten, wenn es ein qualifiziertes theologisches Lektorat gäbe, das vor dem Erscheinen Übersetzungen noch einmal inhaltlich professionell gegenliest, aber das ist sicherlich mittlerweile ein Luxus, den man von einem kleinen, finanziell vermutlich noch bescheiden aufgestellten Verlag in einer für das gesamte katholische Verlagswesen herausfordernden Gesamtlage vermutlich nicht einfordern kann, ohne ihn damit in seinem Elan vor der Zeit auszubremsen, in dem man ihn ganz im Gegenteil nach Kräften fördern sollte. Die Schwierigkeiten, die wir vor Augen haben, betreffen ja die Nische der Überlieferungstreue verpflichteter Verlage ohne jegliche Stützung aus Kirchensteuermitteln sogar noch zusätzlich.
Ist „Traditionalist“ eine im Deutschen ängstlich zu vermeidende Selbstbezeichnung?
Kommen wir zum inhaltlichen Durchgang von Der alte und künftige Römische Ritus, so heißt es da im „Vorwort von Peter Kwasniewski“[1] laut der deutschen Übersetzung: „Ich wäre ein schlechter Traditioneller, wenn ich nicht in die Fußstapfen vieler Vorgänger treten würde! Vor Jahrzehnten sagte der deutsche Liturgiewissenschaftler Klaus Gamber, der neue Ritus dürfe nicht ritus Romanus, sondern müsse ritus modernus genannt werden. Michael Davies hat ähnlich argumentiert, ebenso wie die Priester Bryan Houghton, Roger-Thomas Calmel, Raymond Dulac und Anthony Cekada, um nur einige zu nennen. Man könnte im gleichen Atemzug die Kurze kritische Untersuchung erwähnen, [im englischen Sprachraum, Anm. CVO] besser bekannt als die ‚Ottaviani-Intervention‘. Joseph Ratzinger wählte diplomatisch eine andere Ausdrucksweise, sagte aber in seinen vorpäpstlichen [im Deutschen vielleicht wirklich besser: ‚in den Jahren, bevor er zum Papst gewählt wurde‘, Anm. CVO] Jahren vieles, was der Formulierung Gambers sehr nahe kommt.“[2]
Die angeführten Namen spannen vor dem Leser sehr schön das gesamte Spektrum der Schattierungen auf, die im Rahmen der traditionalistischen Verweigerung gegenüber den konziliaren und nachkonziliaren Reformen sehr bald sich abzuzeichnen begannen und bis heute bestehen, wenn auch das Gespräch miteinander anfänglich lebhafter war und die Grenzen der Auffassungen durchlässiger im wechselseitigen Austausch auf praktischer wie theoretischer Ebene. Nicht alle dieser Namen sind uns im deutschsprachigen Raum gleichermaßen geläufig. Wenn aber der Name Cekada aufscheint, so belegt es, dass Kwasniewski bekannte Vertreter des Sedisvakantismus, welcher wiederum verschiedene Nuancen kennt, nicht vom Diskurs ausschließt. Das ist einerseits Kennzeichen einer wissenschaftlichen Sachlichkeit und Redlichkeit, insofern die Stellung zur Frage der Amtsinhabe der nachkonziliaren Päpste die Verteidigung der überlieferten Liturgie nicht oder höchstens marginal beeinflusst.
Andererseits gewinnt Kwasniewski damit eine Offenheit und rechtverstandene Duldsamkeit im gemeinsamen Einsatz der unterschiedlichen katholischen Traditionalisten zurück, wie man sie aus den Anfängen des nachkonziliaren Widerstandes noch kennt und wie sie in dem Maße wahrscheinlich wieder notwendig werden, in welchem die Rechte und die Bewegungsfreiheit des überlieferten Glaubens und einer ihm entsprechenden Liturgie sowie theologischen Fundierung im Raum der offiziellen Institution der römisch-katholischen Kirche, sozusagen innerhalb ihrer Infrastruktur, wieder mehr und mehr geschmälert, immer mehr eingeengt und schließlich endgültig entzogen werden sollen. Die Scheu, sich in dieser Auseinandersetzung als Traditionalisten zu identifizieren und zu erkennen zu geben, ist fehl am Platze, und so lautet der Ausruf zu Beginn des angeführten Zitates im englischen Original denn auch: „I would be a bad traditionalist if I were not following in the footsteps of many predecessors!“[3] Der Terminus Traditionalist muss auch im Deutschen nicht verschämt in Fußnoten versteckt werden – in der Annahme oder Hoffnung, diese würden sowieso nicht so aufmerksam gelesen.[4] Das wäre auch schade, denn Kwasniewski verlegt öfters wichtige Bemerkungen in den Fußnotenapparat: „Es waren die Schriften von Kardinal Ratzinger, die mein Staunen über das Geheimnis der Liturgie, meinen Wunsch zu verstehen, was in unserer Zeit mit ihr geschehen ist, und meinen Eifer, das Verlorene wiederherzustellen, überhaupt erst geweckt haben. Er brachte mich auf einen Weg, der mit den ‚wahren Absichten des Zweiten Vatikanischen Konzils‘ begann, weiter zur Reform der Reform führte, kurz bei der ‚gegenseitigen Bereicherung‘ der ‚beiden Formen‘ Halt machte und schließlich zu einem uneingeschränkten Traditionalismus (oder Restaurationalismus, wenn Ihnen dieser Begriff lieber ist) führte.
Natürlich habe ich Ratzinger auf dieser letzten Etappe der Reise hinter mir gelassen; er scheint sich an der dritten Station zurückgezogen zu haben. Aber ich werde ihm immer dankbar sein, dass er in meiner Seele eine ungeheure Begeisterung entfacht und mich mit seinen großartigen Einsichten auf dem Weg begleitet hat“[5], bekundet er beispielsweise in einer Fußnote in seinem schon angeführten Vorwort. Hier geht es mir zwar mehr um die inhaltliche Tragweite der Aussage, aber vielleicht sei mir doch eine kleine, stilistische Bemerkung zur Übersetzung erlaubt: Wo der Übersetzer die vornehme Wendung „er scheint sich an der dritten Station zurückgezogen zu haben“ wählt, schreibt Kwasniewski im Englischen: „he seems to have retired at the third station“[6], was wohl eher: „er scheint an der dritten Station in Rente gegangen zu sein“ heißen soll und jedenfalls mehr von Kwasniewskis typischem Sinn für Humor aufblitzen ließe, der die Lektüre auch der schwierigeren Passagen seines Werkes durchgehend kurzweilig und intellektuell unterhaltsam gestaltet. Ich befürchte, dem deutschen Übersetzer schien das für Benedikt XVI. vor allem im Lichte von dessen Amtsverzicht als zu despektierlich, eine Befürchtung, die aus meiner Sicht unbegründet ist und auch den feinen, bayrisch gewürzten Humor unterschätzt, den Joseph Ratzinger hatte.
Auf der Suche nach der Tradition
Irgendwie beschreibt die Schilderung Kwasniewskis obendrein so etwas wie einen Synodalen Weg zur Tradition, möchte ich als Rezensent hinzufügen. Und auf diese Reise nimmt der Autor seine Leser mit, die in Der alte und künftige Römische Ritus seinen Denk- und Glaubensweg nach- und möglicherweise mitvollziehen. Dabei wird gedankliche Regsamkeit vorausgesetzt und der Horizont des Problembewusstseins geweitet: „Katholiken, die auf der Suche nach der Tradition sind, haben seit vielen Jahrzehnten eine Rückkehr zum Missale Romanum von 1962 und den dazugehörigen liturgischen Büchern befürwortet, die vor dem Erdrutsch der Veränderungen nach dem Konzil entstanden sind. Doch diese liturgischen Bücher fallen mitten hinein in eine Phase beschleunigter Veränderungen, die bereits tief in die Substanz des tridentinischen Erbes eingegriffen haben: die neue Osternacht von 1951, die neue Karwoche von 1955, der neue Rubrikenkodex von 1960 und so weiter. Das waren alles Übergangsprojekte, die auf die ‚totale Rekonstruktion‘ oder instauratio magna (um einen Ausdruck des Philosophen Francis Bacon zu verwenden) vorbereiteten, die im Jahrzehnt nach Sacrosanctum Concilium von 1963 stattfand. In einer Zeit des Chaos war das Missale von 1962 ein ‚Fels in der Brandung‘, wie Michael Davies es einmal nannte, aber zugleich ist es eine Insel, auf der man sich nicht dauerhaft niederlassen kann.“[7].
Leser aus dem Umfeld der Piusbruderschaft oder der Indulte ab 1984 und von Summorum Pontificum sowie dem Klima, das sie von 2007 bis 2021 gewohnt waren, können sich vielleicht leichter von der Vorstellung befreien, die liturgischen Bücher von 1962 verkörperten einen Idealzustand des Römischen Ritus, seit Papst Franziskus und Traditionis Custodes diesen Liturgiebüchern rundweg absprechen, überhaupt noch Ausdruck des Römischen Ritus zu sein. Natürlich ist dieser Klimawandel eine sachlich unzutreffende Behauptung und dennoch trifft es zu, dass die Editio typica von 1962 in wesentlichen Teilen nicht die unvordenkliche liturgische Tradition und Praxis von Jahrhunderten abbildet, sondern eine Transition, die überwiegend im günstigsten Falle vielleicht 15 (in Worten: fünfzehn!) Jahre in der gesamten Lateinischen Kirche in Geltung war.
Seltsame Verbindlichkeit im Vorläufigen
Ist diese Schwierigkeit, offen gestanden: sind die in den liturgischen Büchern von 1962 angelegte Mangelhaftigkeit und Kurzlebigkeit einmal erkannt, kann man mit Kwasniewski feststellen: „Man kann und sollte erwarten, dass ein Ritus ab einem bestimmten Punkt relativ beständig und unveränderlich ist, sodass es eher ein Kompliment als eine Kritik ist, wenn man von ihm sagt: ‚Er hat sich im Lauf von vierhundert Jahren kaum verändert‘, was man vom Römischen Messbuch im Zeitraum von 1570 bis ca. 1950 sagen kann.“[8] Aus diesem Zitat lässt sich in Zusammenschau mit im gesamten Buch immer wieder gemachten Bemerkungen schließen, dass Kwasniewski wohl die Editio typica von 1920 als Orientierungspunkt bis vor die rituellen Umgestaltungen der Osternacht von 1951 ansieht, von dem aus echt traditionelle Römische Liturgie organisch zurückerobert werden kann, und wie gesagt wird diese Schlussfolgerung nicht bloß von Kwasniewskis Argumenten nahegelegt, viel stärker von den Behauptungen des regierenden Papstes und den rechtspostivistischen Festlegungen und Engführungen in Traditionis Custodes.
Ob es realistisch oder überhaupt angemessen ist, weiterhin den Gebrauch von Kirchen zu beanspruchen, in denen eigentlich die Reformliturgie Pauls VI. als der einzige Ausdruck des Römischen Ritus gilt, würde ich als Rezensent zunehmend verneinen. Ebenso kann man kaum erwarten, dass eine Priesterausbildung innerhalb der offiziellen Strukturen gewährleistet bleibt oder dort ordensähnliche Gemeinschaften lebensfähig bleiben, die in Liturgie, Theologie, Spiritualität und Glaubenspraxis einer von den sogenannten Reformern im wesentlichen negierten Überlieferung entsprechen. Inwieweit der Autor in dieser Einschätzung mit mir momentan deutlich übereinstimmt, vermag ich nach der Lektüre nicht eindeutig einzuschätzen. Langfristig sind wir uns sicher einig, dass die Reform keineswegs so irreversibel ist, wie Papa Bergoglio es lieb wäre. Irreversibel soll ja wohl nur noch dessen eigene Vision für die Kirche sein, aber da bin ich sehr sicher, dass sich Vision im Endeffekt als Illusion erweisen wird, wenn auch vielleicht nicht so unmittelbar und schnell, wie Franziskus das Erbe Benedikt XVI. ausmerzen und dessen ganzes Pontifikat praktisch ungeschehen machen will. Freilich, daran trägt Papa Ratzinger mit dem Akt des Amtsverzichts eine gewisse Mitschuld; hat er doch letztlich selbst, und nur er allein konnte es tun, sein Pontifikat im doppelten Wortsinn abgebrochen.
Liturgie ist keine Frage der individuellen Vorliebe oder Neigung: „Dieser Eindruck hätte jedenfalls in der Zeit der Gültigkeit [hier sollte es besser Geltung heißen, aber an dieser Stelle löst sich die Übersetzung ohnehin ziemlich von der Formulierung und dem Aufbau des englischen Wortlauts[9], auch wenn dessen Sinn getroffen wird, Anm. CVO] von Summorum Pontificum entstehen können. Mit Traditionis Custodes hat Franziskus die ursprüngliche Haltung Pauls VI. erneuert, die von Intoleranz und [von, Anm. CVO] Verachtung gegenüber der Wahrheit geprägt war, dass die Tradition konstitutiv für den Katholizismus ist (und nicht lediglich ein ‚Charisma‘ für einige wenige Erwählte [hier ist die Übersetzung elitärer als das englische Original, wo select, nicht elect steht, Anm. CVO]. Zu viele, die es sich unter Summorum Pontificum bequem gemacht haben [richtiger: hatten, Anm. CVO], reagierten auf diesen neuerlichen Angriff mit Appellen an das Gute [im Deutschen besser: an das Gut oder auch: an den Wert] der liturgischen Vielfalt und Freiheit, ohne zu erkennen, dass diese ‚Leben und Lebenlassen‘- Haltung [besser: diese Haltung des ‚leben und leben lassen‘, Anm. CVO] nichts weiter als ein gigantisches Ausweichmanöver ist.“[10]
Was Kwasniewski damit meint, fasst er eingangs des fünften Kapitels noch einmal gut zusammen: „Jeder Katholik in der Welt – wenn es doch nur alle Katholiken wüssten! – ist Papst Benedikt XVI. dafür zu Dank verpflichtet, dass er die traditionelle lateinische Messe mit dem Motu Proprio Summorum Pontificum ‚befreit‘ hat, auch wenn dieses Motu Proprio gnadenlos ausgelöscht wurde, während sein Verfasser noch in unmittelbarer Nachbarschaft lebte – denn seine positiven Auswirkungen waren zahlreich und tiefgreifend und werden in ihrer Kraft den kurzlebigen Rückschlag von Traditionis Custodes überdauern.“[11] Greifen wir noch weiter vor auf das zwölfte und letzte Kapitel[12] von Der alte und künftige Römische Ritus, so resümiert Kwasniewski, wenn er seine Vision für einen künftigen, wieder authentisch und substantiell wie formal unstrittig traditionskonformen Römischen Ritus noch einmal skizziert: „Das Problem päpstlicher Einmischung in die Liturgie reicht zwar viele Jahrhunderte zurück, doch ein Abgrund trennt alles, was Päpste vor dem 20. Jahrhundert taten, von dem, was Pius X. 1911 für das Brevier, Pius XII. in den 1950er Jahren für die Karwoche und den Kalender und Paul VI. in den Jahren 1965-1975 für absolut alles, was den Gottesdienst betrifft, getan haben.“[13]
Die kritische Stoßrichtung dieser Aussage wird zwar deutlich, aber im Deutschen hat die Formulierung: „etwas für etwas tun“ normalerweise eine positive Bedeutung, hat eine Konnotation von Fürsorglichkeit und deutet eine Wohltat an, die jemandem oder etwas erwiesen wird. Dafür gibt es im englischen Text, der zugrundeliegt, keinen Anhaltspunkt, wo durchgehend die Formulierung: „to do something to something“ gewählt ist.[14] Es müsste also vielmehr lauten: „[…] was Pius X. 1911 dem Brevier angetan hat, Pius XII. in den 1950er Jahren der Karwoche und dem Kalender und was Paul VI. in den Jahren von 1965 bis 1975 absolut allem angetan hat, was mit dem Gottesdienst verbunden ist“, wenn man nicht abmildern will, was der Autor tatsächlich sagt, der dann fortfährt: „An dieser Stelle sei hinzugefügt, dass das Messbuch von Johannes XXIII. nicht nur das mangelhafte Material seines Vorgängers enthält, sondern auch einen problematischen Rubrikencode [sic!, hier sollte im Deutschen am besten die lateinische Bezeichnung Codex Rubricarum beibehalten werden, wer unbedingt will, könnte Rubrikenkodex übersetzen, Anm. CVO] aus dem Jahr 1960, der zwar einige von Pacelli hinterlassene Probleme löst, aber Neuerungen einführt, die den Novus Ordo vorwegnehmen [richtiger: in denen der Novus Ordo seine Schatten vorauswirft[15], Anm. CVO].“[16].
Machbarkeitsphantasien in der Liturgie und ihr Ursprung im 19. Jahrhundert
Das eigentliche Problem bei alldem ist die Vorstellung, in der Liturgie gäbe es so etwas wie einen wesentlichen Kern, der – auch für den Papst – unantastbar ist, aber solange dieser Kernbestand unangetastet bleibe, könne jedenfalls die höchste kirchliche Autorität alles andere praktisch nach Gutdünken, um nicht zu sagen willkürlich umgestalten und verändern. Die Wurzel dieser Auffassung ist in der scholastischen Sakramententheologie zu suchen, denn an die sakramentale Gültigkeit sind demnach hinsichtlich des eigentlichen Ritus gewissermaßen sehr geringe Anforderungen gestellt. Solange Materie und Form intakt sind, wird die Gültigkeit grundsätzlich bejaht. Bei der Eucharistie wären dies Brot und Wein und die Wandlungsworte im engeren Sinne, wobei es dabei nicht einmal auf einen exakten Wortlaut ankommen muss, solange der Sinn der Aussage durch den geweihten Priester, der spricht, nicht verfälscht wird. In der Scholastik, das muss man fairerweise dazusagen, war das Bewusstsein lebendig, dass Materie und Form in einen größeren Kontext eingebettet sein müssen, von dem sie integraler Bestandteil sind, am Beispiel der Eucharistie also in den Canon Missae, der seinerseits wiederum Herzstück des vorausgehenden und des ausklingenden Messritus ist. Erst in der Neuscholastik des 19. Jahrhunderts konnte eine isoliertere Sicht entstehen, die Kwasniewski treffend mit der Bezeichnung Reduktionalismus belegt, man könnte auch von einem Gültigkeitsminimalismus sprechen, dem ein Maximalismus an behaupteter, sonstiger Gestaltungsfreiheit aufseiten der kirchlichen Obrigkeit korrelieren soll.[17]
Kwasniewski zieht einen anschaulichen Vergleich, um die Verfehltheit einer solchen Sichtweise zu erweisen:„Die Messe auf eine gültige Weihe [sic!, an dieser entscheidenden Stelle ist es unerfindlich, wieso der Übersetzer das englische ‚consecration‘[18] nicht ebenso einfach wie präzise mit ‚Konsekration‘ oder meinetwegen mit ‚Wandlung‘ wiedergibt, obwohl darin Ursache und Wirkung strenggenommen miteinander identifiziert würden, Anm. CVO], zu reduzieren ist so, als würde man den ehelichen Akt auf die erfolgreiche Empfängnis eines Kindes reduzieren. Ich hoffe inständig, dass niemand so töricht ist, den ehelichen Akt als die Empfängnis eines Kindes zu definieren. Der eheliche Akt ist natürlich auf die Empfängnis eines Kindes ausgerichtet, aber er hat seine eigene Realität, seinen eigenen Sinn, der mehr umfasst als die Empfängnis, er ist Ausdruck der ehelichen [hier hat das englische Original ‚spousial‘[19], was eher ‚bräutlichen‘ bedeutet, Anm. CVO] Liebe, die in neuem Leben gipfeln soll.“[20] Fußnoten werden bei der Lektüre von Büchern häufig vernachlässigt, deswegen möchte ich zum Thema Reduktionalismus abschließend anführen, was Kwasniewski dazu in einer Fußnote bemerkt: „Als Thomist vertrete ich die Auffassung, dass es tatsächlich einen Moment der Konsekration gibt […] Schaut man sich jedoch q. 83 in der Summa theologiae III an, so stellt man fest, dass der heilige Thomas alles andere als ein liturgischer Reduktionalist ist. Seine Methode, von der Komplexität der Messe auszugehen, wie er sie vorfindet, und die Bedeutung und den Wert eines jeden ihrer Teile zu erkennen, impliziert den Respekt, [ab hier verbessere ich die Übersetzung, die sich im Deutschen findet, wie folgt: ‚den diejenigen vor ihr haben müssen, die sich des Messritus bedienen‘, Anm. CVO]. Scholastische Präzision muss nicht in neoscholastischen Reduktionalismus ausarten.“[21].
Der Römische Kanon als Merkmal und Kennzeichen der Lateinischen Liturgie des Westens und der Zugehörigkeit zu ihr
Schon in meiner eingangs erwähnten Buchbesprechung zur englischen Originalausgabe wurde das achte Kapitel, das dem Canon Missae gewidmet ist, ausführlich behandelt. Dessen Bedeutung wird durch die Besonderheit unterstrichen, in der Römischen Liturgie und in der ganzen Lateinischen Kirche des Westens traditionell der praktisch alleinige Text eines eucharistischen Hochgebetes zu sein, während es ganz allgemein gesprochen in der Ostliturgie immer schon wechselnde Eucharistiegebete gegeben hat, die dort als Anaphoren bezeichnet werden. Ab 1968 und dann im Messbuch Pauls VI. wurden zunächst drei alternative Hochgebete neben dem Römischen Kanon eingeführt, die frei ausgewählt werden können. Damit setzte sich die Liturgiereform vom ostkirchlichen Vorbild, dem man zu folgen vorgab, bereits wieder ab, denn die Verwendung einer bestimmten Anaphora unterliegt im Osten nicht dem Kriterium freier Auswahl, sondern ist bestimmten Festen und Anlässen verpflichtend zugeordnet. Im Deutschen sollte man übrigens nicht von einer Anaphora sprechen, wenn man den Römischen Kanon meint[22], sondern zum Beispiel von Hochgebet, Hochgebetstext oder vom Eucharistiegebet. Solange eine westliche Liturgie gemeint ist[23], ist es im Deutschen absolut unüblich, von Anaphora zu sprechen, der deutsche Plural lautet übrigens korrekt Anaphoren. Deswegen sollten auch die nachkonziliaren, inzwischen zehn zusätzlichen Hochgebete in der Übersetzung nicht als „(Neo)-Anaphorae“[24] oder als die „neuen Anaphorae“[25] oder schon vorher als die „neu konstruierten Anaphorae“[26]auftauchen, sondern immer als die neuen (Eucharistischen) Hochgebete bezeichnet werden, wie es wenigstens einmal auch richtig[27] geschieht.
Was in der Rezension, die ich zu The Once and Future Roman Rite schon vorgelegt habe, hinsichtlich des Canon Romanus und zum Mysterium fidei in der Kelchformel bereits enthalten ist, bleibt selbstverständlich auch für das deutsche Buch Der alte und künftige Römische Ritus aufrecht und muss hier nicht ausführlich wiederholt werden. Es können also jetzt andere Aspekte näher betrachtet werden, als bei der Besprechung der englischen Ausgabe. Hinsichtlich der Frage der Abwesenheit einer Wandlungsepiklese, die den Heiligen Geist im Kanon über die Oblata herabrufen würde, habe ich Gelegenheit, eine von mir in der früheren Rezension aufgestellte Behauptung zur diesbezüglichen Argumentation Valentin Thalhofers (1825-1891) richtigzustellen.
Struktur und Aufbau des Römischen Kanons als Indiz seiner Aussage über Kirche und Eucharistie
Bei seiner Beschäftigung mit dem Römischen Kanon setzt Kwasniewski an, indem er zwölf Textpassagen speziell herausgreift, die im Latein des liturgischen Textes zusammen mit einer volkssprachlichen Übersetzung jeweils vorangestellt werden, um in einer Analyse daraus zwölf dogmatische Wahrheiten zu erheben, die als konkrete Charakteristika die Aussage des römischen Eucharistiegebets und seine spezifische Eigenheit (gegenüber anderen liturgischen Traditionen oder Ritenfamilien) signifikant kennzeichnen.
Für diese nicht nur kompositorische, sondern theologische Struktur ist folgende Feststellung Kwasniewskis von besonderem Reiz: „Der römische Kanon streicht den Zweck des Opfers heraus, indem er gleich zu Beginn feststellt, dass es vom mystischen Leib für den mystischen Leib dargebracht wird, und das geschieht nicht auf eine verschwommene Art und Weise, sondern mit Blick auf seine hierarchische Struktur – das fehlt in den neu konstruierten Anaphorae [wie gesagt, wäre der deutsche Plural Anaphoren, spricht man aber hier ohnehin besser von Hochgebeten, Anm. CVO], die den ekklesialen Zweck des Opfers bis nach der Konsekration aufschieben. Es gab tatsächlich in der Mitte des 20. Jahrhunderts neunmalkluge Kritiker des römischen Kanons, die beklagten, dass der Kanon mit der Kirche und ihrem Aufbau beginnt, statt dass mit etwas ‚Theologischerem‘ begonnen wird wie der Trinität, oder etwas ‚Erhabenerem‘ wie dem Heilsplan, oder etwas ‚originär Historischerem‘ wie dem letzten [sic!, als feststehender Ausdruck sollte beides eigentlich großgeschrieben sein, Anm. CVO] Abendmahl.
Diese Kritiken zeigen nur spärliche Anerkennung für die Kirche als dem Leib der opfert und geopfert wird [hier lautete die Übersetzung theologisch präziser meines Erachtens : darbringt und dargebracht wird, Anm. CVO], in Einheit mit ihrem Haupt und Herrn, Jesus Christus, der Mensch wurde, um die Kirche aus seiner geöffneten Seite hervorgehen zu lassen, sie zeigen nur spärliche Anerkennung für die Kirche als dem Ort, an dem das Geheimnis der Dreifaltigkeit geoffenbart und verherrlicht wird; nur spärliche Anerkennung für die Kirche als dem zugrundeliegenden Prinzip der heilsgeschichtlichen Kontinuität, wie es [richtiger: sie, Anm. CVO] der heilige Augustinus in Der Gottesstaat gezeigt hat. Prosaischer ausgedrückt: Der Kanon spiegelt sowohl griechische philosophische Weisheit wider, die besagt, dass die letzte Ursache oder der letzte Zweck die ‚Ursache der Ursachen‘ ist (also die Ursache, die alle anderen Ursachen erklärt); als auch patristische Theologie, die stets den ekklesialen Rahmen der Liturgie betont. Dies ist das Opfer von der Kirche für die Kirche [da auch im Englischen ‚of‘ steht, nicht ‚by’und noch weniger ‚from‘, hieße es hier, auch von der theologischen Aussageabsicht her, in der Übersetzung besser: ‚das Opfer der Kirche für die Kirche‘, Anm. CVO], jederzeit in Einheit [im Englischen heißt es ‚union‘, nicht ‚unity‘, im Deutschen also besser: ‚in Vereinigung‘ Anm. CVO] mit ihrem Haupt, unserem Herrn Jesus Christus, der zugleich Hoherpriester, Opfer und Altar ist.“[28] In der Trias Hoherpriester – Opfer –Altar hat der englische Text „victim“[29]. Dieser Begriff kommt vom lateinischen victima, das uns wohl aus der Ostersequenz bekannt ist, in der Opferterminologie des Kanons aber nicht erscheint. Deswegen wäre dem Autor an dieser Stelle zu empfehlen, die Vokabel „sacrifice“, von lateinisch sacrificium, vorzuziehen oder eventuell „host“ von lateinisch hostia zu sagen, ein Wort, auf das wir später zu sprechen kommen.
Das angeführte Zitat ist reichhaltig in den Aspekten, die sich daran theologisch knüpfen, weswegen wir dabei noch etwas verweilen wollen: a) Kwasniewski kommt dabei nämlich nahe an die Empfehlung des Innsbrucker Liturgiewissenschaftlers Reinhard Meßner heran, das pro in der Wendung: „quae tibi offerimus pro Ecclesia tua sancta catholica“ mit: „Wir bringen sie [= die dona, munera und sacrificia, Anm. CVO] dar als (!) Deine heilige katholische Kirche“[30]. So komme, begründet Meßner, zum Ausdruck: „Die Gemeinde, die zur Eucharistie versammelt ist, ist eben nicht bloß eine fromme Gruppe in der Kirche, nicht bloß [abgeschottet und isoliert, Anm. CVO] eine von vielen ‚Teilkirchen‘, sondern sie ist die eine katholische Kirche“[31], oder anders gesagt, in jedem konkret gerade gefeierten Messopfer, zu dem sich eine bestimmte Gemeinde zusammenfindet, ist die katholische Kirche gegenwärtig und die handelnde Größe. In diesem Anspruch, in der Darbringung des Messopfers die katholische Kirche zu sein (!) beziehungsweise stellvertretend für die ganze katholische Kirche zu handeln (selbst, wenn außer dem Zelebranten nur noch der Ministrant oder eine winzige Zahl von Gläubigen zugegen sein sollte), ist die Nennung von Papst und Ortsbischof fundiert, wodurch die konkrete Gemeinde beansprucht, nicht etwa außerhalb der katholischen Kirche zu stehen. Hier handelt es sich also nicht um ein Gebet für Papst und Bischof, sondern diese werden als die Exponenten und Garanten von hierarchischer Einbindung und gleichermaßen des rechtgläubigen Bekenntnisses vorausgesetzt.
Bekanntlich ist es der heilige Ambrosius von Mailand, der uns um 390 als erster in seiner Schrift De sacramentis[32], wenn auch nur auszugsweise, Zitate aus dem ihm geläufigen Kanontext römischen Typs liefert, während er dessen übrige Teile paraphrasiert ihrem Inhalt nach angibt und uns so den Aufbau des Kanons bezeugt. Kwasniewski stellt in der zitierten Passage richtigerweise fest, dass in den neuen Hochgebeten dieser Aufbau nicht gewahrt ist, wohingegen Ratzinger, wahrscheinlich aus harmonisierendem Wunschdenken heraus oder aufgrund einer sich meldenden Einsicht, dass es wenigstens so sein müsste, wenn es in der Liturgie der Westkirche denn überhaupt wechselnde Hochgebete geben soll, einmal behauptet: „dass die neuen Hochgebete mit dem überlieferten Römischen Kanon dieselbe Struktur teilen; was wir an ihm exemplarisch bedenken, gilt sachlich ebenso von ihnen.“[33] „Schön wäre es“, könnte man darauf replizieren – oder lieber: „Dein Wort in Gottes Ohr!“.
Kwasniewskis Aussage, dass es im Römischen Kanon der Mystische Leib ist, der darbringt und dargebracht wird, lässt sich sehr schön mit dem Stellvertretungsgedanken verbinden, den Meßner im bereits zitierten Beitrag tiefschürfend herausgearbeitet hat, vor allem aber kann sie anschließen an das Fac nobis hanc oblationem im Mailänder Kanontext, dem Äquivalent zum Quam oblationem sowohl im rekonstruierten gregorianischen Kanon[34] als auch im textus receptus, wie wir ihn heute im tridentinisch kodifizierten Missale Romanum Dieser Text lautet: „Fac nobis hanc oblationem scriptam, rationabilem, acceptabilem, quod est figura corporis et sanguinis Domini nostri Iesu Christi.”Zu deutsch: „Mach uns diese Darbringung zu einer verzeichneten, logosgemäßen[35], annahmewürdigen, die da ist (!) ein Vorausbild (figura) des Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus.“ Dabei fällt auf, dass es sich hier nicht um eine Wandlungsbitte handelt, sondern es wird darum gebetet, dass die Darbringung von Brot und Wein bei Gott verzeichnet, eine dem Logos entsprechende, annehmbare Darbringung werde. Gleichsam als Begründung für die Annahmewürdigkeit wird angegeben, dass sie eine figura des Leibes und Blutes Christi ist. Lang weist eigens darauf hin, dass mit der Rede von der figura nicht eine Verneinung oder ein bloß bildhaftes Verständnis von Christi wahrer Gegenwart in der Eucharistie verbunden oder Ambrosius unterstellt werden sollte, dass es sich dabei vielmehr um einen Schlüsselbegriff typologischer Exegese im Bereich der Liturgie handelt, wie sie im Alten Testament Vorausbilder des Neuen Bundes sieht und in ihm eschatologische Erfüllung als antizipiert betrachtet.[36].
Wenn Kwasniewski den nicht nur im anglophonen Raum bekannten Priester und Theologen Father John Hunwicke offenbar zustimmend folgendermaßen zitiert: „Im römischen Kanon bedeutet Konsekration, dass wir dem allmächtigen Gott Brot und Wein darbringen, auf dass er [offensichtlich muss hier in der Übersetzung ein ‚sie‘ ergänzt werden, Anm. CVO] indem er sie annimmt, zum Leib und Blut seines Sohnes macht, in Übereinstimmung mit den Worten, die das fleischgewordene Wort gesprochen hat“[37], dann ist diese Aussage dogmatisch gesehen nur bedingt richtig. Zwar wird gerne suggeriert, in der Vorstellung eines Austauschs – wir bringen Gott Brot und Wein dar und empfangen dafür in der Kommunion Leib und Blut Christi – habe das ursprüngliche Verständnis des Kanongeschehens bestanden. Konsequent bedacht, würde dies bedeuten, dass der Eucharistie tatsächlich kein eigentlicher Opfercharakter zuzusprechen wäre, denn im Kommunionempfang für sich genommen kommt ja unbestritten allein ein Mahlcharakter zur Geltung. So argumentiert auch Meßner in seiner Interpretation des Supplices[38]. Dabei wird aber gerne übersehen, das das haec, das in diesem hochbedeutsamen Kanongebet vom Engel auf den himmlischen Altar übertragen werden soll, die oblatio bezeichnet, Leib und Blut Christi jedoch ex hac altaris participatione empfangen werden, also aufgrund der Teilhabe an diesem, dem irdischen, Altar. Vom Altar im Himmel her bitten wir, mit allem himmlischen Segen und mit Gnade erfüllt zu werden, also die heilige Kommunion fruchtbar und gnadenbringend zu empfangen, anstatt vergeblich oder gar zum Gericht; wie 1 Kor 11, 29 warnt. In diesem Sinne kann das Supplices wohl als Kommunionepiklese verstanden werden, nicht aber als eine Wandlungsepiklese, die den Heiligen Geist herabruft, damit er die Wandlung bewirke oder sie vollendet.
Kwasniewski sagt im Zusammenhang mit dem Hanc igitur: „Das Alter und die Romanitas des römischen Kanons zeigen sich an vielen Stellen, ein besonders anschauliches Beispiel ist das Hanc igitur. Hier ist Gott der Paterfamilias, derjenige, von dessen Wort Leben und Tod sämtlicher Familienmitglieder abhängen. Wenn der Vater das befehlende Wort ausspricht, wird das Opfer stattfinden, wenn Er es annimmt, wird es wirksam sein. Deshalb hat der römische Kanon keine epiklesis. Sie [sic!, richtig muss es heißen:‚Er‘, denn gemeint ist der Kanon, nicht die (ja gar nicht vorhandene!) Epiklese, Anm. CVO] geht der makedonischen [sic!, richtig muss es heißen: makedonianischen oder pneumatomachischen, Anm. CVO] Kontroverse über die Göttlichkeit [im Englischen steht ‚divinity‘[39]hier stünde im Deutschen folglich besser: ‚Gottheit‘, Anm. CVO] des Heiligen Geistes voraus und spiegelt eine patrizentistische Theologie wider, in der das Wohlgefallen des Vaters am Sohn, zusammen mit seiner Allmacht eine ausreichende Erklärung dafür ist, warum das Gebet der Kirche sich durchsetzt und der Leib und das Blut Christi auf dem Altar gegenwärtig werden.“[40] Die zahlreichen Korrekturen, besonders diejenige des Bezugsfehlers, die in diesem Zitat an der Übersetzung angebracht werden mussten, deuten darauf hin, dass der Übersetzer mit komplexeren theologischen Zusammenhängen bisweilen überfordert und mit der kirchengeschichtlichen Einordnung nicht immer vertraut ist. Theologe dürfte er daher jedenfalls nicht sein. Das zeigt sich auch in einer sehr mangelhaft übersetzten Fußnote, in der Kwasniewski philosophisch die Kenntnis dessen voraussetzend, was Hylemorphismus meint, um sehr fachterminlogisch die Transsubstantiation zu erläutern.[41].
Wie wir soeben an dem Zitat gesehen haben, möchte Kwasniewski über das Fehlen einer Heiliggeistepiklese auf das Alter des Kanontextes schließen. Die Häresie der Pneumatomachen, die er zu diesem Zweck anspricht, bestand darin, die Wesensgleichheit des Heiligen Geistes mit dem Vater und dem Sohn abzulehnen. Begründet wurde sie von Makedonios von Konstantinopel, ab 342 Patriarch auf dem dortigen Bischofsstuhl. 360 aus politischen Gründen abgesetzt, starb er um 364. Seine Lehre wurde vom Ersten Konzil von Konstantinopel 381 als Häresie verurteilt.[42] Wenn wir uns zurückerinnern, dass der römische Kanontext zuerst um 390 von Ambrosius als in Mailand schon lange im Gebrauch stehend bezeugt und in wesentlichen Abschnitten erstmals wörtlich zitiert wird (soweit uns antike Quellen erhalten sind) und auch dort eine solche Wandlungsepiklese fehlt, passt das sehr gut zu Kwasniewskis Datierungsansatz.
Im Anschluss an Anton Baumstark geht Lang davon aus, dass der lateinische Text des Kanons nicht lange nach der Mitte des 3. Jahrhunderts in Rom eingeführt wurde.[43] Es lässt sich noch hinzunehmen, dass liturgisch gebrauchte Bibelzitate im Römischen Kanon, insbesondere im Einsetzungsbericht mit den Herrenworten, am Wortlaut der Fassung der Vetus Latina festhalten, also vor der später so genannten Vulgata, mit deren Erstellung der heilige Hieronymus von Papst Damasus I. beauftragt wurde.[44] Dessen Pontifikat währte von 366 bis 384, so dass man einen weiteren Anhaltspunkt bekommt, einen Kernbereich des Römischen Kanons relativ weit vor die Arbeit an der Vulgata und damit zugleich vor das erstmalige Auftreten der theologischen Debatten um die Gottheit des Heiligen Geistes zeitlich einzuordnen.
Der Heilige Geist – der große Unbekannte im Eucharistiegebet Roms?
Wie schon angekündigt, möchte ich an dieser Stelle meine ursprüngliche Rezension zur englischen Originalausgabe The Once and Future Roman Rite in aller gebührenden Kürze in einem Punkt korrigieren. Dort hatte ich gesagt, Thalhofer habe nie genauer begründet, warum er die Existenz einer (Wandlungs-)Epiklese im Römischen Kanon verneint und auch nicht, wie heutzutage modifiziert anscheinend von Reinhard Meßner vertreten, das Supplices als solche akzeptiert. Die Begründung hat Thalhofer jedoch durchaus gegeben. In seinem Handbuch der katholischen Liturgik führt er insgesamt fünf Argumente an, warum es im Römischen Kanon keine, die Herabkunft des Heiligen Geistes über die Oblata erflehende Epiklese gibt beziehungsweise, warum es sie auch nicht geben muss.[45] Er scheint seine Begründungen nach der Überzeugungskraft geordnet zu haben, die er ihnen selbst beimisst, und so ist das erste Argument, auf dessen Wiedergabe ich mich hier beschränken muss, vielleicht auch gleich das interessanteste: Dass die Epiklese im Kanon fehlt, sei nicht Mangel oder Lücke dieses Hochgebets, sondern ein spezifisches Charakteristikum des Ritus von Rom:
„Sollte das Vorhandensein der Epiklesen in den griechischen und orientalischen Liturgien wirklich in die Zeit der Apostel hinaufreichen, auf apostolischer Tradition beruhen, so folgt daraus keineswegs, daß auch alle abendländischen Liturgien, speciell die römische, solch eine Epiklese haben müssen […], findet sich ja in den griechischen und orientalischen Liturgien […] gewiß außer den Epiklesen noch gar manches Schöne und Belangreiche, was in die Apostelzeit zurückreicht und gleichwohl in den abendländischen Liturgien uns nicht begegnet. Es wird von Anfang an neben den von allen Aposteln eingehaltenen wesentlichen liturgischen Formen auch noch singuläre gegeben haben, welche die einzelnen Apostel kraft ihrer apostolischen Gewalt in den von ihnen gegründeten Kirchen […] einführten […]. So wird es bezüglich der Epiklesen im Orient und unter den Griechen gewesen sein […]. Daß auch der hl. Petrus in die römische Liturgie eine Epiklese nach Art der griechischen habe aufnehmen müssen, wird wohl kaum jemand behaupten, daß er aber gleichwohl thatsächlich eine solche aufgenommen habe, läßt sich meines Erachtens nicht beweisen.“[46] Der letzte Satz dieses Zitates bedeutet freilich nicht, dass Thalhofer die naive Auffassung vertreten hätte, der heilige Petrus, der zwischen 64 und 67 den Martyrertod gestorben ist, habe sich vorher noch an den Schreibtisch gesetzt und den Kanon verfasst. Thalhofer will damit indes durchaus sagen, dass auf Petrus als Gründer der Kirche von Rom die Struktur des Kanons zurückgehe und dass es daher eine legitime, singuläre Erscheinung ist, wenn die Struktur des römischen Eucharistiegebets keine Epiklese um den Heiligen Geist vorsieht.
Figura und hostia als Schlüsselbegriffe im Römischen Kanon und im Umfeld der Konsekration
Kommen wir zurück auf das von Kwasniewski übernommene Zitat von Hunwicke, das hier der besseren Übersicht wegen noch einmal wiederholt werden soll: „Im römischen Kanon bedeutet Konsekration, dass wir dem allmächtigen Gott Brot und Wein darbringen, auf dass er [sie,] indem er sie annimmt, zum Leib und Blut seines Sohnes macht, in Übereinstimmung mit den Worten, die das fleischgewordene Wort gesprochen hat“[47] Die Aussage ist nicht völlig falsch, denn richtig daran ist, dass die gehäuften Annahmebitten des Kanons und seine dabei stark juristisch geprägte Sprache ein Charakteristikum des Römischen bilden. Um an ein ursprüngliches Kanonverständnis und zugleich an eine Kanonhermeneutik anzuknüpfen, wie sie die dogmatischen Lehraussagen des Konzils von Trient (1545-1563) bestimmt hat, und um dahinter nicht zurückzufallen, muss man zunächst daran erinnern, dass die Kirche nicht einfach Brot und Wein darbringt, sondern darin bereits vor dem Einsetzungsbericht die figura von Leib und Blut Christi. Dies im Bewusstsein zu halten, bedeutet gerade, ein frühes Kanonverständnis nicht zu vergessen (oder wiederzugewinnen), auch wenn das Quam oblationem schon im gregorianischen Kanon die Rede von der figura ausgeschieden hatte und zur Bitte um Wandlung umformuliert war, wie wir sie noch heute finden. In der ursprünglichen Wendung ist zusätzlich eine Selbstdarbringung der Kirche ausgedrückt, insofern sie Leib Christi ist[48], die wir weiterhin oder wieder klarer vor Augen haben sollten. Wie im Kanontext des Ambrosius die Formulierung quod est figura corporis et sanguinis Domini nostri Iesu Christi dem Einsetzungsbericht unmittelbar vorausgeht, so tritt gleich an diesen anschließend in allen Entwicklungsstufen des Kanontextes erstmals ein neuer Opferterminus auf: die hostia.[49] Der neu hinzukommende Terminus hostia belegt, dass mit dem Einsetzungsbericht und dem Aussprechen der Worte Christi in ihm, die Vorstellung einer signifikanten Veränderung verbunden ist, so dass alsbald danach eine neue Qualität als nunmehr eingetreten angenommen und geglaubt wird, die man bis zum oder vor dem Einsetzungsbericht als noch nicht bestehend ansieht.[50].
Widerspruch und Zustimmung zu Hunwicke und Kwasniewski
Diese Einsicht veranlasst uns nun, die Lehraussagen und die Canones von Trient zur Eucharistie als Opfer und Kommunion sowie zum Sakrament der Priesterweihe hinzuzuziehen und so zu zeigen, warum und worin Hunwicke zu widersprechen ist: Nach der Lehre des Konzils von Trient über das Weihesakrament werden Leib und Blut Christi nicht bloß als Sakrament empfangen, sondern bilden zuerst und vorher den eigentlichen Gegenstand des Messopfers und seiner oblatio, denn das Priestertum des Neuen Bundes, welches ein sichtbares und äußeres ist, überträgt hinsichtlich der Eucharistie die dreifache Vollmacht, den Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus zu konsekrieren, darzubringen und zu spenden, nämlich die potestas consecrare corpus et sanguinem eius, die potestas offerendi corpus et sanguinem eius und schließlich die potestas ministrandi corpus et sanguinem eius.[51] Es ist hier also gerade nicht (!) von einer Vollmacht die Rede, Brot und Wein, panem et vinum darzubringen, und zwischen der Vollmacht zur Konsekration, die an erster Stelle genannt wird und der p. offerendi als zweitem Glied, wird deutlich differenziert. Dass die p. ministrandi corpus et sanguinem eius die Kommunionspendung im Auge hat, ergibt sich aus der Aussageabsicht des Konzils von Trient ebenso wie aus der Chronologie des liturgischen Geschehens im Verständnis des Tridentinums: Zuerst erfolgt die Konsekration des Leibes und Blutes Christi, damit verbunden, aber eben doch nicht völlig mit der Konsekration koinzidierend, sondern darüber hinausreichend, seine Darbringung. Im logisch letzten Schritt können der wahre Leib und das Blut des Herrn nur als konsekrierte und dargebrachte im heiligen Sakrament als Kommunion gespendet und empfangen werden. Im zugehörigen Canon wird derjenigen, der sagt, im Sakrament der Weihe werde nicht die Vollmacht übertragen, den wahren Leib und das Blut des Herrn, verum corpus et sanguinem Domini, zu konsekrieren und darzubringen, dem Anathema unterworfen.[52] Damit will ich weder gegen Father Hunwicke noch gegen Peter Kwasniewski, insofern er ihm zustimmt, die Keule des Kirchenbanns schwingen, denn wie sich gleich zeigen wird, kann die Aussage sowohl mit einem typologischen Kanonverständnis, Stichwort: figura, als auch mit der tridentisch-dogmatischen Fixierung in Einklang gebracht werden.
Johann Nepumuk Diepolder (1847-1915)[53], ein Schüler Valentin Thalhofers und 1872 für das Bistum Augsburg zum Priester geweiht, hat in seiner Würzburger Dissertation von 1876, die ein Jahr später als Buch erschien und die er Thalhofer, seinem Lehrer an der Universität und Erzieher im Herzoglichen Georgianum zu München gewidmet hat, gemeint, die Auffassung vertreten zu müssen, die p. offerendi decke sich vollkommen mit der p. consecrandi und gehe in ihr auf. Es liege lediglich eine sprachliche Variation im Ausdruck vor, der jedoch ein und dieselbe Vollmacht bezeichne. Es handle sich dabei schlicht um das Stilmittel des Pleonasmus, das man im Griechischen und Lateinischen gerne verwende, um einen Begriff oder eine Aussage zu betonen, beziehungsweise inhaltlich zu schärfen.[54] „Dem unbefangenen Geistesauge des Theologen [und lateinischen Philologen, Anm. CVO]“[55] hätte sich indes vielmehr zeigen müssen, dass hier nicht einfach eine sprachliche Häufung im Ausdruck vorliegt, sondern ganz gezielt und bewusst eine Unterscheidung getroffen wird, denn andernfalls müsste man ja behaupten, auch die p. ministrandi, die im tridentinischen Lehrdekret auftritt, müsse mit der p. consecrandi et offerendi gleichgesetzt werden. Im Falle der Kommunionspendung ist es jedoch völlig evident, dass sie nicht in einem , gemeinsamen Akt mit der Konsekration und Darbringung übereinstimmt oder zusammentrifft. In seiner gegenteiligen, auch noch ziemlich überheblich vorgetragenen Position verrät sich Diepolder wohl in dieser Hinsicht als typisch neuscholastischer Reduktionalist und schien entweder nicht zu wissen oder absichtlich zu verschweigen, dass der von ihm grundsätzlich bewunderte Thalhofer eine klare Ausdifferenzierung von p. consecrandi und p. offerendi annimmt.[56].
Da nach der Lehrformulierung des Konzils von Trient der wahre Leib und das Blut des Herrn, nicht Brot und Wein dargebracht werden, ist eine eigene p. offerendi im strikten Sinne nur unter der Annahme eines klar zu bestimmenden Konsekrationsmomentes denkmöglich, mit dem und in welchem die Betätigung der p. offerendi einsetzen mag, über den sie aber hinausreicht und namentlich während der Kanongebete des Unde et memores, des Supra quae, des Supplices und des Nobis quoque peccatoribus andauert, um nach meinem Dafürhalten spätestens mit dem Vermischungsritus abgeschlossen zu werden, der vom Gebet Haec commixtio begleitet wird.
Eine figurativ-typologische Sicht auf den Leib Christi unter Integration seiner ekklesialen Dimension eröffnet eine Perspektive, die tridentinisch ausgesagte p. offerendi innerhalb des Kanons ebenfalls schon ante consecrationem waltend zu finden, in einem erweiterten und mehr uneigentlichen Sinne sogar schon während der Darbringung der bereiteten Hostie und des Kelches[57], was die aus der Opfersprache des Kanons entlehnte Terminologie der Gebete des römisch-tridentinischen Offertoriums meines Erachtens weit befriedigender erklärt, als das Stilmittel einer auf die erfolgte Konsekration vorausgreifenden Prolepsis der Ausdrucksweise und in den Bezeichnungen für die Gaben von Brot und Wein. Bei solch einer Zusammenschau von frühem, patristischem Verständnis des Römischen Kanons mit der tridentinischen Kanonhermeneutik und dogmatischen Festlegung kann die hier eingehend erörterte, von Kwasniewski – vielleicht nicht ganz durchdacht – ungewöhnlich unkritisch übernommene, Formulierung Hunwickes als theologisch korrekt interpretiert werden, während sie andernfalls auf die mit dem Kirchenbann bedrohte Aussage hinauszulaufen schiene, das, was dargebracht werde, bestehe in nichts anderem, als dass uns Christus zur Speise gereicht werde.[58]
Um diesen Themenkreis zum Abschluss zu bringen, muss noch erwähnt werden, dass in der deutschen Übersetzung die Wendung „true and proper sacrifice“[59] zur Definition der Messe im hier angezeigten Buch nie korrekt übersetzt wird. Zuerst liest man im Deutschen: „wahres und angemessenes Opfer“[60], dann „echtes und angemessenes Opfer“[61]. Möglichweise kommt die Wendung noch öfters vor und wird noch auf weitere Weisen falsch übersetzt, diese beiden Vorkommen mögen genügen. Der Übersetzer ist sich wohl nicht im klaren darüber, dass dies eine vom Konzil von Trient lehramtlich geprägte Formulierung ist. Vielleicht liegt das daran, dass Kwasniewski sie als feststehenden Ausdruck verwendet, ohne diesen jedoch eigens als Konzilsaussage zu kennzeichnen, genauer gesagt handelt es sich um den lateinischen Ausdruck verum ac proprium sacrificium im 1. Canon über das heilige Messopfer.[62] Die einzige, übliche, etablierte und theologisch korrekte Art und Weise, das ins Deutsche zu übersetzen, lautet jedenfalls: wahres und eigentliches Opfer. In diese Prägung sind eingeflossen Ausdrücke verum et singulare sacrificium[63] sowie die des sacrificium visibile[64] im Horizont des Begriffes der repraesentatio.[65].
Der Mahlcharakter der Eucharistie im Canon Missae ist eschatologischer Ausblick
In der Diskussion um die nachkonziliare Liturgiereform steht immer wieder das Anliegen im Vordergrund, den Opfercharakter der heiligen Messe zu bekräftigen. Anders gewendet, wird die Hauptschwäche des neuen Messritus, weswegen man ihn ablehnt oder am alten Ritus festhält, darin gesehen oder unterstellt, dass im neuen Ritus dieser Opfercharakter nicht oder zu schwach zum Ausdruck komme. Insbesondere wohl durch die Zelebration versus ad populum wird in der äußeren Gestalt eine Abkehr vom Opfercharakter wahrgenommen, der Mahlcharakter als einseitig herausgestellt empfunden. Das bringt den Vorwurf einer protestantisierten Liturgie ein, und der Eucharistie einen Charakter des Mahles zuzuerkennen, wird umgekehrt schon als protestantisch verdächtigt. .
Und doch sagt Kwasniewski ziemlich zu Beginn seines Buch völlig zutreffend: „Die Liturgie hat ein größeres Ziel, als uns ein Mahl zu bereiten, und selbst die Gegenwart unseres Herrn hat einen größeren Umfang, ein größeres Ziel als die sakramentale Kommunion. Die Messe ist der feierliche, öffentliche, offizielle Akt der Anbetung, der Danksagung und des Bittgebets [im Englischen steht: ‚supplication‘, was im Deutschen besser einfach mit ‚der Bitte‘ übersetzt und der weitere Teil des Satzes in seiner Übersetzung wie folgt korrigiert wird: ‚welcher von Christus, dem Hohenpriester und, in Vereinigung mit Ihm, von dessen gesamten Mystischen Leib dem Vater dargebracht wird‘, Anm. CVO]. Sie ist der wichtigste Akt der Tugend der Gottesverehrung, durch den wir Gott ein Opfer des Lobes darbringen, das Seiner Herrlichkeit würdig ist.[…] Sie ist das Hochzeitsmahl des Königs der Könige, sie ist die Wiederherstellung des gesamten geschaffenen Universums in seinem Alpha und Omega.“[66] In dieser Wiederherstellung ist der Aspekt der Sühne[67] eingeschlossen, den man in dem Zitat sonst vermissen würde, doch wichtig ist vor allem, dass Kwasniewski von der Messe als vom Hochzeitsmahl des Königs der Könige spricht und so den Aspekt des Mahles an der Eucharistie nicht vergisst oder verneint. Zunächst ist das biblisch fundiert, besonders in Mt 22, 1-14 und in Offb 19,9. Wenn wir uns an Ambrosius von Mailand noch einmal erinnern und daran, wie im ambrosianischen Kanonzitat die typologische Exegese der Kirchenväter auf die Liturgie angewendet wird, dann erfüllt sich in der Liturgie der Kirche nicht nur der Opferkult des Tempels zu Jerusalem, sondern die Eucharistie wird ihrerseits zum Vorausbild des eschatologischen Mahles in der Vollendung des Himmels.
Bei seiner Deutung des Hanc igitur weist Kwasniewski darauf hin, dass der Zelebrant darin als Archiklinos erscheint, als der Freund des Bräutigams, damit beauftragt, die Ordnung des Festes und die Bewirtung zu organisieren.[68].
Der Mahlcharakter kommt im Römischen Kanon vor allem in der Nennung der Heiligen in den beiden Listen im Communicantes und, noch stärker, im Nobis quoque peccatoribus zum Tragen. Zweifelsohne am meisten aber im Bild vom himmlischen Altar im Supplices, in dem zugleich die ganze Theologie des Hebräerbriefs[69] mit ihrer Hohepriester-Christologie[70] gebündelt ist. An diesem himmlischen Altar kommt die Vorstellung der Tischgemeinschaft[71] mit der des Rauchopferaltars und des an diesem dargebrachten sacrificium laudis überein. „Die frühchristliche Eucharistie ist […] eine kultische Antizipation des himmlischen Mahles im Reiche Gottes. […] In der Eucharistie, in der die Gläubigen vom Altar ‚essen‘ ([Hebr] 13, 10), nämlich Christi Leib und Blut, in der sie also am einmaligen Sühnopfer Christi partizipieren, fallen Kreuzesaltar und himmlischer Rauchopferaltar zusammen.“[72] Nicht sachgerecht ist allerdings die Darstellung Meßners, der „Empfang des Leibes und Blutes Christi“ erfolge „am himmlischen Altar“[73], wohingegen er ex hac altaris participatione geschieht, also am Altar auf Erden.[74] Von der Bejahung einer eschatologischen Perspektive des Mahlcharakters der Eucharistie zu unterscheiden ist eine Rede vom Opfer in Mahlgestalt, die irreführend ist.[75].
Abschließend, weil auch inhaltlich von Belang, noch eine Bemerkung zur Übersetzung eines Fachbegriffs in dem wichtigen achten Kapitel über den Römischen Kanon. Der Begriff „Supersessionismus“[76] ist im Deutschen nicht üblich, man spricht stattdessen von Substitutionstheorie oder Substitutionstheologie. Wir konnten sehen, von welch zentraler Bedeutung der Hebräerbrief für den Canon Romanus ist. Dabei ist zu bedenken, dass „der Hebräerbrief nur ein Volk Gottes [kennt], es existiert seit den Vätern Israels […]. Im Vordergrund steht die Unterscheidung Glaubende – Nichtglaubende. Entscheidendes Kriterium für die Zugehörigkeit zum Volk Gottes ist der Glaube (Hebr 3, 7-4, 11; 11, 1-12, 3) Die neue Diatheke […] bedeutet keine heilsgeschichtliche Aufhebung der alttestamentlichen Bundesgeschichte, sondern bezieht sich auf die levitische Kultordnung. Sie wurde aufgrund ihrer Unfähigkeit, Sünden zu beseitigen, durch eine neue Verfügung ersetzt. […] Die Rede von der neuen Diatheke hat die Funktion, die Einsetzung Jesu als Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks zu legitimieren, nicht das Judentum zu delegitimieren.“[77] „Dies als ‚Supersessionism‘ zu bezeichnen, ist nicht gerechtfertigt.“[78] Gerade der einzigartige Platz, den die Gestalt des Melchisedech als Hoherpriester im Supra quae des überlieferten römischen Eucharistiegebets einnimmt, sollte traditionstreuen Katholiken das immer im Glaubensbewusstsein gegenwärtig halten.
Schlussbemerkungen und Ausklang
Es ist bedauerlich, dass die deutsche Ausgabe von The Once and Future Roman Rite kein gebundenes Buch ist. Gegenüber dem Original ist das Format verkleinert, was in Druckbild, Schriftgröße und Lesbarkeit einen Nachteil darstellt. Die schönen Illustrationen werden zwar, wie englischen Buch, so auch in Der alte künftige Römische Ritus abgebildet, büßen aber ob der verkleinerten Darstellung erheblich an Wirkung ein. Bedauerlich ist, dass die Übersetzung der Kanonzitate nicht auf das Volksmissale in dessen aktueller 4. Auflage von 2022, sondern auf die alte sogenannte Einheitsübersetzung von 1929 zurückgreift, die seit 1934 im alten Schott[79] steht, aber gerade an entscheidenden Stellen sprachlich (und theologisch!) nicht präzise übersetzt.[80].
Existieren deutsche Ausgaben eines Werkes, wird in Der alte und künftige Römische Ritus normalerweise nach diesen zitiert. Warum das ausgerechnet bei Bugnini, A., Die Liturgiereform, ein Buch, das 1988 im Verlag Herder erschienen ist, nicht geschieht, sondern die englische Ausgabe herangezogen und daraus selbst eine eigene, nicht unbedingt bessere, Übersetzung erstellt wird, ist unverständlich.[81] Ähnlich wird der deutsche Priester, Theologe und Autor Nikolaus Gihr (1839-1924) mindestens einmal fälschlicherweise mit der englischen Form seines Vornamens Nicholas angeführt.[82] Leider fehlt ein Stichwortverzeichnis, wie es sich in der englischen Ausgabe sehr wohl findet.[83].
Diese Mängel sollten nicht verschwiegen werden, sie ändern aber nichts an der Verdienstlichkeit, eine deutsche Ausgabe herausgebracht zu haben. Alle, die das Buch lieber in ihrer deutschen Muttersprache statt im englischen Original lesen, werden dafür sehr dankbar und empfänglich sein.
Ganz ans Ende möchte ich ein letztes Zitat Kwasniewskis setzen: „Es ist nicht die Autorität eines Papstes, die die Liturgie zur Liturgie der Kirche macht. […] Wir wissen, dass das stimmt, weil die Christen ihre Liturgie seit über 1500 Jahren feierten, bevor ein Papst überhaupt jemals [besser: ‚erstmals‘, Anm. CVO] ein Messbuch erlassen hat [richtiger: ‚hatte‘, Anm. CVO].“[84].
Von diesem Traditionsbewusstsein überzeugt Kwasniewski seine Leser mit Der alte und künftige Römische Ritus ganz bestimmt. .
Bibliographische Angaben und Bestellmöglichkeit
[1] Vgl. Kwasniewski, P. A., Der alte und künftige Römische Ritus. Die Rückkehr der traditionellen Lateinischen Messe nach 70 Jahren des Exils, Metten 2023, fortan zitiert als Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 18-25.
[2] Ebd., S. 20.
[3] Kwasniewski, P. A., The Once and Future Roman Rite: returning to the Traditional Latin Liturgy after Seventy Years of Exile, Gastonia 2022, fortan zitiert als Kwasniewski, The Once and Future Roman Rite, S. xxi.
[4] Vgl. Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 31, Fn. 2.
[5] Ebd., S. 20, Fn. 3.
[6] Ders., The Once and Future Roman Rite (wie Anm. 3), S. xxif, Fn. 3, hier: S. xxii.
[7] Ders., Der alte und künftige Römische Ritus, S. 22f, kursiv im Text.
[8] Ebd., S. 79.
[9] Vgl. Kwasniewski, The Once and Future Roman Rite (wie Anm. 3), S. 105, Fn. 37.
[10] Ders., Der alte und der künftige Römische Ritus, S. 120, Fn. 37.
[11] Ebd., S. 154.
[12] Vgl. ebd., S. 322-359.
[13] Ebd., S. 322.
[14] Vgl. Kwasniewski, The Once and Future Roman Rite (wie Anm. 3), S. 333f.
[15] Vgl. ebd., S. 334.
[16] Ders., Der alte und künftige Römische Ritus, S. 323.
[17] Vgl. ebd., S. 159-162.
[18] Kwasniewski, The Once and Future Roman Rite (wie Anm. 3), S. 153.
[19] Ebd., a. a. O.
[20] Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 161. In einem Kontext wie hier lediglich von „Weihe“ zu sprechen, löst normalerweise bei kämpferisch-traditionellen Katholiken blitzartig Kritik und Empörung und die Unterstellung von Unglauben, Modernismus oder mindestens von absolut mangelhaftem Katechismuswissen aus. Es ist fraglich, ob der Übersetzer sich dessen bei seiner Arbeit bewusst war und inwieweit er darauf gefasst ist.
[21] Ebd., a. a. O., Fn. 18, vgl. ders., The Once and Future Roman Rite (wie Anm. 3), S. 154, Anm. 18 .
[22] Vgl. Kwasniewski, Der alte und der künftige Römische Ritus , S. 163.
[23] Zum Beispiel auch eine früheste, hypothetische Form des ambrosianischen Ritus in Mailand, vgl. ebd., a. a. O., Fn. 21.
[24] Vgl. ebd., S. 229, S. 241, und S. 243.
[25] Vgl. ebd., S. 242.
[26] Ebd., S. 221. Einmal steht sogar „Neo-Anaphoraeen“, was entweder die originellste Pluralbildung ist, die in Betracht kommt, vermutlich aber eher ein Fehler, der beim Korrekturlesen übersehen wurde, vgl. ebd., S. 265.
[27] Vgl. ebd., S. 242.
[28] Ebd., S. 220f.
[29] Ebd., S. 221.
[30] Vgl. Meßner, R., Unterschiedliche Konzeptionen des Meßopfers im Spiegel von Bedeutung und Deutung der Interzessionen des römischen Canon missae, in: Albert Gerhards/Klemens Richter (Hrsg.), Das Opfer. Biblischer Anspruch und liturgische Gestalt [= QD 186], Freiburg im Breisgau, ²2001, S. 128-184, fortan zitiert als Meßner, Konzeptionen, hier: S. 168.
[31] Ebd., a. a. O.
[32] Vgl. Lang, U. M., The Roman Mass. From Early Christian Origins to Tridentine Reform, Cambridge 2022, fortan zitiert als Lang, The Roman Mass, S. 110.
[33] Ratzinger, J., Theologie der Liturgie. Die sakramentale Begründung christlicher Existenz [= Gerhard Ludwig Müller (Hrsg.), GSJR, Bd. 11], Freiburg im Breisgau 42014, fortan zitiert als Ratzinger, Theologie der Liturgie, S. 324.
[34] Vgl. Lang, The Roman Mass (wie Anm. 32), S. 145-153, wo der ambrosianische und der gregorianische Text in zwei Spalten lateinisch einander gegenübergestellt sind, während der Textus receptus des Messkanons nach der Editio princeps des tridentinischen Messbuchs unter Beibehaltung der originalen Orthographie dieser Ausgabe von 1570 ebd., S. 380-384 jeweils in der linken Spalte in lateinischer Sprache geboten wird.
[35] Zur Logosgemäßheit vgl. Ratzinger, Theologie der Liturgie (wie Anm. 33), S. 60f.
[36]Vgl. Lang, The Roman Mass (wie Anm. 32), ebd., S. 118.
[37] Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 229f.
[38] Vgl. Meßner, Konzeptionen (wie Anm. 30), S. 157f.
[39] Kwasniewski, The Once and Future Roman Rite (wie Anm. 3), S. 231.
[40] Ders., Der alte und künftige Römische Ritus, S. 229.
[41] Ebd., S. 236, Anm. 36, auf alle Mängel oder Ungenauigkeiten in der der Übersetzung dieser Fußnote kann hier nicht eingegangen werden, zumindest müsste überall dort, wo sich der Übersetzer für das deutsche Wort „Objekt“ entschieden hat, stattdessen „Träger“ stehen. Ich habe meine Zweifel, ob der Sachverhalt, den Kwasniewski erklären will, insgesamt in der deutschen Übersetzung verständlich genug zum Ausdruck kommt. Gemeint ist jedenfalls die Feststellung, dass die Akzidentien nach der Wandlung ohne jeglichen substantiellen Träger fortbestehen oder richtiger: von Gott ohne einen solchen aufrechterhalten werden. Falsch wäre die Vorstellung, die Substanzen von Leib und Blut Christi würden jeweils zum Träger der Akzidentien von Brot und Wein.
[42] Vgl. DH 151.
[43] Vgl. Lang, The Roman Mass (wie Anm. 32), S. 128.
[44] Vgl. ebd., S. 108 und S. 119.
[45] Vgl. Thalhofer, V., Handbuch der katholischen Liturgik, Bd. 2, Freiburg im Breisgau 11890, [richtig wäre: 11893, denn dann erst wurde Bd. 2 posthum von Andreas Schmid herausgegeben], fortan zitiert als Thalhofer, Liturgik, S. 237-239.
[46] Ebd., S. 237, die zeitgenössische Orthographie ist beibehalten.
[47] Vgl. Anm. 36 dieser Besprechung.
[48] Auf die Umkehrung in der Zuordnung von Corpus Christi verum und Corpus Christi mysticum zu Kirche und Eucharistie im Zuge des Mittelalters, verglichen mit der Vätertheologie, kann hier nicht eingegangen werden, dazu bleibt theologiegeschichtlich instruktiv : de Lubac, H., Corpus mysticum. Kirche und Eucharistie im Mittelalter. Übertragen von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln 1995, vgl. dazu auch Ratzinger, Theologie der Liturgie (wie Anm. 33), S. 407, allerdings zeigt sich bei Ratzinger ebenfalls eine Sichtweise in der Reihenfolge sacramentum corporis Christi – corpus Christi – caritas. Dabei geht Ratzinger nicht direkt von der Liturgie aus, der im Römischen Kanon die Reihung corpus Christi – sacramentum corporis Christi – caritas angemessener wäre, sondern greift auf seine Auffassung des Opferverständnisses des heiligen Augustinus zurück, vgl. dazu Conrad, S. L., Liturgie und Eucharistie bei Joseph Ratzinger. Zur Genese seiner Theologie während der Studien- und Professorenzeit [= RaSt Bd. 16], Regensburg 2023, S. 288 .
[49] Vgl. Olver, M. S. C., Hoc est sacrificium laudis. The Influence of Hebrews on the Origin, Structure and Theology of the Roman Canon Missae, S. 372f. Mit dieser Dissertationsschrift wurde Olver 2018 an der Marquette University in den USA zum Doktor der Philosophie promoviert. 2024 soll sie endlich als Buch unter dem Titel The Origin of the Roman Canon Missae im Verlag Brepols erscheinen. Bis dahin steht diese wichtige Arbeit eines Geistlichen der Episkopalkirche auf der Internetpräsenz seiner Universität bereits kostenfrei zum Download zur Verfügung: „Hoc Est Sacrificium Laudis: The Influence of Hebrews on the Origin, St“ by Matthew S. C. Olver (marquette.edu), aufgerufen am 21. 12. 2023.
[50] Vgl. ders., a. a. O., S. 326 und Lang, The Roman Mass (wie Anm. 32), S. 147, linke Spalte (im Ergo memores), S. 147, rechte Spalte (im Unde et memores sumus) und S. 382, linke Spalte (im Unde et memores).
[51] Vgl. DH 1764.
[52] Vgl. DH 1771, dort erscheint die p. ministrandi deswegen nicht, weil die Eucharistie als Sakrament getrennt behandelt wurde, man kann aber die administratio sacramentorum in DH 1613 hinzunehmen, um umfassend zu verstehen, was mit der p. [ad-]ministrandi corpus et sanguinem Domini gemeint sein muss. Administratio meint nach meiner sicheren Überzeugung in erster Linie die Kommunionspendung oder –austeilung, in einem weiteren Sinne aber auch die Verwaltung des Altarsakramentes insgesamt und ganz allgemein.
[53] Aus Benningen , unweit von Memmigen gebürtig, wanderte er nach einigen Kaplanstellen und einer Tätigkeit als Gymnasiallehrer 1886 in die USA aus und lebte dort unter dem Namen John Diebold. Er war in vielfach wechselnden Diözesen in den Bundesstaaten Milwaukee über Texas bis Michigan als Priester inkardiniert und an zahlreichen Orten mit häufig geänderten, sehr verschiedenen Aufgaben und Funktionen als Pfarrer, Lehrer für Alte Sprachen oder als Krankenhausgeistlicher eingesetzt. 1915 verstarb er in West Branch/Michigan.
[54] Vgl. Diepolder, J. N., Das Wesen des eucharistischen Opfers und die vorzüglichsten katholischen Theologen der drei letzten Jahrhunderte. Eine historisch-dogmatische Abhandlung, Augsburg 1877, S. 90f.
[55] Ebd., S. 90.
[56] Vgl. Thalhofer, V., Die Opferlehre des Hebräerbriefes und die katholische Lehre vom hl. Meßopfer. Eine dogmatisch exegetische Abhandlung als Programm zum Schlusse des Studienjahres 1854/55, Dil[l]ingen [a. d. Donau], 1855, S. 24, auch wenn er sich dort nicht sehr festlegt, wann genau die p. offerendi betätigt wird.
[57] Vgl. Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 66. Mit der Annahme einer schon vor der Konsekration, erst recht vor dem Hochgebet, ausgeübten p. offerendi geht man freilich strenggenommen über das hinaus, was Trient verpflichtend und verbindlich lehrt und fordert, erreicht aber das im Textzeugnis des Ambrosius um 390 mit figura corporis et sanguinis Domini nostri Iesu Christi ekklesiologisch wahrscheinlich Gemeinte.
[58] Vgl. DH 1751.
[59] Vgl. beispielsweise Kwasniewski, The Once and Future Roman Rite (wie Anm. 3), S. 181 und S. 247.
[60] Ders., Der alte und künftige Römische Ritus, S. 184.
[61] Ebd., S. 243.
[62] Vgl. DH 1751.
[63] Vgl. DH 1738.
[64] Vgl. DH 1740.
[65] Vgl. dazu sehr gut Rahner, K., Leiblichkeit der Gnade. Schriften zur Sakramententheologie [= SWKR, Bd. 18, hrsg. von der Karl-Rahner-Stiftung], Freiburg im Breisgau 2003, S.116f..
[66] Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 37f.
[67] Stichwort: sacrificium propitiatorium, vgl. DH 1753.
[68] Vgl. Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 230, Fn. 25.
[69] Vgl. Meßner, Konzeptionen, (wie Anm. 30), S. 148-152.
[70] Vgl. auch DH 1739.
[71] Vgl. Meßner, Konzeptionen (wie Anm. 30), S. 170.
[72] Ebd., S. 142, vgl. auch a. a. O., S. 160. Deshalb spricht sich Thalhofer mit biblischen Argumenten aus AT und NT dafür aus, den Engel im Supplices mit dem Erzengel Michael zu identifizieren, der deshalb bei der Inzens der Oblata auch während des Offertoriums angerufen werde, vgl. Thalhofer, Liturgik (wie Anm. 45), S. 232.
[73] Meßner, Konzeptionen (wie Anm. 30), S. 143.
[74] Zum neutestamentlichen Opfermahl vgl. Thalhofer, V., Das Opfer des alten und des neuen Bundes mit besonderer Rücksicht auf den Hebräerbrief und die katholische Meßopferlehre exegetisch-dogmatisch gewürdiget, Regensburg 1870, S. 192-200.
[75] Vgl. Ratzinger, Theologie der Liturgie (wie Anm. 33), S. 375.
[76] Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 239.
[77] Kraus, W., Studien zum Hebräerbrief, Paderborn 2023, S. 57, vgl. ebd. ferner S. 116 und S. 244.
[78] Ebd. S. 252.
[79] Vgl. Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 220, Fn. 3.
[80] So heißt oblationem im Hanc oblationem (und auch sonst) gerade nicht wörtlich Opfergabe, sondern Darbringung, vgl. ebd., S. 230.
[81] Vgl. ebd., S. 104, Fn. 12 und passim.
[82] Vgl. ebd., S. 240, Fn. 46.
[83] Vgl. Kwasniewski, The Once and Future Roman Rite (wie Anm. 3), S. 413-435.
[84] Kwasniewski, Der alte und künftige Römische Ritus, S. 176, kursiv im Text.
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