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Kann man den Rücktritt eines Papstes fordern? Und wer wäre dazu befugt?

4. Mai 2024

6 - Kirchenkrise

Der Screenshot zeigt die Titelseite von Rorate-Caeli mit der Überschrift der Erklärung

Die Titelseite von Rorate-Caeli vom 2. Mai

Rorate Caeli veröffentlicht unter Datum vom 2. Mai eine „Erklärung zu den Verbrechen und Häresien von Papst Franziskus, ihren Ursachen und Wirkungen und den erforderlichen Maßnah­men“ (Quelle), die von einer Reihe von der Tra­dition nahestehenden Personen – hauptsächlich Wissenschaftlern und Publizisten – unter­schrie­ben worden ist. Die Namen von Klerikern sucht man in der Lister der Unterschriften vergebens, und das hat nachvollziehbare Gründe: Die am Fest des hl. Athanasius veröffentlichte Erklärung wird in der Sache und im Tonfall ihrer Überschrift voll und ganz gerecht und scheint uns in manchem sogar die Schärfe einiger von Athanasius überlieferter Schriften zu übertreffen. In jedem Fall verstößt sie in mehreren Aussagen und Forderungen gegen die Vorgaben des geltenden Kirchenrechts, über die man sich z.B. in dem von dem Priester und Kirchenrechtler Stefan Mückl (Uni Freiburg) verfaßten Stichwort „Papst“ im Staatslexikon Online informieren kann.

Das bedeutet nun keinesfalls, daß diese Feststellungen in der Sache falsch und die Forderungen unberechtigt wären. Ein Priester, der sie sich öffentlich zu eigen machte, würde jedoch ganz klar gegen geltendes Recht verstoßen und eine Handhabe bieten, ihm nicht nur sein Amt und seinen Lebensunterhalt zu nehmen, sondern auch ihn zu exkommunizieren oder gar zu laisieren. Das kann im aktuellen Pontifikat, das überführten Mißbrauchstätern oder akademischen Irrlehren teils nicht enden wollende Barmherzigkeit entgegenbringt, schneller passieren, als man drei Paternoster beten kann. Von daher gibt es für Priester und Bischöfe durchaus gute und ehrenwerte Gründe, sich diesem Risiko in den letzten Monaten eines seinem Ende entgegentaumelnden Pontifi­kats ungezählter Rechtlosigkeiten nicht auszusetzen.

Ebenso gibt es gute und ehrenwerte Gründe, warum sich Laien, die sich der in der Erklärung zu Protokoll gegebenen Mißachtung des Kirchenrechts durchaus bewußt sein dürften, dennoch zur Unterzeichnung dieser Erklärung bereit finden. Nicht nur, weil sie keine unmittelbaren Sanktionen zu befürchten haben – indirekte könnten sie sehr wohl treffen – sondern auch, weil sie sich in ihrem Verhältnis von Treue und Gehorsam zu Oberen und Lehramt grundsätzlich von den geweihten Klerikern unterscheiden. Das entbindet sie zwar nicht von der Notwendigkeit, ihr Verhalten gegenüber der kirchlichen Obrigkeit gewissenhaft zu prüfen, eröffnet ihnen doch aber weitergehende Möglich­kei­ten als Klerikern, die bei der Weihe ihrem Bischof oder bei der Amtsübernahme dem Papst ein besonderes Gehorsamsversprechen abgelegt haben. Die Art dieses Unterschie­des wird, wenn der Albtraum Franziskus erst einmal vorüber gegangen sein wird, genauer zu untersuchen und zu begründen sein.

Eine solche kritische Bestandsaufnahme ist dann wohl auch für einige der hier berührten Vorschriften des Kirchenrechts erforderlich. Einige davon – so erscheint es zumindest dem juristischen Laien – geben dem päpstlichen Amt Privilegien und eine so erhabene Machtfülle, die nur so lange vertretbar erscheinen, wie ein über einen vereinzelten Fehl­griff hinausgehender systematischer Mißbrauch von allen Angehörigen der kirchlichen Rechtsgemeinschaft als unvorstellbar betrachtet wird. Wo das Unvorstellbare nicht nur vorstellbar, sondern sichtliche Gewohnheit wird, werden auch hier Neubewertungen erforderlich sein: Was an diesen Paragraphen ist unmittelbar aus göttlichem Recht ableitbar, was ist Ergebnis menschlicher Neigung zum Irrtum?

Fr. Jeffrey Kirby hat in seinem Artikel über den „Aufstieg des Hyperpapalismus“ in unseren Augen überzeugend dargelegt, daß das „Unfehlbarkeitsdogma“ des I. Vatikanums dem Mann auf dem Stuhle Petri durchaus nicht die vermeintlich grenzenlose Machtfülle einräumt, die ihm im Zuge dieses „Aufstieges“ zugeschrieben worden ist. Die tatsächliche Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse hat es jedem Einsichtigen längst deutlich gemacht hat, daß einige Dokumente des II. Vatikanischen Konzils (nicht nur Sacrosanctum Concilium) in Bezug auf ihre praktische Umsetzung neu gelesen und erforderlichenfalls in stärkerer Rückbindung an die Tradition eindeutiger interpretiert werden müssen. Und genau das gilt auch für das I. Vatikanum und dessen Umsetzung z.B. im Codex des Kirchenrechtes von 1917 und 1983. Hier gibt es viel Zeitbedingtes oder schlichtweg „praxisbedingtes“, das nicht ohne weiteres auf die göttliche Offenbarung zurückgeführt werden kann

Die Einsicht, daß einige Strukturen und Verhaltensweisen der Kirche dahingehend erneuert werden müssen, die „Stimme des Volkes Gottes“ deutlicher vernehmbar zu machen, ist inzwischen fast zum Allgemeinplatz geworden – eine ganze Industrie „Synodaler Erneuerung“ lebt davon nicht schlecht. Entscheidend bei aller Erneuerung ist jedoch das Erfordernis einer nicht nur vorgetäuschten „Rückbindung an die Tradition“. Die Zeiten des ständigen Voranstürmens in vermeintlich unkartographiertes Gelände müssen mit den Fehlschlägen des Franziskus-Pontifikats ihr Ende finden.

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