Summorum Pontificum.de

P. de Blignières fordert ein Ordinariat
für die Tradition

24. Mai 2024

Kommentar und Kategorisierung

Das Phot zeigt P. deBlignières im weißen Habit als Teilnehmer einer Podiumsdiskussion

P. Louis-Marie de Blignières

Summorum-pontificum.de hat schon mehrfach die Überlegung angestellt, ob nicht die Errichtung einer eigenen Rituskirche oder eines Ordinariats für die Gemeinschaften der überlieferten Liturgie einen Ausweg aus der mit der Liturgiereform von 1969 aufgebrochenen Krise bieten könnte. Seitens dieser Gemeinschaften selbst ist dieser Gedanke soweit wir sehen zumindest öffentlich nicht diskutiert worden. Aber nun hat sich mit P. Louis-Marie de Blignières erstmals ein Angehöriger einer dieser Gemeinschaften in einem Interview öffentlich zum Thema geäußert. P. de Blignìeres ist Gründer und langjähriger Oberer der Fraternité Saint-Vincent-Ferrier, und das Interview erschien nicht nur auf der Website dieser relativ kleinen Gemeinschaft, sondern auch im Magazin der französischen Petrusbruderschaft „Tu es Petrus“ und anschließend auch in der reichweitenstarken amerikanischen Webpublikation „Rorate Cæli“. Hier unsere Übersetzung:

1. Aus welchen Gründen schlagen Sie heute die Errichtung einer besonderen „kirchlichen Verwaltungseinheit“ für den überlieferten lateinischen Ritus vor?

Weil durch die Veröffentlichung des Motu Proprio Traditionis Custodes am 16. Juli 2021 und des Dokuments des Dikasteriums für den Gottesdienst im Dezember 2021 eine völlig neue Situation geschaffen wurde. Diese Texte haben für die Katholiken, die gleicherweise an der kirchlichen Gemeinschaft und an der überlieferten Liturgie festhalten wollen, eine ausweglose Situation geschaffen. Papst Franziskus hat die Periode relativer Ruhe nach dem Motu Proprio Summorum Pontificum (2007 – 2021) das darauf gerichtet war, der „außerordentlichen Form“ den ihr zustehenden Platz innerhalb der diözesanen Strukturen selbst zu geben, beendet.

Statt nun über das zu klagen, was hätte sein können, müssen wir nun den Katholiken, die sowohl dem Heiligen Stuhl als auch der traditionellen Glaubenslehre treu bleiben wollen, etwas Solides anbieten. Statt ihren Status ständig mit Prälaten, Bischöfen oder Gemeindepfarrern aushandeln zu müssen (denen es oft schwer fällt, ihr Anliegen zu verstehen, oder die um den Frieden in ihrer Diözese fürchten, wenn sie dem entgegen kommen), sollten diese Gruppen selbst innerhalb der Hierarchie repräsentiert sein.

2. Was ist unter einer „Kirchlichen Verwaltungseinheit“ zu verstehen?

Das ist ein allgemeiner Terminus des Kirchenrechtes, der verschieden Einrichtungen bezeichnen kann. „Kirchliche Verwaltungseinheiten“ (circonscription ecclésiastique) sind hierarchisch strukturierte Gemeinschaften von Gläubigen, die entweder Diözesen (Teilkirchen) bilden oder als Einrichtungen für besondere Zwecke eine ähnliche Rechtsstellung wie diese haben. Dazu gehören beispielsweise die Militär-Ordinariat und Apostolische Personal-Administrationen. Diese könnten das Modell für unseren aktuellen Vorschlag abgeben. Das II. Vatikanum hat zur Weiterentwicklung dieser Strukturen aufgefordert, die es schon seit langer Zeit gegeben hat. Die Anpassung der kirchlichen Strukturen an die pastoralen Bedürfnisse der Gläubigen ist ein wesentlicher Aspekt des letzten Konzils.

3. Wer kann über die Errichtung einer solchen Verwaltungseinheit entscheiden?

Der Kodex des Kirchenrechts ist hier ganz eindeutig:  Es ist ausschließlich Sache der höchsten Autorität, Teilkirchen zu errichten; wenn sie rechtmäßig errichtet sind, besitzen sie von Rechts wegen Rechtspersönlichkeit. (Can 373). Die Errichtung liegt daher in der Verantwortung des Heiligen Stuhles durch das Bischofsdikasterium oder in Missionsländern das Dikasterium für die Evangelisierung. Dementsprechend hat die Bischofskongregation in einem Dekret vom 18. Januar 2002 Apostolische Personal-Administration des hl. Johannes-Maria Vianney in der brasilianischen Diözese von Campos errichtet. Paragraph II des Dekrets bestimmt:

Die Apostolische Administration hat den Auftrag, die Heilige Messe, die anderen Sakramente, das Stundengebet und andere liturgische Tätigkeiten entsprechend dem römischen Ritus und der liturgischen Ordnung zu vollziehen, wie sie der hl. Pius V. vorgeschrieben hat bzw. dessen Nachfolger bis zum Sel. Johannes XXIII. Modifiziert haben.

Wer könnte das beantragen?

Ich führe in meinem Artikel aus, daß in den vergangenen 35 Jahren dahingehende Anträge von den Oberen von Gemeinschaften, einzeln oder in Gruppen, gestellt wurden, aber auch von Laien-Vorsitzenden von Organisationen wie Una-Voce, und daß die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei entsprechend Vorschläge gemacht hat. Die Kirche ist kein Wunschkonzert, wo jeder sich wünschen kann, was ihm gefällt. Aber seit unvordenklichen Zeiten haben Laien und Priester der Hierarchie entsprechend ihrem eigenen Charisma und ihrer eigenen Intuition zum allgemeinen Wohl der Kirche Vorschläge unterbreitet – und die Kirche hat diese oft berücksichtigt. Im konkreten Fall wäre das der Vorschlag zur Lösung eines schwerwiegenden Problems, das seit dem Abschluß des Konzils offen geblieben ist, und der eine echte Reform in einer Krise beitragen kann, die immer stärker ins Bewußtsein rückt. Es wäre offensichtlich auch hilfreich, wenn eine solche Anfrage auch von Bischöfen unterstützt würde.

4. Wer würde eine solche Einrichtung leiten und wer würde diese Leitung einsetzen? Wenn dazu ein Bischof aus einer der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften ernannt würde, wäre das nicht ein Problem für die anderen Gemeinschaften?

Der Heilige Stuhl ernennt die Leiter der kirchlichen Verwaltungseinheiten. Bei den Militätordinariaten sieht das folgendermaßen aus:

An der Spitze eines Militärordinariats ist ein Ordinarius eingesetzt, der normalerweise die bischöfliche Würde innehat, der alle Rechte und Pflichten eines Diözesanbischofs besitzt, soweit dies nicht nach der besonderen Natur der Sache oder besonderen Statuten unzuträgliche erscheint. Der Papst ist bei der Wahl eines Milität-Ordinarius oder der Einsetzung bzw. Bestätigung eines auf rechtmäßige Weise vorgeschlagenen Kandidaten frei.

Der Ordinarius einer solchen Einheit könnte ein Ordens- oder Weltpriester sein, auch ein gerade zur Verfügung stehender Bischof. Er würde alle für seine Aufgabe erforderlichen Fähigkeiten besitzen, insbesondere die Liebe zur Lehre der Kirche, gute Kenntnisse der überlieferten Liturgie und das Vertrauen seiner Gläubigen. Unserer Meinung nach gibt es keinen Mangel an solchen Leuten. Wenn der Ordinarius ein Priester einer der Ecclesia-Dei-Institute wäre, würde seine Ernennung allen zugute kommen. Es wäre sinnvoll, alle persönlichen Vorlieben zurückzustellen, so legitim sie auch sein mögen, und sich auf das allgemeine Wohl der Kirche zu orientieren. Wie wir im Februar 2022 gesehen haben, hat das Dekret zugunsten der Petrusbruderschaft die Atmosphäre insgesamt verändert und ist entsprechend dem Prinzip kanonischer Analogie allen Gemeinschaften zugute gekommen.

5. Wie wären seine Rechte mit denen des Diözesanbischofs in Einklang zu bringen?

In Militär-Ordinariaten und Apostolischen Personal-Administrationen hören die Gläubigen nicht auf, entsprechend ihrem Wohnort Angehörige ihrer ursprünglichen Diözese zu sein. Es besteht eine sogenannte „kumulative Jurisdiktion“ des Ortsbischofs und des Prälaten der Einheit, deren Einzelheiten durch die Statuten der Einheit festgelegt werden.

6. Wie wird man Mitglied? Kann man sowohl einer solchen Verwaltungseinheit als auch der Diözese angehören?

Ja – wegen der „kumulativen Jurisdiktion“ gehören die Gläubigen beiden Strukturen an. Im Falle einer Apostolischen Personal-Administration wird man Mitglied durch die Einschreibung in ein besonderes Verzeichnis der Gläubigen, die die Mitgliedschaft beantragen.

7. Wie können die Gläubigen, die der überlieferten Liturgie anhängen, zu Orten für den Gottesdienst kommen?

Es gibt keinen Grund, daß bestehende Gottesdienstorte verschwinden würden. Wie würden wie bisher weiterbestehen, wenn der Ortsordinarius das so vorzieht. Wenn der Ortsordinarius das so haben will, würden sie von der Einheit übernommen. In diesem Fall könnten die dort beschäftigten Diözesanpriester auch in der Einheit inkardiniert werden. Sofern sie einem der Institute angehören, wären Abmachungen zwischen der Einheit und dem jeweiligen Institut zu treffen, wie das auch gegenwärtig mit dem Ortsordinarius der Fall ist.

Für den Fall der Einrichtung neuer Gottesdienstorte würde der Prälat der Einheit als Bischof eine bessere Verhandlungsposition für Gespräche mit dem Ortsbischof haben. Dieser wäre umso eher geneigt, grünes Licht zu geben, als er dann nicht mit dem Unterhalt und der Verwaltung dieser Orte belastet wäre.

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