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„Vatikan will Papstamt downgraden um Ökumene zu fördern“

15. Juni 2024

6 - Kirchenkrise

Der Buchumschlag zeigt den Oberteil der (anscheinend unbesetzten) päpstlichen Kathedra im Lateran und den Buchtitel

Umschlaggestaltung des als Broschüre veröffentlichten Textes

Unter dieser Überschrift berichtet der Bayrische Rundfunk über das neueste Produkt aus der kurialen Dokumentenfabrik, und uns scheint, daß er damit Geist und Inhalt dieses „Studienpapiers“ nicht schlecht getroffen hat. Was nun wirklich in den 146 Seiten des vorerst nur auf Italienisch, Französisch und Englisch erschienene Textes (download) steht, wird sich wohl erst in eingehenderen Untersuchungen herausfinden lassen. Das Dokument ist wie unter Franziskus üblich stellenweise in höchst ambivalenter Sprache abgefasst und scheut auch nicht vor eklatanten Widersprüchen zurück: Einerseits zeichnet es unter Berufung auf das nach zweitausend Jahren endlich entdeckte kirchliche Grundprinzip und Wesensmerkmal der „Synodalität“ das Zukunftsbild einer Gemeinschaft, in der der Papst als funktionsarmer Frühstückspräsident in einer bunten Kollektion unterschiedlicher Kirchentümer in „versöhnter Verschiedenheit“ den Ehrenprimat innehat. Andererseits beschwört es – unverbrüchliche Treue zu den dogmatischen Erklärungen des 1. Vatikanums, die man – zumindest bisher – doch – in deutlich anderem Sinne zu lesen gewohnt war.

Die Auflösung des Widerspruchs, so steht zu befürchten, muß man sich wohl nach dem bergoglianischen Grundprinzip vorstellen: Nach Außen hin – im konkreten Zusammen­hang also gegenüber den anderen christlichen Gemeinschaften und modernistischen Kirchenströmungen – Toleranz bis zur Prinzipienlosigkeit. Nach Innen – also gegenüber denen, für die „in communione cum Papa nostro“ mehr als eine Leerformel ist – Despotie bis zur Androhung der Exkommunikation und dem Ausschluß aus der Gemeinschaft. Unter den zahlreichen Kommentaren zum Dokument über den neuen „Bischof von Rom“ (eine Auswahlliste am Schluß des Artikels) die unmittelbar in den Tagen nach seiner Vorstellung am 13. Juni erschienen sind, ist uns einer als besonders instruktiv aufgefallen: Der des ehemaligen Churer Weihbischofs Marian Eleganti. Die volle Lektüre ist sehr zu empfehlen – für diejenige, denen es auch dazu an Zeit fehlt, versuchen wir eine kurze Zusammenfassung der aus unserer Sicht besonders wichtigen Punkte in gekürzten, aber ansonsten weitgehend wörtlichen Zitaten:

1. Es kann nicht darum geben, das Petrusamt so lange herabzustufen, bis es für möglichst viele getrennte Christen akzeptabel wird, aber nicht mehr das ist, was es nach dem Willen Christi zu sein hat. Das Kriterium ist also, ob es in seiner jetzigen Gestalt diesem Willen und der Wahrheit des Evangeliums entspricht, eine Stiftung durch Christus (also göttlichen Rechts) bleibt, und ob seine Entwicklung und Dogmatisierung im Laufe der Zeit im Heiligen Geist erfolgte oder nicht. Wir waren immer davon überzeugt, daß der Hl. Geist die Kirche in die volle Wahrheit führt und sie in der Wahrheit erhält, weshalb sie als unfehlbar gilt.

2. Das Eigentliche, das bisher Erreichte, nämlich das, was Christus wollte, kann nicht wieder ahistorisch zur Disposition gestellt werden nach dem Motto «Zurück an den Start»!. Die Wahrheit bzw. der Wille Gottes, nicht der Konsens mit den getrennten Brüdern, muss hier den Ausschlag geben. Die Frage ist von grundsätzlicher Natur. Sie rührt an die Wurzeln der röm.-kath. Ekklesiologie: Hat sich das Papsttum in der röm.-katholischen Kirche authentisch und unter der Führung des Hl. Geistes entwickelt bis zur Dogmatisierung durch das Vatikanum I, oder sieht man mit den anderen christlichen, kirchlichen Gemeinschaften und Denominationen diese Entwicklung im Wesentlichen als eine Fehlentwicklung an und als eine Überfremdung des Evangeliums, als ein Abrücken von der durch Christus gestifteten und ursprünglich gewollten Urform des Petrusamtes?

3. Nun will man (von dieser klaren Lage abrücken) und die Lehrentwicklung und Ämter­theologie insbesondere in Bezug auf das Petrusamt und seine Ausübung, wieder in Frage stellen. Die Richtung soll synodal oder biblisch-evangelisch sein, das Menschliche in dieser komplexen Wirklichkeit vom Göttlichen getrennt werden, damit das Papsttum in neuer Akzeptanz und in einer neuen Form seines Selbstverständnisses und seiner Ausübung erscheint. Das ist ekklesiologisch bedenklich. Etwas Salopp und mit anderen Worten: «Vergesst die Dogmatisierung des römischen Jurisdiktionsprimates auf dem Vatikanum I und kehrt in die Reformationszeit, ins erste Jahrtausend oder überhaupt in die apostolische Zeit zurück! Relativiert jene dogmatischen Spitzenaussagen eines ökumenischen Konzils des lateinischen Westens als eine seiner kulturellen Besonderhei­ten, die in seiner ganzen jurisdiktionellen Zuspitzung nur für die lateinische Kirche gilt!

4. Wir verstehen nun, weshalb der Titel «Patriarch des Westens» als Attribut des römi­schen Papstes wieder eingeführt wurde, nachdem Benedikt XVI. ihn fallen gelassen hatte! Ist das ein Gewinn? Ich persönlich halte es für einen Rückschritt und für eine in Bezug auf das Petrusamt bedenkliche Selbstaufhebung der römisch-katholischen Lehrentwicklung, die in unserer Frage immer schon Stein des Anstosses war und zwar nicht nur aufgrund des moralischen Versagens von Päpsten, sondern viel grundsätzlicher und theologischer bzw. kirchenpolitischer. Nun neu zu behaupten, das Papsttum sei göttlichen und menschlichen Rechts, um durch letztere Ergänzung vor allem seine jurisdiktionelle Ausübung historisch-kritisch relativeren zu können, bedeutet für mich, nicht an die Kirche als göttliche Institution zu glauben. ... Dies in Frage zu stellen, bedeu­tet nach römisch-katholischem Verständnis der Dogmenentwicklung die Unfehlbarkeit der Kirche Christi im Allgemeinen und des Papstes im Besonderen (bestimmte Bedin­gungen vorausgesetzt) in Frage zu stellen.

5. (Eine Wiedervereinigung der Christen) müsste in der Wahrheit erfolgen, und nicht als eine Form des Ehrenprimates des römischen Papstes eine weiterhin auseinanderdrif­tende Christenheit weiss übertünchen, die de facto und jurisdiktionell sichtbar getrennt bleibt und auch nicht in wesentlichen, ekklesiologischen und dogmatischen Fragen zu einem Konsens gelangt. Die regionale Umsetzung des gemeinsamen Glaubens (ist er das?) würde weiterhin (wie bisher) differieren. Denken wir nur an die kirchlichen Gemeinschaften aus dem Protestantismus. Nein, der durch das neue Dokument vorgeschlagene Weg ist für mich eine «Fata morgana» sui generis, die ins Chaos führt oder das bereits bestehende absegnet.

In dieser ersten Stellungnahme von Bischof Elegante bleiben zwar alle praktischen Fragen in Richtung „Erfolgsaussichten“ etwa hinsichtlich der Akzeptanz der Vorschläge für die Orthodoxie oder auch für angelsächsische Evangelikale unberücksichtigt – die bedenk­lichsten Punkte hinsichtlich der Tradition, der dogmatisierten Lehre und des Selbstverständnisses der Katholischen Kirche werden jedoch erkennbar markiert. Darauf kann man aufbauen.

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Lesenswerte Kommentare (auch wenn wir inhaltlich zum Teil ganz und gar anderer Meinung sind):

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