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Zum Appell für den Erhalt der „Alten Messe“ und seiner Wirkung

13. Juli 2024

Kommentar und Kategorisierung

Ausschnitt aus dem Genter Alter mit der Tafel der 'Hochzeit des Lammes'.

Die Liturgie des himmlischen Jerusalem

Aus dem Vatikan war noch keine Reaktion auf den Appell aus der britischen Kultur­prominenz zum Erhalt der traditionellen Liturgie zu vernehmen, und ehrlich gesagt: Wir rechnen auch nicht damit, daß sich der in Rom agierende Club von Kulturbanausen durch den Aufruf sonderlich irritieren läßt. Paul VI. war beim ersten Appell von 1971 zumindest beim Namen „Agatha Christie“ so beeindruckt, daß er sich eine (in der Breitenwirkung sehr begrenzte) Zustimmung abringen ließ. Darüber, ob das heutige Leitungspersonal in Rom auch nur einen Namen der Unterzeichner von 2024 kennt, möchte man lieber nicht spekulieren. Mit liturgischer Bildung und Kultur hat man es da nicht so sehr.

Das heißt aber nicht, daß der Appell wirkungslos geblieben wäre und man sich die Mühe hätte sparen können, ihn zu verfassen oder jetzt, wo die Unterschriftenliste für die Allgemeinheit offen ist, zu unterzeichnen. Ganz im Gegenteil. Schon in der kurzen Zeit, die der Aufruf im Gespräch ist, hat er sehr interessante Reaktionen ausgelöst.

Da sind zum einen Reaktionen von Priestern und Bischöfen, die zwar in der „modernen“ Liturgie beheimatet sind, aber auch den Wert der überlieferten Form zu schätzen wissen und sich für deren Erhalt und Pflege einsetzen. Hier gut begründet von Bischof Cordileone. Solche Stimmen sollten nicht ohne Einfluss darauf bleiben, wie von traditionsorientierter Seite der Novus Ordo und seine vielfach selbst in die Minderheit gedrängten glaubenstreuen Anhänger betrachtet werden.

Zum zweiten ist da die durch die Unterschriftenliste - sie enthält ebenso wie 1971 zahlreiche Namen von Nicht-Katholiken, auch einige Nicht-Christen sind darauf zu finden – vertiefte Einsicht, daß die Liturgie nicht irgendein Sondergut der römischen Kirche ist, das sie nach Belieben in Ehren halten oder auch opportunistisch verschleu­dern kann. Die Liturgie der Kirche und der darin ausgedrückte Glaube haben über als ein Jahrtausend lang den gesamten geistigen und kulturellen Raum Europas und vielfach auch das Alltagsleben seiner Bewohner geprägt oder zumindest beeinflußt. Ein solches Element streicht man nicht einfach der Tagesmode zuliebe aus der Geschichte, und die vergangenen Jahrzehnte haben zur Genüge gezeigt, welche geistigen Erschütterungen durch solche Beliebigkeit in Kirche und Gesellschaft ausgelöst oder zumindest befördert werden. (S. dazu unseren hier kurz referierten Artikel von Peter Kwasniewski.)

Nun ist freilich der Hinweis auf diesen Zusammenhang geeignet, von den ideologischen Anhängern der modernistischen Liturgie zur Unterstützung ihres gegenüber der Tradition erhobenen Vorwurfs herangezogen zu werden: diese Traditionalisten seien letztlich nie wirklich in der Gegenwart von Kirche und Gesellschaft angekommen und ihre Hochschätzung der überlieferten Liturgie habe keine spirituellen Motive und keinen geistigen und geistlichen Wert, sei letztlich nichts anderes als Nostalgie von Ewiggestrigen.

Den hier angesprochenen Zusammenhang von Allgemeinkultur und Liturgie auf traditionalistischer Seite schärfer ins Bewußtsein gehoben zu haben, ist die dritte sehr begrüßenswerte Folge der durch den Appell ausgelösten Überlegungen. Die Wert­schät­zung der überlieferten Liturgie – selbst da, wo sie von deren spezifisch katholischen Inhalten abgelöst erscheint – ist nämlich nicht nur Ausdruck eines zum Absterben verurteilten nostalgischen Sentiments, sondern Ausdruck eines Beharren-Wollens auf überzeitlichen und universellen Werten und Wahrheiten, die von vielen Menschen (immer noch, muß man sagen) mehr oder weniger bewußt geteilt werden. Und zwar von solchen Werten und Wahrheiten, die gegenwärtig von starken Kräften der westlichen Gesellschaft erbittert bestritten und bekämpft werden: Daß der Mensch sich und seine Welt nicht selbst geschaffen hat und auch nicht selbst hervorbringen und erhalten kann, daß es eine natürliche Ordnung der Dinge und des Lebens gibt, die sich beispielsweise darin äußert, daß der Mensch als Mann und Frau geschaffen ist und nur so auch existie­ren kann, daß das Leben des Individuums über den Tod seines Körpers hinausreicht und letztlich nur da seine Erfüllung finden kann, von wo es ausgegangen ist…

Und jetzt wieder zurück zur katholischen – d.h. der offenbarten Wahrheit (mehr oder weniger perfekt) entsprechenden – Sicht auf diese Wertordnung und ihre praktischen religiösen, theologischen und eben auch liturgischen Ausformungen: Daran ist nichts Nostalgisches, nichts, das früher vielleicht einmal verständlich und brauchbar, inzwischen aber leider, leider durch neue Erkenntnisse (nicht: Offenbarung) überholt wäre, sondern darin finden wir den bislang umfassendsten und menschengemäßesten Ausdruck dieser offenbarten Ordnung. Er kann zwar durch fortschreitende Einsicht vertieft, aber weder revidiert noch gar umgekehrt werden. Wenn irgendwo von „unumkehrbar“ gesprochen werden kann, dann hier und nicht bei den tagespolitisch motivierten Einfällen von „Reformern“.

Man muß nicht katholisch sein, um an der überlieferten Liturgie - sei es in der „stillen Messe“, sei es im feierlichen Pontifikalamt – diese Stabilität und unbeirrbare Ordnung wahrzunehmen und zu schätzen. Aber wer zwar den Papieren nach katholisch ist, aber diese Stabilität und Ordnung nicht nur nicht wahrnimmt, sondern als Ausdruck eines nicht mehr zeitgemäßen Denkens ablehnt und bekämpft, hat allen Grund, an der Korrektheit dieser Papiere zu zweifeln.

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Mitte Juli ist ein ähnlicher Appell wie der britische von Persönlichkeiten des kulturellen und politischen Lebens in Nordamerika erschienen. The Pillar bringt dazu einen kurzen Bericht und ein ausführliches Interview mit Erzbischof Cordileone, der diesen Appell öffentlich begrüßt und unterstützt hat.

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