Was haben wir in der Sommerpause versäumt?
31. August 2024
Seminaristen und Neupriester der Communauté St. Martin
Allzuviel versäumt haben wir nicht während der vergangenen Wochen. Der 16. Juli – und bisher alle anderen Tage danach auch – ging vorüber, ohne daß in Rom neue Erlasse und Tagesbefehle zur Einschränkung der überlieferten Liturgie veröffentlicht worden wären, wie das viele befürchtet hatten. Das heißt aber nicht, daß der Kampf der römischen Instanzen gegen die Tradition der lateinischen Kirche eingestellt worden wäre, noch nicht einmal zu einer Ruhepause hat es gereicht. Aber die Art des Kampfes hat sich verändert. Der Bedarf an globalen Maßnahmen auf Ebene der Gesetzgebung scheint gedeckt, zumal kaum jemand in Rom sich an die Gesetze gebunden sieht. Jetzt geht es offenbar um kleinteiligere, konkrete und damit auch präzisere Maßnahmen, die man nicht als Nadelstiche unterschätzen sollte. Eher gleichen sie Messerangriffen – mit Kraft und Geschick ausgeführt, können sie tödlich sein. Sie erfordern ein konkreteres und präziseres Hinschauen unsererseits.
Einige Beispiele aus den letzten Wochen können das verdeutlichen. Besonderer Aufmerksamkeit wendete Rom in den vergangenen Wochen Orden und Gemeinschaften zu, die der überlieferten Lehre und Liturgie anhängen. Für die Dominikanerinnen des Hl. Geistes, die in Frankreich mehrere orthodox-katholische Schulen betreiben, bedeutet das, daß sie nicht nur während ihrer Diesjährigen Exerzitien, sondern auch immer öfter während des „Normalbetriebes“ die Messe nach dem Novus Ordo zelebrieren sollen. Darüberhinaus wurde ihnen auferlegt auch bei der Zelebration im überlieferten Ritus den Kalender und die Leseordnung des Novus-Ordo zu befolgen (Quelle). Es ist leicht vorstellbar, welche Irritationen und Verwirrungen ein solches Hin- und Her zwischen den nach offizieller römischer Auffassung „inkompatiblen“ Ritusformen mit sich bringen muß.
Die Gemeinschaft der Schulschwestern wird damit auf eine Zerreißprobe gestellt, und die Geduld der Eltern, die ihre Kinder auf eine von deren Schulen schicken, ebenfalls. Schon ist die Rede davon, daß Eltern ihre Kinder bei den Dominikanerinnen abmelden und sich nach fester in der Tradition verankerten Schulen umsehen. Damit wäre dann nicht nur die spirituelle und organisatorische, sondern auch die wirtschaftliche Zukunft der Domikanerinnen vom Heiligen Geist gefährdet – und genau das scheint in der Absicht der römischen Liturgie-Krieger zu liegen. Lieber nehmen sie die Zerstörung einer traditionellen Gemeinschaft und deren Werke in Kauf, als von ihrem Dogma „allein der novus Ordo“ abzulassen.
Ein ganz ähnliches Muster zeigt sich auch bei der jetzt bekannt gewordenen Vertreibung der Transalpinen Redemptoristen aus Neuseeland: Das (angebliche) Vergehen der Mönche, die zur Gemeinschaft der „Söhne des Allerheiligsten Erlösers“ im schottischen Papa Stronsay gehören: Sie sollen ohne bischöfliche Erlaubnis Exorzismen durchgeführt und damit das Seelenheil von Gläubigen gefährdet haben. Wieviel Substanz diese Vorwürfen haben, ist bislang unklar. Es gab anonyme Denunziationen in Rom, dem folgte eine hochnotpeinliche Visitation, deren Ergebnis zwar nicht bekannt gemacht wurde, wohl aber dem Ortsbischof Anlaß bot, den Angehörigen der Gemeinschaft mit sofortiger Wirkung jede Tätigkeit in seinem Machtbereich zu untersagen und ihnen den Aufenthalt in seiner Diözese zu verbieten, im Originalton:
„Hiermit widerrufe ich mit Wirkung von Sonntag dem 14. Juli 23:59 die Erlaubnis der Priester der Söhne des Allerheiligsten Erlösers zur Ausübung ihres Dienstes in der Diözese von Christchurch. Jeder Dienst, der von einem ihrer Priester nach diesem Zeitpunkt vorgenommen wird, ist unerlaubt, und jede liturgische Feier ist rechtswidrig – steht also außerhalb des Gesetzes der Kirche. Alle Mitglieder der Söhne des Allerheiligsten Erlösers mit Gelübde sind aufgefordert, die Diözese von Christchurch zu verlassen.“
Die dritte Gemeinschaft, die während unserer Sommerpause wegen ihres Festhaltens an der Tradition sanktioniert worden ist, ist die hauptsächlich in Frankreich tätige Communauté St. Martin, die in Deutschland eine Niederlassung in Neviges hat. Die Gemeinschaft hat derzeit etwa 180 Priester und Diakone als Mitglieder, die im Auftrag der jeweiligen Bischöfe in der Diözesanseelsorge tätig sind. Sie zelebrieren dabei in der Regel im Novus Ordo – ob ausschließlich, konnten wir auf die Schnelle nicht eruieren – bemühen sich jedoch in Verkündigung und Pastoral um Treue zur katholischen Tradition. Das hat ihrem Priesterseminar einen beträchtlichen Auftrieb (derzeit um die 100 Seminaristen) verschafft - und in Rom den Argwohn der machthabenden Spät-Lutheraner geweckt, die das Weihepriestertum am liebsten abschaffen wollen. In diesem Jahr stellte die Gemeinschaft mit 9 Diakonen mehr Weihekandidaten als jede französischen Diözese. Und Soutane tragen sie auch noch!
Höchste Zeit also für eine Visitation – die wurde denn auch von 2022 bis 2024 durchgeführt. Sie erbrachte zwar keine „gerichtsverwertbaren Erkenntnisse“, führte aber doch dazu, daß der Gemeinschaft jetzt im Juli zwei „Apostolische Assistenten“ beigeordnet wurden, die für die rechte Ordnung sorgen sollen. Anmerkung: neben Synodal und auf den Geist hören gehört „apostolisch“ zu den Lieblingsfloskeln des bergoglianischen Regiments. Das hat zwar nichts mit dem apostolischen Glaubensbekenntnis zu tun, wohl aber mit dem unbedingetn Machtanspruch des aktuellen Pontifex: „Alles hört auf mein Kommando“.
Dazu passt, daß die Gottesdienst-Hauptverwaltung erneut an mehreren Orten unmittelbar in Diözesen und Pfarreien hineinregiert hat, um unerwünschte Messfeiern im überlieferten Ritus zu untersagen. Prominentestes Beispiel ist das von den Dikasteriumsfunktionären Roche und Viola verhängte Verbot zur Feier der „alten Messe“ in der Bischofskirche der finnischen Diözese in Helsinki. Die Gemeinde konnte zwar mit Unterstützung von Bischof Raimo Goyarrola in eine andere Kirche der Hauptstadt umziehen – aber allzuviele Kirchen, die keine Pfarrkirchen sind, stehen den knapp 16 000 Katholiken der finnischen Diaspora nicht zu verfügen. 16 000 – immerhin das Zehnfache der Katholikenzahl der Mongolei, deren Apostolischer Präfekt Giorgio Marengo kürzlich mit einem Kardinalshut aufgewertet wurde. Von wegen Fürsorge für die Ränder und Minderheiten, oder so.
Wo die römische Behörde aus bestimmten Gründen den Gottesdienst in bestimmten Kirchen nicht untersagen kann oder will, stehen ihr auch andere Mittel zur Verfügung. In der Diözese von Arlington wurde die Genehmigung zur Feier der überlieferten Liturgie für drei Pfarrkirchen zwar um zwei weitere Jahre verlängert – aber nur unter der Bedingung, daß einmal im Monat dort anstelle der „alten Messe“ eine Zelebration nach dem Missale Romanum von 2008 (so steht es in der Verfügung; immer up to date) stattfindet. (Quelle ) Immerhin wird gnädig zugestanden, daß diese Messe dann in lateinischer Sprache zelebriert wird – als ob die Sprache das allein Wesentliche für die Anhänger der Tradition in Liturgie und Lehre sei, und als ob es dazu überhaupt einer ausdrücklichen römischen Genehmigung bedürfte.
Soweit unser kurzer und zweifellos unvollständiger Überblick über die in den vergangenen Sommerwochen erfolgten Maßnahme zur weiteren Einschränkung des Bewegungsraumes für die überlieferte Liturgie. Es braucht also kaum noch neue Dokumente, um den Anhängern der überlieferten Lehre und Liturgie das Leben schwer zu machen – das vorhandene Instrumentarium bietet ausreichende Möglichkeiten, und wo der Text der Gesetze das Gewünschte nicht hergibt, wird er eben kreativ interpretiert.
Für die Verteidiger der Tradition sind aus den angeführten Beispiele vor allem drei Punkte näher zu betrachten:
Was ist von der bei den Dominkanerinnen erkennbar gewordenen Bemühungen zu einer Vermischung von alter und neuer Liturgie zu halten – und wie kann man sich dagegen zur Wehr setzen?
Am Beispiel der Communauté St. Martin ist ein weiteres Mal zu sehen: Die Zelebration des Novus Ordo alleine schützt orthodox-katholische Gemeinschaften nicht vor Verfolgung durch die Instanzen der römischen Missionswerke zur Verbreitung des Konzilsgeistes. Haben „alt-neuer Bi-Ritualismus“ oder „Novus Ordo mit smells und bells“ überhaupt noch eine Perspektive und Daseinsberechtigung?
Und am schwerwiegendsten: Wie geht man mit der von den Dominikanerinnen vom Heiligen Geist in ihrer Unterwerfungserklärung unter die römischen Zumutungen durchaus zutreffend beschriebenen Geisteshaltung um, wonach „der Gehorsam gegenüber dem Heiligen Vater (für uns) das unerschütterliche Grundprinzip zur Bestimmung allen Handelns“ ist.
Auf alle drei Punkte wollen wir in der nächsten Zeit ausführlicher eingehen.
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