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Novus Ordo zwischen „Inkulturation“
und Synkretismus

04. September 2024

Kommentar und Kategorisierung

Aussetzung des allerheiligsten Sakraments in einer aus Holz gefertigten Pachamama-Figur

Pachamama: Erdgöttin - Maria - Monstranz?

Während die römische Verwaltung der gottesdienstlichen Angelegenheiten mit großen Nachdruck und teilweise ungewohnter Effektivität die überlieferte Liturgie einschränkt und die ihr anhängenden Priester und Gemein­den auf Linie zu bringen versucht, ist sie gegen­über den wieder zunehmenden liturgischen Mißbräuchen im Bereich der neuen Liturgie mehr als nachsichtig: Sie nimmt sie praktisch überhaupt nicht zur Kenntnis – auch dann nicht, wenn Gläubige aus besonders stark betroffenen Gemeinden sich hilfesuchend an die Kurie wenden.

Das ist ja nicht nur bedenklich wegen der Einäugigkeit und Pflichtvergessenheit des Dikasteriums. Die liturgischen Mißbräuche im Novus Ordo haben ihren Charakter in den vergangenen 10 oder 15 Jahren erkennbar verändert. Viele Jahre lang zeigte sich dieser Charakter vor allem in mehr oder weniger befremdlichen oder manchmal auch schwachsinnigen Versuchen, „Offenheit“ und „Modernität“ zu demonstrieren – in objektiv gesehen würdeloser Gewandung, Sprechweise und Körpersprache, in einer der Heiligkeit der Sakramente unangemessenen Gestaltung von Altar und liturgischen Gefäßen sowie Musik, in der Wahl profaner Orte und Umgebungen bis hin zur Trauung im Schwimmbad mit einer Luftmatratze als Altar und Zelebrant wie Mitfeiernden im Badeanzug.

Das alles gibt es immer noch, scheint in den letzten Jahren sogar wieder öfter vorzukom­men. Was tut man nicht alles, um „die Menschen von heute“ da „abzuholen“, wo sie sich gemütlich eingerichtet haben – und deshalb meist auch gar nicht wieder weg wollen. Dann hat jedoch, soweit unsereins das überblicken kann, in dieser Zeit der Anteil von Mibräuchen mit ideologischer, theologisch dissidenter und das heißt in der Regel auch glaubensfeindlicher Zielsetzung zugenommen. Jazzmesse für (vermeintlich) liturgie­unfä­hige junge Leute war vorgestern – heute muß es einladend für die LGBT+++-Community und inkludierend auch für Angehörige anderer Traditionen und Glaubensgemein­schaften sein und darf vor allem niemandes Gefühle und Befindlichkeiten verletzen.

Gerade diese besonders bedenklichen Arten des Mißbrauchs werden nicht nur vielerorts geduldet, sondern immer öfter zur neuen Norm erklärt. Das erfolgt in der Regel nicht durch Anord­nung oder Gesetz, sondern „hintenrum“, durch dem Schein nach privat erteilte „gute Ratschläge“ von Vorgesetzten oder öffentlichen Konformitätsdruck. Eine Predigt, in der unverrückbare Glaubenswahr­hei­ten klar ausgesprochen werden wie die, daß der Herr den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat, daß Mann und Frau zwar in der Würde, nicht aber in ihrer Aufgabe gleich sind, daß es ein ewiges Heil (oder Unheil) gibt und daß ohne Christus dieses ewige Heil auf keinem Umweg zu erreichen ist, kann dem unvorsichtigen Seelsorger, der sich derlei Verkündigung zuschulden kommen ließe, schon ein sehr unangenehmes Gespräch mit dem/der/div Personalver­antwortlichen seiner Verwaltungseinheit und einen häßlichen schwarzen Fleck in der Personalakte einbringen.

Einen goldenen Punkt als zeitgemäßer Seelsorger kann man sich oft durch geschickte Verwendung der Zeichensprache verdienen - es muß nicht immer die Predigt sein. Eine Stola oder ein Altartuch mit den Farben des gottlosen Regenbogens signalisieren Auf­ge­schlossenheit und Toleranz, und eine Verbeugung weniger hier und eine kleine Änderung oder Auslassung im Text dort – und schon sind Stirnrunzeln bei den Reformierten, die an der Transsubstantion zweifeln, oder Unlustgefühle bei abrahmitischen Mitbrüdern, die sich mit der Dreifaltigkeit schwer tun, besänftigt. Die nächste Generation wird dann von all diesen „schwierigen“ und „nicht mehr zeitgemäßen“ Wahrheiten gar nichts mehr wissen. Und die Verwalter der Parteilinie in Rom können frohgemut zur Unterzeichnung eines weitere „ökumenischen“ Einheitsdokuments mit kaum noch erkennbarem christ­li­chen Inhalt schreiten. So schaffen wir endlich den Weltfrieden - was könnte es Größeres geben?

Der im Satz „lex orandi lex credendi“ ausgedrückte Zusammenhang läßt sich nicht hin­ter­gehen – und er wirkt in beide Richtungen.

Vor diesem Hintergrund besonders beunruhigend ist die Erscheinung, daß zunehmend nicht nur Elemente der „Säkularreligion“ in den liturgischen Raum eindringen, wie das am deutlichsten in der verbreiteten Regenbogen-Stola oder in der Verehrung von „Migranten-Reliquien“ zum Ausdruck kommt. Immer öfter sind es auch Symbole anderer und definitiv nicht-christlicher Religion und Spiritualität, die in den sakralen Raum des wahren Glaubens eindringen oder besser gesagt: hereingeholt werden. Manchmal sogar in feierlicher Prozession, wie beim Pachamama-Kult in der Peterskirche 2019. Und auch das war bei weitem nicht das erste Mal, daß heidnische Bilder in den gottesdienstliche Raum eindrangen. Man erinnert sich mit Unbehagen an die Buddha.Statue, die bei den interreligiösen Gesprächen 1968 in Assisi plötzlich auf einem der Altäre auftauchte. Wie sie dorthin gekommen war, wurde nie geklärt – jedenfalls scheint kein Offizieller daran beteiligt gewesen zu sein.

Auch der berühmte Korankuss von Papst Johannes Paul II, war nicht Bestandteil einer offiziellen Liturgie – wohl nur die missglückte Dankesgeste eines frommen alten Mannes, dem man ein „heiliges Buch“ überreicht hatte. „Außerliturgisch“ und eher diplomatisch blieben auch die bekannt gewordenen Umarmungsgesten gegenüber anderen höchsten christlichen und nicht-christlichen Würdenträgern – vorzugsweise gegenüber solchen aus der islamischen Welt, die seit ihrem unter Feuer und Schwert erfolgten Eintritt in die Weltgeschichte so viel unermeßliches Leid über die Christenheit gebracht hat und heute noch immer bringt.

Diese Leidensgeschichte mag zumindest einen gewissen Schutz gegen die in anderen Weltgegenden durchaus wirkungsvolle synkretistische Versuchung der Vermischung von Spiritualität und Glaubensinhalten bieten. Besonders stark wirkt diese Versuchung im spanisch- bzw. portugiesischsprachigen Südamerika, wo das Christentum die früher herrschenden heidnischen Religionen zwar weitgehend verdrängt hat, aber oft nur an der Oberfläche stark ist, während im Untergrund Elemente der alten Götterwelt immer noch wirkmächtig erhalten sind. Pachamama ist ja nur die prominenteste und auch relativ leicht durchschaubare Vertreterin dieser Richtung. Möglicherweise problematischer sind gewisse kultische Elemente – Beräucherungen, Umschreitungen usw. - die man zwar christlich interpretieren kann – die aber auch in im Glauben wenig gefestigten Kreisen ungute Erinnerungen an nur scheinbar überwundene Geister und Dämonen hervorrufen können.

Ähnliches ist für den indischen Subkontinent zu vermuten. In vielen Hindutempeln finden sich inzwischen unter den Statuen der minderen Götterwesen, an denen der Hinduismus so reich ist, auch ein Christus – freilich immer ohne Kreuz, soweit wir das in Erfahrung bringen konnten. Er ist kein Erlöser, Herr und Richter der Welt – sondern eher einer von vielen Nothelfern, den man in bestimmten Situationen anrufen kann. Die Hindus mögen das halten, wie sie wollen – unsereinen beschäftigt die Frage, ob nicht quasi im Gegenzug in die eine oder andere indischen Kirche eine Statue des wegen seiner Hilfsbereitschaft sehr populären Gottes Ganesha eingewandert ist – das ist der mit dem Elephantenkopf.

Doch zurück nach Südamerika. Dort geht jetzt der unter größter Diskretion entwickelte sogenannte Amazonas-Ritus für die Feier der hl. Messe und der Sakramente in eine dreijährige Versuchsphase. Man kann gespannt sein, was dabei herauskommt. Die wenigen bisher bekannt gewordenen Photos und Videos von „amazonisch“ inkulturierten Liturgie, die auf lokalen Webseiten erschienen und zumeist nach Einschreiten höherer Instanzen schnell wieder gelöscht worden sind, lassen wenig gutes vermuten. Fest steht schon jetzt, daß dieser „Ritus“ jedenfalls kein Herzensbedürfnis der zahlenmäßig eher geringen und sprachlich sowie kulturell höchst heterogenen Bevölkerung des Amazonas-Raumes ist, sondern eine Kopfgeburt mehr oder weniger modernistischer Theologen – oft übrigens deutscher oder österreichischer Herkunft, wie der berüchtigte Bischof Erwin Kräutler, Bischof Norbert Förster von Ji-Paraná oder der Kölner Paul Süß alias Paulo Suess, einer der theologischen Köpfe der Inkulturationstheorien.

Sie und ihre Kollegen habe ihre theologische und liturgische Prägung in einer Zeit erfahren, als das akademische Milieu unter dem Einfluß von Leuten wie Joseph Gelineau davon träumte, den Gottesdienst zu einer wahren „Volksliturgie“ umzugestalten, in der jede Gemeinde, ja sogar jede „Zielgruppe“, ihre eigene, den jeweils eigenen Bedürfnissen entsprechende Liturgie entwickeln würde – selbstverständlich unter fürsorglicher Anleitung der aus dem Hintergrund wirkenden Oberkopfeten. Deren Enkelschüler haben denn auch jetzt wieder das Kommando übernommen und nutzen die geradezu unendliche Variationsbreite des Novus Ordo, um liturgische Formen zu schaffen oder deren Entstehung zu begünstigen, die immer näher an und in „die Lebenswelt der Menschen von heute“ heranführen – und dabei immer weiter von dem wegführen, was 2000 Jahre lang Inhalt und Form von Lehre und Gottesdienst der Kirche bildete. Daß die alte Lehre und Liturgie dabei ein ärgerliches Hindernis bildet, liegt auf der Hand.

In dieser Situation wird nun ein Widerspruch aus unerwarteter – aber vielleicht ist sie gar nicht so unerwartbar – Richtung hörbar. Die Bischofskonferenz von Nigeria, deren Ge­mein­den sich nicht nur dem Terror von Islamisten, sondern auch massiven Einfluss­ver­suchen von „Missionaren“ der neuen LGBT- und Gender-Religion ausgesetzt sehen, hat das Problem im August diskutiert und sich in einer Erklärung mit starken Worten gegen die auch in Nigeria in großem Umfang praktizierten „inkulturativen“ liturgischen Mißbräuche gewandt. In einem Interview mit dem Webmagazin „African Catholic Voices“ hat Bischof Augustin Echema, Vorsitzender des Liturgieausschusses der nigerianischen Bischofskonferenz, die wichtigsten Kritikpunkte angesprochen. Für unsere Ausschnitte des dort nur als Tondo­kument in englischer Sprache angebotenen Gesprächs stützen wir uns auf einen Artikel der kenianischen Journalistin Agnes Aineah in aci-africa.

Es begint ein Zitat

Auf die Frage, ob die Liturgie dem traditionellen afrikanischen Gottesdienst angepasst werden sollte, antwortete der Bischof. Die Katholische Liturgie ist keine Theater. Liturgie ist nicht etwas, wo man immer wieder etwas Neues anfängt. Liturgie ist ein Ritual, das heilig und traditionsgebunden ist. Man kommt doch sonntags nicht zur Messe, um etwas Neue zu machen und das Volk Gottes zu verwirren. Niemand ist grundsätzlich gegen Inkulturation. Aber hat unsere Kirche sich nicht genug inkulturiert? Während des Offerto­riums der hl. Messe ist es den Priestern und Gläubigen erlaubt, nach Herzenslust zu singen und zu tanzen – aber dabei müssen sie die Heiligkeit der Zeremonien berücksichtigen.

Aber Inkulturation muß nach Regeln stattfinden – man kann nicht einfach machen, was man will. Wenn man glaubt, etwas gutes zu haben, das man in die Liturgie einführen sollte, muß man das vor die zuständige Kommission bringen und darüber reden.

Ausdrücklich warnte Bischof Echema die Priester in Nigeria davor, die Kirche zurück zu entwickeln und Bräuche wiederzubeleben, die ihre Vorväter bei der Übernahme des Christentums verworfen hätten: „Unsere Kultur enthält Ele­mente, die unsere Vorväter schon vor langer Zeit verworfen haben. Unglückli­cherweise beleben einige Priester solche Dinge neu im Namen der Inkultura­tion. Heute wenden sich die meisten jungen Leute wieder genau der traditio­nellen afrikanischen Religion zu, die von ihren Vorfahren verworfen worden war. Wenn Priester sie dabei unterstützen, ist das doppelte verhängnisvoll.

Als Ursache für diese Rückwärtsgewandheit nannte der Bischof zwei Haupt­gründe: Viele Menschen hie, Priester eingeschlossen, sind immer noch tief in den Denk- und Verhaltensweisen der afrikanischen Tradition befangen. Andere sind auf Popularität aus und wollen sich durch den Mißbrauch der Liturgie bereichern.

Dem stellt Bischof Echema eine klare Ansage entgegen: Die Riten der Kirche werden den Priestern bei der Weihe anvertraut, und die Kirche glaubt und erwartet, daß wir diese heiligen Riten, die nicht unser Eigentum sind, getreu ausführen. Die katholische Liturgie ist der öffentliche Gottesdienst der Kirche und keine Privatangelegenheit. Niemand hat das Recht, daran herumzuwer­keln und etwa hinzuzufügen oder wegzunehmen. Wenn ein Priester seine eigenen Riten erfinden will, dann soll er seine eigen Kirche gründen.“

Das mit dem Singen und Tanzen müssen wir in unserem Kulturkreis ja nicht unbedingt haben – im Übrigen können wir Bischof Echema nur zustimmen.

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