Summorum Pontificum.de

Ist die Traditionis Custodes-Krise
abgewendet?

05. September 2024

Kommentar und Kategorisierung

In einer Bauernstube zelebriert der Priester an einem zum Altar hergerichteten Tisch. Während er den Segen spendet, knien die etwa 20 Mitfeiernden nieder.

Wenn es denn sein muß — dann eben wieder so.

OnePeterFive brachte gestern einen langen Beitrag von T. S. Flanders, der sich mit der Frage beschäftigt, ob das Ausbleiben der für den 16. 8. befürchteten weiteren Einschränkungen für die überlieferte Liturgie darauf schließen läßt, daß der Vatikan hier eine Kursänderung vollzogen habe – hin zu mehr Duldung und vielleicht sogar Gesprächsbereitschaft. In seinem Beitrag bringt Flanders einen umfangreichen Überblick über die aktuelle Diskussion und referiert einige Erklärungsversuche, die sich die Frage stellen, warum jetzt seit längerem immer wieder von neuen einschränkenden Dokumenten die Rede ist, die allerdings – bisher – nicht erlassen worden sind.

Lesern von Summorum Pontificum ist diese Frage nicht neu – wir berichten seit Jahren regelmäßig über die teilweise widersprüchlichen Entwicklungen. Etwa im vergangenen Juli, im Juni und auch schon mehrfach 2023 im Januar und im Februar – um nur einige der wichtigsten Beiträge zum Thema in Erinnerung zu rufen. Bereits im letzten Monat hatten wir vermutete, daß die Bestrebungen zur Verdrängung der überlieferten Liturgie mit dem ereignislosen Verstreichen des gerüchteten Termins zum 16. Juli in eine neue Phase getreten seien. Dabei sind wir uns mit Rorate Caeli darin einig, daß diese „neue Phase“ nicht das Ende der Feindseligkeiten einleitet, sondern genau das: eine neue Phase mit anderen, vielleicht weniger spektakulären Mitteln, aber unveränderten Zielen.

Erklärungen für diesen Strategiewechsel mag es viele geben – und nicht alle müssen auf finstere Machenschaften und geniale Planungen zurückgehen. Eine Tatsache ist, daß die Kurie im aktuellen Pontifikat kaum noch zu planmäßigem und koordinierten Handeln im Stande ist. Verschiedene mehr oder weniger modernistische Fraktionen streiten stän­dig um Einfluß und Spielraum für ihre Lieblingsprojekte – und ein Wort des Papstes kann jederzeit alle Pläne zunichte machen. Dazu kommt, daß Franziskus der überlie­fer­ten Liturgie zwar mit herzlicher Abneigung begegnet, aber ihrer Bekämpfung nicht den hohen Stellenwert beilegt wie z.B. die Ideologen Roche und Viola oder deren auch in Sancta Marta gerne gesehener Ideengeber Grillo. Liturgie – das kann man jedem seiner Auftritte ablesen, ist Franziskus schnurzegal, und die Unerbittlichkeit, mit der Roche & Co die Liturgiekriege befeuern, scheint ihm manchmal regelrecht auf die Nerven zu gehen. Er hat Wichtigeres zu tun, denn die Traditionalisten – so hat man zumindest den Eindruck – sind in seinen Augen nur lästige Elemente, die aber so weit von gestern sind, daß sie mit ein wenig Nachhilfe schon bald zum Aussterben gebracht oder andernfalls auf entlegene Inseln verbannt werden können. Ihretwegen größere Teile der Kirche und ihres Klerus immer wieder in Unruhe zu versetzen, schadet in Franziskus’ Augen den Plänen für eine Modernisierung der Kirche mehr, als das ihnen nützt.

Noch eine weitere Erklärung, die Flanders anführt, können wir leicht nachvollziehen: Mit 86 Lebensjahren des Amtsinhabers geht das Pontifikat Franziskus unaufhaltsam und erkennbar seinem Ende entgegen. Und so heftig auch die Fraktion der Bergoglianer für einen Franziskus II. als Nachfolger kämpft, so ist doch eine solche Wahl eher unwahr­scheinlich. Das Pendel dürfte zwar nicht zur anderen Seite, aber doch zu einer lauwarm-gemäßigten Mitte hin ausschlagen, und wer an seine berufliche Zukunft oder gar Karriere denkt, ist gut beraten, sich jetzt nicht allzu eindeutig auf Seiten der liturgischen Scharfmacher zu positionieren. Er könnte schon bals als „Altlast“ in die zweite Linie zurücktreten müssen.

Darüber hinaus glauben wir, in und seit Traditionis Custodes ein weiteres retardierendes Element im Kampf um die Unterdrückung der überlieferten Liturgie erkennen zu kön­nen: Die „Abschaffung“ und ein direktes „Verbot“ des Missales der letzten anderthalb Jahrtausende wird offenbar nur noch von einigen Superideologen wie Grillo und Umfeld ernsthaft ins Gespräch gebracht. Alle anderen, auch diejenigen, die den überlieferten Ritus als schwer erträgliches Hindernis für ihre Modernisierungspläne betrachten, nähern sich inzwischen der Einsicht an, daß es keinen Weg an dem Diktum von Papst Benedikt vorbei gibt, daß das, „was früheren Generationen heilig war, auch uns heilig und groß bleibt; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“ Die Formulierung in TC vom Paulinischen Reformritus als dem „einen Ausdruck der Lex Credendi“ ist das äußerste, was sie riskieren wollen, ohne der Kirche und ihren Institutionen insgesamt, das Papsttum eingeschlossen, die Grundlage ihres irdischen Bestandes zu entziehen.

Es gibt also viele Gründe, warum „Rom“ insgesamt, aber auch die maßgeblichen Leute in der Gottesdienstbehörde, anscheinend bei ihren Versuchen zur Unterdrückung der überlieferten Liturgie (und Lehre, wie man immer wieder hinzufügen muß) ein wenig mehr Mäßigung erkennen lassen. DAs Unternehmen erfordert hohen Aufwand und bringt doch, wenn überhaupt, nur mäßige Erfolge. Von ihrem Kurs grundsätzlich abrücken werden sie zu Lebzeiten des jetzigen Pontifex jedoch keinesfalls, und auch danach, wenn überhaupt, nur widerwillig. Andererseits bieten ihnen die bereits jetzt vorliegenden mehr oder weniger verbindlichen Aussagen und Dokumente des bergoglianischen Lehramtes schon genug Mittel, ihren Kurs der Verweltlichung weiter voranzutreiben. Zur Entwarnung besteht kein Grund.

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