Summorum Pontificum.de

Heilige und Feste im Überfluß

30. September 2024

1 - Liturgiereform

Der Buchumschlag zeigt den verklärten Christus, angebetet von seinen Heiligen

Umschlag eines Buches mit passendem Thema

In den meisten Gemeinden in Deutschland wurde gestern nicht das traditionelle Fest der Einweihung der Kirche des Erzengels Michael und auch nicht das (von der Liturgie­reform zusammengelegte gemeinsame) Fest der Drei hl. Erzengel gefeiert, sondern der 26. Sonntag im Jahreskreis: Der nach der Liturgiereform als höherrangig eingestufte Sonntag verdrängt bis auf wenige Ausnahmen die im Übri­gen oft im Rang herabgestuften Feste der Heiligen sowie anderen Gedenk- und Feiertage.

Für diese Regelung der Liturgiereform Bugninis/Pauls VI. lassen sich zwei Gründe anführen. Der bessere: Die Feier­freude der Kirche und die Überzahl ihrer Heiligen und Festgedanken hat immer wieder dazu geführt, den Gang des Kirchenjahres, der neben den Hochfesten vor allem auch durch die Sonntage als allwöchentlicher Gedenktag der Auferstehung des Herrn strukturiert wird, zu überdecken und den Rang des Sonntags schwer erkennbar zu machen. Der Versuch, diese Ordnung wieder deutlicher hervortreten zu lassen, ist von daher im Prinzip sinnvoll und zu begrüßen.

Der schlechtere Grund: Die Idee der Heiligenfeste insgesamt, aber auch viele Festge­dan­ken, die an Dogmen der Lehre oder Elementen der Volksfrömmigkeit orientiert sind, erschienen dem „modernen“ – d.h. in unserem Zusammenhang größtenteils an der protestantischen Reformation orientierten – Denken der Liturgiker des vergangenen Jahrhunderts als wenig zeitgemäß: Konkret: Engelglaube mag ja schön und gut sein – aber ein hierarchisch geordnetes Engelsheer, ein Kampf mit dem Satansdrachen und Erscheinungen auf Bergeshöhen – wer braucht denn heute noch sowas. Und die Heiligen insgesamt – bis aufs Blut verteidigte Jungfrauenschaft und Martyrium statt Weihrauch – höchst problematisch.

Der Tradition der Kirche lagen solche Bedenken fern, und zu Bewältigung der prakti­schen Probleme, die daraus entstehen, daß es viele Tausende von „anerkannten“ Heiligen und Festanlässe ohne Zahl gibt, aber nur 365 Tage im Jahr und darunter bloß 53 Sonn­tage, hat die „organische Entwicklung“ der Liturgie eine Reihe von Mechanismen her­vor­ge­bracht.

Einer davon war das Institut der „Kommemoration“, der es ermöglichte, von einem höherrangigen Feiertag „verdrängte“ Heilige oder Festgedanken mit in die Messfeier des Tages einzuschließen. Konkret sah das so aus, daß Bestandteile aus dem Proprium des „verdrängten“ Gedenkens als zweite oder dritte Oratio, Secreta oder Postcommunio mit in die Messfeier aufgenommen wurden. In bestimmten Fällen wurde auch das üblicher­weise vom Anfang des Johannesevangeliums genommene Schlußevanngelium durch das „verdrängte“ Tagesevangelium ersetzt.

Die Praxis der Kommemoration war allerdings ebenfalls nicht unproblematisch: Teils aus überbordender Frömmigkeit, teils zur Vergrößerung der Einnahmen aus Spenden und Stipendien, wurde gelegentlich über jedes sinnvolle Maß hinaus „kommemoriert“. Mehr­fach sah sich die kirchliche Autorität genötigt, hier begrenzend und regulierend einzu­grei­fen. Das Institut der Kommemoration selbst (und damit die Möglichkeit „Verluste“ von Feiertagen teilweise auszugleichen) blieb auch nach den Reformen von Trient erhal­ten; später setzte sich dann in der Praxis eine Begrenzung auf drei Orationen, Secretas und Postcommunios durch. Davon, daß diese Praxis im gläubigen Volk zu Verwirrungen geführt hätte, ist uns nichts bekannt – verwirrt waren allein die Theologen, die der Kon­kurrenz einer angeblich aufgeklärten und moderneren Theologie der Protestanten nicht recht etwas entgegen zu setzen wußten.

Zwischen Christus und seinen Heiligen gibt es keine Konkurrenz. Jedes Heiligenleben, von dem wir erfahren, ist Zeugnis der erlösenden Kraft des Kreuzesopfers Christi und der Auferstehung am Ostersonntag, deren wir bei jedem Meßopfer, sei es sonntags, sei es werktags, sei es an einem Heiligenfest, gedenken. Die unübersehbarer Zahl der Heiligen und der Glaubenswahrheiten, die sie in und mit ihrem Leben bekräftigten, ist keine Last, die man irgendwie „bewältigen“ oder nach Möglichkeit verringern müsste, sondern beglückender Reichtum, Gnade im Überfluß.

*