Summorum Pontificum.de

„In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“

21. OKTOBER 2024

6 - Kirchenkrise

Porträtaufnahme des Bischofs am Portal seines Amtssitzes in Chalons

Bischof François Touvet

Schlechte Nachrichten erreichten uns – wieder einmal – in der vergangenen Woche aus der französischen Diözese Fréjus-Toulon. Seit der Entmachtung von Bischof Rey im Juni 2022 und den anschließend getroffenen Maßnahmen führt der im vergangenen Jahr als Bistumsver­walter mit anscheinend unbegrenzten Vollmach­ten eingesetzte Bischof François Touvet ein strenges Regiment, um alles aufzuheben und rück­gän­gig zu machen, was das Bistum Fréjus-Toulon unter dem (formell noch amtierenden) Bischof Rey zu einer Hoffnung für viele glau­bens­treue Katholiken gemacht hatte.

Ein Artikel im der Tradition verbundenen Magazin Renaissance Catholique vom 17. Oktober nennt Näheres. Danach blockiert Mgr. Touvet nach wie vor die längst über­fälligen Priesterweihen bei den Missionaren der Göttlichen Barmherzigkeit – es geht um 6 Diakone für eine Kirche, die nun wahrlich nicht über einen Überfluss an Priesteramts­kandidaten zu klagen hat. Gegenstand des Streites ist der Ritus der Weihehandliung selbst und die Frage, ob die neu zu weihenden Priester später auch (d.h. nicht exklusiv) im überlieferten Ritus zelebrieren dürfen.

Im Fall eines Diakons, der zur Weihe am 21. September vorgesehen war, verlangte Touvet die Abgabe eines schriftlichen Versprechens, daß der zukünftige Priester immer nach den Büchern des Novus Ordo zelebrieren werde, auch alle Sakramente ausschließ­lich in der reformierten Form spenden und auch das Brevier nur in der Form der Liturgia Horarum persolvieren werde. Jede Form der Übernahme von Gesten und Elementen der Tradition in seine künftigen Messfeiern wäre danach ausdrücklich untersagt bzw. abgeschworen, die Spendung der Handkommunion wurde verbindlich gemacht. Eine ähnliche Ver­pflichtungserklärung wurde in der Folge neun weiteren Diakonen der Diözese vorgelegt, die teils seit Jahren auf die Weiherlaubnis warten. Bei einer Zusammenkunft mit den Diakonen stieß er freilich auf überwiegende entschiedene Ablehnung, so daß sich nun auch für den Bischof die Frage stellt, ob er auf seinen (und der römischen Auftraggeber) Forderungen bestehen will – oder es riskiert, diese Diakone an Gemeinschaften zu „verlieren“, die sich den römischen Zumutungen konsequent verweigern.

Als „Kompromißvorschlag“ wird gegenwärtig ventiliert, daß Bischof Touvet bei Erfül­lung seiner übrigen Forderungen die Weihe dann erlauben könne, wenn diese zwar im Rahmen einer Messe nach dem überlieferten Ritus, die Weihehandlung selbst jedoch nach dem Novus Ordo vorgenommen wird. Das wäre zwar eine nach allen Rechtsvor­gaben unzulässige Vermischung der Riten und auch in sich mehr als inkonsequent – aber unter dem bergoglianischen Regime ist alles möglich. „Neues im Alten“ mag den Bergog­lianer als zeitweiliger Kompromiß hinnehmbar erscheinen – „Altes im Neuen“ deutet in eine für sie unannehmbare Richtung.

Bei alledem verdient es kaum eine ausdrückliche Erwähnung, daß Ersatz-Bischof Touvet an den leider auch in Fréjus-Toulon durchaus unübersehbar vorkommenden liturgischen Mißbräuchen im modernistischen Sinne keinerlei Anstoß zu nehmen scheint – der oben genannte Artikel zählt mehrere bedrückende Beispiele „kreativer Gottesdienstgestal­tungen“ jenseits aller Vorgaben der geltenden liturgischen Bücher auf.

Der Hinweis auf diese auch in Fréjus-Toulon grassierenden Missbräuche erfordert eine genauere Betrachtung des Gegenstandes. Zwar war das besondere Kennzeichen der Diözese Fréjus-Toulon unter Bischof Dominique Rey einerseits dessen Bereitschaft, durchaus im Geist von Papst Benedikt der überlieferten Liturgie der Kirche einen wür­digen Platz in der Priesterausbildung und der Seelsorge seiner Diözese einzuräumen. Auf der anderen Seite war Bischof Rey jedoch keinesfalls ein kämpferischer Traditionalist, der dem 2. Vatikanum oder dem Novus Ordo an sich mehr oder weniger ablehnend gegenübergestanden hätte.

Bischof Rey ist ein Vertreter der nur noch selten anzutreffenden Spezies der Spiritua­litäts-Liberalen, die aus der Geschichte der Kirche die Erfahrung abgeleitet haben, daß das geistige Leben der Gläubigen nicht in einen Uniformanzug der Marke „eine Größe passt allen“ zu pressen ist. Je nach kultureller Prägung, sozialer oder geographischer Herkunft und individueller Mentalität sind die Menschen nun einmal sehr verschieden, und die Entwicklung und Gestaltung eines erfüllten und fruchtbaren geistigen Lebens bringt im Einzelfall recht unterschiedliche Ausdrucksformen hervor: Benediktiner sind keine Franziskaner und Styler Missionare keine Trappisten. Und dabei sind die in vielen unterschiedlichen Lebensumständen tätigen Weltleute noch nicht einmal mitbedacht.

Die Kirche hat das immer gewußt, bis – auch unter dem nicht zu unterschätzenden Einfluss totalitärer Ideologien der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – die der Zahl nach durchaus bescheidene Gruppierung der „modernen Menschen“ in der Kirche entdeckte, daß sie die einzige im wahren Sinne des Wortes „maßgebliche“ Gruppe überhaupt sei und alle anderen sich ihrem Vorbild unterzuordnen und anzugleichen hätten: Die Mo­der­ne duldet keine anderen Götter neben sich.

Mit diesem Konstrukt waren die Modernisten enorm erfolgreich – zumindest im inner­kirchlichen Wettbewerb um Macht und Einfluß, Bischofs- und Professorenposten – in der Außenwirkung (Stichworte „Mission“ und„Neuevangelisierung“ deutlich weniger. Sie bestimmten, wenn nicht den gesamten Wortlaut der Texte des Konzils, dann doch den später diesen beigelegten „Geist des Konzils“ und waren jahrzehntelang damit zugange, mit dem Hackebeil des mythologischen Gleichmachers Prokrustes die kirchliche Welt nach ihren Vorstellungen umzuformen: Wo etwas das Fassungsvermögen ihres meist recht kleinen Geistes überschritt, wurde es erbarmungslos abgeschnitten, wo es sich der schlichten Geradlinigkeit ihres modernen Denkens nicht fügte, wurde es gebogen und gestreckt, bis es passte. Und die lebendige Verbindung zur Tradition der Kirche und ihrer apostolischen Überlieferung bis zurück auf Christus wurde dabei immer öfter geschwächt und teilweise ganz durchtrennt.

Nachdem Papst Johannes Paul II. diese Fehlentwicklungen bereits zumindest als Ahnung wahrgenommen hatte, versuchte Papst Benedikt XVI. im Rahmen seiner Kräfte erneut der Tradition Geltung zu verschaffen. Sein Motu Proprio „Summorum Pontificum“ ist, bei allen inzwischen erkennbar gewordenen Schwächen, deutlicher Ausdruck seines Bestrebens, die autoritären Fehlentwicklungen des „modernen“ 20. Jh. zurückzudrängen und einen „spirituellen Pluralismus“ im guten katholischen Sinne zu rehabilitieren.

Dem autoritären Regime der Bergoglianer ist das natürlich ein Dorn im Auge, und daß sie ihre Angriff mit besonderem Nachdruck gegen eine in etwas unentschiedenem Sinne „liberale“ Position wie in Fréjus-Toulon richten, kann auch nicht überraschen, wie der Politiker und Dichter des Barock Friedrich von Logau aus eigenem Erleben feststellen mußte: „In Gefahr und höchster Not, bringt der Mittelweg den Tod.“

*