Das Abschlußdokument —
Auf dem Weg zur synodalischen Neukirche?
09. OKTOBER 2024
Einmütig und uniform in der Synodenaulas
Das Abschlußdokument der Synodensynode liegt bis jetzt auf Deutsch nur in Form einer nicht-offiziellen Arbeitsübersetzung vor, die auf der Website der Deutschen Bischofskonferenz zum Download angeboten wird. Jedem, der wissen will, wohin der Weg der Kirche unter Franziskus führen soll, können wird nur sehr empfehlen, sich diesen 60 Seiten umfassenden Text herunterzuladen und durchzulesen. Er enthält die Grundlagen der bergoglianischen Ekklesiologie und entwickelt dabei ein Welt- und Kirchenverständnis, das sich, soweit wir sehen, sehr stark von dem unterscheidet, das zweitausend Jahre lang von der katholischen Kirche als göttliche Offenbarung und Erbe der apostolischen Überlieferung geglaubt worden ist. Wieweit dieses Verständnis noch mit der Lehre der katholischen Kirche „vor Bergoglio“ zu vereinbaren ist oder eine häretische Neuschöpfung darstellt, wagen wir nach einem ersten Überfliegen des Textes nicht zu entscheiden. Hier sind die Fachtheologen gefordert.
Bereits die Lektüre der Einleitung war außerordentlich irritierend. Der zweite Abschnitt scheint die Leiden der ganzen Welt – ohne einen Blick auf deren tiefste Ursachen zu werfen – weitgehend mit den Leiden und Wunden Christi gleichzusetzen – und auch auf deren Ursachen und Grund im erlösenden Opfer auf Golgatha wird mit keinem einzigen Wort eingegangen, wenn es dort heißt:
Der Blick auf den Herrn entfernt uns nicht von den Tragödien der Geschichte. Stattdessen öffnet er uns die Augen für das Leid derer um uns herum und durchdringt uns: die Gesichter kriegsgeschädigter, terrorisierter Kinder, weinender Mütter, die zerschlagenen Träume so vieler junger Menschen, Flüchtlinge, die sich auf einer fürchterlichen Reise befinden, die Opfer des Klimawandels und der sozialen Ungerechtigkeit. (…) Echter und dauerhafter Frieden ist möglich, und gemeinsam können wir ihn aufbauen.
Also doch und wieder einmal: Die alte Geschichte vom Paradies auf Erden? Natürlich diesmal unter Berufung auf Gaudium et Spes, obwohl dort, wenn man genauer hinschaut, noch mehr und anderes zu finden ist.
Wir wollen jedoch nicht zu einer Generalkritik dieses Dokuments antreten, die unsere Kräfte überfordern dürfte und um die sich hoffentlich bereits besser dafür ausgerüstete Köpfe bemühen. Nur noch einige Sätze zu dieser immerhin 12 Abschnitte umfassenden Einleitung. Ihr Tonfall ist von Bekundungen der Ergebenheit gegenüber Franziskus, der „uns 2021 auf diese Synode mitgenommen hat“ geprägt, und versucht immer wieder, das Synodenergebnis im Geist des zweiten vatikanischen Konzils nicht nur zu begründen, sondern weiterzuentwickeln:
Das Zweite Vatikanische Konzil war in der Tat wie ein Same, der auf das Feld der Welt und der Kirche geworfen wurde. Das tägliche Leben der Gläubigen, die Erfahrung der Kirchen in jedem Volk und jeder Kultur, die vielen Zeugnisse der Heiligkeit und die Reflexion der Theologen bildeten den Boden, auf dem es aufging und wuchs. (Abschnitt 5)
Diese Öffnung des Konzils nach vorne wird in Abschnitt 8 mit einem umfangreichen Katalog von Reformen, an denen jetzt bereits gearbeitet werde, ausgeführt. Er reicht von Aufforderungen, den „Schrei der Armen“ zu hören und „Mission im digitalen Umfeld“ zu betreiben über die Ankündigung weitreichender Reformen im Verständnis der priesterlichen Ämter „aus einer synodal-missionarischen Perspektive“ bis zur „pastoralen Begleitung von Menschen in polygamen Ehen.“ Ja, da steht „Ehen“, einfach so. Verschiedene Menschen, Zeiten und Gesellschaften sehen das halt verschieden. Und selbstverständlich soll das Kirchenrecht all dem entsprechend überarbeitet werden. Im übrigen macht Abschnitt 9 klar, daß der Abschlußbericht keinesfalls einen Abschluß bedeutet:
Der synodale Prozess endet nicht mit dem Abschluss der aktuellen Versammlung der Bischofssynode, sondern umfasst auch die Umsetzungsphase. ...). Die Ortskirchen werden gebeten, ihren täglichen Weg mit einer synodalen Methodik der Beratung und des gegenseitigen Zuhörens fortzusetzen und konkrete Wege und Bildungsmöglichkeiten zu finden, um eine greifbare synodale Umkehr in den verschiedenen kirchlichen Kontexten (...) herbeizuführen. Es sollte auch eine Bewertung der Fortschritte in Bezug auf die Synodalität und die Beteiligung aller Getauften am Leben der Kirche in Betracht gezogen werden. (...)
Die Deutschkirchler erarbeiten dazu bereits konkrete Vorstellungen und fordern einen „Wahrnehmungsindex, damit Synodalität messbar wird“.
Doch nun zum eigentlichen Gegenstand unseres ersten Blickes auf jenes Dokument, das nach dem Willen der Bergoglianer die Grundlagen ihres neuen Kirchenprojektes beschreiben soll: Was bedeutet das Synodenergebnis für die Liturgie? Die Suchfunktion des als PDF angebotenen Downloads hat uns bei einer ersten Erkundung zu den Stichworten „Liturgie“ (7 Fundstellen) und „Eucharistie“ (20 Fundstellen) zu mehren Passagen geführt, in denen wir das, was die Katechismen der katholischen Kirche von der Fassung nach dem Konzil von Trient ( erstveröffentlicht 1566) bis zum KKK von Ratzinger/ Schönborn (1992) enthalten, gar nicht oder nur mit größter Mühe wiedererkennen. Dazu einige Beispiele.
Abschnitt 26 beschreibt zunächst das bergoglianische Verständnis der Eucharistiefeier:
Die Feier der Eucharistie, besonders an Sonntagen, ist die erste und grundlegende Art und Weise, wie sich das heilige Volk Gottes versammelt und begegnet. „Die Einheit der Kirche wird durch die Feier der Eucharistie sowohl bezeichnet als auch verwirklicht“ (UR 2). In der „vollen, bewussten und tätigen“ (SC 14) Teilnahme aller Gläubigen in Gegenwart verschiedener Dienste und unter dem Vorsitz des Bischofs oder Priesters wird die christliche Gemeinschaft sichtbar, wodurch eine differenzierte Mitverantwortung aller für die Sendung verwirklicht wird. Aus diesem Grund lernt die Kirche, die Leib Christi ist, durch die Eucharistie, wie Einheit und Pluralität miteinander verbunden werden können: die Einheit der Kirche und die Vielfalt der eucharistischen Versammlungen; die Einheit des sakramentalen Mysteriums und die Vielfalt der liturgischen Traditionen; die Einheit der Feier und die Vielfalt der Berufungen, Charismen und Ämter (…)
Zum besseren Verständnis dessen ist anzumerken, daß das Dokument selbst den sonst gerne als unverbindlicher klingenden Ersatz für „Messopfer“ gebrauchten Ausdruck „Paschamysterium“ nur ein einziges Mal (Abs. 26) verwendet. Dort steht er ganz unter der Absicht, die „Eucharistiefeier“ möglichst als „Gemeinschaftsversammlung“ darzustellen und gleichzeitig zumindest der Tendenz nach auf eine solche zu reduzieren.
Der folgende Abschnitt 27 bemüht sich dann darum, das Verhältnis der so verstandenen „Eucharistiefeier“ zur „Synodalversammlung“ näher zu beschreiben und kommt dabei zu einer bemerkenswerten Engführung:
Zwischen Synaxis und Synodos, zwischen Eucharistiefeier und Synodalversammlung, besteht eine enge Verbindung. In beiden Fällen, wenn auch in unterschiedlicher Form, erfüllt sich die Verheißung Jesu, daß er dort gegenwärtig ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (vgl. Mt 18,20). Synodenversammlungen sind Ereignisse, die die Vereinigung Christi mit seiner Kirche durch das Wirken des Geistes feiern. Es ist der Geist, der die Einheit des kirchlichen Leibes Christi sowohl in der Eucharistie als auch in der Synode gewährleistet. Die Liturgie ist ein Hören auf das Wort Gottes und eine Antwort auf sein Angebot des Bundes. In ähnlicher Weise ist die Synodenversammlung ein Hören auf dasselbe Wort, das sowohl in den Zeichen der Zeit als auch in den Herzen der Gläubigen widerhallt. Die Liturgie ist auch eine Antwort der Versammlung, die den Willen Gottes erkennt, um ihn in die Tat umzusetzen. Die Vertiefung der Verbindung zwischen Liturgie und Synodalität wird allen christlichen Gemeinschaften in der Vielfalt ihrer Kulturen und Traditionen helfen, Zelebrationsstile anzunehmen, die das Gesicht einer synodalen Kirche sichtbar machen. (…)
In Abschnitt 31 wird die bisher in dieser Form eher unbekannte Verbindung mit Nachdruck hervorgehoben:
Im Kontext der Ekklesiologie des Konzils, in Bezug auf das Volk Gottes, drückt der Begriff der Gemeinschaft die tiefgreifende Substanz des Geheimnisses und der Sendung der Kirche aus. Dieses Geheimnis hat seinen Ursprung und Höhepunkt in der Feier der Eucharistie, d. h. in der Vereinigung mit Gott, dem Dreifaltigen, und in der Einheit unter den Menschen, die in Christus durch den Heiligen Geist verwirklicht wird. Vor diesem Hintergrund ist die Synodalität „der spezifische Modus vivendi et operandi der Kirche als Gottesvolk, das seine Existenz als Gemeinschaft und Weggemeinschaft manifestiert und konkretisiert, indem es in der Versammlung zusammenkommt und indem alle seine Mitglieder aktiv an seinem Auftrag der Evangelisierung teilnehmen“.
Diese Absicht, das sakramentale Leben der Kirche so gut wie ausschließlich im Hinblick auf den darin ausgedrückten (oder zumindest herein interpretierten) Aspekt der gemeinschaftlichen Einheit darzustellen, durchzieht den ganzen Block der Abschnitte 21 – 31. Das mag man unter dem Hinweis auf den Gegenstand der Synode verteidigen und begründen: Der ganzen Veranstaltung geht es ja gerade darum, die dort angelegte Dimension der Gemeinschaftlichkeit deutlicher herauszuarbeiten und es würde einen solchen Bericht überfordern, ihm die Last einer vollständigen Abhandlung z.B. der Sakramentenlehre aufzubürden – er wolle schließlich kein vollständiges Kompendium der katholischen Glaubenslehre bieten und müsse sich auf seinen speziellen Gegenstand konzentrieren.
Dieser Einwand wäre nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Aber die im Text zum Ausdruck kommende ausschließliche Konzentration auf den gemeinschaftlichen oder „horizontalen“ Aspekt aller Elemente des gelebten Glaubens ist ja kein singulärer Ausrutscher einer überforderten Redaktion, die übrigens in den Händen des bewährten Manipulators Hollerich lag und bereeits erfolgte, bevor die Synodalen zur Endabstimmung schritten. Sie erscheint demgegenüber als absichtsvolle Entwicklung und Weiterführung des wie in der Einführung behaupteten bereits in Lumen Gentium gelegten Samens. Schließlich wäre es keine große Sache gewesen, an einigen strategischen Stellen Hinweise anzubringen, die diese perspektivische Verkürzung erklären und damit ihre Mißverständlichkeit ausräumen könnte.
Auch die unter allgemeineren Gesichtspunkten verfaßte zwölf Abschnitte umfassende Einleitung kann diese Funktion in gar keiner Weise übernehmen, ja, sie will es auch gar nicht: In der verkürzten Perspektive dieser Einführung beginnt die Heilsgeschichte anscheinend erst mit der Auferstehung Jesu, und sie erwähnt mit keinem Wort das Unheil, das über dem Menschengeschlecht und seiner Welt lastet, und ohne das es dieser besonderen Form der Heilsgeschichte nicht bedurft hätte. So, wie es hier dasteht, erscheinen die Aussagen als die konsequente Fortsetzung eines theologischen Kurses, der tatsächlich bereits in den Dokumenten des zweiten Vatikanums angelegt ist und seitdem zunehmend die „moderne“ Theologie kennzeichnet: Die innerkirchlichen und innerweltlichen Beziehungen hervorzuheben und die übernatürliche Seite, die Beziehung der Menschen zu ihrem Schöpfer und Erlöser und letztlich zum konkreten Gott der Offenbarung, aus dem Blickfeld zu verdrängen.
Und gerade so ist es in diesem Abschlußdokument der Synodensynode konsequent ausgeführt. Die Kirche wäre danach nicht mehr das zentrale Sakrament eines heilsgeschichtlichen kosmischen Geschehens, in dem das Kreuzesopfer des Menschensohns eine gefallene Menschheit von den Folgen ihrer Sündenschuld erlöst, sondern Anleitung zur Selbsterlösung des Menschen durch Beherzigung der Predigten eines den Anforderungen der Gegenwart leider nicht mehr ganz genügenden palästinensischen Wunderrabbis – oder auch anderer Weiser der Menschheitsgeschichte, wie man nach den neuesten Hinweisen aus Rom vermuten muß.
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Wie wir einem Artikel auf katholisches.info entnehmen, ist die von uns von der Vatikan-Website downgeloadete deutsche Arbeitsversion der Abschlußerklärung inzwischen dort ersatz- und kommentarlos verschwunden. Wir haben sie aufgehoben und bieten sie hier zum Download an.
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