Soeben erschienen: „Dominus Vobiscum“, das Magazin von „Pro Misa Tridentina“
07. Dezember 2024
Ich bin die Wahrheit und das Leben
Soviel Lüge, so will es an vielen Tagen scheinen, war noch nie. Nicht nur in Fernsehnachrichten und Tageszeitungen, wo selbst der Wetterbericht zur Lüge wird, wenn er angenehme Sommertemperaturen, die früher in sonnigem Orange gezeichnet wurden mit flammendem Tiefrot markiert, um uns Klimasündern so richtig die Hölle einzuheizen. Was für eine Angst hat man uns – insbesondere und fast ausschließlich hierzulande – vor Atomkraftwerken eingebläut – aber jetzt sollen wir gelassen bleiben, wenn Lobbyisten und ihre Politiker darüber nachdenken, ob man dem russischen Bären nicht vielleicht doch am besten mit Atomraketen auf den Pelz rückt. Der Umweltschutz genießt Priorität bis zur Erdrosselung jeder Wirtschaftstätigkeit – aber die seelische Landschaft wird verwüstet wie von keiner Diktatur zuvor.
Die Lüge wird zur Staatsraison, wenn das Gesetz es unter Strafe stellt, einen Mann im Rock als Mann zu bezeichnen, dessen ganzes Frau-Sein in eben diesem Rock und einem geänderten Eintrag im Personalausweis besteht. Auch die Kirche unterwirft sich dem Regime der Lüge, soweit sie unter dem Etikett der „Neu-Evangelisierung“ das Gegenteil dessen lehrt und akzeptiert, was das wahre Evangelium sagt. und wenn der Papst seinen Befehl an die Bischöfe zum Kampf gegen die liturgische Tradition damit verbindet, diese Bischöfe als „Custodes Traditionis“ anzusprechen, dann sieht man auch hier die Spuren des Lügenfürsten. Die Macht der Lüge und ihrer vielen großen und kleinen Fürsten ist nur einzudämmen mit entschlossenem Eintreten für die Wahrheit. Nicht für irgendeine selbstgestrickte oder von Experten oder Synodalen soeben entdeckte „Wahrheit“, sondern für die Wahrheit dessen, der von sich gesagt hat „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh. 14,16). All die anderen „Wahrheiten“ führen auf Abwege und letztlich zum Tode. Denn der Kampf der Lüge und all ihrer Fürsten ist letztlich nichts anderes als der Kampf gegen den Herrn selbst.
In dieser Situation ist es sehr erfreulich, daß die soeben erschienene Nr. 29 von „Dominus Vobiscum – Magazin der Laienvereinigung für den klassischen römischen Ritus“ das Thema „Wahrheit“, ihren Ausdruck und ihre Verteidigung, zu einem von zwei Inhaltsschwerpunkten gemacht hat. Dazu im Editorial von Monika Rheinschmitt noch eine kleine Aufzählung weiterer aktueller Publikationen zu diesem Thema. Wir erlauben uns, die kurze Liste um den Hinweis auf eine weitere hier bereits vorgestellte Publikation zu ergänzen. „Das Wahre, Gute und Schöne aus christologischer Perspektive“, Herausgegeben von Peter Stephan.
Erster Beitrag zum Thema Wahrheit ist die Wiedergabe des Vortrags, den P. Bernward Denecke FSSP anläßlich der diesjährigen Hauptversammlung der Laienvereinigung gehalten hat. Unter dem Titel „Auf Wahrheit gestimmt – der katholische Dreiklang Glaube, Leben, Liturgie“ führt P. Denecke aus, dass die Rede vom „Dreiklang“ nicht nur rhetorische Figur ist, sondern in sich eine ganz zentrale Wahrheit zum Ausdruck bringt: Jeder Versuch, eines der drei Elemente wegzulassen oder auch nur in den Hintergrund zu drängen, führt zu Mißklang und Schlimmerem.
Zur Erleichterung der Lektüre des durchaus anspruchsvollen Beitrags hat P. Deneke dem eine Gliederung beigegeben, die wir hier gerne übernehmen:
1. Verlorene Mitte. Pluralismus und Uniformismus, diese beiden widersprüchlichen Tendenzen unserer
Zeit, haben eine gemeinsame Herkunft: Den Verlust der tragenden und verbindenden Basis.
2. Der Dreiklang. Das Wahre, Gute und Schöne klingen harmonisch zusammen, wobei das Wahre den
Grundton bildet.
3. Die Grundlage des christlichen Bekenntnisses. Weder Nützlichkeitsgründe und ästhetische
Vorlieben noch ethische Ansprüche, vielmehr die Wahrheit gibt den letzten Grund an, aus dem man
katholisch ist oder wird.
4. Was ist Wahrheit? Auf die Pilatusfrage wird mit einigen philosophischen und
theologischen Gedankengängen geantwortet.
5. Trennung des Wahren vom Guten. Fruchtloser Glaube und giftiger Moralismus sind ihre Folgen.
Gerade die traditionelle Liturgie legt in ihrer Wahrheit zugleich Zeugnis vom Guten ab.
6. Veritatis splendor. Die Trennung des Schönen vom Wahren führt in den Ästhetizismus. Anhand der
traditionellen Liturgie wird demgegenüber deutlich, dass Schönheit „Glanz der Wahrheit“ ist.
7. Ausklang. Der auf Wahrheit gestimmte Dreiklang, Schlußakkord der heiligen Messe, steht am Ende
dieser Ausführungen.
Der zweite Beitrag zu diesem Thema ist ein Vortrags, den Diakon Dr. Marc Stegherr im Sommer in Altötting gehalten hat. Titel: „Was ist Wahrheit? Die säkulare Postmoderne und die aktuelle katholische Theologie. Gegensatz oder Ergänzung.“ Unter dieser Überschrift steht zunächst eine scharfsinnige Auseinandersetzung mit dem modischen Relativismus, der sich an allen Gedankenspielen erfreuen kann – solange die keinen Wahrheitsanspruch erheben. Angesprochen werden unter anderem der Relativismus Lyotards, der im Anspruch auf Wahrheit nur ein Herrschaftsmittel zur Durchsetzung egoistischer Ziele sieht, oder die modische Zweifelsucht, die die Osterbotschaft vom Auferstandenen nicht mehr „wahr“nehmen will – um der Verbindlichkeit eines in der Realität begründeten Glaubens auszuweichen.
Weitere Stichworte seiner – man scheut sich ja fast, das Wort zu gebrauchen – „Apologetik“ sind die „spekulative Christologie“, mit der Autoren wie Franz Alt oder Heiner Geissler das Wort der Verkündigung auf ihr bescheidenes Fassungsvermögen zu reduzieren suchen, und der neodogmatische Wokismus, der unter mißbräuchlicher Berufung auf alle möglichen und unmöglichen Forschungsergebnisse aus staatlich finanzierten Elfenbeintürmen jedermann, vor allem aber der Kirche, das Recht bestreitet, klare Aussagen zu Moral und Lebensführung zu treffen und verbindliche Maßstäbe zu formulieren.
Mit kritischer Aufmerksamkeit widmet sich der Autor auch den innerkirchlichen Tendenzen, die letztlich die gleiche Linie verfolgen: Sie übernehmen die von weltlichen Vordenkern vorgetragen Positionen und versuchen, ihre selbstgemachten Heilsrezepte an die Stelle des Evangeliums zu setzen. In einer ersten Zusammenfassung schreibt Stegherr dazu:
„Wir haben heute die paradoxe Situation, die freilich auf die mehrfach beschriebene Art, man könnte es auch Vernebelung nennen, kaschiert wird, dass es längst nicht mehr das reaktionäre Rom oder die so fürchterlich glaubenssicheren Gläubigen sind, die intolerant, besserwisserisch und lautstark die Wahrheit verteidigen würden. Es ist vielmehr der postmoderne Relativismus, der heute seine eigene Wahrheit militant verteidigt – was bekanntlich Benedikt XVI. offen kritisierte und dafür wüste Angriffe über sich ergehen lassen mußte.“
Zum Abschluß zitiert Stegherr den scharfsichtigen Priester und Publizisten Ferdinand Holböck, der schon vor über 50 Jahren das Rezept zu benennen wußte, dessen Nicht-Befolgung die Kirche seitdem immer tiefer in die mißliche Lage gebracht hat, in der sie sich heute befindet:
„Wenn jeder einzelne Gläubige, jedes einzelne Kirchenglied, gegenüber dem Zeitgeist und dem Trend der heutigen Welt größere Festigkeit und Standhaftigkeit, größere Grundsatztreue und Härte gegenüber allen krisenhaften und krisenverursachenden Zeiterscheinungen aufweisen würde, dann stünde die Kirche insgesamt ganz anders da und könnte ganz anders ihrer Aufgabe und Sendung in einer weltweiten Krisensituation entsprechen“.
Der Zweite Themenschwerpunkt wird durch zwei Beiträge markiert, die in ganz traditioneller Weise jeweils einen Grundtext der lateinischen Liturgie analysieren und kommentieren – bis herunter zu Fragen der Grammatik oder der Textüberlieferung. Beide Beiträge stammen von amerikanischen Autoren: Der Theologe Michael Foley hat einen Artikel über das Gloria, seine Geschichte, seinen liturgischen Gebrauch und über strittige Fragen seiner inhaltlichen Deutung zur Verfügung gestellt. Nur zur Illustration einer dieser Fragen: Es macht eben sehr wohl einen Unterschied, ob man im Chor der Engel übersetzt „Friede auf Erden allen Menschen guten Willens“ oder „Friede den Menschen seiner Gnade“. Von solchen „schwierigen Stellen“ gibt es im Gloria eine ganze Reihe, und wer diesen großen Hymnus aus der Frühzeit der Kirche gewohnheitsmäßig herunterbetet oder -singt, ohne viel darüber nachzudenken, bringt sich selbst um eine große Quelle von Gnade und Einsicht.
Weiterer Beitrag dieses Schwerpunkts ist ein Artikel von Peter Kwasniewski über das „Alleluja“, in dem er die Interpretation des Allelujas durch den heiligen Hieronymus vorstellt, so wie der spanische Mönch José de Sigüenza sie Ende des 16. vorgefunden und verstanden hat. Also noch mal der Reihe nach: Kwasniewski (21. Jh.) schreibt über die Gloria-Interpretation des hl. Hieronymus (4./5. Jh.) so wie sie ein frommer Spanier im 16. Jh gedeutet und historisch kommentiert hat. Und fügt auch noch den einen oder anderen eigenen Kommentar dazu. Das ist nicht umständlich – so geht Tradition eben. Dabei läuft auch hier nicht alles glatt und ohne „schwierige Stellen“ ab, und deshalb gilt auch hier wie schon oben vermerkt: Wer solche Gesänge aus der Frühzeit der Kirche gewohnheitsmäßig herunterbetet oder -singt, ohne viel darüber nachzudenken, bringt sich selbst um eine große Quelle von Gnade und Einsicht. Denn:
Die Wahrheit und das Leben – also Christus – das ist letztlich das Einzige, das wir Christen der rundum tobenden Kultur der Lüge und des Todes – also des Teufels – entgegenzusetzen haben. In diesem Zeichen werden wir siegen.
Bezugsmöglichkeiten von „Dominus Vobiscum“ sind der Internetseite (von Pro Missa Tridentina zu entnehmen. Dort ist auch der Inhalt älterer Ausgaben (bis 2023) als PDF abrufbar. Neuere Ausgaben können zum Preis von 7,00 € plus 1,60 € Versandkosten bestellt werden.
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