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Die O-Antiphonen der
sieben Tage vor Weihnachten

17. Dezember 2024

1 - Liturgie

Die klassische Buchmalerei zeigt im Zentrum den auferstandenen Christus, der mit dem Kreuz als Schlüssel die Tore der Unterwelt öffnet

Christus, der auferstandene Sproß Davids, öffnet mit seinem Kreuz die Tore der Unterwelt.

Der Amoklauf der römischen Feinde der Tradition gegen alles Katholische ist uns dauernder Ansporn und Ermutigung, an die Schätze zu erinnern, die eben diese Tradition dem gläubigen Sinn in diesen Tagen der Er­wartung bietet. Die O-Antiphonen, die das Hymnarium zu den Tagen vor Weihnachten präsentiert und auf die wir auch in diesem Jahr wieder gerne verweisen, gehören formal wie inhaltlich zu den großen Kostbarkeiten der lateinischen Liturgie. In ihrem heutigen Bestand richten sie sich alle an den erwarteten göttlichen Erlöser selbst, der unter verschiedenen Bezeichnungen und Aspekten angesprochen wird. Diese O-Antiphonen haben seit über 1000 Jahren ihren Platz in der Vesper der sieben Tage vor Weihnachten. In dem durchaus anerkennenswerten Versuch, diesen Schatz auch den Gläubigen zugänglich zu machen, die nicht am Stundengebet teilnehmen, haben die Liturgiereformer von 1969 die Anti­phonen auch als „Ruf vor dem Evangelium“ in den Novus Ordo Missae übernommen. Dabei haben sie die Texte jedoch teilweise verstümmelt und im übrigen nicht bedacht, daß ihre „Reformen“ dazu führen könnten, die Bereitschaft zur täglichen Teilnahme an der Meßfeier nicht zu erhöhen, sondern enorm zu verringern: Auch im Advent bleiben viele Pfarrkirchen an den Werktagen gähnend leer.

Im Unterschied zu anderen Antiphonen des Breviers sind die O-Antiphonen nicht einem bestimmten Kalendertag zugeordnet, sondern sie werden an den Sieben Tagen vor Weihnachten gebetet und verändern mit dem Weihnachtsfest ihren Platz im Kalender. In diesem Jahr beginnen sie daher mit Dienstag, dem 17. Dezember.

Neben den sieben quasi kanonischen O-Antiphonen waren zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten alternative oder zusätzliche Versionen in Gebrauch – insgesamt sind derzeit 23 davon bekannt. René Strasser hat für das Hymnarium eine Reihe von ihnen zusammengetragen und übersetzt - Interessenten finden sie in den Scholien zu O virgo virginum, der einzigen, die wir in den regulären Text unserer Sammlung aufge­nommen haben. Diese – zumindest die dort veröffentlichten – sind allerdings weder formal noch inhaltlich mit den Originalen aus der Liturgie des lateinischen Offiziums vergleichbar. Anders als diese richten sie sich in der Regel nicht an den als Messias erwarteten Erlöser und Weltenherrscher selbst, sondern an die Gottesmutter, den Erzengel Gabriel oder andere Instanzen der Heilsgeschichte, denen aber keine göttliche Stellung zukommt. In ihrem theologischen Gehalt bleiben sie weit hinter den Originalen zurück.

Kennzeichnend für diese „Originale“ ist, daß sie in ihrem Wortlaut unverkennbar auf allgemeine Denkfiguren oder exakt identifizierbare Passagen aus dem Alten Testament zurückgreifen, diese Passagen aber aus der Perspektive des um seine künftige Erlösung flehenden Volkes Israel herauslösen und unter dem Blickwinkel des vollzogenen Erlö­sungswerkes neu interpretieren. Gleichzeitig wird die sehr stark auf irdische Verhältnisse gerichtete Erlösungshoffnung Israels ins Metaphysische gewendet: Nicht mehr die von babylonischer Versklavung und römischer Fremdherrschaft unterdrückten Juden der Zeit vor der Ankunft des Herrn, sondern das bereits befreite neue Volk Israel, das sich der nur durch eigenes, persönliches Verschulden fortdauernden Knechtschaft in der Beherrschung durch die Sünde bewußt geworden ist, erhebt in den O-Antiphonen seine Stimme. Ansatzpunkte für einen Vergleich dieser Perspektiven, der hier zunächst nicht angestellt werden kann, finden sich in dem erfreulicherweise recht ordentlichen Wikipedia-Artikel zu den O-Antiphonen.

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