Der Jesuiten-Papst
24. April 2025

St. Igantius als Weltenmissionar
– hier japanisch
In der angelsächsischen Welt ist inzwischen eine Fülle lesenswerter Nachrufe und Lebensbeschreibungen von Papst Bergoglio erschienen. Das deutschsprachige Angebot bleibt demgegenüber bislang bescheiden. Wir sind daran, einen Überblick über die wichtigsten Wortmeldungen weltweit zusammenzustellen; sie soll bis Ende der Woche erscheinen.
Eine bemerkenswerte Besonderheit unter den bisherigen Nachrufen stellt ein Artikel dar, den Richard Reno unter der Überschrift „Der Jesuitenpapst“ in der von ihm als Chefredakteur geleiteten Zeitschrift „First Things“ veröffentlicht hat. Reno widmet sich dem ansonsten weitgehend unbeachtet bleibenden Elefanten im Wohnzimmer: Der Tatsache, daß mit Bergoglio erstmals ein Angehöriger der Jesuiten, denen nach ihrer Satzung die Ausübung kirchlicher Leitungsämter verboten und die Pflicht zum unbedingten Gehorsam gegenüber dem Papst auferlegt ist, selbst nach dem Papstamt gegriffen hat und dieses in bislang unerhörter Weise wahrgenommen hat. Die konkreten Ausführung Renos zur „jesuitischen“ Amtsführung von Franziskus bleiben dennoch wenig aufschlußreich – aber seine sehr „kurzgefasste Einführung in das jesuitische Selbstverständnis“ ist für alle, die sich bisher wenig mit dieser zu Recht als mitschuldig am Niedergang der Kirche in der Moderne betrachteten Gemeinschaft befasst haben, überaus aufschlußreich. Wir haben diesen Teil seines Artikels übersetzt und an einigen Stellen mit eigenen Anmerkungen ergänzt.
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Die Gesellschaft Jesu wurde vor fast 500 Jahren gegründet und entwickelte sich rasch zum einflussreichsten (und gefürchtetsten) Orden im Europa der Nachreformation. Franziskus war der erste Jesuit, der auf den Stuhl des Heiligen Petrus gewählt wurde – ein historischer Meilenstein, der seine Amtszeit als oberster Hirte der katholischen Kirche prägte.
Historiker werden zurückblicken und die besonderen Erfolge und Misserfolge seiner zwölf Jahre als Papst abwägen. Doch Ton, Tenor und Tendenz seiner Führung der Kirche spiegelten die unverwechselbare Persönlichkeit der Gesellschaft Jesu wider, geprägt von seinem eigenen hitzigen Temperament.
Jesuiten sind Macher. Ihre Ausbildung fördert dies. Im Mittelpunkt ihrer Ausbildung stehen die Geistlichen Übungen, ein Meditations- und Gebetsschema, das vom Gründer der Gesellschaft Jesu, dem heiligen Ignatius von Loyola, entwickelt wurde. Die Übungen finden in Einsamkeit statt. Ihr Ziel ist es, Gott unmittelbar zu erleben, damit der angehende Jesuit Gottes besondere Mission für sich und nur für sich selbst verstehen kann. Ich habe eine achttägige Version der Geistlichen Übungen absolviert. (Die 30-tägige Version ist für Jesuiten in verschiedenen Stadien ihrer Ausbildung vorgeschrieben.) Ich kann berichten, daß sie ein sehr wirksames Werkzeug sind, um zu erkennen, wozu Gott einen berufen hat.
Die Folgerung, daß bei diesem Meditationsprozess tatsächlich das herauskommt, „wozu Gott einen berufen hat“, ist natürlich extrem kurzschlüssig. Das mag für große Heilige zutreffen, die bereits ein Leben lang in Worten und Taten daran gearbeitet haben, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun – auch wo er dem eigenen Willen widerspricht. Für uns Feld-, Wald- und Wiesen-Sünder besteht die große Gefahr, nur eine verfeinerte Form der eigenen Wünsche und Begierden als Gottes Willen zu vermeinen – und diese falsche Meinung dann mit ungebremster Wucht gegenüber allen Andersmeinenden durchsetzen zu wollen: Wir sind ja von Gott gesandt. Das im folgenden Satz gebrauchte „heilig“ vor Zielstrebigkeit ist daher zu streichen.
Die Wirkung dieser Ausbildung ist heilige Zielstrebigkeit, die oft zu Ungeduld gegenüber Hindernissen führt, selbst wenn diese in moralischen und religiösen Pflichten begründet sind.
So erlaubte der heilige Ignatius den Ordensmitgliedern beispielsweise, von der historischen Pflicht der Geistlichen, das Stundengebet, das sogenannte Brevier, zu sprechen, abzusehen, wenn ihre apostolische Mission es erforderte. Matteo Ricci, ein Jesuit, der im 16. Jahrhundert nach China ging, verzichtete bekanntermaßen auf die klerikale Kleidung und nahm die Erscheinung eines konfuzianischen Weisen an, um die chinesische Elite besser missionieren zu können.
Hier möchte man gerne dem himmlischen Dialog zwischen dem heiligen Ignatius und dem heiligen Benedikt lauschen, der seinerzeit streng angeordnet hatte: Nichts ist dem Gottesdienst vorzuziehen. Und mit „Gottesdienst“ meinte er nicht eine (gar selbst ausgesuchte) Tätigkeit im Weinberg des Herrn, sondern das gesungene Gotteslob in der Liturgie der Gemeinschaft.
Im 17. und 18. Jahrhundert schlichen sich Jesuiten in die Königshöfe ein und galten als anspruchslose Beichtväter. Ihnen wurde Doppelzüngigkeit vorgeworfen, insbesondere hinsichtlich ihrer eigenen Aktivitäten. In dieser Zeit entstand der Begriff „jesuitisch“ - damit ist die feinsinnige Fähigkeit gemeint, Verbote in Erlaubnisse zu verwandeln. All dies und mehr ähnelte der Aufhebung der Pflicht zum Stundengebet durch den Heiligen Ignatius: Man muss tun, was nötig ist, um die von Gott aufgetragene Mission zu erfüllen.
Das Pontifikat von Papst Franziskus zeugte von der Ungeduld der Jesuiten gegenüber einschränkenden Traditionen und einschränkenden Regeln.
Den hierzu erforderlichen eigenen Artikel werden wir vielleicht einmal nachholen, wenn wir uns dieser Herkulesaufgabe mehr gewachsen fühlen. Nur als Stichwort: Die erste Aufgabe des Nachfolgers Petri ist nicht das „Machen“, sondern das Schützen und Bewahren.
Die in der Folge in diesem Licht vorgetragenen folgenden Ausführungen zum Pontifikat sind wenig erleuchtend. Hier ein noch einigermaßen passables Beispiel:
Die meistgelesene Enzyklika von Papst Franziskus war Laudato Si . Auch sie war politisch geschickt. Behandeltes Thema war Umweltschutz, insbesondere Klimawandel. Dies stellte eine Abkehr von Ehe, Abtreibung und Sexualethik dar, Themen, die von Papst Johanes Paul II. und Papst Benedikt behandelt wurden. Die katholischen Lehren zu diesen Themen sind bei den westlichen Eliten unbeliebt. Im Gegensatz dazu sind sie vom Klimaaktivismus begeistert, und stellenweise klingt Laudato Si wie ein UN-Gremium zum Klimawandel. Dennoch enthält die Enzyklika auch etwas, das im Grunde einer Verurteilung der westlichen kapitalistischen und technologischen Kultur gleichkommt. Wieder einmal ein bemerkenswerter politischer Schachzug: sich an die westlichen Eliten anzubiedern und gleichzeitig die wirtschaftlich-kulturellen Grundlagen ihrer Macht zu untergraben.
„Politisch geschickt“ ja das war es wohl, und es hat dazu geführt, daß nun ein beträchtlicher Auftrieb von Politkern nach Rom gereist ist, um ihre Sympathie mit dem Verstorbenen zu demonstrieren. Aber ist „politisch geschickt“ wirklich Bestandteil der Arbeitplatzbeschreibung des Nachfolgers Petri, der seinerzeit wegen seiner vielen Ungeschicklichkeiten kopfüber gekreuzigt worden war?
Der Artikel Renos schließt mit den folgenden Absätzen, von denen wir nicht genau sehen, ob sie eher Bewunderung oder eher Distanz zum verstorbenen Papst Bergoglio zum Ausdruck bringen wollen. Immerhin: Dem letzten dieser Absätze können wir uns vorbehaltlos anschließen.
Die Argentinier haben einen Witz über General Juan Perón. Er sitzt auf dem Rücksitz seiner Limousine, als sie sich einer Kreuzung nähert. Der Fahrer lehnt sich zurück und fragt: „Generale, wo soll ich abbiegen?“ Perón antwortet: „Links blinken, rechts abbiegen.“ Derselbe Witz ließe sich über viele Jesuiten erzählen.
Papst Franziskus war Peronist und Jesuit. Sein Pontifikat bestand aus zwölf Jahren des Manövrierens, mal geschickt, mal weniger geschickt. Alles wurde instrumentalisiert, einschließlich Lehre, Synodenversammlungen, kirchliche Ämter und mehr. In dieser Hinsicht war das Pontifikat rein persönlich und ruhte auf dem Mysterium dessen, wozu Gott Jorge Bergoglio als Soldaten Christi berufen hatte. Infolgedessen stirbt der besondere Charakter des Pontifikats mit ihm und hinterlässt kaum etwas außer unserem Erstaunen.
Ich bete für den Frieden der Seele von Papst Franziskus. Möge er in den Armen Christi ruhen, dem er so leidenschaftlich dienen wollte.
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