Vom Triregnum zu Pallium und Fischerring
17. Mai 2025

Investitur mit dem Pallium bei Papst Benedikt
Am Sonntag den 18. Mai findet in Rom die zeremonielle „Amtseinführung“ von Papst Leo XIV statt. Diese im Rahmen einer heiligen Messe gefeierte „Investitur mit Pallium und Fischerring“ tritt an die Stelle der zum letzten Mal 1963 begangenen Krönungszeremonie, die nicht mehr stattfindet, seitdem Paul VI. Im November 1964 die dreifache Krone des „Triregnums“ für wohltätige Zwecke verschenkt und damit zwar nicht de jure, aber doch de facto abgelegt hatte. Das war ein Akt, der nicht nur dem Geist des Konzils entsprach, sondern auch dem neuzeitlichen Verständnis von Kirche und Papstamt entgegen kam und der deshalb auch kaum jemals wird rückgängig gemacht werden können. Das Zeitalter der Kronen und der Könige „von Gottes Gnaden“ ist Geschichte, und mit den modernen Monarchen und Oligarchen wie Bill Gates, Georg Soros oder Xi Jinping wird sich kein Nachfolger Petri vergleichen wollen und können.
Eine Zeremonie der „Amtseinführung“ erscheint demgegenüber durchaus zeitgemäß, auch wenn der neue Papst sein Amt tatsächlich nicht erst bei dieser Gelegenheit antritt, sondern bereits im Augenblick der Annahme der Wahl rechtsverbindlich übernommen hat. Auch Papst Leo hat bereits in der zu Ende gehenden Woche Bischofsernennungen vorgenommen, ohne die Amtseinführung abzuwarten. Die offizielle Zeremonie hat vor allem das Ziel, die bereits erfolgte Amtsübernahme noch einmal öffentlich zu dokumentieren und die Bedeutung des Amtes durch Zeichen und Symbole zu unterstreichen. Auch die Sinnhaftigkeit der aktuellen Regelung, diesen Vorgang im Rahmen einer heiligen Messe in die geistliche Dimension des hohepriesterlichen Papstamtes einzubinden, ist mehr als augenfällig.
Nachdem Kronen jeder Art weitgehend weitgehend außer Gebrauch und vielfach in Mißkredit geraten sind, verwendet die gegenwärtige Liturgie als Zeichen und Symbole der Übernahme des Papstamtes das (erz)bischöfliche Pallium und den Fischerring. Diese wurden zwar auch früher schon von den Päpsten getragen bzw. genutzt, spielten aber keine besondere Rolle in der stark an säkularen Vorbildern orientierten eigentlichen Krönungszeremonie. Wenn der Papst zur Krönung kam, war er bereits zuvor mit Pallium und Fischerring ausgestattet worden. Das Aufsetzen der dreifachen Krone war einerseits äußeres Zeichen des dem Papst zukommenden Weihe-, Lenkungs- und Hirtenamtes, signalisierte andererseits aber auch den Anspruch auf Überordnung der geistlichen über die weltliche Gewalt und die besondere Stellung des Papstes als „Vater der Fürsten und Könige, Haupt der Welt und Statthalter Jesu Christi“, wie es in der alten Krönungsformel hieß.
Quasi als Gegengewicht zu diesem hohen weltlichen Anspruch war die traditionelle Krönungszeremonie mit einem eindrucksvollen Bild der Begrenzung und Abhängigkeit der päpstlichen Würde von der göttlichen Einsetzung seines Amtes verbunden: Während der Prozession zum Krönungsthron versperrte dreimal ein Bettelmönch den Weg des Papstes, verbrannte auf einer hohen Schale ein Bündel Werg zu Asche und rief dazu mit Grabesstimme: Bedenke, daß du Staub bist und zum Staub wirst du zurückkehren. Da man annahm, diese Zeremonie habe nach dem Wegfall des Anspruchs auf weltliche Oberherrschaft keinen Sinn mehr, wurde sie zusammen mit der Krönungszeremonie abgeschafft – eine Entscheidung, die nach den Erfahrungen mit dem Pontifikat von Leos Vorgänger vielleicht zu überdenken wäre.
Im übrigen folgen die Zeremonien der „Amtseinführung“ in vielem dem Vorbild der alten Krönungszeremonie – außer daß das als nicht mehr zeitgemäß empfunde Symbol der dreifachen Krone durch das Pallium als Zeichen der Amtsgewalt und den Fischerring als Signet der apostolischen Nachfolge Petri ersetzt wurde. Man kann darin – trotz aller sonstigen Fehlgriffe der Ritenreformer nach dem 2. Vatikanum – ein durchaus gelungenes Beispiel für „Entweltlichung“ der Kirche sehen. Bei der Anlegung des Palliums wird bei der Zeremonie am 18. Mai in lateinischer Sprache das folgende Gebet gesprochen:

Möge der Gott des Frieden, der unseren Herrn Jesus Christus, den großen Hirten der Herde, von den Toten heraufgeführt hat, dir dieses Pallium vom Grab des Apostels Petrus verleihen. Der Gute Hirte beauftragte Petrus, seine Lämmer und Schafe zu weiden, und heute folgst du ihm als Hirte der Kirche, deren Väter im Glauben er und der Apostel Paulus waren. Möge der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dir seine überreichen Gaben von Weisheit und Beredsamkeit gewähren, damit du in deinem Dienst deine Brüder in der Einheit des Glaubens stärken mögest.
Das Gebet zur Übergabe des Rings lautet:

Allerheiligster Vater, Christus, der Sohn des lebendigen Gottes und Hirte unserer Seelen, der diese Kirche auf dem Felsen erbaute, gewährt dir diesen Ring, das Siegel des Fischers Petrus, der auf dem See von Galiläa seine Hoffnung auf ihn gesetzt hat und dem der unser Herr Jesus die Schlüssel des Himmelreichs anvertraute. Heute trittst du die Nachfolge des heiligen Apostels Petrus als Bischof dieser Kirche an, der wies der Apostel gelehrt hat, in der Einheit der Liebe vorsteht. Möge der Geist der Liebe, der in unsere Herzen ausgegossen wird, dir in deinem Dienst die Stärke und Freundlichekit verleihen, um alle, die an Christus glauben, in der Gemeinschaft der Einheit zu vereinen.
Beide Gebete, die dem offiziellen Missalette zur Einführungsmesse entnommen sind, scheinen uns nicht nur in ihrer Betonung des Amtes als „Bischof von Rom“ noch sehr den Geist des vorhergehenden Pontifikats zu atmen. Anders als Franziskus hat Leo selbst in den bisher von ihm unterzeichneten Dokumenten seinem Namen die traditionelle Markierung „pp“ zugefügt, die für „pastor pastorum“ steht und deren Verwendung alleine dem Papst vorbehalten ist.
Die Messe, in deren Verlauf der neue Papst mit den Insignien seiner hohen Stellung bekleidet wird, entspricht im Wesentlichen dem Grundmuster des Novus Ordo, wenn dort Weihen oder andere sakramentale Handlungen nach dem Einzug und vor dem Wortgottesdienst eingeschoben werden. Bei katholisch.at gibt es eine recht ausführliche Darstellung von Ablauf und Inhalt. Ebenso aufschlußreich ist jedoch auch ein Blick auf die bei You Tube abrufbaren Videos von den Amtseinführungen der Päpste Johannes Paul II (sehr kurz), Benedikt und Franziskus (beide wohl ungekürzt). Bei Johannes Paul II. und dessen Nachfolger Benedikt beginnen die Video-Aufzeichnungen der Feierlichkeit jeweils mit einem stillen Gebet am Petrusgrab unter dem Petersdom, wo auch das Pallium des zukünftigen Papstes bereits einige Tage aufbewahrt worden war – wie in der neueren Zeit auch sonst die vom Papst den Erzbischöfen zu verleihenden Pallien. Bei Franziskus ist dem noch eine halbe Stunde vorgeschaltet, die zeigt, wie er mit dem Papamobil über den Petersplatz fährt und mehrfach „Bad in der Menge“ nimmt.
Das Pallium für Benedikt war in Anlehnung an mittelalterliche Formen als eine Art weit über die Schulter herunterreichende Stola ausgeführt und unterschied sich dadurch deutlich von der kleineren Ausführung für die Erzbischöfe. Nachdem Benedikt zweimal beim Besteigen von Treppenstufen über dieses lange Teil gestolpert war, wurde auch sein Pallium wieder mehr der kleineren Form angenähert, von der es sich allerdings in Größe und Farbgebung weiterhin unterschied. Papst Franziskus nahm bei seiner Amtseinführung ebenfalls ein solches Pallium entgegen und trug es auch bei der dann folgenden Messfeier. Ansonsten hat er aber soweit feststellbar nur noch ein einziges weiteres Mal ein Pallium getragen, und das in der schlichteren „erzbischöflichen“ Form. Wie Leo XIV mit diesem Symbol der hohepriesterlichen Würde und Amtsvollmacht umgehen wird, bleibt abzuwarten.
Der Fischerring dagegen war – wenn man das so prosaisch ausdrücken kann – lange ein echter Gebrauchsgegenstand, der bis ins 19. Jahrhundert zur Beglaubigung wichtiger Dokumente genutzt wurde. Nach dem Tod eines Papstes wird traditionell die Wohnung des Papstes mit dem Fischerring des Verstorbenen versiegelt – danach wird der Ring zerbrochen.Das Amt und all seine Vollmachten sind erloschen, der Stuhl Petri ist vakant.
Die feierliche Investitur mit dem – quasi von Petrus bzw. seinen Reliquien selbst geweihten – Pallium und Siegelrings mit dem Bild des Fischers bietet starke Zeichen für Inhalt und Bedeutung des päpstlichen Amtes und führt insoweit die Symbolik von zwei der drei Kronreifen des früheren Triregnums weiter – unter Verzicht auf den damit in Mittelalter und früher Neuzeit verbundenen säkularen Machtanspruch. Die Überreichung dieser beiden Amtsinsignien selbst fand sowohl bei Benedikt als auch bei Franziskus am gleichen Ort statt wie bei Paul VI. die Krönung: Vor dem Haupteingang des Petersdoms. Im Anschluß daran erfolgt auch in der neuen Form des Ritus eine ein Zeremonie, in der zwölf Vertreter aller Stände und Regionen der Weltkirche dem neuen Papst Gehorsam geloben. So war es zumindest bei Papst Benedikt, der darin dem traditionellen Vorbild folgte. Bei Franziskus waren waren nur Zwölf Kardinäle an dieser Gelöbnis beteiligt – was insoweit nachvollziehbar erscheint, weil der Gehorsam, der der Klerus dem Papst schuldet, noch einmal etwas anderes ist als die „kindliche Folgsamkeit“, zu der die katholischen Laien aufgerufen sind. Nach dieser Zeremonie wird die Hl Messe mit den Lesungen fortgesetzt.
Zu erwarten ist, daß Papst Leo XIV dem hier skizzierten Ablauf im wesentlichen folgen und darauf verzichten wird, eigene spektakuläre Neuerungen vorzunehmen. Das Amt für die Vorbereitung und Durchführung der päpstlichen Zeremonien fungiert nach wie vor in der Besetzung, die es zuletzt unter Franziskus hatte, und Papst Leo hatte wohl in den vergangenen Tagen anderes zu tun, als dort einzugreifen.
- Direkt zum Zeitpunkt der Übergabe der Insignien im Video von Papst Benedikt
- Direkt zum Zeitpunkt der Übergabe der Insignien im Video von Papst Franziskus
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