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Peter Kwasniewski:
Warum Papst Leo uns Mut machen kann

27. Mai 2025

6 - Kirchenkrise

Porträtaufnahme von P. Kwasniewski vor dunkelgrünem Landschaftshintergrund;

Peter Kwasniewski

Mein Rat für eine langfristige Heilung und Wie­der­herstellung der Kirche wäre dieser: Eine mäßige Dezentralisierung, die Pflege des eige­nen geistlichen Lebens und der Eifer, Traditionen vor Ort wiederherzustellen, sei es in der Liturgie, in der Katechese, im Heimunterricht, in den schönen Künsten und in allem anderen. Dazu rate ich, weil ich das für richtig halte und weil ich glaube, daß die täglichen Attacken auf Ketzer oder Gei­steskranke in hohen Positionen in den sozialen Medien schnell zu einer sinnlosen Übung in der Empörung werden können, da sie offensichtlich keine positiven Auswirkungen auf die Hierarchen selbst haben. (Vielfach bewirken solche Stiche in ein Wespennet nur, den Angegriffenen weitere Vorwände für ein hartes Vorge­hen gegen Widerspenstige zu liefern).

Ich glaube, wenn die Menschen Leo XIV. eher als eine Art Johannes Paul II. betrachten würden – mit all den guten und schlechten Seiten, die dieser an sich hatte – und nicht als den lang erwarteten Papst, der „das Auenland aufmischen“ wird, würden sie weitaus weniger enttäuscht und könnten Schläge viel besser wegstecken – und sogar das Gute wertschätzen, wenn es kommt.

Jeder Papst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil war eine Art „bunte Mischung“, mit Ausnahme von Franziskus (den ich nicht als „bunte Mischung“, sondern als reine Kata­trophe betrachte). Sie alle haben zum Beispiel einen wackeligen interreligiösen Dialog gefördert; das ist ganz normal. Darüber Schock oder Entsetzen auszudrücken, ist wie Überraschung darüber, daß Filme heutzutage meist dumm, geschmacklos und anstößig sind.

Was mich als jemanden, der die jahrzehntelange Dynamik und den langsamen Wieder­aufbau der Kirche an der Basis betrachtet, mehr interessiert, ist der Ton des Pontifikats, die Atmosphäre, das Ambiente, die Signale, die Räume, die durch die Art und Weise des Auftretens des Papstes eröffnet werden . Sagen wir es so: Sobald ein Papst ein schönes Gewand trägt, öffnen sich weltweit Tausende von Sakristeien, und schöne Gewänder werden wieder hervorgeholt. Dieser kleine Welleneffekt wird, wenn er sich wiederholt, langfristig größere Folgen haben als Händeschütteln mit orange gekleideten tibetischen Mönchen oder was auch immer das aktuelle Treffen im Vatikan ist.

Das mag zynisch klingen, als würde ich die Bedeutung dessen, was der Papst sagt und tut, herunterspielen oder abwerten. Aber ich möchte lediglich darauf hinweisen, daß lang­fristig nicht die schnell wieder vergessene Tagesordnung im Vatikan entscheidend sein wird, sondern die vom Papst vermittelte Meinung darüber, was auf lokaler Ebene getan werden kann und was nicht, was dort getan werden sollte und was nicht. In diesem Be­reich kann man wohl sagen, daß wir bereits einen gewissen positiven „Leo-Effekt“ erlebt haben, und ich gehe davon aus, daß er anhalten wird.

Schon die Erleichterung darüber, den schrecklichen Franziskus nicht mehr über sich zu haben, reicht aus, um manche Bischöfe etwas entspanter agieren und manche Priester ihre Bemühungen intensivieren zu lassen.

Ich habe bereits gesagt, daß Leo XIV. zwangsläufig Fehler machen wird. Wir alle auch. Ich habe bereits zugegeben, daß ich Bedenken hinsichtlich seines Pontifikats habe. Wir alle auch. Ich habe offen erklärt, daß ich dennoch glaube, daß wir mit ihm um Längen besser dran sind als mit seinem Vorgänger, und daß ich bereit bin, einige Enttäuschungen hin­zu­nehmen, wenn dadurch Zeit für den Generationenwechsel und die Förderung der Tra­di­tion an der Basis gewonnen wird. Das ist es, was die Kirche im Laufe der Zeit verän­dern wird, nicht ein Superhelden-Papst, der „die Irrtümer des Zweiten Vatikanischen Konzils“ (was auch immer diese genau sein mögen) verdammt und Franziskus zusammen mit Honorius in die Hall of Shame verbannt. (...)

Wir werden vielleicht eines Tages einen solchen Papst haben – ich habe ihn Gregor XVII. genannt, den Autor der imaginären Enzyklika Ut Impleretur Instauratio –, doch wenn uns dieser Segen zuteil werden soll, müssen wir selbst diejenigen sein, die ihn hervorbringen: Gregor XVII wird aus einer traditionellen Familie stammen, aus einem Milieu, in dem der Glaube mit voller Integrität, aber auch mit menschlicher Anständigkeit und einem ausgewogenen Maß an Normalität geglaubt und gelebt wird. Wahrscheinlich kommt er aus einer Familie, die Internet und Smartphones meidet. Genauer gesagt: Er wird kom­men, weil der Weg von unzähligen Katholiken bereitet wurde, die sich im täglichen Gebet und in der Buße heiligen und würdig geworden sind, daß ihre Gebete für einen mächti­gen Papst der Orthodoxie erhört werden. Denn auch dies ist traditionelle katholische Lehre: Gebete sind umso wirksamer, je frömmer diejenigen sind, die sie sprechen.

Wenn es jemals Erneuerung geben soll, dann nicht durch ständige Beschäftigung mit Päpsten und Bischöfen, sondern dadurch, daß man, komme was wolle, das Wichtigste an die erste Stelle setzt: „Betet den Herrn in der Schönheit der Heiligkeit an.“ Folgt dem Herrn auf diesem Kreuzweg und lasst die Toten die Toten begraben – lasst die toten Dokumente unter ihrer immer größer werdenden Last begraben werden, lasst die toten Beispiele im Nichts der Fußnoten der Historiker verdunsten, schaltet die künstlichen Beatmungsgerät der Liturgiereform ab und lasst sie sterben. (...)

Pragmatisch gesehen ist der Papst nicht so mächtig, wie wir denken, und wir sind mäch­tiger, als wir denken. Das ist die Neuausrichtung, die ich meine.

Wenn Katholiken überall, insbesondere der Klerus, die Tradition in ihrem eigenen Wir­kungsbereich immer stärker annehmen würden – bereit, jede vorübergehende Verfol­gung oder Schande, die dies mit sich bringen würde, zu akzeptieren, ja sogar sich darüber zu freuen –, würde die Erneuerung, auf die wir hoffen und nach der wir uns sehnen, voranschreiten und unaufhaltsam werden. Es ist nichts anderes als die Ängstlichkeit vor Ort, die verhindert, daß die Initiative an Fahrt gewinnt.

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Der Text ist die Übersetzung eines leicht gekürzten Auszug aus dem Wochenrückblick von P. Kwasniewski auf seiner Substack-Seite Tradition and Sanity vom 23. Mai.