Summorum Pontificum.de

Traditionis Custodes“ und die unterschiedliche Situation der „alten Messe“
in den USA und Deutschland

09. Juli 2025

1 - Liturgie

Das photo zeigt den Priester im Moment der Elevation der Hostie vor einem reich mit Gold Geschmcückten Tabernakel.

Der Priester ist nur Stellvertreter, nicht „Präsident“

Die Veröffentlichungen von Diane Mon­tag­na und Don Nicola Bux über die „Unregelmäßigkeiten“ beim Zustande­kommen dieses Dokuments haben der Ausei­nandersetzung über diesen bislang stärksten Vorstoß, die überlieferte Liturgie aus dem Gemeindeleben zu verbannen, neuen Anstoß gegeben. Das gilt besonders für die USA, und das hat seine Gründe. Zum einen war es in den USA unter dem Einfluß von Summorum-Pontificum weitaus stärker als in anderen Ländern dazu gekommen, daß glaubenstreue Angehörige des Pfarrklerus die Schätze der alten Messe entdeckten, ihre Riten erlernten und diese Messe dann auch im regulären Gottes­dienstprogramm ihrer Gemeinden anboten. Damit fanden sie vielerorts großen Anklang; die Zahl der Messbesucher nahm zu, auch die Spendenerträge, und im Lauf der Jahre auch die Berufungen. Das gleiche gilt für die beträchtliche Zahl – man hört von 70 bis 80 – der Pfarreien, die von traditionsnahen Bischöfen Angehörigen der traditionellen Prie­sterbruderschaften anvertraut worden waren. Die Seelsorge nach der überlieferten Lehre und Liturgie nahm einen unerwarteten Aufschwung.

Sowohl in den Pfarreien, die von Priestern der Bruderschaften betreut wurden, als auch da, wo der Ortsklerus die traditionelle Liturgie als zusätzliche Option anbot, fanden die Gottesdienste beider Traditionen selbstverständlich in der Pfarrkirche statt – die „alte Messe“ oft als letzte oder am frühen Nachmittag, um die gewohnten Zei­ten für den Novus Ordo beizubehalten und den teilweise aus größerer Entfernung hinzu­kommenden „Altgläubigen“ genug Zeit zu geben, ihre 6 – 8 Kinder in den Van zu packen und einigermaßen wohlbehalten ans Ziel zu bringen. Oft trafen sich dort Angehörige der beiden Gruppierungen auf dem Parkplatz oder in der zu jeder US-Gemeinde gehörenden Sonntagscafeteria – man stritt sich nicht, sondern praktizierte ein ganz normales Ge­mein­deleben.

Solche Normalität ist den Liturgiekriegern von St. Anselmo, die bei Franziskus und Litur­giepräfekt Roche stets ein offenes Ohr fanden, regelrecht verhaßt – und sie gingen daran, die überlieferte Liturgie, wenn man sie schon nicht geradewegs verbieten konnte, aus den Pfarrkirchen (und die Altgläubigen Messbesucher aus der sonntäglichen Cafe­teria) zu vertreiben. Diese Vertreibung ist in den USA besonders wirkungsvoll. Vor allem in den ländlichen Gebieten sind die Pfarreien oft sehr ausgedehnt, und es gibt weit und breit keine „Nicht-Pfarrkirchen“, in die die Gläubigen der überlieferten Form ausweichen können. In den Großstädten sind die Pfarreien zwar kleiner, und wegen der in den letz­ten Jahren zunehmenden Zahl von Gemeindezusammenlegungen gibt es theoretisch auch überall nahegelegene Nicht-(mehr) Pfarrkirchen, in die man ausweichen könnte. Aber oft liegen diese Kirchen in Gegenden, die vom rapiden demographischen Wandel so nachteilig betroffen wurden, daß die alten Katholiken weggezogen sind und neue noch nicht einmal für einen Kurzbesuch am Sonntagvormittag anreisen wollen. Außerdem haben viele Amerikaner ein eher unsentimentales Verhältnis zu ihren Kirchengebäuden: Wenn sie nicht mehr gebraucht werden oder die Erhaltung zu teuer wird, verkauft man sie. Platz für Parkplätze wird immer benötigt…

Das heißt auch: Es gibt in den USA viel seltener als in Deutschland halbwegs erreichbar gelegene Nicht-Pfarrkirchen. Von daher bringt in Diözesen wie Charlotte die buchsta­ben­getreue Anwendung von Traditionis Custodes für viele Gläubige erhebliche Probleme. Eine baldige Revision dieses unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erlassenen Gesetzes hat daher große Dringlichkeit. Vielleicht ist sie ja sogar stillschweigend schon im Gange.

Die deutsche Situation ist demgegenüber völlig verschieden. Um zwei besonders wichtige Punkte hervorzuheben: Pfarreien, in denen der Ortsklerus neben dem Novus Ordo auch die überlieferte Liturgie zelebriert oder die vom Bischof einer Priesterbruderschaft zur Betreuung anvertraut worden sind, gibt es praktisch so gut wie gar nicht. Zum zweiten wird das Angebot an altrituellen Sonntagsmessen fast ausschließlich von Priestern dieser Gemeinschaften erbracht, die außerhalb der Gemeindestruktur tätig sind und denen der Bischof schon vor Jahren eine mehr oder weniger geeignete Nicht-Pfarrkirche, von denen es oft reichlich gibt, zur Nutzung zugewiesen hat.

Bischöfe, die der Tradition gegenüber wohlwollend oder gleichgültig sind – allzu viele sind das nicht – nehmen dazu manchmal recht ansehnliche ehemalige Pfarrkirchen. Ande­re verweisen die in ihren Augen ohnehin zum Aussterben bestimmten Tradis auf Spitalkapellen oder gleich auf die Friedhöfe. Kontakte oder Konflikte zwischen Alt­gläu­bigen und den in Deutschland oft stark in häretischer Richtung abdriftenden Neugläu­bigen gibt es unter diesen Umständen kaum, die Gefahr der Übertragung vorkonziliarer Viren ist gering. Nicht nur wegen fehlender Kontaktflächen, sondern weil vielerorts die Gemeindereferent*innen und Co ganze Arbeit bei der Immunisierung geleistet haben.

Für die deutschen Bischöfe – auch und besonders für die mehrheitlich in häretische Richtung tendierenden – waren mit der im geschilderten Sinne erfolgten Umsetzung von Summorum Pontificum die Liturgiekriege beendet. Damit konnten sie leben. Traditionis Custodes war unter diesen Umständen nur ein potentieller Störfaktor für ihre weiter­ge­hen­den Vorhaben – Stichworte synodaler Weg, Relativierung der Sakramente, Ende des „Pflichtzölibats“ und Einführung des Frauenpriestertums mit dem Endziel des Zusam­mengehens einer so erfolgreich säkularisierten Rest-Staatskirche mit den bereits weiter fortgeschrittenen protestantischen Rest-Landeskirchen. Das ist das große Projekt – und dabei wollten sie sich nicht durch ein Wiederaufleben der aus ihrer Sicht erfolgreich ruhiggestellten Liturgiekriege stören lassen.

Traditionis Custodes wurde in Deutschland ebenso stillschweigend und erfolgreich igno­riert wie so viele andere römische Vorgaben der letzten Jahrzehnte. Soweit zu erfahren, wurde hierzulande kein einziger Gottesdienstort für die überlieferte Liturgie in Folge von TC geschlossen – ob etwa in einzelnen Orten Wechsel von der einen in eine andere Kirche angeordneten wurden, ist öffentlich nicht bekannt und wäre auch kein Grund zu großer Skandalisierung. Die Deutsche Bischofskonferenz und ihr Einflußbereich bleiben bei der in den letzten Jahren eingehaltenen Linie, die überlieferte Liturgie und deren Anhänger einschließlich der Priesterbruderschaften – in Deutschland ist das fast aus­schließ­lich die Petrusbruderschaft – zu ignorieren. Mal mehr, öfter weniger wohlwollend. Diese Zurückhaltung galt bisher nicht für die amts- und staatskirchliche Publizistik, die stets beflissen zur Stelle war, wenn Franziskus wieder einmal eine seiner berüchtigten Schimpftiraden gegen Tradis, Indietristen, Konzilsgegner und andere Kirchenschädlinge von sich gab, zu deren Abwehr er sich zum Erlass von TC gezwungen sah.

Hier zeichnet sich jetzt möglicherweise eine Veränderung ab: Die beiden bisher auf katholisch.de erschienen Artikel zur neu entfachten Diskussion um TC sind wohltuend sachlich – was bei katholisch.de leider keine Selbstverständlichkeit ist. Teilweise sogar gegenüber der Tradition wohlwollend, was nun wirklich eine Überraschung darstellt. In einem ersten (ungezeichneten) Artikel vom 2. Juli schreibt die Redaktion:

Es begint ein Zitat

Die von Benedikt XVI. eingeführte Vereinfachung der Feier der vorkonzi­lia­ren Liturgie habe "die gleiche Würde der beiden Formen desselben römischen Ritus bekräftigt und damit die Voraussetzungen für einen echten liturgischen Frieden geschaffen, auch im Hinblick auf eine mögliche zukünftige Einheit der beiden Formen".

Im Folgenden unterstützt sie auch das, was man bisher schon über die Stellungnahme der DBK zur vatikanischen Umfrage lesen konnte:

Es begint ein Zitat

In den exemplarischen Rückmeldungen aus dem Fragebogen wird auch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit zwei Antworten zitiert. Darin wird festgehalten, daß das derzeitige Angebot an Messen in der außerordentlichen Form den pastoralen Bedürfnissen der Gläubigen entspreche. Die anfäng­lichen Konflikte um die Einrichtung von Messen in der außerordentlichen Form seien in den letzten Jahren friedlich gelöst worden. Daher komme die DBK zu einer positiven Bewertung der Umsetzung des Motu proprio Sum­morum pontificum: "Die bisherige Praxis hat sich bewährt und sollte aus pastoralen Gründen nicht geändert werden." Auf Anfrage zur Authentizität der Zitate teilte die DBK gegenüber katholisch.de mit, daß sie aus internen Dokumenten ihrerseits nicht informieren werde.

Ausführlicher und noch einmal positiver äußert sich dann in einem freilich als persön­liche Position gekennzeichneten Standpunkt katholisch.de-Redakteur Felix Neumann unter der Überschrift „Liturgische Vielfalt bereichert die Kirche – auch die "Alte Messe"“ noch einmal zum Thema. Daraus zitiert:

Es begint ein Zitat

Wäre das so schlimm, Franziskus' Reform zu korrigieren, etwa durch ein Zu­rück zu den Regeln Benedikts XVI.? Fast genau vor vier Jahren ist das Motu proprio Traditionis Custodes erschienen, mit dem Franziskus die Freunde der Alten Messe gegen sich aufbrachte. Nach diesen vier Jahren zeigen sich die Auswirkungen: Die damals vom Papst geäußerte Hoffnung auf eine Befrie­dung von Konflikten hat sich nicht erfüllt. Die Fronten haben sich verhärtet – nicht zuletzt aufgrund der kleinteiligen und kleinlichen Ausführungsbestim­mungen aus dem Liturgiedikasterium: Selbst ob Alte Messen im Pfarrbrief erscheinen dürfen, hat Rom geregelt. Und daß eine Verbannung aus den Pfarrkirchen keine Spaltungen abbaut, hätte von Anfang an erkannt werden müssen.

Heute ist klar: Traditionis Custodes ist gescheitert, und nicht die pastoral kluge Lösung von Summorum Pontificum – und angesichts der Rückmeldungen von damals hätte man das vorher wissen können. Furcht vor liturgischen Varian­ten ist unbegründet. Was spaltet, ist nicht Vielfalt, sondern Ausgrenzung. Tat­sächlich hat der von Franziskus propagierte eine römische Ritus schon jetzt vielfältige Formen: die alten Varianten des Mailänder und des mozarabischen Ritus stehen neben den neuen, inkulturierten Messformen im Kongo, in Au­stralien und Mexiko. Liturgische Vielfalt bereichert die Kirche. Alte und neue Liturgie können sich gegenseitig befruchten.

Auch an diesen Sätzen hätte ein unreformierbarer Indietrist wie unsereins das eine oder andere auszusetzen – aber die generelle Richtung stimmt, und derlei im inoffiziellen Zentralorgan der deutschen Bischöfe zu lesen, berechtigt zu der Erwartung, daß der seit Jahren in Deutschland bestehende status quo in den liturgischen Auseinandersetzungen – empfinde man ihn nun als befriedigend oder unbefriedigend – von dieser Seite her zumindest nicht in Frage gestellt wird. Und zwar unabhängig davon, ob und gegebenenfalls wann Rom sich zu einer Neubewertung der aufgeworfenen Fragen bereit findet.

Ohne solche Veröffentlichungen überzubewerten, ist es doch interessant, einmal kurz über möglicherweise dahinterstehende Motive zu spekulieren. An erster Stelle steht hier vermutlich das Interesse, die Zahl der innerkirchlichen Konfliktfelder zu begrenzen. Das Programm des Synodalen Weges enthält schon genug Reibungspunkte – die muß man nicht durch Auseinandersetzungen auf einem aus deutschkatholischer Sicht wenig be­deu­tenden Randgebiet vermehren. Zudem passt die von der DBK demonstrierte Gleich­gültigkeit gegenüber TC auf widersprüchliche Weise durchaus ins größere Bild: Sie demon­striert auch hier den Anspruch auf „Unabhängigkeit von Rom“. Gleichgültig, wie Rom sich zu bestimmten Fragen entscheidet und dekretiert – die DBK macht das, was ihr ins Kalkül passt – und wenn sie dabei einmal mit Benedikt und gegen Franziskus Punkte gewinnen zu können glaubt, ist ihr das auch recht.

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Ergänzung am 10. Juli: Wie kaum anders zu erwarten, hat es keinen vollen Tag gedauert, bis einer der strengen Unglaubenswächter in der Redaktion den Abweichler Neumann streng ermahnt und auf die Einhaltung der Parteilinie verweist. Hier zwei Abschnit­te aus dem Artikel von Björn Odendahl, die die ganze Fadenscheinigkeit der „Argumente“ er­kennen lassen, die Vertreter dieser Richtung gegen die Verteidiger der Tradition vorzu­bringen haben – und wie weit sie sich bereits von der Lehre entfernt haben, die Christus seinen Aposteln und deren Nachfolgern anvertraut hat.

Die "Alte Messe" (ist) nicht einfach Teil der liturgischen Vielfalt der Kirche oder eine kulturell bedingte und regional gefeierte Sonderform.

Vielmehr ist die "Alte Messe" häufig die liturgische Ausdrucksform einer in­ner­kirchlichen Parallelgesellschaft. Mit ihr einher gehen dann auch die Ableh­nung anderer Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Überhöhung des Priesteramts, die Geringschätzung von Laien im Allgemei­nen und von Frauen im Besonderen. Kurzum: Anhänger der "Alten Messe" haben nicht selten ein anderes Kirchen- und Weltbild, das geprägt ist von ei­ner Romantisierung der Vergangenheit.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Papst Leo XIV. einige der Ausführungsbe­stim­mungen von "Traditionis custodes" lockern wird, um die Anhängerschaft der "Alten Messe" zu befrieden. Eine gänzliche Rücknahme des Dekrets wäre allerdings ein fatales Zeichen dafür, dass ein rückwärtsgewandtes Kirchenbild ein selbstverständlicher Teil unserer Kirche ist.

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